Inhaltsverzeichnis
1. Entdeckung
2. Namen und Etymologie
3. Quellen des Euphrates
4. Oberlauf des Euphrates
5. Mittellauf des Euphrates
6. Unterlauf des Euphrates
7. Mündungen des Euphrates
8. Hydrographie und Verwandtes
9. Erzeugnisse des Euphrates
10. Kanäle und Sammelbecken
11. Andere Wasserbauten
12. Politische Verhältnisse
13. Ortschaften am Euphrates
Euphrates. 1) Εὐφράτης (hsl. auch Eufrates), ion. Εὐφρήτης (Herodot. Abydenos bei Euseb. praep. evang. IX 41. Nonn. Dionys. VI 348. XXIII 82. XL 392. XLIII 409. Dion. Per. 977. 1003. Zonar. epit. XIII 13. 14; Suidas erklärt die ionische Form durch die andere), größter Strom Westasiens, noch jetzt Euphrat genannt.
§ 1. Die Bekanntschaft der Griechen mit dem E. datiert, soweit wir zu urteilen vermögen, von den Perserkriegen her. Herodot ist der älteste griechische Schriftsteller, bei dem wir den Namen nachweisen können. Noch näher gebracht wurde die Kenntnis des Stromes durch den Feldzug des jüngeren Kyros (401), später durch Alexanders Siege und die von ihm veranlaßten geographischen Forschungen (331–323). In den Gesichtskreis der Römer kam der E. durch die Kriege mit den Seleukiden, die damit endeten, daß Syrien dem römischen Reiche als Provinz einverleiht (65 v. Chr.) und der E. für Jahrhunderte hinaus – von einzelnen Unterbrechungen abgesehen – Reichsgrenze wurde.
§ 2. Namen und Etymologie. Nach Ps.-Plut. de fluv. 20, 1 hätte der E. ursprünglich Xarandas, dann Mēdos geheißen. Über zwei andere Namen vgl. unten § 4. Hesychs Angabe, daß der E. bei den Juden Ἐδδεκέλ heiße, beruht natürlich auf Verwechslung mit dem Tigris. Die hebräische und syrische Form ist vielmehr Pērāth, wonach mittelpers. Frat und arab. Furāt. Auf die griechische Form geht armen. Ēfrat zurück.
Das Wort Pĕrath hat die jüdische Etymologisierungskunst mehrfach beschäftigt. Philon leg. alleg. I 23 deutet den Namen als καρποφορία (so auch Onomast. Coislin. in Onomastica sacra ed. Lagarde 164, 65. Hieron. de situ ebd. 80, 17 frugifer; 5, 16 frugifer sive crescens), denkt also an hebr. פרה ,Frucht tragen, blühen‘ oder פרה von ähnlicher Bedeutung. Josephos (ant. I 39: καλεῖται δ' ὁ μὲν Εὐ. Φοράς, σημαίνει δ' ἤτοι σκεδασμὸς ἢ ἄνθος, danach Zonaras ann. I 2) stellt neben dieser Etymologie noch die Ableitung von פרד (im Hiph'īl ,zerstreuen‘) zur Wahl. Noch eine dritte Etymologie bietet Onomast. Vatic. (ed. Lagarde a. a. O. 191, 46): διασκεδασμὸς ἢ καρποφορία ἡ σωτηρία, wo offenbar noch an פרט ,fliehen, sich retten‘, hebr. pĕlētāh ,Rettung‘, jüd.-deutsch plaite gedacht ist. Noch zu erwähnen wäre die etymologische Spielerei des Rabbi Ašī (Talmūd Bĕrākhōth 59 b; vgl. Midraš Bĕrēṡīth rabbā par. 16), der Pĕrāth habe seinen Namen daher, weil seine Wasser pārīn urabbīn ,fruchtbar [1196] und groß‘ seien. Auf die allegorischen Deutungen des Namens bei Philon de somn. II 255, im Onomast. Vatic. (ed. Lagarde a. a. O. 174, 1) und in den Glossae Colbert. (ebd. 202, 68) sei hier nur hingewiesen. Der arabische Name Furāt ist Fremdwort, hat aber, obwohl er sich eng an die Grundform anschmiegt, bei dem großen Reichtum der arabischen Sprache in dieser selbst eine linguistisch einwandfreie Etymologie: ,Süßigkeit‘, von faruta ,süß sein (vom Wasser gesagt)‘, vgl. z. B. Jacut Geogr. Wörterb. s. v.
Schwierigkeiten bereitete die Erklärung des Übergangs von hebr. Pĕrāth in griech.-lat. Euphrates. St. Morinus (De paradiso terr. S. 25, in S. Bocharti Phaleg.4 Lugd. Bat. 1707) u. a. glaubten, das hebräische Pronomen hū, das Gen. 2, 14 zufällig vor Pĕrāth steht, sei mit diesem verschmolzen worden, und beides zusammen habe der griechischen Form als Vorbild gedient. Andere (z. B. H. Relandus De situ paradisi terrestris, Traj. ad Rh. 1726 § 21) sahen in dem Εὐ- eine Entstellung des pers. āb ,Wasser‘, so daß E. ,das Wasser Phrat‘ bedeuten sollte. Erst die Entzifferung der Keilinschriften hat über das gegenseitige Verhältnis der hebräischen und der griechisch-lateinischen Form Licht verbreitet. Hiernach geht hebr. Pĕrāth direkt auf assyr. Purattu zurück, dieses aber wohl auf sumerisch Buranunu, unter welchem Namen der E., zusammen mit dem Tigris, bereits in Inschriften aus dem 4. Jahrtausend erwähnt wird. Die Deutung des sum. Buranunu als ,großer Fluß‘ (Frdr. Delitzsch Wo lag das Paradies?, Leipz. 1881, 171ff.) ist nicht unwahrscheinlich. Die assyr. Form Purattu wurde aber auch die Mutter der neususischen (Upratu) und der altpersischen (Ufrātu, gesprochen wohl Hufrātu). Höchst wahrscheinlich hatte diese Form auch innerhalb der altpersischen Sprache eine Etymologie, wie die arabische Form innerhalb des Arabischen. Deutungen versuchten H. C. Rawlinson (Journ. R. Asiat. Soc. XI 84): ,the good and abounding (river)‘, Th. Benfey (Pers. Keilinschriften 1847 S. 76): ,sehr breit‘ (so auch J. Oppert Journ. asiat. IV. Sér. XVII 1851, 426) und F. Spiegel (Eran. Altertumskunde I, Leipz. 1871, 150 Anm. 1; Altpers. Keilinschriften2, Leipz. 1881, 211f.): ,gute Furten besitzend‘. Keine dieser Deutungen befriedigt; nur die erste Silbe des Wortes ist klar: hu-; es entspricht lautgesetzlich und in Bezug auf den Sinn genau griech. εὖ, eine Tatsache, die dem Griechen, welcher den Namen Εὐ. zum erstenmal anwendete, bekannt gewesen sein muß (über ähnliche Erscheinungen vgl. Fick Bezzenbergers Beiträge XXIV 310). Über die altägyptischen Bezeichnungen des Stromes s. W. M. Müller Asien u. Europa nach altägypt. Denkmälern, Leipz. 1893, 253ff.
§ 3. Quellen des Euphrates. Daß der E. in Armenien entspringt, wußte schon Herodot (I 180; vgl. Polyb. IX 43, 1. Dion. Per. 978. Prisc. 905. Nikephor. geogr. syn., Geogr. gr. min. II 467). Genauer geben Plinius n. h. V 83. Solin. 37, 1 und Ptolem. V 12, 3 Groß-Armenien an. Nach Iordan. Get. 7, 53 befindet sich die Quelle im Kaukasos, nach Strabon XI 521 im nördlichen Tauros, und zwar am Berge Ἄβος (XI 527; vgl. Eustath. ad Dion. a. a. O.), wofür Domitius Corbulo bei Plinius Aba in der Praefectur Caranitis [1197] angibt. Statt dessen nennt Licinius Mucianus daselbst den Berg Capotes (Solinus: Catotes), 12 Milien oberhalb von Zimara (Solinus: Zima).
An demselben Berge wie der E. entspringt auch der Araxes (Strab. XI 527), der deshalb als Bruder des E. bezeichnet wird (Steph. Byz. s. Εὐφρατίς). Die Quellen beider Ströme sind nur sechs Milien von einander entfernt, Plin. n. h. VI 26 (vgl. Solin. 15, 19, wo aber keine bestimmte Zahl angegeben ist). Bei Orosius adv. pag. I 2, 38 heißt der Berg, von dem E. und Araxes entspringen, Parcohatra. Der Name ist offenbar identisch mit Paruerdes der Tab. Peut., dem Παρυάδρης ὄρος bei Ptolem. V 12, 2 und den montes Pariedri in Armenien bei Mart. Cap. VI 690. Dagegen läßt der letztgenannte VI 681 den Strom am Berge Capotes in Syrien entspringen (vgl. Orph. lith. 262: Συριηγενής).
E. und Tigris kommen aus Armenien, Sallust. bei Hieron. de situ ed. Lagarde a. a. O. 117, 11ff. und bei Isid. orig. XIII 21, 10. Curt. Ruf. V 13. Philostr. Apoll. I 20, 2 (von einem Tauros-Ausläufer). Der Abstand ihrer Quellen beträgt 2500 Stadien (Strab. XI 521. Chrest. Strab. XI 31. Diod. II 11, 1; vgl. auch Curt. V 13). Nach Prokop. b. Pers. I 17 befinden sich dagegen die Quellen an einem und demselben Berg, 42 Stadien nördlich von Theodosiopolis. Aus einer und derselben, in Persien gelegenen Quelle lassen Lucan. Phars. III 257 und Boëth. de cons. V 1 die beiden Ströme E. und Tigris entspringen.
An den E.-Quellen vorbei floh Mithridates Eupator von Pontos im J. 66 v. Chr., nachdem ihm Tigranes von Armenien die Aufnahme verweigert hatte, nach Kolchis (Plut. Pomp. 32, 7. Appian. Mithr. 101). Auch Xenophon (anab. IV 5, 2) muß mit seinen Zehntausend auf dem Rückzug den Strom in der Nähe der Quellen überschritten haben.
Nach Iul. Honorius 11 und Aethicus cosm. I 11 entsteht der E. durch die Vereinigung der beiden Flüsse Axius (auch Acxius, Auxius geschrieben) und Pactolus, und zwar soll der erstere im armenischen Gebirge entstehen und den Kaukasus durchströmen, während der zweite anscheinend im Kaukasus selbst entspringe.
Durch den Einfluß des Christentums gewann die biblische Ansicht (Gen. 2, 14) an Boden, wonach der E. und der Tigris nebst zwei anderen großen Strömen direkt aus dem Paradiese kämen, Euseb. Onom. ed. Lagarde a. a. O. 252, 4f. Geogr. Rav. I 8 (der dabei gegen die fallaces pseudo-cosmographos eifert). Hieron. a. a. O., auf Sallustius sich stützend, hat zwar seine Bedenken gegen diese Ansicht, verschweigt sie jedoch klüglich. Dagegen rettet der Verfasser der geographischen Exzerpte bei Dionys. Byz. ed. Wescher (append. II) p. 122 Bibel und Wissenschaft durch Annahme von Karstbildung im Paradiese; E. und Tigris sollen nach ihm allerdings ihren Ursprung im Paradiese haben, dann aber unter der Erde verschwinden und erst am Tauros wieder zum Vorschein kommen. Theodoretos quaest. in Genes. 29 weiß auch einen sehr einleuchtenden Grund dafür: damit nicht die Menschen am E. aufwärts ziehend ins Paradies gelangen können.
Die moderne Geographie unterscheidet zwei ungefähr gleich ansehnliche Quellströme des E., [1198] den westlichen (besser nördlichen), türkisch Kara-Su, und den östlichen (besser südlichen) E., türkisch Murâd-Su. Es ist möglich, daß mit den bei Iulius Honorius und Aethicus genannten Quellflüssen Axius und Pactolus diese beiden gemeint sind. Sowohl Kara-Su als auch Murâd-Su entstehen aus einer Anzahl ungefähr gleich starker Quellbäche, so daß es schwierig ist, zu entscheiden, welcher als die eigentliche Quelle zu gelten hat. Der Kara-Su wird nach jetziger Anschauung aus den Wasseradern des Dümlü-Dagh, nördlich von Erzerûm, gebildet, erhält aber auch einen Zufluß von dem weiter östlichen Kirečlü-Dagh, an dessen Ostseite Quellbäche des Aras (Araxes) entspringen. Hiernach würden also diese beiden Gebirge dem Abos (Aba) und dem Parcohatras entsprechen; vgl. aber unten § 4 die abweichende Stellung des Ptolemaios. Der Name Caranitis ist in Karin, der armenischen Bezeichnung der Umgegend von Erzerûm, erhalten; Theodosiopolis ist entweder in Erzerûm selbst oder in unmittelbarer Nähe zu suchen. Die Entfernungsangabe bei Prokopios (42 Stadien) paßt recht gut. Dagegen beruhen seine Mitteilungen über die Tigrisquellen, die weder hier noch am Ala-Dagh, dem Quellgebirge des Murâd-Su, liegen, auf Mißverständnis. Über die Quellen des Kara-Su vgl. M. Wagner Reise nach Persien I 1852, 223ff. W. Strecker Ztschr. d. Ges. f. Erdk. IV 157ff. A. J. Ceyp Globus LIX 349f. 1891 (Plagiat aus Wagner a. a. O.!). E. Naumann Vom Goldnen Horn zu den Quellen des E., München 1893. H. F. B. Lynch Armenia, 2 Vols., London 1901.
§ 4. Oberlauf des Euphrates. Nach Prokop. a. a. O. verschwindet der E. unterhalb seiner Quellen in einer Art Sumpf von wunderbaren Eigenschaften. Seine Oberfläche ist fest, so daß ihn Fußgänger und Reiter ungefährdet passieren können. Er ist dicht mit Rohr bewachsen, das von den Anwohnern jährlich in Brand gesteckt wird, weil es den Weg versperrt. Erreicht das Feuer die Wurzeln, so kommt das Wasser auch wohl zum Vorschein, um alsbald wieder von festem Schlamm überdeckt zu werden. Dieses Gebiet soll eine Länge von 50 und eine Breite von 20 Stadien haben. Auch Mela III 77 scheint auf diesen Sumpf anzuspielen. Offenbar handelt es sich um das sog. Sazlyk, nördlich von Erzerûm, einen mit Rohr bewachsenen sumpfigen Teich oder Schilfwald, wie ihn neuere Reisende schildern (Ritter Erdkunde X 749. Strecker a. a. O. 159). Dieser Rohrsumpf mag früher ausgedehnter gewesen sein. Der E. hat in seinem Oberlauf den Charakter eines wilden Gebirgsstromes. Die Gebirge des armenischen Alpenlandes (Tauros, Antitauros) und der Amanos nötigen ihn zu mehreren großen Bogen und zahlreichen kleineren Windungen. Zuweilen wird das Tal so eng eingeschnürt, daß an den steil und hoch emporstrebenden Felsenwänden kein Raum zu einem Wege bleibt. Tief unten stürmt der Fluß mit großem Getöse (celer et fremens, Mela III 77) dahin. Ähnliches gilt von den zahlreichen Nebenflüssen, die ihm die Berge zusenden (Strab. XVI 742), namentlich dem größten, dem Arsamas (s. d.), welchen die neuere Geographie als den anderen Quellstrom des E. betrachtet. Außer dem Arsamas, den Prokop. a. a. O. Arsinos nennt, erwähnt [1199] Plinius n. h. V 84 noch den Lycus, den Arsanus und § 86 den angeblich von Westen bei Samosata einmündenden Marsyas, Ptol. V 12, 3 einen ungenannten großen östlichen Nebenfluß, und V 6. 7 einen westlichen, namens Μέλας, der aber, wie der gleichnamige bei Strab. XII 538 (vgl. Chrest. Strab. XI 31) auf Irrtum beruhen dürfte. Der ungenannte östliche Nebenfluß kann kein anderer sein, als der Arsanias; Ptolemaios läßt ihn 10 Breitenminuten südlich vom Berge Abas (V 12, 2) entspringen. Genaueres über die hier und weiter genannten Nebenflüsse s. bei den einzelnen Artikeln. Erwähnt seien noch die beiden unerklärten Namen Pyxurates und Omma, Plin. n. h. V 83f. Ersterer soll dem E. an seiner Quelle eignen, letzterer an der Stelle, wo er den Taurus zu durchbrechen beginnt. Vgl. W. Tomaschek Festschrift f. H. Kiepert (Berlin 1898) 137ff.
§ 5. Mittellauf des Euphrates. Nachdem der E. den Tauros durchbrochen und, oberhalb Samosata, seine letzten Wasserfälle gebildet hat (Plin. n. h. V 85), beginnt er den zweiten Teil seines Laufes. Die Hochgebirge bleiben zurück, aber eine fast ununterbrochene Kette niedrigerer Berge begleiten ihn zu beiden Seiten, bald weiter zurücktretend, bald näher herankommend, so daß die Breite seines Tales auch hier in geringen Grenzen beständig wechselt. Seine Richtung ist zunächst südwestlich (apud Claudiopolim Cappadociae cursum ad occasum solis egit Plin. n. h. V 85). Schon Mela III 77 bemerkt richtig, daß der E. in ,unsere Meere‘ münden würde, wenn ihm nicht das Gebirge, welches er Taurus nennt, entgegenstünde. Tatsächlich nähert sich der Strom dem Mittelmeere bis auf 145 km, biegt dann aber nach Süden um, weiter nach Osten, wodurch das sog. mesopotamische Parallelogramm entsteht (vgl. K. Regling Beitr. z. alt. Gesch. I 443ff.). Die fernere Richtung des E., die bis zur Mündung beibehalten wird, ist im allgemeinen südöstlich. Nebenflüsse werden folgende erwähnt: von Westen Singas, Ptolem. V 14, 7, und Is, Herodot. I 179, bei der Stadt gleichen Namens (jetzt Hît), wohl nur ein unbedeutender Wâdī; von Osten Balicha (jetzt Belîḫ), der das mesopotamische Parallelogramm nach Osten abschließt, und Chaboras (jetzt Ḫābūr), bei Xen. anab. I 4, 9 Araxes genannt. Unterhalb des Ḫābūr empfängt der E. von links keine Nebenflüsse mehr. Der Saokoras, Ptolem. V 17, 3, muß demnach auf Mißverständnis beruhen, desgleichen der Maskas, Xen. anab. I 5, 4, der vielleicht einen Arm des Hauptstromes darstellt. Gerade der mittlere Lauf des E. zeigt an vielen Stellen Inselbildung; eine Anzahl Namen von Inseln, die meist mit Ortschaften und sogar Festungen besetzt waren, sind überliefert. So erwähnt Isidor. Char. mans. Parth. 1 eine Insel mit der Schatzkammer des Phraates, ferner Ἀναθώ (Ammian. Marc. XXIV 1, 6 Anatha). Θιλαβούς und Ἴζαν νησόπολις, alle vier zwischen der Ḫābūr-Mündung und Ἀείπολις, dem heutigen Hīt. Zosimos III 14 gedenkt zweier verschanzter Inseln, von denen die eine bei der Stadt Phathusas, die andere etwas stromabwärts davon gelegen war. Unbestimmt ist die Lage der E.-Insel Συρβανή Asin. Quadr. bei Steph. Byz. s. v. Die Stadt [1200] Korsote, Xen. anab. I 5, 4, muß gleichfalls auf einer Insel gelegen haben, da sie vom Maskas rings umflossen gewesen sein soll. Vgl. Černik Petermanns Mitteilungen Ergänzungshefte 44 u. 45.
§ 6. Unterlauf des Euphrates. Unterhalb des heutigen Rumādîje treten die Anhöhen am Westufer weit zurück; auch das linke Ufer flacht sich ab, und nur an einigen wenigen Stellen ist die große Alluvialebene zwischen E. und Tigris durch natürliche Hügel von geringer Höhe unterbrochen. Die Nebenflüsse haben vollständig aufgehört; dafür zweigen ungezählte Kanäle ab und entziehen dem Hauptstrom große Mengen Wasser. Schon Polybios IX 43, 2 erklärte die Erscheinung, daß der E., je weiter er fließt, desto wasserärmer wird, richtig mit der Wasserabgabe an die Kanäle. Da der E. höher liegt, als der Tigris, ergießen die meisten Kanäle sich in den letzteren (Arrian. anab. VII 7, 3; vgl. Cass. Dio LXVIII 28). Beide Ströme kommen sich am nächsten bei der Mauer der Semiramis und dem Dorfe Opis, nämlich auf etwa 200 Stadien (Eratosth. bei Strab. II 80), nach anderer Angabe (ebd. XVI 746) bei Seleukeia, und zwar auf wenig mehr als 200 Stadien. Die größeren Kanäle machten auf manche den Eindruck natürlicher Flußarme. So sprechen Ammian. Marc. XXIII 6, 25 und Theoph. Sim. V 6, 4 von einer Dreiteilung, ersterer an einer anderen Stelle (XXIV 3, 14) sogar von einer vielfachen Gabelung des E.
§ 7. Mündungen des Euphrates. Gemäß Herodot. I 180 mündete der E. in das Rote Meer. Auch Diod. II 11, 2. Joseph. ant. I 39. Curt. V 15 und Zonar. ann. I 2 lassen E. und Tigris, ohne von einer Vereinigung beider zu sprechen, in das Rote Meer münden. Iul. Honorius 11 und Aethicus cosm. I 7 nennen statt des Roten Meeres den Persischen Meerbusen, Dionys. perieg. 981. Priscian. 907 und Nikeph. geogr. syn., Geogr. gr. min. II 467 dafür das Persische Meer, und zwar soll die Mündung nach den drei letztgenannten bei der Stadt Teredon liegen. Ammian. Marc. XXIII 6, II sagt, daß der E. sich post iacturas multiplices – die offenbar durch die verschiedenen Gabelungen (s. o. § 6) verursacht worden sind – bei Teredon mit dem Meere vermische.
Durch Alexanders Zug wurde Näheres über den Unterlauf und das Mündungsgebiet bekannt. Der Welteroberer hatte seinem Admiral Nearchos von Kreta befohlen, von der Mündung des Indos nach der des E. zu fahren, um so Genaueres über diese bis dahin den Griechen völlig unbekannten Gegenden zu erkunden (Diod. XVII 104, 3). In der Tat fuhr die Flotte von Indien aus, immer der Küste folgend, bis an die E.-Mündung, wo sie bei einem Dorfe des babylonischen Landes, namens Iridotis (s. u.), ankerte, Arr. Ind. 41, 6ff. Da Nearch hier seinen königlichen Herrn nicht traf, fuhr er wieder zurück bis zur Mündung des Pasitigris und diesen aufwärts bis nach Susa. Der Bericht des Flottenführers ist nur in Auszügen erhalten; aber gerade seine Angaben über die uns hier angehende Gegend leiden, obwohl er sie wiederholt befahren hat, an Unklarheiten, wobei es dahingestellt bleiben muß, ob diese von ihm selbst herrühren oder erst von den ihn benützenden Schriftstellern hineingetragen worden sind. So läßt Strabon XV 729 Nearch sagen, [1201] das ganze Gebiet zwischen den Mündungen des E. und des Pasitigris bedecke ein See, der den Tigris in sich aufnehme. Daraus würde sich ergeben, daß E., Tigris und Pasitigris in einen Meerbusen mündeten. So ist es aber nicht gemeint, denn bei der Reise von der E.-Mündung zu der angeblich 2000 Stadien entfernten Pasitigrismündung und weiter nach Susa ging die Fahrt an der susischen Küste entlang, die links blieb, und weiter an dem See vorbei, in welchen der Tigris mündet, Arr. Ind. 42, 2. Es handelt sich also um einen Binnensee, in den der Tigris fällt. Daß dieser nun gar keine Verbindung mit dem Meere gehabt hätte, ist eine geographische Unmöglichkeit, aber Nearch erwähnt keine. Ebensowenig wissen wir, ob er bei seiner späteren Fahrt den E. hinauf (Arr. anab. VII 19, 3. Zonar. ann. IV 14) bis Babylon eine Verbindung des E. mit dem Tigris beobachtet oder erwähnt hat. So erfahren wir also durch Nearch bezüglich des E. fast nichts, was wir nicht schon durch Herodot wüßten. Neu ist vor allem die Erwähnung des Ortes Iridotis (auch Diridotis geschrieben, Arr. Ind. 41, 6), den die übrigen Schriftsteller Teredon nennen, Onesikritos, der Steuermann von Alexanders Schiff, der Nearch auf der Fahrt von Indien nach Iridotis und Susa begleitete, wird ebenfalls von Strabon a. a. O. als Quelle angeführt. Nach seiner Angabe hätten sich alle Flüsse (nämlich: die Susa durchströmen, Choaspes und Eulaios), auch E. und Tigris, in jenen See vereinigt, der E. aber trete aus demselben wieder heraus und erreiche mit eigener Mündung das Meer. Hier ist allerdings die oben vermisste Verbindung des Binnensees mit dem Meere; aber sogleich zeigt sich eine neue Unklarheit. Mußte man diese Verbindung ohne weiteres als Fortsetzung des E. betrachten, oder hatte nicht jeder der übrigen drei Ströme, mindestens aber der Tigris, den gleichen Anspruch darauf? Polykleitos, der wahrscheinlich ebenfalls zu den Gefährten Alexanders gehörte, sagt (Strab. XV 728), Choaspes, Eulaios und Tigris vereinigten sich in einen See und ergößen sich von da in das Meer. Vom E. ist hier keine Rede. Noch andere endlich, deren Namen Strabon nicht nennt, behaupteten, daß alle Flüsse, welche die Susis durchströmen, in den Tigris mündeten, dazu auch die Zwischenkanäle des E., und daß der Tigris deshalb bei den Mündungen Pasitigris genannt werde. Bei dieser Mannigfaltigkeit der Angaben ist es nicht zu verwundern, wenn die Mitteilungen der verschiedenen von diesen abhängigen Schriftsteller ein sehr buntes Bild gewähren; jeder mußte sich seine Ansicht durch Annahme dieser und Weglassung jener Einzelheiten zurecht machen. Eratosthenes bei Strab. II 79 spricht von der Vereinigung des E. und Tigris, II 80 aber von den Mündungen des E. in den Persischen Meerbusen, XVI 766 endlich von Teredon und der Mündung des E. An anderer Stelle (XVI 741) handelt er von den Seen bei Arabien, die keine Abflüsse hätten, deren Wasser aber unterirdisch weiterfließe, um in Syrien wieder hervorzubrechen. Strabon, der die Richtigkeit dieser Anschauung bezweifelt, fügt hinzu, daß die Seen und Sümpfe bei Arabien durch die παρεκχύσεις des E. gebildet würden; auch sei es wahrscheinlicher, daß [1202] das Wasser, einerlei ob auf oder unter der Erde, sich nach dem nahen Persischen Meerbusen durchzwinge, als nach einer über 6000 Stadien entfernten Gegend. Genaueres über die Sümpfe und Seen bei Arabien erfahren wir durch Aristobulos, der ebenfalls die Geschichte Alexanders aus eigener Anschauung kannte und beschrieb. Aus der Vergleichung von Strab. XVI 741 und Arrian. anab. VII 21 ergibt sich, daß ein großer Kanal, namens Παλλακόττας (so ist herzustellen, s. u. § 10), aus dem E. das Hochwasser in Sümpfe und Seen, nahe bei Arabien, entführe. Ob die weiterhin von Arrian gebrachte Notiz, daß diese Sümpfe und Seen durch viele unsichtbare Mündungen mit dem Meere in Verbindung stehen, gleichfalls auf Aristobulos zurückgeht, ist ungewiß. Jedenfalls kam spätestens im 2. Jhdt. v. Chr. die Ansicht auf, daß der E. das Meer überhaupt nicht erreiche, sondern sich vorher in Sümpfe verliere. Als erster entschlossener Vertreter dieser Ansicht, zu der er jedenfalls durch sorgfältige Abwägung aller hierher gehörigen Überlieferungen gelangt war, ist Polybios (IX 43) zu nennen; auch suchte er die auffällige Erscheinung in einleuchtender Weise zu begründen, indem er auf die zahllosen Kanäle hinwies, die dem Hauptstrom das Wasser entzögen. Ihm schloß sich Mela III 77 an, der den E. ohne sichtbare Mündung versiechen läßt. Diese Ansicht wurde nachmals weiter ausgesponnen. Pausanias II 5, 3 gedenkt einer Überlieferung, wonach der E. in einen Sumpf verschwinde, um oberhalb Aethiopiens als Nil wieder zu Tage zu treten. Strabon selbst spricht dreimal (XI 521. 527. 529) von dem Einmünden des E. und des Tigris in den Persischen Meerbusen, und zwar in einer Weise, daß man anzunehmen hat, er habe sich die Mündungen beider getrennt gedacht.
Ein neues Moment in die Verwirrung bringt Plinius. N. h. V 50 berichtet er, daß der E. sich 594 Milien unterhalb Zeugmas, beim Dorfe Massice, in zwei Teile gable; der linke Arm fließe bei Seleucia in den Tigris, der rechte durch Babylon und Mothris (Motris, Othris, Otris) und verteile sich in Sümpfe. VI 159 gedenkt er einer arabischen Stadt Murannimal iuxta flumen per quod Euphraten emergere putant (womit wahrscheinlich der Pallakottas gemeint ist). § 99 nennt er bei der Aufzählung der Stationen Nearchs (nach Onesikritos und Iuba) auch ostium Euphratis, darnach lacus quem faciunt Eulaeus et Tigris iuxta Characen. § 130 gibt er die Entfernung zwischen E.- und Tigrismündung an, und zwar auf 25 Milien, nach anderen Quellen auf 7 Milien. ,Aber‘, fügt er hinzu, ,seit langem haben die Orchener und die Anwohner, welche die Felder bewässern, den E. abgedämmt (praeclusere), und er wird nur durch den Tigris ins Meer hinabgeführt‘ (vgl. Solin. 37, 6). So spricht er denn auch § 145 von der Vereinigung beider Ströme und § 146 von dem Orte, wo die restagnatio des E. mit dem Tigris zusammenfließt.
Arrian nennt anab. V 5, 5 als Beispiel für Flüsse, die in Sümpfen verschwinden, den E.; VII 7, 5 führt er diese Erscheinung auf den Wasserverlust durch die Kanäle und die Armut an atmosphärischen Niederschlägen zurück. Gleichwohl beschreibt er VII 20, 3ff. zwei Inseln, die gegenüber [1203] der E.-Mündung im Meere gelegen seien; die eine, welche Alexander (nach Aristobulos) Ikaria zu nennen befohlen habe, soll 120 Stadien von der Küste und der Flußmündung, die andere, namens Tylos, aber bei günstigem Winde eine Tages- und Nachtfahrt von der E.-Mündung entfernt gewesen sein. Auch Nearch bei Strab. XVI 767 scheint mit den ,Inseln vor dem E.‘ diese gemeint zu haben.
Appian. bell. civ. II 153 läßt den E. in den Pallakottasfluß einmünden, der ihn in Sümpfe und Seen ergieße. Philostratos spricht zwar Apoll. IV 58 von den Mündungen des E., aber I 20, 2 erwähnt er die Ansicht einiger, daß die Hauptmasse des E. in einem Sumpf verschwinde und der Fluß in der Erde endige. Andere behaupten sogar, fährt er fort, der Fluß ströme unterirdisch weiter bis nach Ägypten, wo er sich mit dem Nil vermische. Ptolemaios V 17, 1 läßt den E. weit oberhalb des Meeres in den Tigris münden, der sich dafür in geringer Entfernung vom Meere in zwei Arme teilt. Den Pallakottas nennt Ptolemaios nicht, wohl aber V 19 zwei vom E. nach rechts abgehende ,Flüsse‘, den Maarsares und ,den durch Babylon strömenden Fluß‘ (s. u. § 10), die sich in Seen und Sümpfe ergießen sollten. Iustin. XLII 3, 9 betrachtet den E. als den Hauptstrom, in dessen Sümpfe sich der Tigris ergieße. Auf der Tab. Peut. ist der Name E. nirgends genannt, wohl aber der Fluß selbst eingezeichnet. Derselbe sendet drei kurze Arme nach rechts aus, die in ein ringförmiges Wasserbecken, paludes genannt, einmünden. Dann teilt er sich in zwei Arme, die längere Zeit parallel nebeneinander herlaufen und durch sieben Kanäle verbunden sind. Der obere Arm nimmt dann den Tigris auf und fließt in ziemlich gerader Richtung weiter in den Ganges; der untere biegt in scharfem Knick um, fließt durch Babylon hindurch, das fast unmittelbar am Meer gezeichnet ist, und mündet als fl. Tygris in den Ozean. Kaum minder verworren sind die Angaben des Verfassers der geographischen Exzerpte bei Dionys. Byz. ed. Wescher (append. II) p. 122. Der E. bildet, wo er sich dem Persischen Meerbusen nähert, Sümpfe und Schilfmarschen, dann wird er um diese herumgedrängt und verschwindet. Der Tigris aber vereinigt sich περὶ Μασσαβάτας mit dem E., durchquert Babylon und mündet nahe bei Teredon in den Persischen Meerbusen. Cass. Dio LXVIII 28, 2 sagt, der E. münde in einen Sumpf und vermische sich von da aus irgendwie mit dem Tigris. Prokop. bell. Pers. I 17 läßt den E. einfach in den Tigris münden. Theoph. Sim. hist. V 6 endlich sagt, daß der Tigris sich in vollem Strome in das Persische Meer ergieße. Der E. aber, wenn er in diese Gegend kommt, teile sich in drei Arme, die verschiedene Namen trügen. Der eine Arm gable sich in eine Menge großer Kanäle und Gräben, wodurch er gewissermaßen verschwinde. Der zweite Arm ergieße sich nach Babylonien und verbreite sich in die Sümpfe Assyriens. Der dritte Arm fließe um Seleukeia herum und münde in den Tigris.
Die Aufgabe, die verschiedenen Nachrichten der alten Schriftsteller über das Mündungsgebiet von E. und Tigris in Einklang zu bringen oder zu erklären, gehört zu den schwierigsten Problemen [1204] der historischen Geographie. Selbst die Keilinschriften fördern uns hier nur wenig. Außerdem fehlt es noch an genauen Untersuchungen des Mündungsgebietes, namentlich der westlich sich bis zum Rande des arabischen Hochlandes erstreckenden Ebene. Bekanntlich vereinigen sich jetzt E. und Tigris bei der Stadt Gorne zu dem Šaṭṭ el-Ἁrab, der noch einen Weg von ungefähr 160 km bis zur Mündung in den Persischen Meerbusen zurückzulegen hat. Von Osten strömen ihm der Kerḫa (s. Choaspes) und der Karun (s. Eulaios) zu. Letzterer sendet kurz vor seiner Vereinigung mit dem Šaṭṭ drei Arme ins Meer, die sich wieder mehrfach verzweigen und so ein Delta bilden, das man gewöhnlich als E.-Delta bezeichnet, richtiger aber Karun-Delta nennen sollte. Ausgedehnte Sümpfe begleiten den E. und Tigris kurz vor ihrer Vereinigung (Hōr Abū Kelâm), den Kerḫa vor seiner Mündung (Hōr el-A'ẓem) und den Šaṭṭ (Hōr el-Ğezâir). Westwärts von der eigentlichen Mündung des Šaṭṭ liegen noch zwei Buchten, die durch die beiden dicht an einander gedrängten Inseln Bubian und Waraba geschieden sind: Ḫōr Ἁbdalla und Ḫōr Subbeje. Drei Creeks münden in sie, deren Verlauf aber noch nicht erforscht ist. So bleibt immerhin die Möglichkeit bestehen, daß der eine der beiden östlichsten Creeks einen alten Lauf des E. andeutet, wie dies Kiepert vermutete, als er den östlichsten mit einem bei Medina, oberhalb von Gorne vom E. abzweigenden Flußarm (Nahr Ἁntar, Nahr Șâleḥ) verband.
Der feste Punkt, von dem man bei der Untersuchung der ursprünglichen E.-Mündung auszugehen hat, ist die Insel Tylos, über deren Lage jetzt Zweifel nicht mehr möglich sind. Vgl. H. Bretzl Botan. Forschungen des Alexanderzuges (Lpz. 1903) 115ff. Tylos ist die heutige Insel Baḥrein, etwa in der Mitte des Persischen Meerbusens, nahe der arabischen Küste gelegen. Die Entfernungsangabe Arr. anab. VII 20, 6 (eine Tages- und Nachtfahrt von der E.-Mündung) paßt freilich schlechterdings nicht; kaum ein moderner Eildampfer würde diese Entfernung an einem Tage zurücklegen, mag man nun die E.-Mündung so weit südlich suchen als man will. Dagegen gibt Strabon XVI 766 den Abstand der Inseln Tyros (wie er schreibt) und Arados von Teredon auf zehn Tage an, was recht genau stimmt. Ist aber Baḥrein = Tylos, dann kann die Insel Ikaros (Arr. anab. VII 20, 4) oder Ikaron (Strab. XVI 766) nur auf dem Inselchen Felêčī gesucht werden. Die Entfernungsangabe Arr. anab. VII 20, 3 (120 Stadien von der Küste und der E.-Mündung) zeigt uns dann den Weg nach der E.-Mündung selbst, nämlich dem Südende des Ḫōr Subbeje. Wir hätten demnach wirklich in einem der beiden Creeks oberhalb des Inselchens Waraba den letzten Ausläufer des alten E.-Bettes zu erkennen. Wenn die von Plinius überlieferte Nachricht, daß die alte E.-Mündung schon lange vor seiner Zeit durch die Orchener verschlossen worden sei, zuverlässig ist – woran zu zweifeln ich keinen Grund sehe – so kann der alte Flußarm auch nicht in hydrographischem Sinne weitergearbeitet haben. Wir müssen also erwarten, daß die Küste sich hier seit zwei Jahrtausenden entweder gar nicht oder doch nur wenig, und zwar ausschließlich durch [1205] die Einwirkung der See, verändert hat. Dann müssen die Ruinen von Teredon hier am Ḫōr Subbeje gesucht und, falls sie nicht durch Springfluten weggeschwemmt sein sollten, auch noch gefunden werden. Daß die Stadt am Ğebel Senâm, südwestlich von Baṣra und mitten in der Wüste gelegen haben könnte (so Chesney Exped. for the survey of the Euphrates, Lond. 1850, II 355. Frdr. Delitzsch Wo lag das Paradies? S. 137 u. a.), halte ich für ausgeschlossen. Die Identität von Teredon und Diridotis ist von jeher angenommen worden. Die richtige Lesart dürfte Iridotis sein, wie eine Hs. wirklich bietet, und dieses Iridotis möchte ich mit Eridu, dem Namen einer alten babylonischen Stadt, zusammenstellen. Was wir über die Lage von Eridu wissen, beschränkt sich auf die Tatsache, daß sie am Meere gelegen war. Allerdings überliefert Abydenos bei Euseb. praep. ev. IX 41, daß Nebukadnezar Teredon gegründet habe; aber dabei könnte es sich recht wohl um die Wiederaufrichtung einer alten, durch feindliche Einfälle oder elementare Ereignisse zerstörten Stadt handeln. Der letztere Gedanke liegt besonders nahe, da unmittelbar vorher berichtet wird, daß Nebukadnezar die Überflutung des Roten Meeres durch Mauerbauten abgewehrt habe. Die bisherige Gleichsetzung Eridus mit dem Ruinenhügel Abu Sahrein, südwestlich von Sûḳ eš šeiûḫ, ist epigraphisch durch nichts gerechtfertigt; und wenn die Beschreibung Taylors, des bisher einzigen Besuchers jener Ruinenstätte (Journ. R. Asiat. Soc. XV 1855, 404ff.) zutrifft, dann ist es auch topographisch vollständig ausgeschlossen, daß jemals das Meer sich bis dahin erstreckt habe.
Der Umstand, daß der E. seine eigene Mündung am Ḫōr Subbeje hatte, schließt keineswegs aus, daß er auch mit dem Tigris in Verbindung stand. Aus den Angaben, daß E., Tigris, Choaspes und Eulaios in einen See einmündeten, ist zu folgern, daß dieser See einst noch etwas oberhalb von Gorne begann und sich nach Süden bis jenseits der Kārûn-Mündung, also wahrscheinlich bis über Muḥammera hinaus erstreckte. Als letzter Rest ist wohl der westlich vom oberen Šaṭṭ el-Ἁrab sich lang hinziehende Sumpf Hōr el-Ğezâir zu betrachten. Vielleicht handelt es sich hierbei auch um Überschwemmungsgebiet, das nur bei Hochwasser den Eindruck eines ausgedehnten Sees erwecken mußte. Am Nordende dieses Sees oder Sumpfes, also unweit vom heutigen Gorne, haben wir wahrscheinlich die babylonische Stadt Bab Salimeti zu suchen, die von dem assyrischen König Sanherib im J. 694 v. Chr. als Ausgangspunkt einer Expedition nach Elam gewählt wurde. Die assyrische Flotte segelte von ,der Flußmündung, wo der E. seine Wässer in das große Meer ergießt‘, nach der Mündung des Ulai (Eulaios), wo gelandet und eine Schlacht geschlagen wurde (s. Geo. Smith Hist. of Sennacherib, Lond. 1878, 89ff.). Will man nicht Bab Salimeti als Vorgängerin von Teredon betrachten und dem assyrischen König einen vom militärischen Standpunkt aus fast unverständlichen Umweg zutrauen, so bleibt nichts übrig als anzunehmen, daß er mit der E.-Mündung diejenige Stelle gemeint hat, wo der E. sich in den einstigen Binnensee ergoß. Vielleicht ist dieser See sogar noch zu Sanheribs Zeit ein schmaler Meerbusen gewesen, wie man [1206] vielfach (vgl. namentlich Delitzsch a. a. O. 147ff. and den Artikel Persicus sinus) angenommen hat. Über den Pallakottas s. u. § 10.
§ 8. Hydrographie und Verwandtes. Daß der E. zu den bedeutendsten Strömen der Erde gehört, entging den alten Schriftstellern nicht. Er wird deshalb oft mit anderen großen Strömen zusammengenannt, z. B. mit dem Nil. Luc. Phars. II 633, Ister u. a. Alkiphron ep. II 3, 15. mit dem Indos, Aur. Vict. Caes. 13, 3. mit dem Rhein, Senec. benef. III 29, 4. Diod. II 11 bezeichnet E. und Tigris als die ansehnlichsten Ströme Asiens nach Nil und Ganges; ähnlich Strab. XVI 739; Oros. adv. pag. II 65 nennt ihn sogar longe validissimus; als der zweite nach dem E. gilt ihm der Gyndes II 6, 2. Dem entsprechen dichterische Epitheta wie vagus E. Stat. silv. V 1, 89; rapidus ebd. III 2, 136; celer Claudian. VIII 388; tumidus VII 69. Venantius carm. 21, 8 überträgt seinen Namen auf den Egircius (Gallicus E.). Die Landschaft am oberen E. erinnert Prok. b. Pers. I 17 lebhaft an diejenige von Komana am Saros in Kappadokien.
Als Länge des E., welche heute auf 2600 km geschätzt wird, geben Strabon XVI 742 36000 Stadien, Plinius n. h. V 124 1200 Milien, Iul. Honorius 11 und Aethicus cosm. I 11, die den E. erst von der Vereinigung des Axius und des Pactolus rechnen, 862 Milien. Von Einzelmaßen seien erwähnt: E.-Mündung bis Babylon nach Nearchos bei Arrian. Ind. 41, 8 3300 Stadien, bei Strab. XVI 739 über 3000 Stadien, nach Nearchos und Onesikritos bei Plin. V 124 412 Milien, nach Eratosth. bei Strab. II 80 (vgl. Chrest. Strab. XVI 6) 3000 Stadien. Babylon-Thapsakos nach Eratosth. bei Strab. II 80. XVI 746 (vgl. Chrest. Strab. XVI 13) 4800 Stadien. Thapsakos-kommagenisches Zeugma (Samosata) 2000 Stadien, Eratosth. bei Strab. XVI 746. Chrest. Strab. XVI 14. Andere Entfernungsangaben (E.-Ganges usw.) s. Agathem. 15. 17. Eratosth. bei Strab. II 80. Artemidor bei Strab. XIV 663. Chrest. Strab. XII 8. 9 XVI 4. Plin. V 124. 126 u. a.
Die Breite des E. soll nach Xen. anab. I 4, 11 bei Thapsakos 4 Stadien betragen haben – eine gewaltige Übertreibung, weshalb einige Herausgeber στάδια in πλέθρα änderten. Maßvoller ist die Angabe Xen. Cyr. VII 5, 8, wonach der E. bei Babylon über 2 Stadien breit gewesen sein soll. Seine Tiefe soll hier mehr als zwei Mannslängen betragen haben; bei Thapsakos hätte keinem das Wasser bis über die Brust gereicht, und an der Stelle, wo die 10000 den E. beim Rückzug überschritten (Xen. anab. IV 5, 2), reichte das Wasser den Soldaten nur bis an den Nabel.
Die wichtigste hydrographische Erscheinung beim E. ist das jährliche Steigen und Fallen des Wassers. Schon die alten assyrischen Könige erwähnen das Hochwasser des E., z. B. Ašurnaṣirapal ann. III 64. Salmanassar II. ann. 27. 34 u. ö. Spätere Erwähnungen Ammian. Marc. XVIII 7. 9. Zonar. epit. XVI 8. 19. Theophan. cont. V 40. Nach Herodot. I 193 trete der Strom nicht, wie in Ägypten, von selbst aus, auch Polykleitos (bei Strab. XVI 742) leugnet, daß der E. anschwelle unter Anführung von Gründen, deren Schwäche Strabon klar erkannte. Dagegen will schon Polybios IX 43 wissen, daß der E. um [1207] die Zeit des Siriusaufganges, im Hochsommer, anschwelle, und zwar am mächtigsten in den Syrien benachbarten Gegenden. Cicero nat. deor. II 130 sagt: ,Ägypten bewässert der Nil ... Mesopotamien macht der E. fruchtbar, indem er jährlich gleichsam neue Äcker darüberführt‘. Nach Lucan. Phars. III 260 spielt der E. für das Land dieselbe Rolle wie die pharische Woge (der Nil) für Ägypten. Minuc. Fel. Oct. 18, 3 führt an, daß der E. jährlich Mesopotamien für die Regen – deren geringe Menge schon Herodot. I 193 betont – entschädigt.
Am genauesten und den tatsächlichen Verhältnissen am meisten entsprechend äußert sich Strabon XVI 740. Darnach beginnt das Steigen im Frühling, wenn in Armenien die Schneemassen schmelzen; die Überschwemmungen treten zu Anfang des Sommers ein. Dagegen sind die Angaben des Plinius n. h. V 90 (vgl. Solin. 37, 2f.) trotz ihrer Bestimmtheit unrichtig. Er sagt: Der E. ,schwillt an bestimmten Tagen, nach Art des Nil, nur mit geringer Abweichung, und überschwemmt Mesopotamien, wenn die Sonne bei 20° des Krebses steht. Bei ihrem Übergang aus dem Löwen in die Jungfrau beginnt er zu fallen, und vollständig zurück geht er bei 29° der Jungfrau‘. In Wirklichkeit ist um die Zeit der Sommersonnenwende das Hochwasser längst verlaufen. Seinen tiefsten Stand erreicht der E. bei Babylon gewöhnlich im September. Mit Beginn der ersten Winterregen steigt er ein wenig, füllt sein Bett etwa Ende Dezember und tritt im April aus. Allerdings erfolgt das Steigen und Fallen des E. bei weitem nicht mit der Regelmäßigkeit des Nil; trotzdem werden die eben gemachten Angaben im allgemeinen als zutreffend gelten dürfen. Falsch ist ferner eine andere Behauptung bei Plin. XVIII 162, daß nämlich E. und Tigris, entgegen der Gewohnheit des Nil, keinen Schlamm führten. Das Richtige haben Strab. XVI 740 und Curt. V 29. Nach Plin. XXXI 35 hätten die parthischen Könige das Wasser des E. und des Tigris nicht getrunken.
§ 9. Erzeugnisse des Euphrates. Pausanias IV 34, 2 nennt den E. unter denjenigen Flüssen, die den Menschen gefährliche Tiere hervorbringen. Von einer wunderbaren, am oder im E. vorkommenden Art Schlangen, die den Einheimischen nicht beißen, aber den Fremden angreifen und durch ihren Biß töten, berichten Arist. mir. ausc. 150. Plin. n. h. VIII 229 und Aelian. nat. an. IX 29. Von Pflanzen, die im E. wachsen, nennt Theophr. h. pl. IV 8, 10 Mohn, c. pl. II 19, 1 Lotus, letzteren auch Plin. XIII 109 und XV 115, außerdem Papyrus XIII 73. Eine merkwürdige Art von Weinbau in den Sümpfen des E. beschreibt Strabon XVI 767 (vgl. Chrest. Strab. XVI 49). Ps.-Plut. de fluv. 20. 3 und Stob. flor. 100. 11 erwähnen eine Arzneipflanze, ἄξαλλα oder ἔξαλλα, die gegen Wechselfieber helfen soll. Von Mineralien, die im E. vorkommen, kennen die beiden letztgenannten Autoren den ἀστιγής, besser ἀετίτης (so Stobaios), der, bei schwieriger Geburt der Kreißenden auf den Leib gelegt, bewirkt, daß sie sogleich ohne Schmerzen niederkommt, und einen sardonyxähnlichen Edelstein, der auf dem Berge Drimylos am E. gefunden wird; der Stein dient Königen zum Schmuck, [1208] kommt aber auch in der Medizin, und zwar gegen Augenleiden, zur Verwendung. Schließlich ist noch der ζαμίλαμπις (Orph. lith. 263), zmilampis (Plin. XXXVII 185) oder zmilanthis (Solin. 37, 7) zu erwähnen, ein gelber Stein, der dem prokonnesischen Marmor ähnelt.
§ 10. Kanäle und Sammelbecken. Die eigentümlichen klimatischen und hydrographischen Verhältnisse des unteren E.- und Tigrislandes bringen es mit sich, daß der Mensch vielfach mit künstlichen Mitteln nachhelfen muß, um sich Nahrung zu verschaffen und die Herrschaft über die Ströme zu erhalten. Wie schon hervorgehoben, regnet es im Lande sehr wenig – von Mai bis September überhaupt nicht –, deshalb bedürfen die Felder, Gärten und Palmenhaine der künstlichen Bewässerung. Diese ist aber nur in der Nähe von Wasserläufen in ausreichender Weise zu beschaffen, und wo solche fehlen, muß das Wasser durch Kanäle und Gräben hingeleitet werden. Tritt Hochwasser ein, so sind es außer den Dämmen an den Flußufern wieder hauptsächlich die Kanäle, die dem Menschen das Mittel bieten, die Überschwemmung nach seinem Ermessen abzuleiten und zu verhüten, daß die Fluten sich neue Betten wühlen und das alte verlassen. Dies ist wirklich öfters vorgekommen (vgl. z. B. über die Veränderung des E.-Laufes bei Babylon Theodoret. in Jerem. 50, 32) und die Ursache geworden, daß die an den alten versiechten Flußläufen gelegenen Städte und Dörfer einfach aufgegeben werden mußten. Die größeren Kanäle vermitteln ferner den Verkehr zu Schiffe in bequemerer Weise, als dies zu Lande geschehen kann. Eine sorgfältige Wasserwirtschaft ist deshalb für das Land eine Lebensfrage, der jede Regierung ihre Aufmerksamkeit zuwenden mußte und in der Tat auch, je nach dem Grade ihrer Einsicht und Machtmittel, in höherem oder geringerem Maße zugewendet hat. Daß Babylonien schon in ältester Zeit von einem dichten Netz künstlicher Wasseradern durchzogen war, lehren die Keilinschriften. Auch aus dem klassischen Altertum und dem arabischen Mittelalter sind uns eine Anzahl Kanalnamen bekannt. Die Neuzeit hat die früheren Zustände nur insofern geändert, als zum Ersatz der alten und verfallenen Kanäle teilweise neue gegraben worden sind. Von dem Segen, den die zahlreichen Wasseradern dem Lande zuführten, spricht Curt. V 12. vielleicht in etwas überschwenglicher Weise. Die Schwierigkeit, die Kanäle in gutem Zustand zu erhalten, beschreibt Strabon XVI 740 den Tatsachen entsprechend. Der massenhafte Schlamm, den das Wasser absetzt, verstopft die Mündungen und erhöht die Kanalbetten in kurzer Zeit, so daß es, sollen die Kanäle nicht zu fließen aufhören, vielfacher Reinigungen bedarf. Da man die Erde, welche aus dem Kanal bei der Grabung ausgehoben wird, einfach zu beiden Seiten aufwirft, wachsen die so entstandenen Dämme bei den wiederholten Schlämmungen bald sehr hoch. Ist eine gewisse Höhe erreicht, bei welcher eine nochmalige Reinigung wegen der erheblichen Mühen und Kosten unrationell erscheint, so gräbt man lieber einen neuen Kanal, oft dicht neben dem alten, der seinem Schicksal überlassen wird. Das Bett des alten Kanals wird bald vollständig trocken und durch [1209] den Wüstensand, den die sommerlichen Staubstürme aufwirbeln und mit sich führen, noch mehr erhöht. Nur die Dämme, an deren Beseitigung niemand ein Interesse hat, bleiben stehen und verraten, wenn sie nicht durch das Hochwasser weggerissen werden, noch Jahrzehnte und Jahrhunderte lang die einstige Existenz des Kanales. Daß dieser Zustand schon in den ältesten Zeiten, wenn nicht die Regel, so doch nicht außergewöhnlich war, beweisen die Keilinschriften, die z. B. neben dem ,Kuta-Kanal‘ noch einen ,alten Kuta-Kanal‘ kennen. Öfters rühmen sich auch die babylonischen und assyrischen Könige, den oder jenen alten und verfallenen Kanal wieder hergestellt zu haben. Besonders wichtige Kanäle wurden vollständig oder wenigstens an den Ufern ausgemauert.
Babyloniens Reichtum an Kanälen war ferner Herodot bekannt; er erwähnt auch den größten, der schiffbar war und vom E. aus in südöstlicher Richtung nach dem Tigris führte, nennt aber seinen Namen nicht (I 193). Das Heer Kyros des Jüngeren überschritt, bevor es das Schlachtfeld von Kunaxa erreichte, einen Graben von fünf Klaftern Breite und drei Klaftern Tiefe, der landeinwärts bis zur medischcn Mauer, 12 Parasangen weit, führen sollte, dann noch vier Kanäle, je ein Plethron breit und sehr tief, die den E. mit dem Tigris verbanden und von Getreideschiffen belebt waren (Xen. anab. I 4). Auch Zosim. III 16ff. erwähnt vier Kanäle zwischen E. und Tigris. Nach Strabon XVI 740 und Aristobulos bei Strab. XVI 741 hätte Alexander selbst die Kanäle befahren und durch seine Leute reinigen lassen. Einige Mündungen seien auf seine Veranlassung zugeschüttet, andere geöffnet worden.
Mit Namen genannt werden von griechischen und römischen Schriftstellern folgende E.-Kanäle (vgl. auch Baumstarks Artikel Babylonia Bd. II S. 2710ff. und die einzelnen Artikel):
Ἀρμακάλης und Ἀκράκανος, nach Abydenos bei Euseb. praep. ev. IX 41 (vgl. auch Euseb. chron. ed. Schoene I 38f.) zwei Kanäle, die Nabuchodonosoros abgeleitet habe. In dem ersten Namen ist mit v. Gutschmid eine Entstellung des Namens Narmalches oder ähnlich zu erkennen. In Akrakanos steckt vielleicht Araḫtu, ein Kanal, der die Stadt Babylon von Norden nach Süden durchschnitt (vgl. Weissbach Das Stadtbild von Babylon, Leipz. 1904, 28) und den Ptol. V 19, ohne seinen eigentlichen Namen anzugeben, als ὁ διὰ Βαβυλῶνος ῥέων ποταμός erwähnt.
Μααρσάρης Ptol. V 19 zweimal; nach der zweiten Angabe hätten die beiden Städte Volgaisia und Barsipa an ihm gelegen. Die babylonische Stadt Barsip lag nun in der Tat an einem Kanal, der aber in den Keilinschriften nār Barsip ,Barsip-Kanal‘ genannt wird. Er trat unmittelbar unterhalb Babylons aus dem E. aus und verlief in südlicher oder südwestlicher Richtung (Weissbach a. a. O. 29). Hsl. wird bei Ptol. V 19 der Maarsares mehrfach mit dem Βασίλειος ποταμός verwechselt (vgl. Fischer in Müllers Ausgabe z. St.); in Maarsares steckt auch nichts anderes als bab. nār šarri ,Königskanal‘, ein Name, der schon in Keilinschriften des zweiten vorchristlichen Jahrtausends vorkommt [1210] und bis auf Dareios I. nachweisbar ist, wahrscheinlich aber verschiedene Kanäle bezeichnete. Auffällig ist allerdings, daß Ptol. V 17, 5f. noch einen Βασίλειος ποταμός unterscheidet, der östlich von Σιπφάρα-Sippar aus dem E. abzweigte, Seleukeia am Tigris durchfloß und unterhalb Apameias in den Tigris mündete. Ebenso unterscheidet Ammian. Marc. XXIII 6, 25 zwischen Marsares und Flumen regium. Über einen ganz anderen ποταμὸς Βασίλειος καλούμενος bei Strab. XVI 747 und Chrest. Strab. XVI 17 s. Balicha Bd. II S. 2827.
Regium flumen ist, wie schon Plin. VI 120 weiß, auch die Übersetzung von Narmalcha, nur daß dies nicht, wie er meint, assyrisch, sondern aramaeisch ist. Wo er abgeleitet wird, lagen nach Plinius die Städte Agranis und Babylon. Darnach hätten wir den Kanal in unmittelbarer Nähe von Babylon zu suchen. An eine andere Stelle, weiter stromaufwärts, weist Isid. Char. 1, wonach man den Narmalcha überschreiten muß, wenn man von Neapolis am E. nach Seleukeia am Tigris (Entfernung 9 Schoinen) will. Derselbe Kanalname wird später bei dem persischen Feldzuge des Kaisers Iulianus (363) erwähnt: Naarmalcha Ammian. Marc. XXIV 6, 1; Ναρμαλάχης Zosim. III 24. Über den Nahr al-Malik, wie überhaupt die großen E.-Tigris-Kanäle in islamischer Zeit vgl. Guy le Strange Journ. Roy. Asiat. Soc. 1895, 74f. Streck Die alte Landschaft Babylonien, Leiden 1900, 22ff. Unklar ist, was Polyb. V 51, 6 mit Βασιλικὴ διῶρυξ meint. Dieser ,königliche Graben‘ dient hier einfach zur Landesverteidigung, ist also vielleicht verschieden von dem ,Königs-Kanal‘.
Παλλακόπας Arrian. anab. VII 21, richtiger Παλλακόττας Appian. bell. civ. II 153, vgl. schon oben § 7. In Keilinschriften von Neriglissar (560–556) an bis Dareios I. wird ein nar Pallukat (mit Varianten) erwähnt, der damit identisch sein dürfte. Von Alexander wurde der Pallakottas befahren und seine Mündung verlegt, Aristobul. bei Strab. XVI 741 (wo allerdings der Name Pallakottas nicht genannt ist). Der Kanal muß ungefähr dem heutigen Hindije entsprochen haben, der bei Musejib, vier Stunden oberhalb Babylons, den E. verläßt und die sumpfigen Seen Baḥr Neğef und Baḥr Abū Neğim bildet. Vgl. Meissner Mitt. Vorderasiat. Ges. I (1894) 177ff.
In diesen Zusammenhang gehört auch die Besprechung des Beckens von Sippar, über das wir drei griechische Berichte besitzen. Herodot I 185 schreibt die Erbauung dieses Beckens der babylonischen Königin Nitokris zu. Es befand sich weit oberhalb Babylons und diente nicht nur der Stromregulierung, sondern auch der Landesverteidigung gegen die Meder. Sein Umfang betrug 420 Stadien. Diodor II 9 berichtet, Semiramis habe ein vierseitiges Wasserbecken von je 300 Stadien Länge und Breite und 35 Fuß Tiefe herstellen lassen. Es befand sich an der tiefsten Stelle Babyloniens und hatte den Zweck, den E. abzuleiten, damit in seinem trockenen Bette ein Tunnel angelegt werden könnte (s. u. § 11). Abydenos endlich bei Euseb. praep. ev. IX 41 (vgl. Euseb. chron. ed. Schoene I 38f.) verlegt das Becken, dessen Umfang 40 Parasangen und dessen Tiefe 20 Ellen betrug, in die Nähe der [1211] Stadt der Sipparener. Es war ein Werk des Königs Nabuchodonosor. Die Bestimmung des Beckens wird nicht deutlich angegeben, doch war es wohl hauptsächlich als Bewässerungsanlage gedacht.
Die Keilinschriften haben den Tatbestand völlig aufgeklärt. Nebukadnezar II., der bei Herodot merkwürdiger Weise als Königin Nitokris erscheint, hat in der Tat einen breiten Gürtel des Landes zwischen E. und Tigris, oberhalb von Babylon, unter Wasser gesetzt und den künstlichen See durch zwei westöstliche Dämme abgeschlossen. Den Verlauf dieser beiden Dämme, die aus Erde bestanden, aber mit Backsteinen und Asphalt verkleidet waren, beschreibt der König folgendermaßen: I. von der Chaussee am E. bis zur Stadt Kiš, und II. von der Stadt ǗḪ-KI (wohl Nachbarstadt von Kiš und wahrscheinlich Upia = Ὦπις zu lesen) am Ufer des Tigris bis nach Sippar (am E.), Inschrift B vom Wâdī Brîsā Col. VI b 15ff. (herausgegeben von Weissbach Leipz. 1905). Sippar ist seit Rassams Ausgrabungen bekannt; seine Ruinen (Abu Habba) liegen etwa fünf Stunden südsüdwestlich von Bagdad. Der E. fließt jetzt weiter westlich. Die Auffindung des Dammes II, und wohl auch des Dammes I, der südlich davon zu suchen sein wird, kann nur eine Frage der Zeit sein. Da Nebukadnezar selbst angibt, daß er diese Anlage zu Zwecken der Landesverteidigung geschaffen habe, so haben wir vielleicht zugleich die Lösung des Rätsels, das sich an die Namen ,medische Mauer‘ (Xen. anab. I 7, 15. II 4, 12) und Σεμιράμιδος διατείχισμα (Eratosth. bei Strab. II 80. Strab. XI 529) knüpft. Letzteres befand sich an der schmalsten Stelle zwischen E. und Tigris, also genau dort, wo Nebukadnezars künstlicher See mit seinen Dämmen gesucht werden muß. Für die medische Mauer hat man bisher allerdings immer eine nördlichere Lage angenommen, aber wohl nur auf Grund der unzureichenden Schilderungen Xenophons.
Schließlich ist noch der Ableitung des E. zu gedenken, mit deren Hülfe sich Kyros den Eintritt in das von ihm belagerte Babylon erzwungen haben soll. Der Hergang, wie er Her. I 191. Xen. Kyr. VII 5, 10ff. Polyaen. strat. VII 6, 5. 10. Oros. adv. pag. II 6, 5. Zonar. ann. III 24 geschildert wird, ist schon deshalb unmöglich, weil die Eroberung Babylons durch Kyros in diejenige Jahreszeit fiel, in welcher der E. ohnedies seinen tiefsten Wasserstand hat; auch weiß die Nabuna'id-Kyros-Chronik (herausgeg. und übers. von O. E. Hagen Beitr. z. Ass. II 214ff.) Col. III 12ff. nichts davon. Am 14. Tišri (Anfang Oktober) 539 fiel Sippar ohne Kampf, und schon zwei Tage später zog das Heer des Kyros ohne irgendwelche Schwierigkeiten in Babylon ein; nach zwei Wochen folgte der König selbst. Kämpfe hatten lediglich an der großen Mauer zwischen ǗḪ-KΙ und Sippar stattgefunden. Wenn an der ganzen Erzählung Herodots, außer der Tatsache der Eroberung selbst, noch etwas Wahres ist, so könnte es sich nur um die Entleerung des künstlichen Sees handeln, der nach der Eroberung Babyloniens für die neuen Herren keine militärische Bedeutung mehr hatte. Frontin. strat. III 7, 4f. schreibt die Ableitung des E. bei der Eroberung Babylons der Semiramis und dem Alexander zu. [1212]
§ 11. Andere Wasserbauten. Uferbefestigungen rühmen sich schon die babylonischen Könige selbst hergestellt zu haben. So hatte sich zur Zeit Nabopolassars (626–605) der E. von Sippar ,entfernt‘, weshalb der König das alte Bett ausgraben und seine Ufer ausmauern lassen mußte (Inschrift Winckler a, Beitr. z. Ass. III 527). In Babylon selbst fand Oppert (Exp. en Mésopot. I 184f.) Reste einer Ziegelmauer neben dem Ufer, die nach den Inschriften der Ziegel von Nabuna’id (556–539) herrührte. Man hat auf diesen Quai die etwas unbestimmte Nachricht des Berossos bei Jos. c. Ap. I 149 bezogen. Herodot I 180 sagt, daß die Stadtmauer von Babylon, wo ihre Schenkel an den Fluß stießen, sich an dessen beiden Ufern fortsetzte. I 184 spricht er von Dämmen, die die Königin Semiramis habe errichten lassen, weil vorher der Strom sich über die ganze Ebene ergossen hätte. Auch Diodor II 8, 3 sagt, daß Semiramis den Strom zu beiden Seiten mit Ufermauern habe einfassen lassen. Curtius V 28f. beschreibt noch eine andere Art künstlicher Uferbefestigungen in Babylon, bestehend aus künstlichen Höhlen und Seen, die mit Backsteinen ausgemauert sein sollten.
Die Gewalt der Strömung hätte Nitokris nach Herodot I 185 durch Verlegung des einst geraden Bettes und Anlegung künstlicher Krümmungen und Schleifen oberhalb von Babylon zu mildern gesucht. Plinius n. h. VI 120 berichtet eine ähnliche Flußregulierung, die von einem Praefecten Gobares ausgegangen sein soll.
Babylon war der natürliche Mittelpunkt der Flußschiffahrt auf dem E. Nach Strabon XVI 739 könnte es scheinen, als ob diese Stadt sogar das obere Ende der Schiffahrt bedeutet hätte. Aber schon aus Strab. XVI 741, wie aus Her. I 194. Arrian. anab. VII 19, 3. Cass. Dio LXXV 9, 3 und Ammian. Marc. XXIII 3, 9 geht hervor, daß der E. auch oberhalb von Babylon schiffbar war. Das Beispiel Alexanders, der eine Flotte in Phoinikien bauen und die Schiffe in Teile zerlegt über Land nach Thapsakos bringen ließ, von wo aus sie dann nach Babylon hinabsegeln konnten, wurde 1836 in großartiger, der Neuzeit entsprechender Weise nachgeahmt. Die E.-Expedition unter F. R. Chesney fuhr mit zwei Dampfern, die erst am Ufer des E. zusammengesetzt waren, von Bireġik aus stromabwärts; nur einer erreichte glücklich sein Ziel, der andere sank bei einem furchtbaren Orkan unterhalb der Mündung des Ḫābûr (Chesney Narrat. of the E.-Expedition, Lond. 1868, 255). Auf ganz ähnliche Weise hatte Iulianus im J. 363 einen kleinen Teil seiner Flotte eingebüßt, Ammian. Marc. XXIV 1, 11.
Als ein Haupthindernis der Schiffahrt erkannte Alexander die von den Persern angeblich aus Furcht vor feindlichen Angriffen gebauten Flußwehre, die namentlich bei Opis im Tigris zahlreich waren. Der König ließ alle, die er bei seiner Flußreise traf, zerstören, Strab. XVI 740. Auch Isid. Char. m. Parth. 1 erwähnt solche steinerne Dämme in Mesopotamien, durch welche der Strom genötigt wurde, sein Wasser auf die anliegenden Felder zu ergießen, und fügt hinzu, daß sie im Sommer häufig die Ursache von Schiffbrüchen seien. Gemäß Arrian. anab. VII 19, 4 [1213] und 21, 1 hätte Alexander bei Babylon einen Hafen anlegen lassen, der für 1000 Schiffe Raum bot.
Sehr zahlreich waren natürlich die Brücken über den E. Zum größten Teil handelte es sich um Schiffbrücken, die bei Nacht und bei Unwetter auseinandergefahren werden konnten. Schon in assyrischer Zeit werden E.-Brücken erwähnt: Tiglatpileser I. ann. IV 69. Tiglatpileser III. ann. ed. Rost 68. Sargon Prunkinschr. 129. Bereits am Durchbruch des Tauros duldete der Strom eine Brücke, Plin. V 85. Das obere Mesopotamien ist das Land der Zeugmas, deren mehrere unterschieden werden: das kommagenische bei Samosata, Strab. XIV 664. XVI 746. 749; das alte bei Thapsakos Strab. XVI 746. 747; nach Arrian anab. III 7, 1 hätten sich hier sogar zwei Brücken befunden. Endlich ist noch der häufig genannte, schlechthin als Zeugma bezeichnete Ort zu erwähnen: Strab. XVI 749. Isid. Char. 1. Alexander soll hier die Brücke mit einer eisernen Kette befestigt haben, Plin. XXXIV 150; nach Pausanias X 29, 4 hätte der Gott Dionysos auf seinem Zuge nach Indien diese Brücke schlagen lassen; das aus Wein- und Efeuranken bestehende Schiffseil sei noch zu seiner Zeit zu sehen gewesen. Eine Brücke bei Capersana erwähnt Ammian. Marc. XXI 7, 7, eine andere bei Sura Itin. Ant. 47, eine dritte bei Obbanes Prokop. b. Pers. II 12. 21, schließlich eine unweit Batnae, das selbst nicht am E. lag. Ammian. Marc. XXIII 2, 7. Vgl. ferner Plut. Crass 17, 2. Tac. ann. XIII 7. Ammian. Marc. XVI 10, 5. XVIII 5, 7. Theophan. cont. V 40. Die berühmteste E.-Brücke war natürlich in Babylon; sie galt Her. I 186 für ein Werk der Nitokris, Diod. II 8, 2 für ein solches der Semiramis; vgl. auch Curt. V 29. In den Keilinschriften wird eine Brücke über den E. in Babylon bis jetzt nicht erwähnt, wohl aber eine solche über den Kanal Libilḫegalla (vgl. Weissbach a. a. O. 27). Außer der Brücke soll Semiramis auch einen Tunnel unter dem E. angelegt haben, um unbemerkt aus dem einen Palast nach dem auf dem anderen Ufer befindlichen gelangen zu können, Diod. II 9, 2. Philostrat. Apoll. I 25, 1. 39, 1.
§ 12. Politische Verhältnisse. Auf seiner langen Reise von der Quelle bis zum Meer durchströmt oder berührt der E. eine große Anzahl Landschaften und Provinzen.
I. Oberlauf. Der E. bildet die Grenze zwischen Armenien (links) und Kilikien (rechts), Her. V 52; zwischen Armenien und Kappadokien, Sallust. hist. frg. IV 59. Mela III 77. Für Armenien gibt Mart. Cap. VI 690 Großarmenien. Eingehender Strab. XI 521: links Landschaften von Großarmenien, nämlich Basilisene (so Chrest. Strab.; Codd. Lisene), Akilisene (Codd. Asikinsina) und Sophene; rechts Kleinarmenien, Kappadokien und Kommagene. Zwischen den beiden letzteren fügt Chrest. Strab. XI 31 noch Melitene als Landschaftsnamen ein. Plinius V 83: links Derzene und Anaetica, beide zu Großarmenien gehörig; rechts Kappadokien und Kommagene. Am ausführlichsten Ptolemaios: links Basilisene, Akilisene, Sophene (V 12, 6), Anzitene (V 12, 8); rechts Bochai (V 12, 4), alles dies zu Großarmenien gehörig, ferner Kappadokien (V 6, 1) und zwar Kleinarmenien (V 6, 18), Lauiansene [1214] (V 6, 24) und Arauene (V 6, 25). Prok. b. Pers. I 17 nennt Ἐκελεσηνή und Leukosyrien, das zu seiner Zeit Kleinarmenien heiße.
II. Mittellauf. Östlich grenzt Mesopotamien an, westlich Syrien, Strab. XVI 742. Arrian. Ind. 42, 3. Oros. adv. pag. I 2, 20. 23. Geogr. Rav. II 13 u. ö. Anders Xen. anab. I 4, 11ff., der das Gebiet östlich vom E. zwischen Thapsakos und Araxes (Ḫābûr) als syrisch, das südlich daran grenzende als arabisch bezeichnet. Plinius V 85ff. unterscheidet nördlich von der Praefectur Mesopotamia noch Arabia Orroeon, dann die Rhoali und die Arabes Scenitae, westlich vom Strome die zu Syrien gehörige Landschaft Palmyrene. Eingehender Ptolemaios: östlich Mesopotamien, dessen sich längs des E. hinstreckender Teil Ankobaritis heißt (V 17, 4); westlich Syrien, und zwar Kommagene (V 14, 8), Kyrrhestike (V 14, 10). Chalybonitis (V 14, 13), Palmyrene (V 14, 19); ferner das Gebiet der Kauchabenoi, das zum wüsten Arabien gehört (V 18).
III. Unterlauf: Babylonien. Den am E. gelegenen Teil nennt Ptolemaios V 19 Auranitis: weiter südlich grenzt Chaldaia an; die Landschaft um die Sümpfe heißt bei ihm Amordokaia. Nearch. bei Strab. XV 729 betrachtet das letzte Stück des E. in der Nähe der Mündung als Westgrenze von Susis.
Nach jüdischer Anschauung bildet der E. die Grenze der Gebiete Sems, Joseph. ant. I 143 und kleinere christliche Chroniken, z. B. Chron. a. 354. Indessen hat keines der ältesten Weltreiche den E. in seiner ganzen Länge umfaßt. Die assyrischen Herrscher sind zwar tief nach Armenien, aber schwerlich jemals bis an die E.-Quellen, selten genug auch bis zum Persischen Meerbusen vorgedrungen. Das neubabylonische Reich verzichtete von vornherein auf den Norden. Erst die Achaimeniden, wenigstens von Dareios I. an, konnten sich mit Recht rühmen, das E.-Gebiet vollständig zu beherrschen. In diesem Sinne ist auch die Bezeichnung des E. als Περσικός (Nonn. Dionys. XXIII 82. XLIII 409) durchaus zutreffend. Wenn Hor. carm. II 9, 21 mit dem Medum flumen, wie der Scholiast will, der E. gemeint ist, so erklärt sich das leicht durch die bei den Griechen öfters vorkommende Übertragung des Namens medisch auf persische Verhältnisse; vgl. z. B. τὰ Μηδικά ,die Perserkriege’ bei Herodot. u. a. Nach dem Zerfall der Monarchie Alexanders und der Eroberung des Seleukidenreiches durch die Parther konnten diese den Strom als ihren Besitz beanspruchen. Demgemäß bezeichnen Ampel. 6, 11 und Vibius Sequ. den E. als zu Parthien gehörig. Ovids Benennung des Stromes als Palaestina aqua (fast. II 464) beruht auf etwas weitherziger Benutzung der dichterischen Freiheit. In den Kriegen zwischen den Parthern, deren Erben später die Sasaniden wurden, und Rom bildete der E., wenigstens auf eine weite Strecke hin, die vielumstrittene Reichsgrenze, Senec. nat. qu. I prol. 8. Tac. ann. IV 5. XV 17; hist. V 9. Curt. VI 12. Iustin. XLI 6, 8. Ammian. Marc. XXI 7, 1 u. a. Feindliche Einfälle begannen deshalb gewöhnlich mit der Überschreitung des E., Liv. per. CVI. Iul. Obs. 64. Theoph. chron. ed. de Boor 1 247. 295. 340; vgl. auch Front. strat. I 1, 6. Ammian. [1215] XXI 7, 1. Ebenso fanden Friedensverhandlungen mit Vorliebe am E. (Plut. Sulla 5, 7. Suet. Calig. 14) oder direkt auf einer E.-Insel (Vell. Pat. II 101, 1) statt.
§ 13. Ortschaften am Euphrates. Bei dem folgenden Verzeichnis ist grundsätzlich ausgeschlossen nur die Tab. Peut. Die Mehrzahl der Namen, welche auf dieser neben dem den E. bedeutenden Flußlauf stehen, sind anderweitig unbekannt. Manche Orte, die wir als am E. gelegen kennen, sind auf der Karte weit entfernt vom Fluß gezeichnet, so daß es auch umgekehrt zweifelhaft sein muß, ob alle diejenigen Ortschaften, welche auf der Karte am Flusse stehen, wirklich an ihm gelegen waren. Adana (Steph. Byz.); Addaia; Addara (Ptol. V 18, 3); Agam(a)na; Agranis; Alalis; Alamatha; Amphipolis (Nr. 2); Anatha; Aniana; Antiocheia (Nr. 8); Apameia (Nr. 4); Aphphadana; Arderikka (Nr. 1); Arimara; Arudis; Athis (Nr. 1); Audattha; Auzara; Aziris (Nr. 1); Babylon (Nr. 1); Baisampse (s. Barsampse Bd. III S. 27 u. Suppl. I S. 242); Balagaia; Banake (Ptol. V 17, 5); Bethammaria; Bethauna; Birtha (Nr. 1 und 3); Bressos (Ptol. V 12, 5); Caeciliana (Nr. 2); Capersana; Chabora; Charax (Nr. 10); Charchamis (s. Karchamissa); Charmande: Chasira; Cholmadara; Chorsa; Cingilla (?); Claudiopolis (Plin. n. h. V 85; vgl. Nr. 1 am Schluß); Dagusa; Dalana; Dascusa; Diakira; Diridotis (s. Iridotis); Dura; Duraba; Eddana; Elegeia; Epiphaneia (Nr. 4); Eragiza; Eudrapa; Europos (Nr. 5); Gadirtha; Gerre; Hierapolis; Idikara; Imeneorum civitas (?); Iridotis; Is; Iuliopolis; Kallinikos; Karchamissa; Kirkesion; Kolarina; Korsote; Kunaxa; Legio Flavia; Maguda; Massice; Maubai; Megia; Melita; Melitene; Mothris; Murannimal; Naarda; Neapolis; Nikephorion; Ninos; Obbanes; Pakoria; Pentakomia; Phaliga; Pharga; Phathusas; Philiscum; Pirisabora; Porsika; Pylai; Rheskipha; Samara; Samosata; Sarnuka; Sartona; Seleukeia; Sinerba; Siniskolon; Sipphara; Sismara; Sitha; Sura; Tarsa; Teredon (s. Iridotis); Thakkona; Thaline; Thapsakos; Thelbenkane; Thelda; Tiridata; Tomisa; Urima; Zaragardia; Zaitha; Zenobia; Zeugma; Zimara.
Für alles Nähere sind die einzelnen Artikel zu vergleichen. Literatur: J. B. B. d’Anville L’Euphrate et le Tigre, Paris 1779. Will. Ouseley Transactions of the R. Soc. of Lit. I 1, 107–121, London 1827. Ritter Erdkunde2 Bd. X, XI. F. R. Chesney Expedition for the survey of the rivers Euphrates and Tigris I. II. London 1850, mit Atlas von 14 Karten; Narrative of the E.-Expedition, London 1868. E. Sachau Reise in Syrien und Mesopotamien. Leipz. 1883. J. P. Peters Nippur, 2 Bde., New-York 1897. M. Frhr. v. Oppenheim Vom Mittelmeer z. Pers. Golf, 2 Bde., Berlin 1900. Sachau Am E. und Tigris. Leipz. 1900.
[Weissbach.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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