Makedonia (Μακεδονία)
I. Erdgeschichte und Oberflächengestalt.
Die Oberflächengestalt und der geologische Aufbau M.s sind erst in neuester Zeit Gegenstand eingehender Untersuchung gewesen, da im 19. Jhdt. seine Zugehörigkeit zur Türkei der wissenschaftlichen Erforschung nicht günstig war. Besonders der serbische Geologe J. Cvijić hat sich in dieser Hinsicht große Verdienste erworben. Es ist daher dankbar zu begrüßen, daß er die Ergebnisse seiner Forschungen uns zugänglich gemacht hat. Sein Buch ,Grundlinien der Geographie und Geologie von M.‘ Peterm. Mitt. Erg.-Heft 162, Gotha 1908, liegt zusammen mit den wertvollen Arbeiten K. Oestreichs auch den folgenden Ausführungen zugrunde; vgl. die Aufsätze Oestreichs in der Geogr. Ztschr. X (1904) 185ff. 241ff. 450ff. XVI (1910) 560ff.; Ztschr. d. Gesellsch. f. Erdk. zu Berlin 1916, 111ff. 129ff. Die Ergebnisse der geologischen Forschungen im Kriege sind niedergelegt in Kossmat Geol. d. zentralen Balkanhalbinsel, Berlin 1924 (Die Kriegsschauplätze 1914–1918 Heft 12). Vgl. dazu Krebs und Braun Die Kriegsschaupl., 4. Heft: Die Kriegsschauplätze auf der Balkanhalbinsel, Leipz. 1916. Von neueren Werken sei außerdem verwiesen auf Th. Fischer in Kirchhoffs ,Länderkde. v. Europa, II 2, 65ff. (Wien-Leipzig 1893). Maull Griech. Mittelmeergebiet, Bresl. 1922. Doflein Mazedonien, Jena 1921. Das neueste Buch über M., L. Schultze-Jena Makedonien, Landschafts- und Kulturbilder, Jena 1927, konnte ich erst bei der Korrektur benutzen. Von älteren Büchern bieten manches Wertvolle Grisebach Reise durch Rumelien, Gött 1841. H. Barth Reise durch das Innere der europ. Türkei, Berlin 1864. J. G. v. Hahn Denkschr. Ak. Wien, phil.-hist Kl. XV 1867. Boué Die Europ. Türkei I, Wien 1889. Für die Niederlande: Struck Die makedon. Niederl. (Zur Kunde d. Balkan-Halbinsel 7), Seraj. 1908.
Die Außenzonen der Balkanhalbinsel, der Balkan und das dinarisch-griechische Gebirge, wurden gegen Ende des Oligozän oder im Miozän gefaltet. Die Falten des dinarisch-griechischen Gebirges streichen zwar im allgemeinen von Nordnordwest nach Südsüdost, aber im Innern kommt in sicher mesozoischen Ablagerungen vielfach ein ostwestlich gerichtetes Schichtstreichen vor, und auch die großen Gebirgsmassen nördlich und südlich des Dringebietes, der Schar und die nord-albanischen Alpen, streichen von Ostnordost nach Westsüdwest In ihnen sieht Cvijić die eingeschwenkten Endigungen der dinarischen und griechisch-albanischen Faltenzüge: die dinarisch-albanische Scharung; doch kann man unter Hinweis auf die Falten, die unbekümmert um die tektonische Ablenkung des großen Faltenkörpers die dinarische Faltung in der Richtung Nordnordwest-Südsüdost [639] fortsetzen, eine Scharung bestreiten und die westöstlichen Falten auf eine präkretazische Faltung des albanischen Bodens zurückführen. Außerhalb des Raumes der dinarisch-griechischen, ostserbischen und balkanischen Ketten hat Cvijić östlich der dinarisch-griechischen Gebirge und südlich des Balkan eine seichtere Faltung aus etwas früherer Zeit festgestellt. Soweit sich gefaltete mesozoische und oligozäne Deckschichten auf dem rumelischen Grundgebirge feststellen lassen, reicht die westmakedonische oder Übergangszone (rumelische Außenzone). Eine orographische Grenze zwischen den die rumelische Masse (Rhodope) bildenden Granit- und Schieferblocks und dieser Außenzone gibt es nicht. Die früh-oligozäne Faltung der Außenzone und die oligo-miozänen Faltungswellen der dinarisch-griechischen Gebirge und des Balkan haben sich als stauende Wellen von der rumelischen Kernmasse nach Norden und Westen vorgeschoben. Auch in den Resten des Deckgebirges der westrumelischen Außenzone überwiegt neben entgegengesetzten Streichrichtungen das dinarische Faltenstreichen. M. kann so als ein junges Faltenland mit abgestreiftem Deckgebirge bezeichnet werden. Nur dort ist noch Deckgebirge vorhanden, wo ein Stück desselben durch Absinken einer Scholle oder durch Einfaltung in das Niveau einer oligozänen oder pliozänen Rumpffläche geraten war. Als Bestandteile einer solchen Rumpffläche sind durch junge Hebung einzelne Stücke auch in beträchtliche Meereshöhe gehoben worden: Olymp (3000 m), Salakova (2500 m), Dudica (bis 2180 m). Die Geschichte der rumelischen Kernzone und ihrer Außenzone ist seit der Bildung der oligozänen Rumpffläche die gleiche gewesen. Soweit bisher kristallinisches Terrain festgestellt ist, gibt Oestreich zu bedenken, daß es sich dabei mehr um das Ergebnis tektonischer Prozesse handelt als um Kernmassive, die für die Tektonik eine Rolle gespielt haben würden. Vgl. zur geologischen Geschichte M.s Kossmat 126ff.
Die Oberfläche M.s stellt eine Schollenlandschaft dar, die am besten mit einer geborstenen Eisdecke verglichen werden kann. Hohe Gebirge von geringer Breiten- und größerer Längenerstreckung, Beckenebenen von länglicher Gestalt wie aufgefüllte Flußtäler und solche von unregelmäßiger breiter Gestalt, die auf den ersten Blick als ursprüngliche Bildungen zu erkennen sind, machen das orographische Bild aus. Die Hydrographie zeigt wohl eine Abdachungsrichtung nach der Ägäis, aber widersinnig fließende Gewässer wie die Treska, Unterlauf der Ċerna, Lakavica, Unterlauf der Vistritza bieten ebensoviel Probleme. Die Täler der Hauptflüsse bestehen aus einer Reihenfolge von Talweitungen und Durchbruchstrecken; diese Talweitungen sind mit Ausnahme des von der Struma durchflossenen Tachynosees trocken, doch ist Süd-M. sonst reich an Seen. Als auffälligste Bodenform bezeichnet Oestreich die am Fuße der hohen Gebirge, aber über den Flußtälern und jungen Becken gelegenen Hochebenen, die trotz Zusammensetzung aus mesozoischen oder kristallinischen Gesteinen doch Oberflächenformen zeigen, die den jungen Hügelländern der tertiären Becken zukommen. Zwischen den jungen Taleinschnitten sind vielfach größere [640] Reste der Rumpffläche mit den ihr ursprünglich zugehörigen Vertiefungen erhalten. Auch das Gelände um den See von Saloniki war flach; er war nach Cvijić von einem niedrigen Rumpfflächengelände umgeben, während die Ebene heute über 1000 m hohe Gebirge einfassen. Der Olymp ist durch flexurartige Aufbiegung, allgemeine Aufwölbung und ruckweises Aufsteigen längs Verwerfungen entstanden. Während bei ihm das Deckgebirge noch erhalten ist, ist bei den anderen Gebirgen Süd-M.s die kristallinische Unterlage vom Deckgebirge entblößt. Jedoch ist klar, daß M. nicht als ein altes Hochland mit gesenkten Becken aufgefaßt werden darf, sondern als ein im Beginn der Oligozänzeit gefaltetes Land, das sogleich zu einer Rumpffläche abgetragen wurde. Ihre Ausbildung ist gleichzeitig mit der ersten Periode der Verwerfung und Zerstückelung erfolgt. Das mitteloligozäne Meer hat große Flächen Mittel-M.s bedeckt. Die meisten Becken, auch der große zentrale Graben, sind jünger als ihre Beckenerfüllung: die Rumpffläche hat sich unter den Meeresspiegel gesenkt. Bei einer allgemeinen Hebung des Landes zog sich das Meer zurück, so daß die tieferen Partien von stehenden Wasseransammlungen eingenommen wurden. Diese Seen wurden teils ausgefüllt, teils flossen sie über, und so entstanden kurze Überflußstrecken, die heute mehrere Hunderte von Metern über den Talsohlen liegen. Zugleich wurde durch die Abtragung die große pliozäne Rumpffläche geschaffen, deren Tallinien in hochgelegenen Talböden, Talsätteln oder Talwasserscheiden vorliegen. Nach dem Pliozän brach das Ägäische Meer ein, und seitdem bildete sich der Wardar (Alios) als beherrschende Ader aus. Die rückschreitende Erosion zapfte die Becken an, zusammengesetzte Täler wurden zusammengeschweißt, und infolge der Senkung der Erosionsbasis bildeten sich durch das Einschneiden der Flüsse in die alten Beckenerfüllungen die epigenetischen Talstrecken. Zugleich traten Hebungen, Wölbungen, flexurartige Aufbiegungen größten Ausmaßes ein und schufen ein junges Relief, das durch schmale, hoch erhobene Platten mit frischen Abbruchswänden, durch klammartige Talstrecken und seeerfüllte Wannen gekennzeichnet wird. Die höheren Bergzüge sind zum großen Teil Rumpfreste, und aus ihnen erheben sich oft beträchtlich höhere Härtlinge. Kompliziert wird das Bild noch durch die mit dem Einbruch des Ägäischen Meeres in Verbindung stehenden Bewegungen, die z. B. im Falle des Olymps Teile der jungen Rumpffläche hoch über das Niveau der alten Rumpfreste erhoben haben. Glaziale Spuren zeigen nur die höchsten Erhebungen wie Olymp und Salakova. Vgl. zur Tektonik Schultze-Jena 19ff.
Wenden wir uns nun der Oberflächengestalt West-M.s (westlich vom Wardar) zu, so ist für die Gebirge die Konstanz der Gipfelhöhen bezeichnend: Ljubetin, Begova (Salakova oder Golešnica), Peristeri, Kaimakćalan sind sämtlich etwas über 2500 m hoch. Alle hohen Gipfel gehören zu dem alten paläozoischen Gebirge, das lange unter der Herrschaft der abtragenden Kräfte gestanden hat; sie steigen über den tiefsten Einsenkungen auf. Der Schar, von Westen nach Osten, ist die höchste Massenerhebung, die nach Norden als Völkerscheide [641] wirkt. Seine Kammhöhe liegt über 2000 m. Grisebach II 250ff. Doflein 216ff. Gripp Beitr. z. Geol. von Mazedonien, Abh. Hamb. Univ. 7 (1922). Nach Südsüdwest schwenkt er zum Korab und der Galičica um. Östlich vom Tetovo (oberen Wardartal) und der Treska liegt eine Hochfläche mit Kuppen, die gegen Ostnordost zu jenem Höhenzuge ansteigt, der nach Osten zum Wardar steil abfällt: die Salakova (Golečnika, vgl. Doflein 380ff.). Der vordere Zug, der Pepelak, besteht aus Phyllit und ist durch abflußlose Becken von dem aus triassischem Marmor bestehenden, bis zu 2500 m ansteigenden Zug der Begova getrennt. Er zeigt Spuren eiszeitlicher Vergletscherung.
Südlich liegt die pelagonische Ebene, eine große, nordsüdlich streichende rechteckige Hohlform von jungem Alter, 550–650 m hoch, in der tiefsten Stelle sumpfig; sie wird von der Ċerna (Erigon) durchflossen. Die Siedlungen liegen am Rande. Die Ebene ist wiesenreich und an den Bändern fruchtbar. Im Osten wird sie von der Babuna begrenzt, einem aus Glimmerschiefer mit Granit und kristallinischem Kalk bestehenden Gebirgsstock, und dem Gebirgsland von Murichovo, aus kristallinischen und paläozoischen Gesteinen, denen eine Decke jungvulkanischer Gesteine aufliegt; in einem unpassierbaren Engtal bricht hier die Ċerna nach Nordosten durch, v. Hahn 146ff. Heuzey-Daumet 321ff. Kossmat 65ff. Das Rückgrat dieses ganzen Berglandes ist das Moglenagebirge (Nidže Planina), das im Südosten mit dem über 2500 m hohen Kaimakšalan weit in die Ebene vorspringt. Grisebach II 157ff. Im Westen wird Pelagonien von dem hohen Kamm des Peristeri (2530 m) und seinen Fortsetzungen, der Neredska Plan., Suišnik, bis zum Tal der Vistritza eingefaßt; sie bestehen aus Glimmerschiefer, Gneis und Graniten. Der Peristeri fällt im Westen steil zum Prespasee ab. Grisebach II 194ff. Barth 144ff. Doflein 516ff. Den Südrand der Ebene bilden unbedeutende Bodenwellen aus Kreidekalk, über die das verlassene Talstück Kirli Derbend in das abflußlose Becken von Ostrovo führt. Nach Norden ist Pelagonien über die Babuna mit Veles (Köprülü) und über den Pletvarpaß mit Gradsko am Wardar (in der Nähe des alten Stobi) verbunden, während die Straße nach dem Tetovo der Ċerna aufwärts folgt (über die Pässe vgl. Doflein 448ff. und Schultze-Jena 158ff.). Im Westen ist die breite Dragor-Šemnicafurche nordlich vom Peristeri zu den dessaretischen Seen der wichtigste Übergang, den die Via Egnatia benutzte; weiter im Süden führt der Biglapaß von Florina in das Talbecken von Kastoria.
Die Landschaft Dessaretien, die hier wenigstens kurz geschildert werden muß, besteht aus drei Einzelbecken, zwei mit Seen: Prespa, Ochrida, das dritte trocken mit dem Schilfsumpf des Maliksee (Jez. Mališko). Es sind drei Einbruchsbezirke in einer großen Einsturzregion, wobei nach Cvijić die tertiäre Süßwasserseebildung größere gestaltgebende Wirkung gehabt hat. Der Ochridasee, etwa 690 m hoch gelegen, 200–250 m tief, wird vom Drin im Norden entwässert. Er ist ein typischer Längsbruchsee mit Steilufer im Westen und Osten. Der Prespasee ist bereits im Rückgang [642] begriffen; nördlich von ihm dehnt sich ein großes, erst seit geologisch kurzer Zeit vom See verlassenes Tiefland aus. Die Südostbucht ist durch Sinken des Sees infolge des Einbruchs des Ochridabeckens abgetrennt: Malo Jezero. Von diesem führt ein Trockental, die Wolfsschlucht, zum Becken von Korica. Prespa und Malo bilden bei hohem Wasserstand noch heute eine Wassermasse, die durch die Wolfsschlucht abfließt. Der Prespa liegt 860–900 m hoch, ist aber nur 50 m tief. Das Westufer ist steiles Kalkgebirge, das Ostufer bilden die flachen Schieferhänge des Peristeri. Die Galičica zwischen Prespa und Ochrida ist ein horstförmiges Kalkgebirge mit nordsüdlicher Streichrichtung; in der Gegend des Maliksees bricht sie senkrecht ab. Über dem Westufer geht die Straße von Resna aus nach Korica, während die Straße nach Ochrida über den Sattel von Bukovo das Gebirge zwischen den Seen im Norden umgeht. Das Tiefland im Norden ist von weiten Weizenfluren bedeckt. Auf einer Insel liegen die Ruinen der Stadt Prespa, während Ochrida (Lychnidos) in einer kleinen Ebene am Ostufer des Sees liegt. Von hier aus geht die alte Straße über Struga am Nordende nach Durazzo (Dyrrhachion). Im Becken von Korica ist die Verbindung soweit fortgeschritten, daß Seebedeckung nur noch im äußersten nordwestlichen Winkel stattfindet. Das Becken besteht aus zwei Ebenen, die beide vom Devol durchflossen werden. Die südliche Ebene ist fruchtbar und dicht bevölkert. Die Bewässerungsverhältnisse der dessaretischen Seen sind karstartig; nur die Ausflußstellen des Drin und Devol und die Wolfsschlucht am Malo Jezero unterbrechen die Umrandung (Literatur unter II B 5).
Durch den Paß Kirli Derbend im Süden der pelagonischen Ebene (nach Barth 155f. ein Waldpaß; vgl. Liv. XXXI 39) geht die Straße, jetzt die Eisenbahn, in das Becken von Eordaia, 600 m hoch; die Via Egnatia führte über einen vorspringenden Sporn des Kaimakšalan direkt zum See von Ostrovo. In der öden westlichen Abteilung liegen drei kleine Seen, die östliche enthält den See von Ostrovo (Begorritis), dessen Ufer baumlos und vielfach unbebaut sind. Am Ostende des Sees sperrt ein Kalkriegel ein verlandetes Stück; nördlich davon tritt die Straße in ein Trockental ein, in dem die Nisia nach Osten abfließt, um schließlich bei Wodena (Aigai) 200 m tief in die Küstenebene abzustürzen. Die Ebene südlich des Sees besteht aus Tuffkalk und Sandboden und ist trocken und unfruchtbar; erst hinter Kailar wird sie fruchtbarer (Schulze-Jena 161ff.). Aus dieser Ebene führt die Straße durch ein schmales Tal nach Kożani und zum Tal der Vistritza (Haliakmon ), die tief eingeschnitten zwischen abschüssigen und zerrissenen Abhängen dahinströmt (vgl. Barth 159ff.).
Die Vistritza (Haliakmon) hat ihre Quellen auf dem Gebirgszug, der im Süden den Prespasee begrenzt. Der Hauptquellfluß fließt in einem nach Südosten gerichteten Tale, einem der schönsten Täler M.s. Nach seiner Vereinigung mit einem ziemlich starken Bach aus Nordnordwest betritt er eine Reihe von Engpässen und nimmt hier den Abfluß des Sees von Kastoria auf. Es ist die alte Landschaft Orestis. Nach Boué (I 123) hat der [643] See das Ansehen eines Kratersees, der nur im Süden offen ist; er ist von ziemlich steil abfallenden Bergen umgeben. In den See springt ein steiler Kalkrücken vor, der durch eine niedrige Landzunge mit dem Lande verbunden ist: auf dieser liegt Kastoria (das alte Keletron). Vgl. Gelzer (II B 2) 226ff. Der Haliakmon fließt weiter zwischen steil abfallenden Hochflächen, um nach der Aufnahme des Venetiko in ein breiteres Tal einzutreten. Er hat von hier bis hinter Servia (Serfidže) ein ziemlich breites, von Schotterbänken erfülltes Bett und ist auf beiden Seiten von stufenförmigen Terrassen begleitet; im Süden hören sie eine Meile vom Flusse bei Servia auf und machen Feldern und Wiesen Platz, Barth 167ff. Dann durchbricht der Haliakmon in nordöstlich gerichteten Schluchten die Ausläufer des Olymp und tritt südlich von Karaferia (Verria) in die Alluvialebene ein (vgl. Boué I 123ff.). Die im Stromgebiet des Haliakmon gelegenen, verwickelt gebauten Berge erreichen im Norden und Osten von Kastoria die größten Höhen (über 2000 m); im Westen erhebt sich der Grammos zu 1450 m und ein Berg im Südosten von ihm zu 1792 m. Sie sind meist stark bewaldet. Etwa von Lapsista an durchströmt der Haliakmon die alte Landschaft Elimeia (Schultze-Jena 174ff.).
M. wird durch eine breite Furche nach Norden erschlossen: das Morawa-Wardartal; vgl. Kossmat 94ff. 120ff. Schultze-Jena 25ff. Es hat Gefälle nach beiden Seiten, hat also seine höchste Erhebung in der Mitte. Der Lepenac, der Richtung anweisende Quellfluß des Wardarsystems, tritt aus dem Engpaß von Kačanik (475 m) in das große zentrale Becken von Üsküb (Skoplje) ein, ein 100 km langes und etwa 40 km breites Senkungsfeld. Es stellt eine Verbiegung der Erdoberfläche nach abwärts dar, in die das Wasser der einmündenden Flüsse zu einem Süßwassersee auflief, dessen Absätze das Becken allmählich auffüllten. In die junge See-Ebene haben dann die Flüsse in gleichem Schritt mit der allgemeinen Hebung des Landes eingeschnitten und vielfach das Grundgebirge auf große Flächen hin entblößt. Im Grundgebirge sind die Täler schluchtartig ausgebildet, während sie in den Sandsteinen, Mergeln und Tonschiefern der Seeabsätze Weitungen darstellen. Der Wardar selbst hat auf weite Strecken sein Bett in die älteren Gesteine eingegraben. Im Nordwesten wird das Becken von Üsküb von dem Kara Dagh (bis 1800 m) begrenzt; gegenüber erhebt sich das Kalkgebirge Suhagora und im Hintergrund der Schar mit dem gewaltigen Eckpfeiler des Ljubetin. Im Südwesten bildet die Salakova mit Pepelak und Begova (Golešnika) die Umrandung, und im Süden wird das Becken durch die Taorklamm abgeschlossen. Die Hochebene des Ovče Polje im Osten scheint ein ursprünglich zum Becken gehöriges gehobenes Landstück darzustellen. Üsküb liegt anstelle einer alten Siedlung in der Hauptfurche und an einem Talknoten: Lepenac-Wardar und Treska. Unterhalb von Üsküb folgt die in kristallinische und paläozoische Schiefer, mesozoische Kalke, Flyschschiefer und Jungtertiär eingeschnittene Enge von Veles (Köprülü) bis Krivolac. Hier münden die Straßen von Prilep über den Prisat- und [644] Pletvarpaß. An der Mündung der Ċerna, dem Ausgangspunkt der Pletvarstraße, lag Stobi. Das linke Ufer ist offen und gut angebaut: das Ovče Polje ist trotz großer Fruchtbarkeit infolge seiner hohen Lage und des Waldmangels Steppe (vgl. Doflein 421ff.). Das Lakovicatal bildet eine Verbindungslinie zur Strumica, deren Becken zunächst noch die Wardarrichtung zeigt, um dann nach Osten zur Struma (Strymon) abzuschwenken. Nach dem Tertiärbecken von Tikveš südlich von Krivolac tritt der Wardar in eine Scholle von mesozoischem Kalk, die er in der außerordentlich wilden epigenetischen Schlucht von Demir-Kapu durchbricht (vgl. Barth 126ff.). Barth hat deutliche Spuren der Bearbeitung des Straßenbodens in klassischer Zeit festgestellt; vgl. v. Hahn 160ff. Darauf durchströmt der Fluß das Becken von Gewgeli, dem auch der See von Doiran angehört. Der Boden besteht aus kristallinischen Schiefern, Kalk, Serpentin und jungvulkanischen Gesteinen und ist fruchtbar. Überragt wird das Becken von der Fortsetzung der Nidže Plan, dem Moglenicagebirge, um etwa 2000 m. Im Süden dieses Gebirges liegt das reich angebaute und gut bewässerte Meglental, das durch das Schiefergebirge Pajak (Païk) von den Niederlanden getrennt wird. Eine Terrainstufe zerlegt das Tal in zwei Abschnitte. Es ist das alte Almopia. Das Pajakgebirge ernährt auf seiner Hochfläche große Schaf- und Ziegenherden und hat dichte Eichenwälder (Struck 79ff.).
Dei Wardar verläßt das Becken von Gewgeli in einem Durchbruchstal, Cingane Derbend, und tritt bei Karasuli in die Küstenebene ein, während der Abfluß des Doiransees in der parallel dem Wardar ziehenden Seenfurche Ardžan-Amatova sich verliert. Die Küstenebene ist eine junge Meeresbucht, in die das Delta des Wardar und seiner Nebenflüsse Gallico (Echeidoros) und Vistritza (Haliakmon), die heute selbständig in das Meer münden, vorgeschoben ist. Die tiefste Stelle ist der See von Jenidže, der die Gewässer von Moglena und Wodena sammelt und durch den Kara Azmak (Ludias, Lydias) zum Wardar schickt. Die Entstehung der Niederlande (Kampania) in der geschichtlichen Zeit stellt sich Struck 95ff. nach den antiken Quellen und seinen Beobachtungen so vor: Etwa bis zum Ende des 5. Jhdts. reichte der Thermäische Meerbusen beinahe bis an das Gebirge. Aus dem Süden ergoß sich die Vistritza (Haliakmon) in den inneren Busen und schob ihr Delta immer weiter vor; ebenso von Nordwesten der Rhoidias (Lydias) = Moglenica. Am Nordufer lagen auf einem schmalen Landstreifen in der Bottiaia die Städte Pella und Ichnai. Der Axios vereinigte sich mit dem Echeidoros (Gallico), und die Straßen liefen um den Golf herum. Jedoch wird weiter unten (II a) nachgewiesen werden, daß Struck für diese Zeit den Meerbusen zu weit in das Land hinein reichen läßt. Im 2. und 1. Jhdt. v. Chr. hatte sich dann das Bild dahin verändert: Haliakmon und Axios hatten sich so weit genähert, daß nur eine schmale Einfahrt in den inneren Golf frei blieb, der Ludias. Infolge seiner Wanderung von Osten nach Westen fiel der Axios in den Ludias. Dadurch und durch das Wasser des Haliakmon und der anderen Flüsse wurde das Seewasser im inneren Busen allmählich in Süßwasser verwandelt; [645] der Sumpf Borboros am Nordsaum war gewachsen, so daß Pella durch einen Kanal mit dem Ludias verbunden werden mußte (Liv.). Im Westen verseichte der Busen allmählich. Endlich um 500 n. Chr. war der See völlig geschlossen, der Ludias ein enger Fluß geworden, die Straße vom Süden nach Thessalonike führte jetzt über Aloros im Delta des Haliakmon. In der 4. Periode wanderten die Flüsse Axios, Ludias, Haliakmon in dem jungen Boden; ihren Hochfluten verdankt der See von Jenidže seine Erhaltung. Noch heute trifft man auf alte, verlassene Flußbetten; die Verbindung des Golfes ist immer weiter gegangen. Der Galliko (Echeidoros), durch seine Überschwemmungen sehr gefährlich, versiegt im Sommer. Von ihm bis zum ältesten, meist gänzlich trockenen Wardararm zieht sich Sumpf oder Sand und Geröll hin. Die trockene Rinne bei Kulakia war noch im 11. Jhdt. Hauptarm (Struck 5). Jetzt hat sie nur bei sehr hohem Wasserstand Wasser; Kulakia liegt ¾ Stunden vom Meere entfernt. Dem Wardar zu wird die Vegetation reicher; jenseits des Flusses dehnen sich Getreidefelder aus, vgl. v. d. Goltz Ein Ausflug nach M., Berlin 1894, 77ff. Das Gebiet bis zum See von Jenidže bietet Winterweide. Struck möchte davon den Landschaftsnamen Bottiaia ableiten. Der Kara Asmak (Ludias) ist schlammig und tief und hat wohl angebaute Ufer; über ihn führt bei Klidi eine spätrömische Brücke. Die Vistritza (Haliakmon) ist der unzuverlässigste der makedonischen Flüsse und verursacht häufig große Überschwemmungen (Struck 19). Haliakmon und Ludias sind seit dem 4. Jhdt. v. Chr. getrennt (Skylax). Der See von Jenidže ist von Sümpfen umgeben und hat im Süden und Osten Schilfwände. Er ist sehr zusammengeschrumpft; nach Struck 23 ist der See bei einer größten Tiefe von 3 m etwa 5 qkm groß, bei hohem Wasserstande etwa doppelt so groß. Den Sumpf, der dauernd zunimmt, schätzt Struck auf ca. 90 qkm. Zwischen dem See und der Vistritza dehnen sich ausgezeichnete Äcker und Wiesen aus. Bei Nisi sind Reste ehemaliger Waldbedeckung. Oberhalb von Karaferia (Verria) beginnt das dicht bewaldete Wermion Oros (Bermios), das das Flachland von der Vistritza bis Wodena abschließt. Wodena, das alte Aigai, liegt am Ausfluß der Nisia, die aus dem Trockental von Wladowo kommt und sich in Kaskaden in das Tiefland stürzt, hoch über der Ebene; die Umgebung ist sehr fruchtbar. Dagegen ist die Gegend zwischen Wodena und Jenidže sehr öde; erst nach dem See zu wird das Land fruchtbarer. Hier lag östlich von Jenidže Pella. Die Straße von Jenidže-Pella nach Salonik überschreitet bei Wardar Han den Fluß auf einer Brücke, der Gephyra der Via Egnatia. Vgl. zur Kampania noch Schultze-Jena 104ff.
Der ganze Norden Ost-M.s gehört der Hauptfurche, dem Becken von Üsküb-Istib, an. Mit dem Becken der Strumica, die sich in die Struma (Strymon) ergießt, beginnt ein neues Element, wenn auch sein oberer Teil die Wardarrichtung einhält. Die Struma fließt von Küstendil an in einem meridionalen Tale bis zur Rupelska Klisura, nach deren Durchbrechung sie in das Becken von Serres eintritt. Oberhalb des Riegels, der dieses Becken vom Meere abschließt, durchfließt der [646] Fluß den 35 km langen, 3 m tiefen Tachynosee, den Überrest einer alten Seebildung. Den Riegel durchbricht die Struma in einer Klamm und mündet nahe der Ruinenstätte von Amphipolis in den Busen von Orfano. Von Westen erhält sie zwei Zuflüsse; die langen und breiten westöstlichen Talniederungen sind nicht von den jetzigen Flüssen geschaffen. Die Ebene von Strumica wird von der Plaškovica und Maleš im Norden und der Belašica im Süden begrenzt; sie hat reiche Bewässerung und fruchtbaren Verwitterungsboden. Von Strumica führt über Plauš Plan, die Straße nach dem Bahnhof an der Wardarbahn. Über die Belašica im Süden gehen nur Pfade zum Doiransee. Südlich von der Belašica ist in einem Talzug zwischen Doiran und Struma durch Schuttkegelbildung der Butkovosee aufgestaut; heute benutzt die Eisenbahn Salonik–Dedeagatsch dieses Tal. Den Raum zwischen der Struma und der Seenfurche von Bešik-Langaza erfüllen die hoch erhobenen Rumpfflächenpartien Kurša und Bešik, 600–1000 m hoch. Zum Strumagebiet vgl. noch Schultze-Jena 179ff.
Im Süden wird die Kampania durch das Massiv des Olympos (Olimbos) begrenzt, der sich als nördlicher Abschluß des thessalischen Küstengebirges als eine kuppelförmig gewölbte Masse zwischen dem Tempe im Süden und dem Mavroneri (Helikon) im Norden erhebt. Er wird durch zwei nach Westen und Osten abfließende Flüsse, die Ziliana zum Meer und die Dhiava zum Xerias (vgl. Kurz 9; Titel s. u.), in den eigentlichen Olymp und den südlichen niedrigeren Kato Olymp geschieden. Die Küstenabhänge des Olymp sind steil und von einer Reihe tiefer Klammen durchschnitten. Von diesen ist der Mavrolongo von besonderer Bedeutung, der den Olymp in die zwei Massen des Profiti Ilija und des Magulis zerlegt. Im Norden schließt sich das bedeutend niedrigere pierische Gebirge an, eine gehobene und schief geneigte alte Rumpffläche. Über die geologische Beschaffenheit sei in Ergänzung des schon Angeführten, aber unter Verweisung auf Cvijić 312ff. und das Werk von Kurz (vgl. auch Barth 184ff.) nur hervorgehoben, daß der Olymp aus einer domförmig gewölbten Rumpffläche aus bläulichem, dünnschichtigem Kalk besteht. Abgeplattete Kuppen herrschen vor; nur oberhalb einiger Kare ragen spitze, pyramidenförmige Gipfel empor. In einer Höhe von rund 2500 m liegen mehrere Kare, die auch in trockenen Jahren Firnflecke aufweisen. Im allgemeinen ist der Olymp nicht tief gegliedert und zeigt keine kühnen alpinen Formen, besitzt dagegen eine außerordentliche Massigkeit. Die zum Meere abfließenden Flüsse durchströmen meist in ihrem Oberlauf in älterem Gestein ausgemeißelte Klammen, während die unteren Talstücke in mächtige Konglomeratmassen eingegraben sind. Von Malatrija bis Tuzla (d. h. von Pydna bis Dion) dehnt sich ein geräumiger Sandstrand aus, der zum Teil eine schmale Zone junger Schuttkegel aus Sand und Schotter aufweist. Von Pydna nach Norden folgt eine breite neogene Zone bis zur Kampania. Die hohen gelben Abhänge an der Küste bis zur Vistritza bestehen aus einem gelblichen Sande mit Schichten eines tonigen Süßwasserkalkes und Travertins. Zwischen dem pierischen Gebirge und der Küstenzone liegt ein [647] ziemlich niedriges, durchschnittenes, bewaldetes Gelände (vgl. Heuzey Le Mont Olympe 181ff. Barth 208f.). Der Nezerosee (Askuris) liegt inmitten des niederen Olymps an der Grenze zwischen mesozoischen Gesteinen und grünen kristallinischen Schiefern 1018 m hoch. Es ist ein Karstsee mit vermoortem Ufer ohne glaziale Spuren in seiner Umgebung. In den Tälern des Kato Olymps kommen hohe Talböden und Verwitterungsterrassen vor, die einzigen bebauten Flächen der Abhänge. Die 5 km lange Klamm von Tempe ist eine den ägäischen Hebungen antezedente Erosionsschlucht in halbkristallinischem Kalk. Nach dem Verlassen der Klamm wird der Peneios von seinem alten Schuttkegel auf der linken Seite begleitet. Das Delta ist 80-90 m mächtig. Auch weiterhin reichen am Gebirgsrande nach Norden bis Dobrina mächtige alte Schuttkegel stellenweise bis ans Meer. Sie sind mit undurchdringlichem Maquis bewachsen. Zwischen den Ortschaften vermitteln ganz überwucherte, vielfach geschlungene Pfade den Verkehr. Bis zum Kap Platamona zieht sich am Ufer eine Schotter- und Sandzone hin, während nördlich von ihm eine Konglomeratzone beginnt, die mit ihrer Länge von 60 km, Breite von 5–6 km und Mächtigkeit bis 800 m alle Anhäufungen in den Alpen übertrifft. Diese ganze Konglomeratzone am östlichen Fuße des Olymps ist allem Anschein nach nicht fluvio-glazialen Ursprungs, da die Vergletscherung des Gebirges unbedeutend war und auch die kurzen Flüsse riesige Schuttkegel aufgehäuft haben. Vielmehr ist die außerordentlich große Ausdehnung und Mächtigkeit auf tektonische Vorgänge zurückzuführen: vgl. Cvijić 326f. Neuerdings hat M. Kurz Le Mont Olympe, Paris 1923, eine ausgezeichnete Beschreibung des Massivs des Olymps mit genauer Berichterstattung über sämtliche Forschungen und die Entwicklung der Kartographie gegeben und eine vorzügliche Karte beigefügt. Für die Chalkidike muß auf Bürchner o. Bd. III S. 2069ff. und Struck Makedon. Fahrten. I. Chalkidike (Zur Kunde der Balkanhalbinsel, Heft 4) 1907 verwiesen werden.
II. Topographie [1].
Literatur zur Topographie (außer den oben angeführten Werken): O. Abel Mak. vor König Philipp, Leipz. 1847. Casson Macedonia, Thrace and Illyria, Oxford 1926. Cousinéry Voyage dans la Macédoine, Paris 1831. Delacoulonche Mémoire sur le berceau de la puissance macédonienne, Paris 1858. Δημίτσας (Demitsas) Ἀρχαία γεωγραφία τῆς Μακεδονίας, Athen 1870/74; ders. Ἡ Μακεδονία ἐν λίθοις φθεγγομένοις καὶ μνημείοις σωζομένοις, Ath. 1896. Desdevises-du-Dezert Géographie anc. de la Macéd., Par. 1863. Döll Progr. Altes Gym., Regensb. 1891. v. d. Goltz Ein Ausflug nach M., Berlin 1894. H. Grothe Auf türkischer Erde, Berl. 1903. Heuzey Le Mont Olympe et l’Acarnanie, Par. 1860. Heuzey-Daumet Mission archéologique de Macédoine, Paris 1876. O. Hoffmann [648] Die Makedonen, Göttingen 1906. Kiepert FOA XVI mit Textblatt. Leake Travels in Northern Greece. III, London 1835. Lolling Hellenische Landeskunde. Jw. Müllers Handbuch III². K. Otfr. Müller Über die Wohnsitze, die Abstammung und die alt. Gesch. des makedonischen Volkes, Berlin 1825. Th. L. Fr. Tafel De Thessalonica, Berlin 1839. Tozer Researches in the Highlands of Turkey, London 1869.
A. Niedermakedonien.
Die Grenzen der alten niedermakedonischen Landschaften sind nicht mit absoluter Sicherheit festzustellen. Sie hatten im 5. Jhdt v. Chr. bereits ihre selbständige Bedeutung verloren, und so kann es nicht verwundern, daß die antiken Zeugnisse über ihre Ausdehnung nicht übereinstimmen. Dazu kommt die oben geschilderte Verschiebung der Küstenlinie in der historischen Zeit, wodurch eine sichere Abgrenzung der Gaue unmöglich gemacht wird. Wir müssen uns daher darauf beschränken, auf Grund der ältesten und besten Zeugnisse ein ungefähres Bild von ihrer Lage und Ausdehnung zu zeichnen.
1. Emathia. An die Spitze möchte ich einen Landschaftsnamen stellen, der schon bei Homer (Il. XIV 226) und noch bei Ptolemaios (III 12, 36 M) erwähnt wird; Emathia (vgl. Oberhummer o. Bd. V S. 2480) . Weder Herodot noch Thukydides kennen ihn, trotzdem bei Ptolemaios die gesamten Niederlande von Beroia bis zum Axios dazugerechnet werden. Ebenso scheint der Name bei Polyb. XXIII 10, 4 (Liv. XL 3) wenigstens das Gebiet am Axios zu bezeichnen, während er bei Strab. VII 329 frg. 11 und Iustin. VII 1, 1 als der frühere Name für M. angeführt wird. In diesem Sinne wird er auch später von Dichtern als gleichbedeutend mit M. gebraucht (s. die Stellen bei Oberhummer ). Da er bei Ptolemaios an die Stelle von Bottiaia getreten ist, dieser Name aber bis in die byzantinische Zeit hinein üblich bleibt (vgl. Oberhummer . Struck 14f.), so kann die Vermutung ausgesprochen werden, daß Ptolemaios den Namen aus Homer und den Dichtern kannte und ihn gleich Nieder-M. setzte. Da der Name offenbar von ἄμαθος abgeleitet ist, so ist Abels Annahme (25f.), ihm eine rein physische Bedeutung zu geben und über die ganze Küstenebene zu erstrecken, bestechend. Jedenfalls ist für eine Landschaft Emathia neben Bottiaia und Amphaxitis kein Platz, und deshalb ist es irreführend, wenn Kiepert FOA XVI den Namen Emathia quer über Bottiaia hinweg von Beroia bis zum Axios eingetragen hat. Auch die Versuche, Emathia und Bottiaia gegeneinander abzugrenzen, müssen aus diesem Grunde unfruchtbar bleiben, vgl. Forbiger Handb. d. alten Geogr. III² 726. Leake III 283ff. Delacoulonche 4ff. Desdevises 329. 343. Demitsas II 2, 10ff. Ἡ Μακεδ. 15ff.
2. Bottiaia. Der Ausgangspunkt für die antike Topographie ist Herod. VII 123: ... ἐπὶ τὸν Ἄξιον ποταμόν, ὃς οὐρίζει χώρην τὴν Μυγδονίην τε καὶ Βοττιαίδα, τῆς ἔχουσι τὸ παρὰ θάλασσαν, στεινὸν χωρίον, πόλιες Ἴχναι τε καὶ Πέλλα. Schwierigkeiten bereitete der Ausdruck στεινὸν χωρίον, παρὰ θάλασσαν, vgl. z. B Delacoulonche 51ff. 70. Da jedoch nach Strucks Vermutung (s. o.) damals das Meer noch tief in [649] das Land hineinreichte, so muß Pella tatsächlich auf einem schmalen Streifen am Meere gelegen haben (vgl. vor allem Thukyd. II 99, 4 und Liv. XLIV 10; daneben auch Plin. n. h. IV 34. 35. Cousinéry I 58ff.). Auch aus Plut. Demosth. 43 geht hervor, daß noch zur Zeit der Diadochen Kriegsschiffe bis nach Pella gelangten. Also gehörte die Nordküste des damaligen Golfes vom Axios an zur Bottiaia. Daß Struck jedoch den Meerbusen zu weit in das Land hineinreichen läßt, geht aus Herod. VII 127 hervor: das persische Heer marschierte μέχρι Λυδίεώ τε ποταμοῦ καὶ Ἁλιάκμονος, οἳ οὐρίζουσι γῆν τὴν Βοττιαίδα τε καὶ Μακεδονίδα, ἐς τὠυτὸ [ῥέεθρον] τὸ ὕδωρ συμμίσγοντες. Denn auf Strucks 1. Skizze ist der Lydias noch nicht verzeichnet und ist auch gar kein Platz für ihn. Oberhummers Skepsis (o. Bd. XIII S. 2205) ist also berechtigt, und es ist klar, daß damals bereits zwischen Golf und Gebirge genügend Raum blieb, um die Entstehung des Lydias aus den zahlreichen Gebirgsbächen zu ermöglichen (vgl. noch Strab. VII 320 und dazu Kiepert FOA XVI S. 3 a). Er vereinigte sich dann vor der Mündung mit dem damals vom Süden her in den Golf mündenden Haliakmon. Über die Veränderungen im Mündungsgebiet des Haliakmon, Lydias und Axios sei noch auf Delacoulonche 61ff. Kiepert a. O. Oberhummer o. Bd. XIII S. 2204 verwiesen. Aus Thukyd. II 100, 4 kann man nur feststellen, daß er Pella und Kyrrhos zu Bottiaia rechnete und neben dieser Landschaft im Tiefland nur Pieria kannte, während Strab. VII 380 frg. 23 lediglich die Ostgrenze Bottiaias, den Axios, anführt. Die Fragmente 20 und 22 (vgl. Tafel Tüb. Progr. zum Königsgeburtstag 1844) sind so heillos verderbt, daß daraus nichts zu entnehmen ist. Nur die Angabe, daß Aloros am linken Ufer des Haliakmon lag, ist wohl richtig, da auch Skylax 67 Fabr. diese Stadt zwischen Haliakmon und Lydias legt, die also damals (nach Philipp u. Bd. II A S. 960 im 4. Jhdt.) bereits getrennt in das Meer flossen, und Plin. n. h. IV 34 zwar Olorus vor dem Haliakmon, aber die Aloritae hinter dem Haliakmon im Innern ansetzt. Wenn man nun noch das Orakel bei Diod. VII 16 hinzunimmt, nach dem Aigai (= Wodena) zur Bottiaia gehörte, so ist man berechtigt, diese Landschaft vom Haliakmon bis zum Axios zwischen dem Gebirge und der Küste sich erstrecken zu lassen. Vgl. zur Bottiaia: Oberhummer o. Bd. III S. 794. K. O. Müller 9f. Abel 9ff. Leake III 258ff. Cousinéry I 61ff. Delacoulonche 51ff. Desdevises 343ff. Demitsas II 2, 218ff. Ἡ Μακεδονία 98ff. v. d. Goltz 17ff. 78ff. Struck 14ff. In der byzantinischen Zeit wird der Name Bottiaia durch Kampania verdrängt, Delacoulonche 55. Struck 15.
3. Pieria. Südlich vom Haliakmon begann dann Pierien. Denn aus Herod. VII 127 möchte ich weder eine makedonische Landschaft Μακεδονίς erschließen, noch mit Oberhummer von der eigentlichen Makedonis sprechen. Denn wenn irgendeine Landschaft müßte man doch Bottiaia mit den Königsstädten Aigai und Pella mit zum eigentlichen M. rechnen. Auch verwickelt sich Oberhummer in einen Widerspruch, wenn er [650] den Haliakmon die Grenze zwischen Bottiaia, der Makedonis und Pierien sein läßt. Was gehörte denn dann zur eigentlichen Makedonis? Allerdings ist eine einwandfreie Auslegung der Herodotstelle meines Erachtens nicht möglich; wir müssen uns begnügen, eine unklare Ausdrucksweise des Historikers festzustellen.
Die Landschaft am Ostfuß des Olymp vom Peneios bis zum Haliakmon hieß nach allen antiken Zeugnissen Pieria (s. d.); vorläufig verweise ich für die Quellenstellen auf Pape -Benseler s. v. und Forbiger Handb. d. alten Geogr. III² 727. Von neuerer Literatur sei angeführt Leake III 421ff. Toser II 6ff. Barth 205ff. Heuzey Le Mont Olympe 81ff. Desdevises 285ff. Demitsas II 2, 44ff. Ἡ Μακεδ. 114ff. Kromayer Antike Schlachtfelder II 285ff.
4. Amphaxitis. Im Osten trennte nach Herod. VII 123 der Axios Bottiaia und Mygdonien, nach Strab. VII 330 frg. 23 Bottiaia und Amphaxitis; VII 329 frg. 11 wird eine irgendwie brauchbare Angabe über die Abgrenzung dieser Landschaft nicht gegeben. Hirschfeld o. Bd. I S. 1884 und Kiepert FOA XVI (vgl. Text S. 3 b) haben trotzdem mit Berufung auf diese Stelle die Landschaft über beide Ufer des Flusses ausgedehnt (vgl. auch Demitsas Ἡ Μακεδ. 326f.). Da aber im frg. 23 der Axios ganz bestimmt als Grenze angegeben wird und auch Herod. a. O. dazu stimmt, denn Amphaxitis kann als ein Teil Mygdoniens angesehen werden, so halte ich mit Mannert VII 474. Tafel 36f. 234. Leake III 449. Demitsas II 2, 246 den Axios für die westliche Grenze der Landschaft (vgl. auch Pape-Benseler s. v. Amphaxitis = am Wardar). Ptolem. III 12, 8. 11. M. läßt Amphaxitis sich über den Hals der Chalkidike vom Axios bis an den Strymonischen Meerbusen erstrecken, was natürlich auf ein Mißverständnis zurückzuführen ist. Abzulehnen ist auch die Vermutung Cousinérys I 84ff., daß die Landschaft zwischen dem Axios und den westlich von Pella entspringenden starken Quellen von Obor oder Palaeo-Kastro (vgl. Struck 69) zu suchen sei. Diese Quellen sollen mit dem Axios in Verbindung stehen (vgl. Strab. VII 330 frg. 20), und der Name würde dann das vom Axios umschlungene Land bedeuten. Ganz abgesehen von der recht gezwungenen Deutung des Namens sprechen die angegebenen Zeugnisse gegen diese Lage; vgl. auch Delacoulonche 56. 100. Ebenso spricht nichts für die Behauptung von Desdevises 346. 354, daß die Amphaxitis sich im Westen nur bis zum Echeidoros (Gallico) erstreckt habe (vgl. Delacoulonche 53f). Zusammenfassend kann also gesagt werden, daß die Amphaxitis sich am linken Ufer des Axios vom Meere etwa bis zum Becken von Gewgeli ausgedehnt hat; die östliche Grenze mag der Echeidoros gewesen sein; doch gehörte später Thessalonike dazu (vgl. Demitsas II 2, 246). Im 5. Jhdt v. Chr. gehörte dieses Gebiet noch zu Mygdonien.
5. Almopia. Zu Nieder-M. kann auch noch die Landschaft Almopia gerechnet werden, öi« entspricht ohne Zweifel der heutigen Moglena oder Meglen, dem fruchtbaren Tal zwischen der Nidže Plan, und dem Pajakgebirge. Vgl. über [651] Almopia u. a. Hirschfeld o. Bd. I S. 1589. Delacoulonche 102. Desdevises 325ff. v. Hahn 260. Demitsas II 2, 214ff. Ἡ Μακεδ. 328ff. Struck 71f. v. d. Goltz 142f.
B. Obermakedonien (westlich des Axios).
Die obermakedonischen Landschaften, die mit ziemlicher Sicherheit als makedonisch bezeichnet werden können und seit Philipp II. zum makedonischen Reiche gehörten, sind Elimeia, Orestis, Eordaia, Lynkestis. Dazu treten Pelagonia und Deuriopos im Norden der Ebene von Monastir sowie das Gebirgsland bis zum Axios. Thukyd. II 99: τῶν γὰρ Μακεδόνων εἰσὶ καὶ Λυγκησταὶ καὶ Ἐλιμιῶται καὶ ἄλλα ἔθνη ἐπάνωθεν . . . Strab. VII 326: τὰ περὶ Λύγκον καὶ Πελαγονίαν καὶ Ὀρεστιάδα καὶ Ἐλίμειαν τὴν ἄνω Μακεδονίαν ἐκάλουν. Dessaretien, das Gebiet der großen Seen, hat dagegen nur zur Zeit der größten makedonischen Machtentfaltung zu M. gehört und hatte illyrische Bevölkerung. Auch Tymphaia und Paraureia können meines Erachtens nicht als makedonisch angesprochen werden, da sie offenbar epirotische Gaue waren, in denen nur wenige Großgrundbesitzer makedonischen Stammes saßen (doch vgl. O. Hoffmann 156f.).
Nun behauptet allerdings Strab. IX 434, daß diese Landschaften epirotische Bevölkerung gehabt haben; vgl. dazu für die Oresten Hekataios (FGrHist 1 F 107) und Thukyd. II 30, 6. Doch hat Hoffmann 151f. mit Recht bezweifelt, daß die alten Historiker auf Grund gründlicher Beobachtungen der Sprache und Sitten die Stämme des oberen M. zu den Epiroten gerechnet haben, sondern dazu einfach durch die geographische Gliederung des Landes bewogen wurden, da es zwischen diesen Berglandschaften und Epirus keine natürlichen Grenzen gab. Auch war allem Anschein nach der nationale Unterschied zwischen den Makedonen und Epiroten nicht erheblich. Hoffmann kommt zu dem Ergebnis (153ff.), daß die Namen des obermakedonischen Adels und seine Stellung am Hofe und im Heere untrügliche Zeugen für seine Zugehörigkeit zum makedonischen Volkstum sind. Dazu kann man auf Thukyd. II 99 (s. o.) und IV 83 (Λυγκηστῶν Μακεδόνων βασιλέα) verweisen.
Doch über diese Feststellung hinaus möchte ich unter Berufung auf die von Herod. VII 137f. überlieferten Stammessagen, nach denen die Makedonen von den westlichen Gebirgslandschaften aus das Tiefland erobert haben (vgl. Abel 92ff. Hoffmann 256ff.), behaupten, daß nicht nur der Adel, sondern auch die Bauern- und Hirtenbevölkerung dieser Gebiete echt makedonisch gewesen ist.
1. Elimeia (Elimiotis). Nach Arrian. anab. I 7, 5. Liv. XXXI 40, 1. XLII 53, 5. Ptolem. III 12, 18 unterliegt es keinem Zweifel, daß Elimeia die Landschaft südlich des Beckens von Ostrovo am mittleren Haliakmon (Vistritza) war, den Livius an der zweiten Stelle ausdrücklich nennt. Danach erstreckte sie sich etwa von Satista im Süden von Orestis bis zum Durchbruch der Vistritza unterhalb von Servia im Tale dieses Flusses. Als Städte werden Byllis, Elimia, Aiana, Phylakai und vielleicht Eratyra genannt. Vgl. über Elimeia: Oberhummer o. Elimeia 1 . Leake III 304ff. Abel 3ff. 27f. Boué I 123ff. [652] Barth 160ff. Heuzey-Daumet 285ff. Desdevises 304ff. Demitsas II 2, 68ff. Ἡ Μακεδ. 216ff.
2. Orestis. Nach Strab. VII 329 frg. 6. Liv. XXVII 33, 1. XXXI 40 (vgl. Thuk. II 80, 6. Diod. VII 15) lag Orestis nördlich von Elimeia (Liv. XXXI 40: inde [sc. ab Elimia] impetum in Orestidem fecit und weiter: ab Celetro [Kastoria] in Dassaretios processit). Entscheidend ist aber, daß die Stadt Keletron nur das heutige Kastoria sein kann (s. u. II E). Neben Keletron wird nur noch Argos Orestikon genannt. Andere Quellenstellen sind: Strab. VII 326. Diod. XVI 93, 3. XVII 57, 2. Steph. Byz. (FGrHist Hekataios 1 F 107). Liv. XLII 38. Appian. Syr. 63. Aus der neueren Literatur sei hingewiesen auf Abel 27f. Boué I 123ff. Heuzey-Daumet 296ff. Desdevises 307ff. Demitsas II 2, 79ff. Ἡ Μακεδ. 227ff. Gelzer Vom heiligen Berge und aus Makedonien, Leipzig 1904, 226ff.
3. Lynkos, Lynkestis. Eine Stadt Lynkos, die man aus Thukyd. IV 83. 124. 129. 132 und aus Liv. XXXI 33 herauslesen könnte (so Steph. Byz. s. v. und Desdevises 311. Lolling 224), hat es nicht gegeben; es ist an diesen Stellen die Landschaft gemeint (vgl. Heuzey-Daumet 301f.). Diese Landschaft umfaßte den südlichen Teil der Ebene von Monastir (Bitolia), wie aus dem Unternehmen von Brasidas und Perdikkas II. (Thuk. IV 83. 124) und dem Verlaufe der Feldzüge im 1. und 2. makedonischen Kriege hervorgeht (Liv. XXVI 25, 4. XXXI 33. XXXII 9, 9). Dasselbe beweisen Polyb. XXXIV 12, 8 = Strab. VII 322. 326. 327. Liv. XLV 30. Danach lag Lynkestis östlich vom Prespasee und nördlich von Eordaia (= Becken von Ostrovo) und wurde vom Erigon (Ċerna) durchflossen (Strab. VII 327. Oberhummer o. Bd. VI S. 450) .
Nach antiken Zeugnissen haben nun Pelagonen die Ebene von Monastir bewohnt (vgl. Strab. VII 326. 327. 331 frg. 38. 39. Liv. XXVI 25, 4. XXXI 34, 6. Plin. n. h. IV 35. Syll.³ 174: Μενέλαος Πελαγών), und nach der Besiegung des Perseus wurde der vierte Bezirk M.s, zu dem auch die Lynkesten gehörten, Pelagonien genannt, Liv. XL V 30. Strab. VII 331 frg. 48. Diod. XXXI 8, 8. Seitdem haftete ihr Name an diesem Teil der Ebene, wie ja auch die Hauptstadt Herakleia (Λύγκου) den Namen Pelagonia erhielt (s. u. Tomaschek S.-Ber. Akad. Wien CXXVIII 4, 17). Die Erklärung dafür liegt wohl darin, daß die makedonischen Lynkesten in früher Zeit, von Eordaia aus in die Ebene vordringend, die pelagonische Bevölkerung unterworfen haben; seitdem hieß der südliche Teil der Ebene Lynkos oder Lynkestis. Die Römer haben dann den alten Namen Pelagonien in bewußter Reaktion gegen die makedonische Herrschaft hervorgeholt und sich dadurch die Sympathien der unterworfenen Bevölkerung zu erwerben versucht. Es erscheint jedoch sehr zweifelhaft, ob nach der jahrhundertelangen makedonischen Herrschaft noch ihrer Fremdstämmigkeit sich bewußte Pelagonen dort gewohnt haben, ganz abgesehen davon, daß über die Nationalität der Pelagonen noch große Unklarheit herrscht (vgl. z. B. Beloch Griech. Gesch.² I 2, 55ff. Vulic Le Musée Belge XXX [653] 104ff.). Neuere Literatur über Lynkestis: Leake III 307ff. Grisebach II 175ff. Abel 12ff. Tozer I 166ff. v. Hahn 144ff. Heuzey-Daumet 299ff. Barth 136ff. Desdevises 310ff. Demitsas II 2, 101ff. Ἡ Μακεδ. 244ff. v. d. Goltz 92ff. 138ff. Grothe 340ff. Schultze-Jena 158ff.
4. Deuriopos. Der nördliche, durch eine Hügelkette abgetrennte Abschnitt der Ebene hieß Deuriopos (Douriopos) nach einem paionischen Stamme, den Deuriopes (vgl. Philippson o. Bd. V S. 280f. Steph. Byz. Strab. VII 326.327. Liv. XXXIX 53). Da bei Cepikovo an der Ċerna zwischen Monastir und Prilep Inschriften mit dem Namen der Deuriopes gefunden sind, ist ihr Wohnsitz in der Ebene von Prilep sicher bestimmt. Demitsas Ἡ Μακεδ. 278ff., der die Inschriften abdruckt, glaubte aus ihrem Wortlaut und den angeführten Beamten schließen zu dürfen, daß der Gau in der römischen Zeit einen gleichnamigen Hauptort hatte. Mir erscheint der Schluß nicht zwingend. Doch vgl. Kiepert . Vielmehr hat Heuzey-Daumet 313ff. mit mehr Recht in Deuriopos einen Clan sehen wollen. Aus Liv. a. O. scheint hervorzugehen, daß sich der Gau um 200 v. Chr. bis zum Axios über das Bergland von Murichovo ausdehnte, da Philipp V. im Gebiet der Deuriopes in der Nähe von Stoboi eine Stadt Persëis gründete. Vgl. noch v. Hahn 144f. Kiepert S. 2. In der Ebene von Monastir und dem angrenzenden Gebirgsland werden außer Herakleia Λύγκου = Pelagonia noch als Städte Beue, Athakos, Stybera, Uscana, Bryanion, Alalkomenai, Pluinna, Pissaion (?) erwähnt.
5. Dassaretis. Das Gebiet der großen Seen, des Prespa-, Ochrida- und Maliksees, gehörte nur politisch zur Zeit der höchsten Macht zu M. Höchstens das Becken des Prespasees, das Ober-M. direkt vorgelagert ist, könnte noch als makedonisch bezeichnet werden. Es genüge deshalb, hier auf Philippson o. Bd. IV S. 2221 zu verweisen; der dort angeführten Literatur sei hinzugefügt: H. Gelzer 139ff. Doflein 530ff. 554ff. Grothe 367ff. Schultze Jena 168ff. Von Städten hat nur Lychnidos für M. Bedeutung.
6. Eordaia. Die Ἐορδοί, zuerst bei Herod. VII 185 erwähnt, saßen nach Strab. VII 323 = Polyb. XXXIV 12, 8. VII 326. Arrian. anab. I I 7, 5. Liv. XXXI 39, 7. 40, 1. XLII 53 zwischen Lynkestis im Nordwesten, Aigai = Edessa im Osten, Elimeia im Süden. Eordaia ist danach die Senke, die von mehreren abflußlosen Seen und ihren Zuflüssen eingenommen wird; der See von Ostrovo ist von ihnen der bedeutendste. An Städten wird neben den Stationen der Itinerare nur Amissa genannt, da eine Stadt Begorra (Leake III 316. Desdevises 327. Demitsas II 2, 99. Ἡ Μακεδ. 243) nirgends überliefert wird. Neuere Literatur: Oberhummer o. Bd. V S. 2656 . Leake III 316ff. Grisebach II 152ff. Abel 6ff. Barth 156ff. Desdevises 327ff. Demitsas II 2, 93ff. Ἡ Μακεδ. 356ff. v. d. Goltz 89.
C. Das Wardartal. Das Tal des Axios war bis zum Eintritt des Flusses in das Becken von Gewgeli im Besitze päonischer Stämme. Doch [654] lag es im Interesse der makedonischen Herrscher, dieses Haupteinfallstor vom Norden her in ihre Hände zu bekommen und durch Festungen zu sichern. Aus diesem Grunde müssen wenigstens die Siedlungen Bylazora, Stoboi, Antigoneia, Persëis (s. unter B 4) genannt werden. Zweifelhaft ist die Lage von Andaristos und Pissaion. Vgl. Abel 15ff.
D. Ostmakedonien. Zu Ostmakedonien gehörten die Landschaften zwischen Axios und Strymon südlich der Balašica und ihrer östlichen Fortsetzungen. Jenseits des Strymon (Struma) kann nur die Ebene von Philippoi mit dem Küstenstrich als makedonisch bezeichnet werden. Die Chalkidike ist bereits oben (Bd. III S. 2069ff.) behandelt worden und gehört auch als hellenisches Kolonisationsgebiet nicht in eine Schilderung M.s. Auch dies oben umschriebene Gebiet zwischen Axios und Strymon war von thrakisch-paionischen Stämmen bewohnt (vgl. Tomaschek ); wenn es trotzdem hier nicht übergangen werden darf, so ist der Grund dafür, daß es seit den Perserkriegen zu M. gehörte und von zahlreichen makedonisch-griechischen Siedlungen durchsetzt war. Es ist so trotz seiner fremdstämmigen Bevölkerung ein Bestandteil M.s geworden.
An Landschaften werden uns Mygdonien, Krestonia (Grestonia), Bisaltia genannt; auch Anthemus hat wohl noch nicht zur Chalkidike gehört. Jenseits des Strymon wohnten die thrakischen Stämme der Odomanten, Edonen und Doberer, an der Küste die Pierer. Für die einheimischen Stämme ist neben Tomaschek auf die betreffenden Artikel dieses Werkes sowie auf Svoronos Journ. Internat. d’archéol. numismat. XIX 1918/19 zu verweisen.
1.Mygdonien . Nach Herod. VII 123 reichte Mygdonien bis zum Meerbusen von Therme und wurde durch den Axios von Bottiaia getrennt; dazu stimmt die Angabe VII 124, daß der Echeidoros durch Mygdonien hindurchfloß. Bei Thukyd. I 58 wird das Land um den Bolbe (= Bežik Göl) als zu Mygdonien gehörig bezeichnet und II 99, 4 die Landschaft bis zum Strymon ausgedehnt: πέραν Ἀηίου μέχρι Στρύμονος τὴν Μυγδονίαν καλουμένην (vgl. dazu Plin. n. h. IV 38. Ptolem. ΙΙΙ 12, 33 M.). Thukyd. II 100, 4 unterscheidet Grestonia und Anthemus von Mygdonien. Krestonia begrenzte nach Herod. VΙΙ 124 Mygdonien im Norden; hier lagen die Quellen das Echeidoros. Steph. Byz. s. Κροῦσις rechnet auch diese Landschaft zu Mygdonien. Sucht man aus diesen Zeugnissen das Ergebnis zu ziehen, so kann man als Grenzen Mygdoniens im Westen den Axios bezw. Echeidoros (s. o. U A 4), im Norden die Vorberge des Kruša oder Kurša Balkan und den Bežik Dagh, im Westen den Strymoniachen Meerbusen, im Süden die Berge der Chalkidike bezeichnen. Wenn Thukyd. II 99, 4 den Strymon als Grenze anführt, also den Streifen zwischen Bežik Dagh und Strymon zu Mygdonien rechnet, so widerspricht er Herod. VII 115, der dieses Gebiet Bisaltia nennt (αὔτη) [sc. Argilos] καὶ ἡ κατύπερθε ταύτης καλέεται Βισαλτίη). Auch Strab. VII 329 frg. 11. 331 frg. 36. Ptolem. III 12, 32 legen Bisaltia auf das rechte Ufer des Strymon. Doch nennt Thukydides andererseits II [655] 99, 6 und IV 109, 4 Bisaltia neben Grestonia und Anthemus; II 99, 4 hat er also allem Anschein nach Mygdonien in einem weiteren Sinne als das ganze Gebiet zwischen Axios und Strymon umfassend gebraucht; vgl. Tafel 241ff.
An Städten werden in Mygdonien genannt: Sindos, Karrabia, Bormiskos, Bolbe, Arethusa, Xylopolis, Bairos, Asseros, Lete, Apollonia, Kalindoia, Antigoneia, Thessalonike, Physka oder Physkos. Vgl. noch Leake III 231ff. 450ff. Cousinéry I 53ff. Abel 17ff. Desdevises 846ff. Demitsas II 2, 246ff. Ἡ Μακεδ. 396ff.
2. Bisaltia . Nach den obigen Ausführungen (vgl. dazu Oberhummer o. Bd. III S. 499f.) erstreckte sich Bisaltia westlich des Strymon bis zum Bežik-Dagh und vom Meere bis hinauf nach Herakleia Sintike; nach Strab. VII 331 frg. 36 durchströmt der Strymon das Gebiet der Bisalter, so daß die Landschaft auch auf das östliche Ufer hinüberreichte. Vgl. noch Diod. XXXI 8, 8.
Städte: Herakleia Sintike, Berge, Argilos, Kalliterai, Ossa, Euporia.
Neuere Literatur s. unter Mygdonien.
3. Krestonia (Grestonia). Nach Herod. VII 124. 127 entsprang der Echeidoros im Gebiet der Krestonen, also reichte ihr Gebiet bis an den Kruša-Balkan. Thuk. II 99, 6 und 100, 4 erwähnt Krestonia (Γρηστωνία) zusammen mit Bisaltia, Mygdonien und Anthemus, was auf die Gegend zwischen Echeidoros und Bolbesee hinweist; vgl. Strab. IV 331 frg. 41. Bei Ptolemaios fehlt der Gau. Städte: Kreston(?). Bei den ineinander fließenden Grenzen von Krestonia und Mygdonien ist die Zuweisung der Städte an einen der beiden Gaue meist unmöglich; vielleicht Terpyllos; s. Oberhummer o. Bd. XI S. 1718 . Demitsas Ἡ Μακεδ. 598ff.
4. Anthemus. Die Stadt, zu der ein bedeutendes Landgebiet gehört haben muß (vgl. Thuk. II 99, 6. 100, 4. Steph. Byz. Harpokr. Hesych.), war bereits vor den Perserkriegen makedonisch, da Amyntas I. sie Hippias als Zufluchtsort anbot (Herod. V 94). Unter Alexander d. Gr. wurde sie zum altmakedonischen Gebiet gerechnet (Arrian. anab. II 9, 3). Nach Leake III 450 lag sie im Tale von Langaza, im Südosten von Krestonia, nach Cousinéry I 112f. 141 sogar am Bolbe, während Tafel 250ff. mit Recht darauf hinweist, daß sie nach Aesch. II 27ff. im Süden von Thessalonike gelegen haben muß. Daher ist die Ansetzung bei Galatista am südlichen Abhang des Chortatsch wahrscheinlich; Hirschfeld o. Bd. I S. 2369. Desdevises 361. Demitsas Ἡ Μακεδ. 604. Struck Chalkidike 9. Die Landschaft das Tal von Kalameria. Kiepert a. O. Text 3 b. Svoronos 139ff.
5. Ebene von Philippoi. Das Gebiet von Philippoi, von thrakischen Stämmen bewohnt, ist durch seinen Reichtum an Edelmetallen seit der Besetzung durch Philipp II. für Makedonien von größter Bedeutung gewesen. Daher muß hier kurz auf die Ebene eingegangen werden. Sie wird im Norden vom Boz Dagh, im Süden vom Bunar (Prnar) Dagh, im Osten von den Bergen am rechten Ufer der Mesta (Nestos) begrenzt und ist im Westen nach dem Tachyno Göl offen. Durchflossen wird sie vom Angita, dem alten Angites, einem Zufluß des Sees. Über den Gebirgszug, der die Ebene vom Meere trennt, führt ein Paß [656] (Pylai) zur Küste, wo die Hafenstadt Neapolis. lag (s. u.). Die wichtigste Siedlung der Ebene bildete Philippoi, das alte Krenides (Strab. VII 331 frg. 41). Zweifelhaft bleibt das Verhältnis von Daton zu Philippoi und Neapolis. Während es nach Strab. 331 frg. 33. 36 neben Neapolis παρὰ τὴν παραλίαν τοῦ Στρύμονος lag, behauptet Appian. bell. civ. IV 105, daß Philippoi früher Datos und dieses ursprünglich Krenides geheißen habe. Leake III 223f. Desdevises 413ff. Demitsas II 2, 557ff. Kiepert Alte Geogr. 315. Lolling 220. 230 setzen Daton daher an die Küste neben Neapolis oder gleich Neapolis. Dagegen kommen Heuzey-Daumet 62ff. nach eingehender Prüfung der Geschichte der Gegend zu dem Ergebnis, daß im 6. Jhdt. ein Bezirk Daton existierte (auch Herod. IX 75: ἐν Δάτῳ spricht für einen Bezirk) der von den Thasiern ausgebeutet wurde und Krenides als Vorposten hatte; im 5. Jhdt. blühte Neapolis als attische Bundesstadt auf, während das Innere nach der Niederlage von Daton-Drabeskos in die Gewalt der Thraker zurückgefallen war. Um 360 hätten dann die Thasier mit Hilfe des Atheners Kallistratos eine neue Kolonie in Daton gegründet (Schaefer Demosth.² I 135f. Swoboda o. Bd. X S. 1734) und auf diese Siedlung den Namen des Bezirks übertragen. 2 Jahre später sei dann nach der Besetzung durch die Makedonen die Stadt als Philippoi neu gegründet worden. Diesen Darlegungen möchte sich Philippson o. Bd. IV S. 2229f. anschließen, während Cousinéry II 52 Datos nach Paleochori legt und von Krenides-Philippoi unterscheidet.
An der Küste lagen neben Neapolis Oisyme, Apollonia, Galepsos, Phagres, Eion und kurz vor dem Durchbruch des Strymon durch die Küstenkette Amphipolis. Im Strymontal oberhalb des Sees sind noch Serrhai (Siris) und Skotussa zu erwähnen. – Vgl. über die Ebene und das Pangaion vor allem Cousinéry II 15ff. Heuzey-Daumet 1–164. Leake III 214ff. Demitsas Ἡ Μακεδ. 689ff. Mertzides Οἱ Φίλιπποι, Konstantinopel 1897. Svoronos 160ff. und Casson 63ff.
E. Städtekatalog. Zur schnelleren Übersicht erschien die alphabetische Anordnung der für M. überlieferten Städtenamen mit Angabe der wichtigsten Zeugnisse und Literatur der Einordnung des gesamten Materials in die Behandlung der Landschaften vorzuziehen. Vorher sei aber auf die sehr beachtenswerten Ausführungen Cassons 79ff. hingewiesen. Er stellt fest, daß vom Axios bis nach Salonik drei Gruppen von antiken Fundstellen festgestellt sind, von denen eine ganze Reihe vorhistorischen Siedlungen mit ununterbrochener Besiedlung entspricht. Trotzdem diese Gegenden die fruchtbarsten der ganzen Ebene seien und man daher hier eine große Anzahl antiker Städte vermuten müsse, sei bisher nicht versucht worden, an diesen Stätten eine antike Stadt zu lokalisieren. Nur Struck 96 habe Ichnai und Chalastra an den Axios gelegt. Hier müsse man nach der Masse der kleinen Städte suchen. Casson weist weiter darauf hin, daß Stephanus von Byzanz mit seinen reichen topographischen und historischen Quellen unsere beste Quelle sei. Er zähle zwischen Olymp und Strymon [657] 70 makedonische Städte auf. Ziehe man die sechs hellenistischen Gründungen (Antigoneia, Aspis, Kassandreia, Strobos, Thessalonike, Phila) ab, berücksichtige zwei Duplikate (Eidomene = Idomenai, Europos = Oropos), lasse drei Städte im Wardartal (Gortynia, Eidomene, Europos) und die acht Städte im Osten der Zentralebene beiseite, so blieben für die Ebene 51 Städtenamen, von denen nur neun sicher festgelegt seien: Aigai, Alindoia, Amphipolis, Berrhoia, Dion, Lete, Methone, Pella, Pydna. Für diese 42 Städte, von denen die Mehrzahl makedonische Namen trügen, hätten wir wenigstens 11 passende Plätze, die sicher bedeutenden Städten angehörten. Zu den Namen bei Stephanos von Byzanz kämen dann noch Namen bei anderen Autoren hinzu.
Diesen Ausführungen Cassons möchte ich noch hinzufügen, daß sehr viele Lokalisierungen antiker Städte, namentlich bei Desdevises und Demitsas , durchaus willkürlich sind. Es ist aber nicht Aufgabe der historischen Geographie, möglichst viele der oft nur einmal überlieferten Ortsnamen, über deren Lage die Quellen meist gar nichts sagen, irgendwo anzusetzen, wo antike Spuren vorhanden zu sein scheinen. Denn auch in dieser Hinsicht haben sich die Angaben moderner Reisender bei gründlicher Nachprüfung oft als unzutreffend erwiesen. – Die Siedlungen in dem eigentlichen M. habe ich mich bemüht, vollständig zu bringen, während in den Außengebieten Vollständigkeit nicht erstrebt wurde. Von Zeugnissen sind meist nur die für die Lage wichtigen angeführt; ebenso ist die wichtigste Literatur vermerkt. Für weitergehende Wünsche muß auf die Sonderartikel verwiesen werden.
Abydon (Ἀβυδών), bei Hom. Il II 849. XVI 288 Amydon, am Axios: Strab. VII 330 frg. 20. 23. Steph. Byz. Hirschfeld o. Bd. I S. 1990. Desdevises 347. Demitsas Ἡ Μακεδ. 328. Chrysochoos Ἐπετ. Παρνασσοῦ I (1897) 87ff.: bei Amatovo. Vgl. Casson 46.
Agassai (Agassae), in Pierien am Olymp: Liv. XLIV 7. XLV 27. Hirschfeld o. Bd. I S. 737 : beim heutigen Katerina. Heuzey Le Mont Olympe 185f. = Paliostenas (s. Oberhummer Art. Askordos o. Bd. II S. 1700). Demitsas II 2, 61: im Binnenland; vgl. Leake III 423f. Kromayer Ant. Schlachtf. II 286, 2.
Aiane (Αἰανή), Steph. Byz., in Elimeia. Hirschfeld o. Bd. I S. 925. Boué I 186: bei Siatista, Heuzey-D. 285f.: bei Kaliani, ebenso Demitsas II 2, 75; Ἡ Μακεδ. 219ff. Ganz unklar Desdevises 305.
Aigai (Αἰγαί) = Edessa: Stellen bei Hirschfeld o. Bd. I S. 944. In Bottiaia: von Ptol. III 12, 36 M. falsch von Edessa unterschieden. Allgemein an die Stelle des h. Wodena gesetzt: Mannert Geogr. d. Griech. u. Röm. VII 480ff. Leake III 271ff. Cousinéry I 75f. Tozer I 155ff. Ami Boué I 123. Delacoulonche lOff. Grisebach II 82ff. v. Hahn 199. Desdevises 334f. Demitsas II 2, 14ff. Grothe 332ff. v. d. Goltz 82ff. Struck 58ff. (mit ausführlicher Geschichte und reichem Material).
Aiginion (Aeginium), Liv. XLV 27. Heuzey Le Mont Olympe 187 (auf der Karte = Paliani). Desdevises 302 = Libanovo. Demitsas II 2, 60 = Libanovo bei Eleutherochori; vgl. [658] Ἡ Μακεδ., 169ff. Doch ist bei Livius wohl die bekannte Stadt der Tymphaier gemeint.
Aineia (Αἴνεια), auf der Chalkidike an der Grenze von Anthemus, s. Hirschfeld o. Bd. I S. 1009 und u. Rhaikelos.
Airai (Αἰραί), nur bei Steph. Byz. Aisyme = Oisyme.
Akesai (Ἀκεσαί), nur bei Steph. Byz.
Akesamenai {Ἀκεσαμεναί), nur bei Steph. Byz.; nach Desdevises 293 bei Sphigi in Pierien.
Alalkomenai (Ἀλαλκομεναί), bei Steph. Byz. Alkomenai. Nach Strab. VII 327 eine Stadt der Deurioper, in der Ebene von Prilep, am Erigon. Vgl. Leake III 322. Desdevises 315. Demitsas Ἡ Μακεδ. 281. Hirschfeld o. Bd. I S. 1276.
Alindoia (Ἀλίνδοια), Steph. Byz.; Kalindoia bei Ptol. III 12, 33 M.; in Mygdonien. Desdevises 352, im Süden von Lete. Demitsas II 2, 253 = Langaza. Kiepert 4 a bei Kilindir (nach Chrysochoos). Über die Ausgrabungen von Chauchitsa, nördlich vom Ardzansee, in der Nähe von Kilindir, s. Annuals Brit. Sch. Athens XXIII 36. XXIV 1ff. Casson 47. 83. 127ff. 145ff.
Allante (Ἀλλάντη), Steph. Byz.; nach Theopomp, frg. 36 Gr.-H. Allantion. Plin. n. h. IV 35. Wohl = Atalante. Hirschfeld o. Bd. I S. 1583.
Almana, Liv. XLIV 26, am Axios. Hirschfeld o. Bd. I S. 1589. Leake III 471. Desdevises 318: beim Tschiflik von Hamman.
Almopia (Ἀλμωπία), Hierokl. synecd. 638, 10. Danach möchte Leake III 444 und Delacoulonche 106 eine Stadt Almopia = Europos annehmen. Doch erscheint die Angabe des Hierokles für eine solche Annahme nicht gewichtig genug; vgl. Hirschfeld o. Bd. I S. 1589.
Aloros (Ἄλωρος), Steph. Byz. Strab. VII 330 frg. 20. 22. Plin. n. h. IV 34. Skyl. 67 Fabr., in Bottiaia, nach Strab. a. O. und Skyl. zwischen Haliakmon und Lydias. Leake III 436 sucht Aloros bei Paleakhora in der Nähe von Kapsochori, vgl. Hirschfeld o. Bd. I S. 1598; doch spricht sich Demitsas II 2, 223f. dagegen aus. Delacoulonche 62ff. setzt es bei Clidi auf der νῆσος zwischen den Flüssen (vgl. das Dorf Nisi Struck 18f.) an, wo er Bogen einer alten römischen Brücke fand, die nach ihm über den alten Lauf des Haliakmon führte (Liv. XXIX 29); vgl. dazu Kiepert S. 3 a. Ebenso Desdevises 344.
Alponos (Ἄλπωνος), nur bei Steph. Byz.
Altos (Ἄλτος), Steph. Byz.; in der Nähe von Thessalonike, Leake III 450. Desdevises 354.
Amantia (Ἀμαντία), Ptol. III 12, 19, wohl in der illyrischen Orestis.
Amphaxis, nach Cousinéry I 85 weisen die Münzen auf eine Stadt dieses Namens hin, die er in Palaeokastro bei Gradista ansetzen möchte. Doch vgl. Head HN² 240. Der Distrikt hatte seit Philipp V. Münzrecht.
Amphipolis, vgl. Hirschfeld o. Bd. I S. 1949ff. Cousinéry I 100ff. 122ff. Leake III 183ff. Demitsas Ἡ Μακεδ. 690ff.
Antigoneia (Ἀντιγόνεια), Ptol. III 12, 33: in Mygdonien. Skymn. 631. Plin. n. h. IV 34. Tab. Peut. Demitsas II 2, 194; Ἡ Μακεδ. 329 = Tikveš am Axios; doch erklärt Heuzey-D. 328f. diese Gleichsetzung für unmöglich.
[659]
Apameia, nur aus Steph. Byz. viell. zu erschließen.
Apollonia (Ἀπολλωνία), Strab. VII 330 frg. 21. 33. Skyl. 67. Plin. IV 38. Ptol. III 12, 33: in Mygdonien, das heutige Pollina, zwischen dem Ammites und Olynthiakos (Athen. VIII 334 e = FHG IV 420). Vgl. Hirschfeld o. Bd. II S. 114 Nr. 3. Cousinéry I 115. Tafel 238. Leake III 458. Desdevises 357. Gaebler Ztschr. f. Numism. XXXVI 192ff.
Apsalos (Ἄψαλος), Ptol. III 12, 21. In Almopia, 1 nach Desdevises 326 und Demitsas II 2, 215. Ἡ Μακεδ. 323 bei Dragamantsi. Vgl. Hirschfeld o. Bd. II S. 276.
Arethusa (Ἀρέθουσα), Steph. Byz. Ptol. III 12, 8. Skyl. 67. Plin. n. h. IV 38. Skymn. 635. Strab. VII 331 frg. 36. Nach Ammian. XXVII 4, 8 ein Tal und eine Station bei Bromiskos (auch im Itin. Hierosol.), vgl. Leake ΙΙΙ 170f., also zwischen dem Bežik Göl und dem Meer, Leake III 461; nach Strab. a. O. in Mygdonien. Nicht nur eine mutatio, sondern nach Skyl. a. O. ursprünglich eine griechische Kolonie; s. Hirschfeld o. Bd. II S. 679f. Nr. 8. Grab des Euripides.
Argilos (Ἄργιλος), nach Herod. VII 115 westlich vom Strymon am Meer, in Bisaltia. Leake III 171; vgl. Ptol. III 12, 32 (für Ἄργωλος mit Tafel Tüb. Königsgeburtstagsprogr. 1844, 28) und die Anmerkung C. Müllers z. St. (I 1, 513). Demitsas Ἡ Μακεδ. 600 = Kutzuk Orsova. Cousinéry I 118 = Bujuk Orchova, Perdrizet Bull. hell. XVIII 434f. = Palaeokastro, vgl. Kiepert S. 5 a. Hirschfeld o. Bd. II S. 718.
Argos Orestikon (Ἄργος Ὀρεστικόν), in Orestis, Strab. VII 326. Appian. Syr. 63; noch bei Hierokl. 641, 3; vgl. Hirschfeld o. Bd. II S. 789 Nr. 5. Dabei wohl der ,Argestaeus campus‘, Liv. XXVII 33. Nach Leake IV 122 Ebene von Anaselitza. Desdevises 307ff. setzt die Stadt nach Pouqueville bei Krepeni an; vgl. Demitsas II 2, 90ff.; Ἡ Μακεδ. 230f.
Arnissa (Ἄρνισσα). Thuk. IV 128. Ptol. III 12, 17 (Müller z. St. I 1, 505). In Eordaia. Von Leake ΙΙΙ 315 mit Ostrovo gleichgesetzt, von Hirschfeld o. Bd. II S. 1205 = Cellae (doch vgl. Tafel De Via Egnatia [Tübing. 1842] 42). Außerdem Demitsas II 2, 99; Ἡ Μακεδ. 243. Falsch die Gleichung Arnissa = Barnus bei Leake III 316.
Aspis (Ἄσπις), nur bei Steph. Byz. Gründung Philipps V., Oberhummer o. Bd. II S. 1734.
Asseros (Ἄσσηρος), Ptol. III 12, 33 in Mygdonien. Müller I 1, 515 setzt es nach Bazarudi, befürchtet aber eine Verwechslung mit Assera auf der Chalkidike, während Oberhummer o. Bd. II S. 1747[WS 1] es mit Assa gleichsetzen möchte.
Astraion (Ἄστραιον), Steph. Byz. Ἄστραια. Ptol. III 12, 24. Liv. XL 24. Hierokl. 641, 4 Εὐστράιον. Nach Leake III 466. Tafel 314. Demitsas II 2, 195; Ἡ Μακεδ. 329f. Oberhummer o. Bd. II S. 1795 = Strumitza.
Atalante (Ἀταλάντη), Thuk. II 100, am Axios, wohl zur Amphaxitis gehörig. Nach Demitsas II 2, 227 wahrscheinlich = Axilari. Wohl identisch mit Allante, Allantion: Oberhummer o. Bd. II S. 1889. Desdevises 347.
Athacus, Liv. XXXI 34, 7, in Pelagonien. Falsch [660] setzt Desdevises 235 Athacus nach Resna am Nordufer des Prespa, da dieser Ort nach Livius zwischen dem Lager der Römer und der Ebene gelegen hat. Heuzey-D. 303 legt das Lager Philipps nach der Station Castra (Parembole); doch sehen Kiepert 2 b und Miller Itin. Romana 521 mit mehr Recht das Standlager der Römer in dieser Station, die Miller in Dihova, Kiepert östlich von Kashani ansetzen (vgl. u. IV). Dann lag das Lager Philipps paulo plus mille passus westlich von dieser Gegend und Athacus jedenfalls bei Magarewo. Vgl. noch Leake III 3071ff. (s. unter Ottolobus).
Audaristos (Αὐδάριστος), Ptol. III 12, 31: in Pelagonien. Nach Heuzey-D. 328 = Euristus der Tab. Peut. = Raječ, nach Desdevises 319 = Trojak(?), im Becken von Raječ.
Bairos (Βαῖρος), Ptol. III 12, 33 in Mygdonien, vgl. Oberhummer o. Bd. II S. 2777.
Baition (Βαίτιον), Theopomp. frg. 142 Gr.-H. Oberhummer o. Bd. II S. 2778.
Balla(Βάλλα), Steph. Byz. Ptol. III 12, 37 (Οὐάλλαι). Plin. n. h. IV 34 (Vallaei). In Pieria. Heuzey Le Mont Olympe 189ff. (vgl. Heuzey-D. 175ff.) legte die Stadt nach den von ihm beschriebenen Ruinen von Palatitza am Haliakmon: ihm folgen u. a. Demitsas Ἡ Μακεδ. 175ff. Oberhummer o. Bd. II S. 2829. Struck 43ff.; vgl. Kiepert 3b.
Baloion (Βάλοιον), nur bei Steph. Byz.
Barnus (Βαρνοῦς), bei Polyb. XXXIV 12, 6ff. (= Strab. VII 323) heißt es bei der Schilderung der Via Egnatia: . . . ἐκεῖθεν δ’ ἑστὶ παρὰ Βαρνοῦντα διὰ Ἡρακλείας καὶ Λυγκηστῶν κτλ. Daraus haben einige auf eine Stadt Barnus geschlossen (Leakes [III 316] Gleichung: ,Barnus = Arnissa = Ostrovo‘ schon nach dem Wortlaut der Stelle unmöglich), andere dagegen mit Recht in Barnus ein Gebirge gesehen (z. B. ) Lolling 222. Kiepert 2/3), da sowohl die Wendung παρὰ Βαρνοῦντα wie die Tatsache, daß eine Stadt dieses Namens sonst nirgends erwähnt wird, obwohl sie nach der Art ihrer Anführung so bekannt wie etwa Herakleia oder Edessa gewesen sein müßte, auf ein Gebirge schließen läßt. Man kann dabei an die Neretschka-Plan. (s. Oberhummer o. Bd. III S. 25)[WS 2] oder an den Peristeri, ihren höchsten Gipfel, denken (Kiepert a. O.; vgl. Sieglin-Kießling Atl. ant. 14). Vgl. Gaebler Zschr. f. Numism. XXXVII 249.
Begorra, eine Stadt dieses Namens, die Leake III 316 bei Kaliari (Sarighiul) unter Zustimmung von Desdevises 327 und Demitsas II 2, 99; Ἡ Μακεδ. 243 ansetzen möchte, wird nirgends überliefert; vgl. Begorritis (See).
Berga (Βέργα), nach Strab. 331 frg. 36 in der Bisaltia, nach Ptol. III 12, 28 im Gebiet der Odomanten und Edoner; vgl. die weiteren Stellen bei Oberhummer o. Bd. III S. 290. Leake III 229 setzt sie nach Tachyno, ebenso Desdevises 389f. und Demitsas Ἡ Μακεδ. 601, Müller Ptol. I 1, 511 an die Mündung des Strymon in den Kerkinitis, Kiepert Text 4 a nach Nigrita. :Beroia (Βέροια, Βέρροια), Steph. Byz. Ptol. III 12, 36. Strab. VII 330 frg. 26: am Bermios, also in Bottiaia. Plin. n. h. IV 33. Sicher an [661] der Stelle des h. Verria oder Karaferia. Geschichte der Stadt bei Oberhummer o. Bd. III S. 304ff. Struck 27ff. Lage bei Delacoulonche 42ff. Leake III 290ff. Sonst nach Cousinéry I 69. Desdevises 330. Demitsas II 2, 33ff.
Beue (Βεύη), Steph. Byz. In Lynkestis am Beuos (Bevus bei Liv. XXXI 33, 6), jedenfalls der Šemniča (s. Kiepert 2 b). Vgl Leake III 314. Oberhummer o. Bd. III S. 375.
Bisaltia, Steph. Byz.; sicher eine willkürlich aus dem Gau erschlossene Stadt, Oberhummer o. Bd. III S. 500.
Bolbe (Βόλβη), Steph. Byz. s. Βόλβαι, am gleichnamigen See, in Mygdonien. Procop. de aedif. IV 4. Nach Leake III 231 = Besikia am See von Bešik; s. Oberhummer o. Bd. III S. 668f.
Botteia (Βόττεια), Etym. M., offenbar Verwechslung mit der Landschaft. Die Absetzungen von Desdevises 344 (Kapsochori) und Delacoulonche 62 (Palaeochora) ganz willkürlich.
Braisoi (Βραισοί), nach Steph. Byz. ἔθνος in M. Vgl. Oberhummer o. Bd. III S. 808.
Bromiskos (Βρομίσκος, bei Steph. Byz. und in den att. Tributlisten Βορμίσκος), Thuk. IV 103, 1: ἐπὶ τὸν Αὐλῶνα καὶ Βρομίσκον, ᾗ ἡ Βόλβη λίμην ἐξίησιν ἐς θάλασσαν. Also in Mygdonien an dem Ausfluß des Sees von Bešik ins Meer; vgl. Leake III 170. Cousinéry I 117f. (bei Roenthene = Rendina;, nördlich vom Rhechius, Kiepert 5 a. Desdevises 360, der das Συλέος πεδίον bei Herod. VII 115 südlich von Bromiskos, zwischen Aulon und Akanthos legt; vgl. Struck Chalkidike 74: zwischen Vrasta und Skala. Oberhummer o. Bd. II S. 2414. III S. 889. Hier soll Euripides seinen Tod gefunden haben, Steph. Byz.
Brusis (Βρουσίς), Steph. Byz. Μοῖρα Μακεδονίας, genannt nach den Βροῦσοι; s. Oberhummer o. Bd. III S. 906.
Bryanion {Βρυάνιον, bei Liv. XXXI 39, 5 Bruanium), Strab. VII 327 in Deuriopos, am Erigon (Cerna). Bei Steph. Byz. irrtümlich in Thesprotien. Nach Heuzey-D. 322 lag es in dem engen Durchbruchstal der Černa bei Čebren (Gradsko); doch widerspricht dieser Ansetzung die Angabe des Livius, nach der Philipp V. hier ein festes Lager aufgeschlagen hatte; denn in dieser außerordentlich wilden und unwegsamen Gegend hätte ein solches Lager wenig Zweck gehabt. Bryanion wird daher in der Ebene von Prilep gesucht werden müssen. So legt es Desdevises 316 nordöstlich von Florina, wohl zuweit südlich. Vgl. noch Demitsas Ἡ Μακεδ. 281ff. Leake III 322. Oberhummer o. Bd. III S. 916.
Brygias (Βρυγίας), Steph. Byz. Wohl eine Stadt der Bryger im Tale des Erigon, wo das Itin. Hieros. eine Station Brucida bezeugt, s. Oberhummer o. Bd. III S. 921 Art. Bryges. Demitsas II 2, 147; Ἡ Μακεδ. 249 setzt sie in die Ebene von Resna. Miller Itin. Rom. 520 = Bukova. Dieselbe Stadt ist wohl Brygion bei Steph. Byz.
Bullidum, bei Plin. n. h. IV 35 als colonia genannt. Jedenfalls gleich Βουλλίς bei Ptol. ΙΙΙ 12, 3 an der illyrischen Küste; vgl. Tomaschek o. Bd. III S. 1105f. C. Müller Ptol. I 1 S. 493f.
Bylazora (Βυλάζωρα); in Paionien am Axios, Polyb. V 97, 1. Liv. XLIV 26, 8. Sicher identisch [662] mit Veles (Köprülü) am Wardar, Leake III 470. Lolling 224. Oberhummer o. Bd. III S. 1105. Vgl. noch v. Hahn 166f. 250. Doflein 130ff.
Chalastra (Χαλάστρα). Herod. VII 23 {Χαλέστρη); am Axios. Strab. VII 330 frg. 20. 21. 23. 24. Plin. n. h. IV 36. Schol. Lycophr. 1441. Steph. Byz. πόλις Θρᾴκης περὶ τὸν Θερμαῖον κόλπον. Hekat. FGrHist 1 F 146. Die meisten Forscher suchen es bei Kulakia, Cousinéry I 61. Tafel 277ff. Delacoulonche 68. Desdevises 345. Demitsas II 2, 248. Doch legt es Struck 7f. weiter landeinwärts an den See Adschi Golü (Ardžan-See), zwischen Wardar und Galliko. Über den See, der in der Nähe der Stadt gelegen hat, s. Oberhummer o. Bd. III S. 2038.
Daton (Δάτον, Δᾶτον, Δάτος) s. o. II D 5.
Deuriopos (Δευρίοπος) s. o. II B 4.
Dion (Δῖον), in Pieria am Fuße des Olymps, am Baphyras, Steph. Byz. Strab. VII 330 frg. 17. 18. 20. 22. Skyl. 67. Ptol. III 12,12. Plin. n. h. IV 35. Es wird bei Malathria angesetzt, Leake III 409ff. 419. Heuzey-D. 267f. Heuzey Le Mont Olympe 113ff. Tozer II 6f. Desdevises 291. Demitsas II 2, 56ff.; Ἡ Μακεδ. 133ff. Vgl. Philippson o. Bd. V S. 833. – 30 v. Chr. Colonia Romana, vgl. Gaebler Ztschr. f. Numism. XXXVI 125ff.
Doberos (Δόβηρος), Stadt in Paionien auf dem östlichen Ufer des Axios, Thuk. ΙΙ 98. 100. Ptol. III 12, 25. Meist mit der Station Tauriana der Tab. Peut. gleichgesetzt, Leake III 440, doch vgl. Kiepert 4 a. Kiepert widerspricht auch der Gleichung Doberos = Doiran und setzt Doberos an den Südfuß der Belašica-Plan. in das Bojimia Dere; vgl. C. Müller Ptol. 11, 508 nach Schol. Thuk. = Gabrovo. Döll 47ff. Dagegen treten K. O. Müller 20. Leake III 467. Desdevises 324. Tafel 266. Demitsas Ἡ Μακεδ. 380. Chrysochoos Ἡ Πρασιὰς λίμνη 27 für Doberos = Doiran ein. Vgl.noch Philippson o. Bd. V S. 1249f. Gaebler Ztschr. f. Numism. XXXVI 185.
Drabeskos s. o. II D 5. Philippson o. Bd. V S. 1613.
Edessa s. Aigai.
Eidomene (Εἰδομένη), nach Thuk. II 100, 3 in der Nähe von Doberos, am Axios. Steph. Byz. (Ἰδομεναί). Ptol. III 12, 36 Ἰδομένη). Hierokl. 639, 5. Mit dem αὐλὼν ἀπὸ Εἰδομένης bei Strab. VII 331 frg. 36 (vgl. Kiepert 2 a) kann nur die Butkovasenke gemeint sein. Nach Kiepert 4 a bei Miletkovo am Wardar, wo v. Hahn 177ff. Reste eines antiken Heiligtums festgestellt hat; doch legt v. Hahn 175 Eidomene = Idomenia der Tabula Peutingeriana nach Gradeč. Die Ansetzung von C. Müller Ptol. I 1, 518 und Döll 18 (bei Iewjit Hissar=Zigeunerschloß am Wardar) unwahrscheinlich, da v. Hahn 175ff. dort nur Reste eines festen Schlosses fand. Demitsas II 2, 228 gegenüber von Gewgeli, wo v. Hahn 178ff. eine alte Akropolis erkannte.
Eïon (Ἢϊών), Stadt an der Mündung des Strymon, vgl. Oberhummer o. Bd. V S. 2116f.
Eleutheriskos (Ἐλευθερίσκος), nur bei Steph. Byz.
Elimia (Ἐλιμία), Steph. Byz. Ptol. ΙΙΙ 12, 18. Liv. XLIII 21. Die Existenz einer mit der Landschaft (s. o. II B 1) gleichnamigen Stadt scheint nach diesen Stellen nicht zweifelhaft zu sein, s. [663] Oberhummer o. Bd. V S. 2368. Kiepert 3 a nach Barth zwischen Grevena und Tzurchli, nach Desdevises 305 und Demitsas II 2, 74; Ἡ Μακεδ. 218 = Velimisti südöstlich von Grevena.
Emathia(Ἐμαθία), Strab. VII 329 frg. 11 ἦν δὲ καὶ πόλις Ἠματία πρὸς θαλάσσῃ. Diese Angabe ist wohl auf ein Mißverständnis des Epitomators zurückzuführen.
Emporion (Ἑμπόριον), Steph. Byz.
Eratyra (Ἑράτυρα), Strab. VII 326 Stadt oder Gau in Elimeia.
Eriboia (Ἐρίβοια), Ptol. III 12, 38 in Paraueia. C. Müller Ptol. I 1, 519 vermutet Identität mit Meliboea bei Liv. XXXVI 13.
Euboia (Εὔβοια). Steph. Byz. Nach Strab. X 449 Gründung der Euboier bei Edessa in Bottiaia. Daher sucht es Delacoulonche 20f. bei Phylokastro, in der Nähe von Vladovo, Desdevises 336 setzt es gleich Lebaia = Vladovo.
Euporia (Εὐπορία), Steph. Byz. Ptol. III 12, 32. In Bisaltia am Strymon. Nach Oberhummer ο. Bd. VI S. 1236 oberhalb des Sees Kerkine; vgl. Leake III 228. Nach Miller Itin. Rom. 584 bei Orljak.
Europos (Εὐρωπός und Εὔρωπος).
1. Am Axios, Thuk. II 100, 3. Steph. Byz. Ptol. III 12, 36. Plin. n. h. IV 34. Es wird bei Thuk. a. O. zusammen mit Doberos, Eidomene, Atalante genannt. Deshalb setzen es Desdevises 347 und Demitsas II 2, 226 nach Basadschi(?); s. Oberhummer o. Bd. VI S. 1309.
2. In Almopia, Ptol. III 12, 21. Plin. n. h. IV 34 (am Rhoidias = Lydias, der h. Moglenica). Vielleicht die Stadt Almopia bei Hierokl. 638, 10. Von Leake III 444. Delacoulonche 106. Desdevises 326. Demitsas II 2, 207f., der die Gleichung Europos = Almopia ablehnt, dem Palaeokastro bei Slatina in der Moglena gleichgesetzt; doch vermißt Struck 75 dort antike Reste; s. Oberhummer a. O.
Galadrai (Γαλάδραι), Steph. Byz.: πόλις 'Μ. ἐν Πιερίᾳ. Noch bei Lykophron. Alex. 1342. 1444 erwähnt. Während es Leake III 317 in Eordaia an der Grenze Pieriens suchte, vermuteten Desdevises 348 und Struck 7, daß es identisch sei mit Chalastra.
Galepsos (Γαληψός), Thuk. IV 107, 3. Skyl. 67. Strab. VII 331 frg. 35. 41. Liv. XLIV 45. Nach Cousinéry II 61ff. = Kavala, Leake III 178ff. zwischen Kavala und Orfana bei Nefteropoli; Kiepert 5 b weist auf Perdrizet Bull. hell. XVIII 440 hin, der bei Karjani antike Ruinen fand. Vgl. Demitsas II 2, 553ff.; Ἡ Μακεδ. 804. Oberhummer o. Bd. VII S. 597.
Gareskos (Γαρησκός), Strab. VII 330 frg. 21. 36. Ptol. III 12, 22: in der Orbelia. Plin. n. h. IV 35. Am Strymon (oder der Strumitza; vgl. Kiepert 2 a), unterhalb des Orbelos. Oberhummer o. Bd. VII S. 755.
Gastronia (Γαστρωνία), Steph. Byz. χώρα Μ. Wohl verderbt aus Γραστωνία, s. o. II D 3.
Grastillos (Γράστιλλος), nur bei Steph. Byz., der aus Eupolis auch die Lesart Πράστιλλος anführt.
Herakleia [Lynkestis] (Ἡράκλεια), Steph. Byz. (Gründung Amyntas’ II.). Strab. VII 323 = Polyb. XXXIV 12, 8. Ptol. III 12, 30 Ἡ. Λυγκηστίδος. Hierokl. 639, 1: Ἡ. Λαούκου bezieht sich vielleicht auch auf das lynkestische Herakleia; [664] dann wäre Λαούκου aus Λύγκου verderbt, was Tafel bei Constant. Porph. de themat. I 49 B hergestellt hat, s. Oberhummer o. Bd. VIII S. 429 Nr. 5. Auch bei Caes. bell. civ. III 73, 3 handelt es sich wohl um dieses Herakleia, s. Mannert VII 482f. Heuzey-D. 299ff. legt die Stadt nach Bukova, 2 km südlich von Monastir (Bitolia); vgl. Demitsas II 2, 109ff.; Ἡ Μακεδ. 246ff. Die Ansetzung weiter südlich in der Nähe von Florina (Leake III 282. Desdevises 314) stimmt weder zu den sonstigen Schilderungen noch zu den Zahlen der Itinerare. Ob die Stadt mit Pelagonia (s. d.), der Hauptstadt der vierten makedonischen Republik, identisch ist, ist nicht sicher zu entscheiden, doch wahrscheinlich. Möglich wäre, daß die neue Hauptstadt weiter nördlich in die Ebene an die Stelle von Monastir verlegt wurde. Vgl. über die Lage von Monastir Tafel De Via Egn. 38ff. v. Hahn 141ff. Barth 143f. v. d. Goltz 92f.
Herakleia Sintike (Ἡράκλεια Σιντική), Ptol. III 12, 27. Liv. XLV 29, 6. Plin. n. h. IV 35. Diod. XXXI 8, 8. Nach Leake III 226ff. bei Zervochori, nach Kiepert 4 b bei Vetrina, 8 km nordöstlich von Demir-Hissar. Ähnlich Demitsas Ἡ Μακεδ. 683f. Vgl. Oberhummer o. Bd. VIII S. 429 Nr. 6. Döll 52ff. Miller 584f.
Herakleion (Ἡρακλεῖον), Steph. Byz. Skyl. 67. Plin. n. h. IV 34: in Pierien. Wohl mit Recht dem heutigen Platamona gleichgesetzt, Oberhummer o. Bd. VIII S. 499f. Leake III 404. 421. Heuzey Le Mont Olympe 88f. Tozer II 31. Demitsas II 2, 61f. Kromayer Antike Schlachtfelder II 275, 2.
Homolion (Ὁμόλιον), Steph. Byz., gehört zu Thessalien; s. Stählin o. Bd. VIII S. 2260.
Horma {Ὅρμα), Ptol. III 12, 21, in Almopia. Nach Desdevises 326 und Demitsas II 2, 214; Ἡ Μακεδ. 323 beim heutigen Tresina, s. Kiepert S. 3 a.
Ichnai (Ἴχναι), 1. Steph. Byz. Plin. n. h. IV 35. Nach Herod. VII 123 zur Bottiaia in der Nähe von Pella, von Delacoulonche 70. Desdevises 343. Demitsas II 2, 225 bei Messir Baba(?) an der Wardarbrücke gesucht, wo viele antike Fragmente gefunden sind. 2. Steph. Byz. ἔστι καὶ ἑτέρα τῆς ἀνατολικῆς πόλις. Von Svoronos 40ff. in Ruinen bei Zichnai östlich vom Tachyno Göl angesetzt.
Ikaris, Pomp. Mela II 3. Lage unsicher, vgl. Delacoulonche 62. Desdevises 344.
Ilion (Ἴλιον), Steph. Byz., wohl ein Irrtum, s. Bürchner o. Bd. IX S. 1065 Nr. 7.
Ioron (Ἴωρον), Ptol. III 12, 25 Ἰωρῶν.
Kalarna (άλαρνα), nur bei Steph. Byz. nach Lukios ὁ Ταρραῖος.
Kallipolis (Καλλίπολις), Strab. VII 331 frg. 36: in der Parorbelia, also am Orbelos, s. Oberhummer o. Bd. X S. 1660. Kiepert 2a.
Kalliterai (Καλλίτεραι), nach Ptol. III 12, 32 in Bisaltia.
Karrabia (Καρραβία), Ptol. III 12, 33 in Mygdonien; vgl. Desdevises 351.
Keletron (Celetrum), Liv. XXXI 40. Nach Prοcop. de aedif. IV 3 später Diokletianupolis genannt, vgl. Hierokl. 635, 6. Const. Porph. de them. II. Nach der Beschreibung bei Livius und Procop unzweifelhaft das h. Kastoria, Leake [665] I 322ff. Tafel De Via Egn. 43f. Boué I 123. Gelzer Vom hl. Berge usw. 226ff. Oberhummer o. Bd. XI S. 142ff. (mit Skizze). :Kerdylion (Κερδύλιον), Thuk. V 6-10. In Bisaltia, gegenüber von Amphipolis, Berg (Leake III 172) und Ortschaft; nach Cousinéry I 118. 134 und Demitsas Ἡ Μακεδ. 600 bei Kutschuk Orsova = Kato Krusoves, Kiepert 5a. Vgl. Perdrizet Bull. hell. XVIII 431ff. Oberhummer o. Bd. XI S.285.
Kissos [Κίσσος), Strab. VII 330 frg. 21. 24. Am Kissos = Chortiatsch gelegen, also an der Nordgrenze der Chalkidike, wohl gleich Chortiatsch-köj; Leake III 453f. Oberhummer o. Bd. XI S. 522 Kiepert S. 3b.
Kition {Κίτιον), nur bei Liv. XLII 51 erwähnt. Nach allgemeiner Ansicht beim h. Niausta; s. außer der bei Oberhummer o. Bd. XI S. 545 angeführten Literatur Delacoulonche 32ff. Cousinéry II 95. Desdevises 332. Struck 51 ff.
Kitron, nach Strab. VII 330 frg. 22 das alte Pydna, s. d.
Krenides (Κρηνίδες) s. o. II D 5.
Kreston (Κρήστων), ob überhaupt eine Stadt dieses Namens in Krestonia (s. o.) existiert hat (Herod. I 157. Steph. Byz.), ist sehr fraglich: s. Oberhummer o. Bd. XI S. 1718. Doch legen sie Desdevises 349. Demitsas Ἡ Μακεδ. 598f. nach Likovan.
Kydna, Steph. Byz., gleich Pydna (s. d.).
Kydrai (Κυδραι), nach Steph. Byz. eine Stadt der Deurioper, nach Strab. VII 327 der Bryger.
Kyrrhos (Κύρρος), Thuk. II 100, 4. Ptol. ΙΙI 12, 36. Steph. Byz. s. Μανδαραί. Plin. n. h. IV 34. Wohl auch Polyaen. III 4, 1 gemeint. Gau und Stadt in der Bottiaia, zwischen dem Jenidsche und dem Pajakgebirge, vgl. Delacoulonche 94ff. Die Stadt wird beim h. Palaeokastro von Gradista, südlich der Quellen von Obór, gesucht; Delacoulonche a. O. Cousinéry I 85. Desdevises 336f. Demitsas II 2, 244. Struck 70. Identisch mit Scurio des Itin. Hiersol.: Oberhummer u. Bd. II A S. 617.
Lebaia (Λεβαίη), Herod. VII 137: eine Stadt im oberen M. (ἐς τὴν ἄνω Μακεδονίην). Lage nicht bestimmbar, vgl. Oberhummer o. Suppl.-Bd. IV S. 1178.
Leibethron (Λεἴβηθρον, Λεἴβηθρα, Λίβηθρα), Strab. VII 330 frg. 18. Liv. XLIV 5, 12. Mela II 36. In Pierien. Während Leake III 422 Leibethron nach Litochori legt, suchen Heuzey Le M. O. 93ff. Tozer II 31. Demitsas Ἡ Μακεδ. 152 den Ort bei Leftokarya an der Küste; vgl. Desdevises 287f. Oberhummer o. Bd. XII S. 1858. Kromayer Ant. Schlachtf. II 275, 2.
Lete (Λήτη)), Steph. Byz. Plin. n. h. IV 36. Ptol. III 12, 33. Durch den Fund von Inschriften (vgl. Duchesne Rev. archéol. 1875, 6ff. Demitsas Ἡ Μακεδ. 566ff.) ist das Dorf Albati in Mygdonien als Platz der Stadt erwiesen; vgl. noch Demitsas 405. Kiepert S. 4 a. Ann. Brit. Sch. at Ath. XXIII (1918/19) 33ff. 73ff. Oberhummer o. Bd. XII S. 2l88f. Die Ansetzungen der früheren Forscher sind damit überholt. Vgl. noch Svoronos 36ff.
Lychnidos (Λύχνιδος), Ptol. III 12, 29. Weitere Zeugnisse bei Fluss o. Bd. XIII S. 2111ff. [666] Das h. Ochrida im Gebiete der Dessaretier; vgl. noch Leake III 325ff. Heuzey-D. 339ff. v. Hahn 112ff. Regling Ztschr. f. Numism. XXXV 256ff. Demitsas II 2, 605ff.; Ἡ Μακεδ. 358ff. und die o. II B 5 angeführte Literatur.
Mandarai (Μανδαραί), nach Steph. Byz. μέρος τῆς Μακεδονικῆς Κύρρου, also Teil der Kyrrhestis in Bottiaia, oder Vorort von Kyrrhos. So hat Delacoulonche 101 Mandarai bei Kisalar gesucht; vgl. Desdevises 337. Kiepert 3 b.
Methone (Μεθώνη), Strab. VII 330 frg. 20. 22. Skyl. 67. Steph. Byz. Weitere Stellen bei Pape-Benseler. Nach allgemeiner Annahme bei Elefterochori in Pierien gelegen, Leake III 435. Heuzey Le M. O. 177ff. Demitsas II 2, 48; Ἡ Μακεδ. 160ff. Lolling 223.
Mieza (Μίεζα), Steph. Byz. Ptol. III 12, 36. Plin. n. h. IV 34. Nach Delacoulonche 39. Desdevises 331. Struck 50 bei Werriotiki Wrysi nördlich der Vistritza zu suchen; die bei Plin. n. h. XXXI 30 erwähnte Grotte sieht Desdevises in der Grotte von Paleo-Sotiras. Vgl. noch Kiepert 3.
Misetos (Μισητός), nur bei Steph. Byz.
Myrkinos (Μύρκινος), Stellen bei Pape-Benseler. Nach Herod. V 11 im Gebiet der Edonen, am Strymon (V 23), Cousinéry II 3 und Leake III 180 suchen es bei Zighna, Heuzey-D. 142 bei Sdravitz, Demitsas II 2, 550 bei Kadakia.
Neapolis (Νεάπολις), Ptol. III 12, 7: im Gebiet der Edonen, die Hafenstadt des Gebiets von Philippi. Nach Cousinéry II 109ff. gleich dem h. Eski-Kavala, ebenso Demitsas II 2, 560ff.; Ἡ Μακεδ. 754f., während Heuzey-D. 11ff. es an die Stelle von Kavala selbst legt. Vgl. Svoronos 68ff. Regling Ztschr. f. Numism. XXXVII 33f.
Oisyme (Οἰσύμη), Thuk. IV 107, 3. Skyl. 67. Skymn. 656. Ptol. III 12, 7: im Gebiet der Edonen am Meere, gleich dem Aisyme bei Steph. Byz. Nach Leake III 179 lag es zwischen Kavala und Orfano, nach Cousinéry II 69f. in der Nähe der Strymonmündung; s. Hirschfeld o. Bd. I S. 1087.
Olbelos (Ὄλβηλος), nur bei Steph. Byz. Wohl Verwechslung mit dem Gebirge Orbelos.
Olobarga (Ὀλόβαργα), nur bei Steph. Byz.
Olyka (Ὄλυκα), bei Steph. Byz. aus Theopomp.
Ordaia (Ὀρδαία), bei Steph. Byz. Pape-Benseler s. v. stellt den Namen mit Eordaia zusammen.
Oropos (Ὡρωπός), nach Steph. Byz. Geburtsort des Seleukos Nikator. Casson 81 hält Oropos für identisch mit Europos, was möglich, aber nicht zu beweisen ist. Vgl. Staehelin u. Bd. II A S. 1208.
Orthopolis (Ὁρθόπολις), nach Strab. VII 331 frg. 36 am Orbelos, in der Παρορβηλία, an der Strumitza?, vgl. Kiepert S. 2 a.
Ossa (Ὄσσα), Ptol. III 12, 32 in Bisaltia. Nach Leake III 231. 462 gleich Lakhana, nach Demitsas Ἠ Μακεδ. 600 = Sochon.
Ottolobos (Όττώλοβος), Liv. XXXI 36, 6. Nicht identisch mit dem thessalischen Ort, XXXI 44, 3. Die Schilderung des Feldzuges im J. 200 v. Chr. bei Livius zeigt ganz klar, daß Ottolobos im Gebirgsland westlich von Monastir gelegen haben muß, etwa nordöstlich von Kashani an der Semnica; [667] vgl. Kiepert FOA XVI. Desdevises 235 verlegt den Ort nach Magarewo am Ausgang des Dragorpasses. Vgl. noch Heuzey-D. 302ff. Falsch ist die Ansetzung Barths 149. 252 südlich von Monastir bei Florina.
Pamphylia (Παμφυλία), nur bei Steph. Byz.
Paroreia (Παρώρεια), nach Steph. Byz. Stadt M.s nach Liv. XLII 51 nahe der thrakischen Grenze. Gaebler Ztschr. f. Numism. XXXVI 188.
Parthenopolis (Παρθενόπολις), von Steph. Byz. wohl irrtümlich nach M. gelegt; nach Eutrop. VI 10 lag die Stadt am Pontos, vgl. Plin. n. h. IV 44.
Parthinopolis (Παρθινόπολις), Ptol. III 12, 27: im Gebiete der Sinter; vgl. Leake III 229.
Pelagonia (Πελαγονία), nach Liv. XLV 29. Diod. XXXI 8, 8 hieß so die Hauptstadt der vierten makedonischen Republik. Während Leake III 282 Pelagonia mit Herakleia (s. d.) gleich setzte, wollte Desdevises 319 die Stadt im Norden der Ebene bei Prilep suchen. Am meisten Wahrscheinlichkeit hat die Vermutung Heuzey-D.s 308f. von einer Verlegung der Stadt in die Ebene (von Bukova nach Monastir) und einem Synoikismos umliegender Ortschaften dorthin für sich. Vgl. Leake III 319. Demitsas II 2, 133.
Pella (Πελλα), Steph. Byz. Strab. VII 330 frg. 20. 23. Skyl. 67. Ptol. III 12, 36. Plin. n. h. IV 34. Abgesehen von Mannert, der (VII 479) Pella nach Wodena legt, stimmen alle Forscher in der Ansetzung der Stadt im Norden des Jenidsche-Sees bei Hagius Apostolas oder Alak Kilissa überein, wo antike Spuren reichlich gefunden sind. Ausführlichere Schilderung der Gegend und der Überreste bei Delacoulonche 74ff. Cousinéry I 90ff. Prokesch v. Osten Denkwürdigk. aus d. Orient III 652ff. Leake ΙΙΙ 262ff. v. d. Goltz 20ff. Struck 84ff. (mit eingehender Geschichte und allen Belegen). Seit 30 v. Chr. colonia iuris italici.
Pergamos (Πέργαμος), Herod. VII 112. In Pierien östlich vom Strymon am Meere. Nach Leake III 178. Demitsas Ἡ Μακεδ. 804 gleich Pravišta. Doch vgl. Kiepert 5 b, der auf die Ansetzung von Aphthonides (Παρνασσός XV [1892] 463 bei Misthiania = Meschtjan) hinweist.
Perseïs (Περσηΐς), Liv. XXXIX 53: Gründung Philipps V. am Erigon, im Gebiete der Deurioper. Heuzey-D. 333 suchte es 17 km südlich von Stoboi bei Tikveš, Desdevises 317 bei Kafadarzy.
Petra (Πέτρα), Liv. XXXIX 26. Ein Fort in Pierien, am östlichen Ausgang eines wichtigen Passes über den Olymp (vgl. Kromayer Ant. Schlachtf. II 270. 277). Über die Lage s. Heuzey Le M. O. 147. Demitsas II 2, 64f. (bei Vlacholivadon); Ἡ Μακεδ. 158f.
Phagres (Φάγρης) Herod. VII 112. Thuk. II 99. Steph. Byz. Strab. VII 331 frg. 33. Skyl. 67. Jenseits des Strymon in Pierien am Pangaion. Nach Leake III 176ff. bei Orfano; ebenso Demitsas Ἡ Μακεδ. 804.
Phila (Φίλα), Steph. Byz. Liv. XLII 47. XLIV 2 u. ö. Gründung Demetrios’ II. in Pierien, am Nordufer des Peneios. Über die Lage ist eine Einigung nicht erfolgt, Leake III 421 f. nahe der Mündung des Peneios, Desdevises 285 bei Buruvari, Demitsas II 2, 66 bei Phili, [668] Kromayer a. O. II 272, 1 bei Kastri, Heuzey Le M. O. 83ff. und Demitsas Ἡ Μακεδ. 155 bei Pyrgetó. Doch scheint die letzte Ansetzung den Ort zu weit in das Innere zu legen.
Philippoi (Φίλιπποι) Steph. Byz. Ptol. III 12, 28. Strab. VII 331 frg. 34. 41. Lage am Nordabhang des Pangaion bei Filibedschik (Filibah) gesichert. Leake III 214ff. Demitsas II 2, 543ff; Ἡ Μακεδ. 721ff. Desdevises 396ff.; s. die o. II D 5 angeführte Literatur.
Philippupolis (Φιλιππούπολις), nach Strab. VII 331 frg. 36 eine Stadt am Orbelos, κατὰ τὸν αὐλῶνα τὸν ἀπὸ Εἰδομένης, bei Gareskos, wenn keine Verwechslung mit der Stadt am Balkan vorliegt; vgl. Döll 21ff., der auch das Philippi bei Arrian. anab. 11, 5 hierherzieht. Kiepert 2 a.
Phylakai (Φυλακαί), Ptol. III 12, 37. Plin. n. h. IV 34. In Elimeia. Es wird entweder bei Servia (Serfidsche) gesucht (Barth 168f. Lolling 224. Demitsas Ἡ Μακεδ. 173f.) oder in dessen Nähe in dem Palaeokastro von Gratziano (Heuzey Le M. O. 207ff.); s. Kiepert 3 b.
Physka (Φύσκα, Φύσκος), Steph. Byz. Thuk. II 99. Ptol. III 12, 33. In Mygdonien. Mannert VII 468. Tafel 237. Meineke Steph. Byz. 271 Anm. Desdevises 351 (bei Mavrovo). Kiepert 3 a. Leake III 316 und Lolling 224 suchen ein zweites Physka in Eordaia.
Pieria (Πιερία). Stadt bei Steph. Byz. und Suid. Nach Leake III 414 bei Sphigi, nach Desdevises 293 bei Konduriotissa am Ostfuß des Olymps.
Pimpleia (Πίμπλεια), Strab. VII 330 frg. 17. 18. In Pierien am Olymp, öfter von Dichtern erwähnt, vgl. Pape-Benseler s. v., da es den Musen heilig war. Es muß in der Nähe von Leibethra gesucht werden. Tozer II 31 und Demitsas Ἡ Μακεδ. 153 legen es nach Leftokarya, Leake III 422 nach Litochori, Desdevises 289 nach Malathria.
Pissaion (Πισσαῖον), Steph. Byz. Polyb. V 108, 1. In Pelagonien. Lage kaum zu bestimmen, vgl. Desdevises 319 (bei Demir-Kapu). Demitsas II 2, 159 (Ebene von Prilep); Ἡ Μακεδ. 277 (bei Gopes oder Pisoderi).
Pluinna, Liv. XXXI 39. Im Gebiet der Deurioper. Nach Heuzey-D. 323 bei Bondže, südlich von Prilep (vgl. Demitsas Ἡ Μακεδ. 282); allgemeinere Bestimmung bei Leake III 322.
Praxilos (Πράξιλος), nur bei Steph. Byz.
Pydna (Πύδνα) in Pierien, Steph. Byz. Strab. VII 330 frg. 20. 22. Skyl. 67. Ptol. III 12, 12 (nördlich vom Haliakmon). Heuzey Le M. O. 170 suchte es auf Kap Atheradba und sah in dem Salzsee von Tuzla den Hafen (vgl. Heuzey-D. 239ff.), Leake III 429. 433 legte es dagegen weiter südlich nach Ayan, Ajani. Nach Strab. VII 330 frg. 22 deckte sich Pydna mit der Ortschaft Kitron. Kromayer II Karte 7 identifizierte deshalb Pydna mit Palaeo Kitros, während Desdevises 298 in Palaeokitros das von Archelaos ins Innere gelegte Pydna sah; vgl. noch Barth 208. Lolling 223. Demitsas II 2, 51ff.; Ἡ Μακεδ. 119ff. Die wahrscheinlichste Lösung ist die von Heuzey.
Pyloros, Plin. n. h. IV 36. Nach dem Zusammenhange konnte Bylazora am Axios gemeint sein.
[669]
Pythion (Πύθιον), Steph. Byz.; es ist wohl die thessalische Stadt am Westabhang des Olymp gemeint.
Rhaikelos (Ῥαίκηλος). Steph. Byz. Schol. Lycophr. 1236. Nach Aristot. Ἀθ. πολ. 15 Gründung des Peisistratos, am Thermäischen Meerbusen, wohl identisch mit Aineia: Busolt Gr. Gesch. II² 323, 4. Svoronos l42. 148ff. Cassons (82f.) Ansetzung bei Kalamaria kaum richtig.
Sakos (Σάκος), nach Steph. Byz. κώμη in Pierien.
Serrhai (Σέρραι, Σίρραι), bei Herod. VIII 115 und Theopomp. (Steph. Byz.) Σῖρις, bei Steph. Byz. auch Σίρρα. Weitere Stellen bei Oberhummer u. Bd. III A S. 313f. Es lag am Strymon, jetzt Seres. Literatur bei Oberhummer.
Sindos (Σίνδος), Herod. VII 123. Steph. Byz. In Mygdonien, nach Leake III 450. Desdevises 354 und Demitsas II 2, 248 am Meere, zwischen Therme und Chalastra, nach Chrysochoos (vgl. Kiepert S. 3 b) 2 km nördlich von Salonik, bei Lembet; s. Oberhummer u. Bd. II A S. 229.
Sintia (Σιντία), Steph. Byz. Nach Kiepert 4 a an der Strumitza bei Petritsch. Doch weist Oberhummer u. Bd. III A S. 258 darauf hin, daß Liv. XXVI 25, 3 dagegen spricht.
Skampis (Σκαμπίς), Ptol. III 12, 23. Wohl das heutige Elbassan, s. Fluss u. Bd. II A S. 351. Miller Itin. Rom. 519.
Skotussa (Σκοτοῦσσα), Ptol. III 12, 28: Ὀδομαντικῆς καὶ Ἠδωνίδος. Nach Plin. n. h. IV 35 in der Nähe von Herakleia Sintike, nach Strab. VII 331 frg. 36 am Strymon selbst, diesseits des Flusses, also in Bisaltia oder Mygdonien im weiteren Sinne. Leake III 228 legte es an den Übergang der Via Egnatia über den Strymon (Tab. Peut.), Kiepert nach Demir Hissar, Miller 585 nach Savek. S. Oberhummer u. Bd. II A S. 617.
Skybros (Σκύβρος), nur bei Steph. Byz.; s. Oberhummer u. Bd. II A S. 617.
Skydra (Σκύδρα), Steph. Byz. Plin. n. h. IV 34. Ptol. III 12, 36. In der Bottiaia. Nach Delacoulonche 25f. die Lage zwischen Arsene und Episkopi durch Inschriften gesichert; vgl. Desdevises 333. Demitsas Ἡ Μακεδ. 92f. Struck 56. Oberhummer u. Bd. II A S. 618, der zweifelnd an Identität mit Kydrai denkt; da Kydrai nach Strab. VII 327 eine Stadt der Bryger sein soll, nicht ausgeschlossen.
Stoboi, Stobi (Στόβοι), Strab. VIII 398. Ptol. III 12, 31. Plin. n. h. IV 34. Liv. ö. Wichtiger Verkehrsmittelpunkt am Axios, in der Nähe der Mündung des Erigon (Černa), bei dem h. Gradsko. Vgl. vor allem Heuzey-D. 324ff. 331ff. v. Hahn 158ff. Sonst Leake III 468f. Demitsas Ἡ Μακεδ. 331ff.
Strepsa (Στρέψα), bei Thuk. I 61, 4 schwerlich ἐπὶ Στρέψαν statt ἐπιστέψαντες zu lesen, zusammen mit Anthemus und Therma von Aesch. II 27 genannt. Steph. Byz. Suid. Harpokr. Attische Tributlisten. Danach ist es in der Nähe von Salonik zu suchen; vgl. auch Demitsas Ἡ Μακεδ. 405.
Strobos (Στρόβος). Da Steph. Byz. Ῥωμαίων ἄποικος hinzufügt, sicher eine Verwechslung mit Stoboi.
Stybera (Στύβαρα, Στύβερρα, Stubera), Strab. VII 327. Polyb. XXVIII 8, 8. Liv. XXXI 39. [670] Beim Geogr. Rav. Istubera. Stadt der Deurioper im Norden der Ebene von Monastir. Leake III 321f. legte es in die Nähe des h. Prilep, Kiepert 2 b nach Strabon an die Černa und nach dem Geogr. Rav. nach Beranče, Miller Itin. Rom. nach Stari Srpci, Demitsas Ἡ Μακεδ. 280f. zwischen Krušewo und Prilep, Heuzey-D. 317 nach Prilep. Zu absoluter Sicherheit ist nicht zu gelangen.
Terpyllos (Τέρπυλλος), Ptol. III 12, 33, in Mygdonien.
Thessalonike (Θεσσαλονίκη), durch Synoikismos an die Stelle des alten Therma getreten, der Hauptort von Mygdonien. Nach Lolling 224 und Kiepert 3 b verschieden von Therma; vgl. Demitsas Ἡ Μακεδ. 403ff. Sonst Cousinéry I 23ff. Leake III 235ff. und vor allem die vorzüglichen Monographien von Tafel und Tafrali Topographie de Thessalonique 1013 (s. den Art.).
Tirsai (Τίρσαι), Steph. Byz., in Mygdonien. Nach Desdevises 352 am See Langaza.
Tragilos (Τράγιλος), Steph. Byz., in Thrake. Leake III 229 identifizierte es mit Triulo der Tab. Peut. Die Lage wird einigermaßen gesichert durch den Münzfund, den Kiepert S. 5 a erwähnt. Denn nach Head HN² 217 sind die Münzen mit der Aufschrift ΤΡΑΙΛΙΩΝ Stücke von Tragilos, da γ zwischen zwei Vokalen leicht ausfällt. Nach Perdrizet sind diese Münzen in Aïidonochori 11½ km westlich von Amphipolis, nach Leake III 228 bei Amphipolis gefunden worden. Die Gleichung Tragilos = Triulo lehnt Kiepert als unvereinbar mit den Angaben der Tab. Peut. ab. Vgl. noch Demitsas Ἡ Μακεδ. 804. Miller 584.
Tripolis (Τρίπολις), nach Steph. Byz. in M., also wohl aus Strab. VII 327 geschöpft, der von einer pelagonischen Tripolis spricht. Leake III 319 möchte, gestützt auf eine örtliche Tradition, die die alten Überreste in Monastir auf eine Stadt Tripolis zurückführt, in dem späteren Pelagonia eine der drei Städte sehen. Doch liegt es näher, an eine Übertragung der perrhaibischen Tripolis nach Pelagonien zu denken.
Tristolos (Τρίστολος), Ptol. III 12, 27, in der Sintike; vgl. Leake III 229.
Tritonos (Τρίτωνος), Steph. Byz. πολίχνιον.
Tyrissa (Τύρισσα), Ptol. III 12, 36 Ἠμαθίας, also in Nieder-M., Plin. n. h. IV 34. Vgl. C. Müller zu Ptol.
Uscana, Liv. XLIII 10. 18: haud procul von Ochrida (Lychnidus); Leake III 321f. legt die bedeutende Stadt (nach Livius mit 10 000 Bürgern) nach Dibre am Drilon.
Xauros (Ξαῦρος), nur bei Steph. Byz.
Xylopolis (Ξυλόπολις), Ptol. III 12, 33, in Mygdonien. Plin. n. h. 34. Nach Desdevises 350 = Lahana, Kiepert am Südabhang des Bertiskos.
III. Orographie und Hydrographie
1) Orographie. a) Die Alluvialebene von Nieder-M. wird rings von Gebirgen umgeben, die heute keine einheitliche Bezeichnungen besitzen und gewiß auch im Altertum die verschiedensten örtlichen Namene geführt haben werden. Im Westen wird die Ebene nach Stielers Handatlas⁹ Bl. 51 vom Kara-Taš mit der Dhoxa abgeschlossen, während die österreichische Karte hier das Vermion Oros verzeichnet (vgl. Struck [671] 26). Es unterliegt keinem Zweifel, daß dieses Gebirge das alte Bermion ist; identisch scheint mit diesem der von Diod. XXXI 8, 8 genannte Bernon nnd der von Liv. XLV 29 erwähnte Bora zu sein, den allerdings Kiepert FOA XVI und Sieglin-Kießling Atl. ant. 14 mit dem Kaimakšalan gleichsetzen, s. Oberhummer o. Bd. III S. 295. Leake III 295ff. Delacoulonche 41. Struck a. O.
Nördlich der Telovo-Talsenke schließt sich die Nidže-Planina mit ihren Fortsetzungen an; sie streicht von ihrem südwestlichen Eckpfeiler Kaimakšalan von Südwest nach Nordost bis zum Wardar und begrenzt Nieder-M. im Norden. Einen antiken Namen für dieses Gebirge kennen wir nicht. Wenn Demitsas I 82 vermutungsweise den Dysoros hierher legt, so muß er doch selber zugeben, daß Herod. V 17 dagegen spricht. Auch der antike Name für das von der Nidže durch die Moglena getrennte Pajakgebirge ist nicht bekannt.
b) Jenseits des Wardar wird die Nidže-Flanina von der Plauš- und Belašica-Planina fortgesetzt, denen südlich von der Butkova- und Strumasenke der Kurša- (Kruša)-Balkan und der Bešik Dagh vorgelagert sind. Über die antike Benennung dieser Gebirge ist eine Einigung nicht erzielt worden. So ist für Sieglin-Kießling a. O. Belašica = Orbelos, die südlichen Gebirge = Dysoros, die Gebirge nördlich der Strumitza = Kerkine, während Kiepert a. Ο. Belašica = Kerkine, Kurša-Balkan = Dysoros und Bešik Dagh = Bertiskos, Döll 66f. Kerkine östlich des Strymon setzt. Aufs engste hängt mit der Lokalisierung der Gebirge die Frage der Ansetzung der Seen Kerkinitis und Prasias zusammen, da Kerkine und Dysoros mit ihnen zusammen genannt werden. Kiepert 4 a und Döll 34ff. treten für die Gleichungen Prasias = Butkova und Kurša = Dysoros ein, während Chrysochoos Ἡ Πρασιὰς λίμην), Athen 1893, und Casson 62f. diesen dem Doïransee gleichsetzen und Sieglin-Kießling ihn im Tachyno Göl finden wollte. Nun ist nach Arrian. anab. I 11, 3 in Zusammenhang mit Thuk. IV 108, 1 meines Erachtens unbedingt Tachyno Göl = Kerkinitis, der zur Zeit Herodots noch nicht diese Ausdehnung besaß (s. Oberhummer o. Bd. XI S. 309). Damit bleibt für den Prasias nur der Butkova oder Doïran, denn für die Gleichung Kerkinitis = Prasias (Leake III 211. Abel Makedonien vor Philipp 60) lassen sich Beweise aus dem Altertum nicht anführen (s. Philippson o. Bd. V S. 1889. Cousinéry I 135ff. Tafel 262f.). So ergibt sich als die wahrscheinlichste Lösung: Prasias = Butkova, Kerkinitis = Tachyno Göl, Belašica = Kerkine, Kruša = Dysoros und nach Ptol. III 12, 16 Bešik-Dagh = Bertiskos (vgl. Oberhummer o. Bd. III S. 318). Der bei Strab. VII 331 frg. 36 genannte Berg Doberos muß in der Nähe der Stadt gleichen Namens (s. o. II E) gelegen haben. Es könnte die Plauš Plan, gewesen sein. Die Strabonstelle ist so unklar, daß aus ihr nichts geschlossen werden kann.
Im Südosten von Thessalonike erhob sich der Kissos, wohl sicher der h. Chortiatsch, Oberhummer o. Bd. XI S. 522. Kiepert 3 b. Cousinérys Versuch (I 56), den Kissos mit dem h. [672] Salomon und den Dysoros mit dem Chortiatsch gleichzusetzen, ist als höchst unwahrscheinlich zurückzuweisen, wenn ihm auch Tafel 272 beigestimmt hat.
c) Jenseits des Strymon erstreckte sich der Orbelos von Norden nach Süden zwischen Strymon und Nestos; es ist der h. Perim Dagh; Herod. V 16. Arrian. anab. I 1, 5. Strab. VII 329 frg. 10. 36. Plin. n. h, IV 35. Mela II 2, 2. Vgl. Leake III 210ff. Grisebach II 28ff. Tafel 272. Demitsas I 15ff. Eine Schwierigkeit bietet die bei Strab. frg. 36 erwähnte Parorbelia, die sich bis an den Axios erstreckt haben muß, da in ihrer Mitte (ἐν μεσογαίᾳ) eine von Eidomene ausgehende Senke, wohl die Butkovasenke, lag. Döll 13ff. kommt daher zu dem Ergebnis, daß es sich um ein großes Gebirgssystem zwischen Axios und Strymon handelt. Da meines Erachtens das Philippi bei Arrian. anab. I 1, 5 nicht mit Philippupolis bei Strab. frg. 36 identisch ist, müßte das Gebirge noch über den Strymon hinaus bis an das Meer ausgedehnt werden. Doch sei darauf hingewiesen, daß die vatikanischen Stücke aus Strabon VII nicht immer zuverlässiges Material bieten.
Die Ebene von Philippi wurde durch das Pangaion (Pangaios) vom Meere getrennt, den h. bukar Dagh, vgl. die Stellen bei Pape-Benseler und die o. II D 5 angeführte Literatur.
d) für Ober-M. sind die überlieferten Gebirgsnamen noch spärlicher und ihre Einordnung schwieriger. Für das Gebirge zwischen Eordaia, Orestis und Elimeia, das auch heute keinen einheitlichen Namen führt, ist aus dem Altertum keine Bezeichnung überliefert. Die Ketten, die das obere Haliakmontal von Epirus trennen, sind ebenfalls für uns namenlos. Nur das Boiongebirge (Strab. VII 329 frg. 6; vgl. VII 327 Ποῖον ὄρος) ist hier anzusetzen, zumal Stielers Handatl.⁹ 51 und die Karte zu Baedekers Konstantinopel² südlich vom Grammos ein Voiongebirge anführen, vgl. Kiepert a. O. Oberhummer o. Bd. III S. 635. Die Ebene von Monastir wird im Westen von der Neretška-Planina mit dem Peristeri begrenzt: hier wird man den Barnus anzusetzen haben; s. o. II E unter Barnus und Oberhummer o. Bd. III S. 257. Die Namen der übrigen Randgebirge sind unbekannt. Erwähnt sei nur noch, daß unter dem Skardos sicher der Schar Dagh zu verstehen ist; s. Fluss u. Bd. III A S. 459ff. Grisebach II 109ff. 250ff.
e) Für das Massiv des Olymps und seine Ausläufer nach Norden verweise ich auf die Werke von Heuzey, Barth und Kurz sowie auf den betreffenden Art.; namentlich die Bücher von Heuzey und Kurz gehen auf die antiken Zeugnisse und die modernen Forschungen erschöpfend ein.
2. Hydrographie, a) M. westlich des Axios. Die Hauptader M.s ist der Wardar, der alte Axios (vgl. Tafel 287ff. Oberhummer o. Bd. II S. 2629f. Struck ö.); sein für M. wichtigster Nebenfluß ist die Černa, der alte Erigon (s. Oberhummer o. Bd. VI S. 450). Der Erigon durchfließt die Ebene von Monastir und empfängt hier eine Reihe von Zuflüssen, von denen uns Livius zwei überliefert hat: den Beuos (Bevus) und Osphagos. Den Beuos (Liv. XXXI [673] 33, 6. Steph. Byz. s. Βεύη) hat Kiepert richtig mit der Semnica (s. o. II E unter Beue) identifiziert; vgl. Leake III 314. Heuzey-Daumet 302. Oberhummer o. Bd. III S. 375. Der Osphagos (Liv. XXXI 39), den Desdevises 316 merkwürdigerweise mit dem Erigon gleichsetzte, kann nicht näher bestimmt werden, vgl. Barth 154.
In der Landschaft Eordaia lag der See Begorritis (Liv. XLII 53, 5. Oberhummer o. Bd. III S. 194); wahrscheinlich der See von Ostrovo, Grisebach II 152. Tozer I 158f. Barth 157ff. Demitsas I 189f. Nach Leake III 316f. und Desdevises 327 ist dagegen unter ihm der Sari Göl zu verstehen.
Im Kern der Kampania liegt der See von Jenidsche. Wir haben oben gesehen, daß dieser See jedenfalls der letzte Rest der Spitze des Thermäischen Meerbusens ist. So können wir kaum erwarten, für ihn in Zeugnissen der älteren Zeit eine antike Bezeichnung zu finden. Tatsächlich erklärt sich die Beschreibung der Gegend von Herodot bis zu den Diadochen, wie wir oben sahen, nur unter der Voraussetzung, daß damals das Meer bis nach Pella reichte. Erst zur Zeit der Antigoniden erwies es sich als nötig, durch den allmählich zuwachsenden Meerbusen einen Kanal auszubaggern, den intermuralis amnis bei Liv. XLIV 46, 7, und erst Strabon (VII 330 frg. 20) spricht von einem See Ludias, in dem die Burg von Pella liege (ἔχει [sc. Πέλλα] δ’ ἄκραν ἐν λίμνῃ τῇ καλουμένῃ Λουδίᾳ), und sagt weiter: ἐκ ταύτης ὁ Λουδίας ἐκδίδωσι ὁ ποταμός. Nun erwähnt Plut. de exil. 10 bei Pella einen Fluß Borboros (s. Oberhummer o. Bd. III S. 720). Da der Name ,Schlamm‘ ,Moor‘ bedeutet (Pape-Benseler s. v. übersetzt ,Mörach‘), so mochte Delacoulonche 56 bei Plutarch eine Verwechslung annehmen und Borboros für den antiken Namen des Jenidsche ansehen, worin ihm Kiepert Text 3 a beipflichtet. Dagegen sieht Delacoulonche 59f. in dem See Ludias bei Strabon a. O. eine Verwechslung mit dem Kanal bei Livius. Diese Hypothesen sind nicht sehr wahrscheinlich. Erstens wird auch schon im 3. Jhdt. der Nordsaum des Meerbusens wie heute das ganze Ufer des Sees Jenidsche versumpft gewesen sein und darauf konnte der Name Borboros bezogen werden (s. Oberhummer o. Bd. XIII. S. 2204), und zweitens ist auch für einen Fluß mit Moorwasser der Name durchaus möglich. Wir haben keinen Grund, an der Angabe Strabons vom See Ludias zu zweifeln, und auch die Gleichnamigkeit von See und Abfluß braucht keine Bedenken einzuflößen, zumal offenbar der bedeutendste Zufluß denselben Namen führte (vgl. Leba - Lebasee; Tollense - Tollensesee, in Pommern). Zuerst wird der Lydias (Ludias, Loidias), der h. Kara Asmak, von Herodot (VII 127) erwähnt; er vereinigte sich damals mit dem Haliakmon und ergoß sich dann in das Meer. Schon zur Zeit des Skylax, d. h. im 4. Jhdt v. Chr., waren die Flüsse getrennt, wie der Haliakmon der unbeständigste der makedonischen Flüsse ist (Struck 18ff.). Damals kann mit Lydias nur der Fluß bezeichnet worden sein, der die vom Gebirge herabkommenden Bäche vereinigte, besonders die Gewässer der alten Almopia (Moglena), and sie dem innersten Winkel des Meerbusens [674] zuführte, d. h. die heutige Moglenica. Als dann der Busen immer mehr zu einem See wurde und seine Verbindung mit dem Meere immer mehr den Charakter eines Flusses annahm, wurde der Name Lydias, der nun der bedeutendste Zufluß des Sees war, auch auf den See und Abfluß übertragen (vgl. Oberhummer a. O.) Dafür haben wir auch den Beweis, nachdem schon Leake III 270 und Grote (Bd. III der deutschen Ausgabe² Karte 7) dieselbe Vermutung gehabt hatten. Denn Plin. n. h. IV 34 nennt den Fluß der Almopia, die h. Moglenica, Rhoedias, und Aesch. II 124 hat für Lydias die Form Λοιδίας (nach Harpokr. Phot. Suid.). Ῥοιδίας und Λοιδίας sind aber offenbar derselbe Name und bezeichnen denselben Fluß wie Lydias und Ludias (vgl. Kiepert a. Ο. Philipp u. Bd. I A S. 960). Damit ist die Gleichnamigkeit von Zufluß, See und Abfluß bewiesen. Über die Verschiebungen der Flußmündungen ist schon o. II A 2 kurz gehandelt worden.
Der südlichste Fluß des Flachlandes ist der Haliakmon, die h. Bistritza oder Vistritza, (Art. fehlt; vgl. Boué I 123ff. Leake III 435ff. Demitsas I 151ff. Struck 18ff.), der auf den südlichen Randgebirgen der dessaretischen Seensenke entspringt und sich durch die Gebirge Obermakedoniens seinen Weg bahnt, ehe er in die Tiefebene hinaustritt. Aelian. hist an. XV 1 nennt zwischen Beroia und Thessalonike einen Fluß Astraios (Βεροίας τε καὶ Θεσσαλονίκης μέσον ῥεῖ ποταμός, ὄνομα Ἀστραῖος). Kiepert 2 bezieht ihn auf einen kleinen Fluß bei Beroia, ohne einen modernen Namen anzugeben. Leake ΙΙΙ 292f. 466 dagegen identifizierte ihn mit dem Haliakmon und wollte zwischen Astraios und Vistritza sprachliche Beziehungen herstellen, und Tafel 312f. setzte ihn gar dem Axios gleich. Dazu liegt kein Grund vor, und so findet auch Struck 28, 1 den Astraios im Tripotamos bei Beroia; den Kutika schlägt Oberhummer o. Bd. II S. 1796 vor, neigt aber doch einer Gleichsetzung mit dem Axios zu.
Als einen südlichen Zufluß des Haliakmon betrachtete Heuzey Le M. O.186f. den von Liv. XLIV 7, 6 angeführten Askordos und fand ihn in dem h. Krasopouli; Leake III 424 möchte eine Verwechslung mit Astraios und Haliakmon vermuten, sieht aber in dem Acerdos der Itinerare (Tab. Peut. Geogr. Rav.) eine Bestätigung dafür, daß es Fluß und Stadt dieses Namens gegeben haben muß. Heuzey hat bei Oberhummer o. Bd. II S. 1700f. Kiepert a. O. Kromayer Karte 7 Zustimmung gefunden.
Große Schwierigkeiten bereitet es, die zahlreichen Küstenflüsse am Ostfuß des Olymps, die namentlich gelegentlich der Schlacht bei Pydna erwähnt werden, mit einiger Sicherheit unterzubringen.
Auf den Peneios folgt nach Norden der Bach von Platamona, den Leake III 406 mit Apilas bei Plin. n. h. IV 34 zusammenbringt. Hirschfeld o. Bd. I S. 2803. Die Ziliana setzt Heuzey Le M. O. 93ff. dem Sys des Paus. IX 30, 11 gleich (vgl. Desdevises 287. Kromayer II 275, 2), während Leake III 422 Sys = Enipeus = Vythos (Bythos) ansieht. Daß der Enipeus der h. Vythos ist, glauben auch Heuzey 107. Barth 205. Kurz 202. Die Österreichische Karte, Kromayer [675] II K. 7, Stielers Handatl.? 53 nennen den Vythos Mavrolongos; nach Kurz ist aber Mavrolongos ein Tal, das von der Vrissoula durchflössen wird, vgl. Cvijic’ 313. — Der nächste Fluß ist der Baphyras. Kiepert nennt den Unterlauf des Enipeus Baphyras, Oberhummer (o. Bd. II S. 2850) setzt ihn = Potoki, den die österreichische Karte nicht kennt, und nennt seinen Oberlauf Helikon. Seiner Beschreibung nach meint er den h. Vrondos oder Warkos (vgl. auch Kromayer K. 7), der jedenfalls im Altertum Helikon hieß. Also kann man wohl den h. Vythos = Enipeus, Warkos = Helikon und den gemeinsamen Unterlauf beider Flusse = Baphyras setzen; vgl. auch Leake III 412.
Den Aison hat man im Mavroneri wiederfinden wollen (Kiepert. Desdevises 294. Unklar Hirschfeld I 1086), während Kromayer K. 7 und 9 Mavroneri = Leukos (Plut. Aem. Paul. 16. 21) und Pelikas = Aison hat; vgl. Barth 204ff. Der Mitys (Liv. XLIV 7) ist bei Heuzey 185 = Bach von Vromeri, bei Leake III 424 = Bach von Katerina, bei Kromayer K. 7 = Bach von Ajani. Doch vgl. Kromayer II 286, 2 und im allgemeinen zu seinen Absetzungen Ed. Meyer Kl. Schr. II 465. Von einer sicheren Festlegung der antiken Flußnamen für Pierien ist man also noch weit entfernt.
b) Makedonien östlich des Axios. Zwischen Axios und Strymon sind außer dem Echeidoros in M. Flußnamen nicht überliefert. Dieser, der h. Gallico, entspringt auf dem Kruša-Balkan und mündet zwischen Axios und Thessalonike (vgl. Oberhummer o. Bd. V 1909. Tafel 282ff. Struck 2ff.). Sonst handelt es sich vor allem um die Seen dieses Gebietes. Es ist oben bereits ausgeführt worden, daß der heutige Tachyno Göl, den der Strymon (Struma) kurz vor dem Durchbruch durch die letzte Gebirgsschranke durchfließt, der alte Kerkinitis ist, dessen Ausdehnung allerdings im Altertum noch nicht so bedeutend war wie heute. Der Prasias entspricht jedenfalls dem Butkovasee. Der antike Name für den Doïransee ist dann nicht bekannt.
Es bleiben die beiden Seen in der Senke nördlich der Chalkidike zu bestimmen. Der größere ostliche, der Bešik Göl, ist sicher der Bolbe der Alten (vgl. Tafel 238ff. 263f. Oberhummer o. Bd. III S. 668). Durch Hegesandros (bei Athen. VIII 334e = FHG IV 420) sind zwei Zuflüsse, Ammites und Olynthiakos, überliefert, die bei Apollonia in den See mündeten. Sein Abfluß, nach Procop. de aedif. IV 3 Rhechius, noch heute Rhichios genannt (Struck Chalkidike 74), fließt durch das Tal Aulon (Oberhummer o. Bd. II S. 2414 Nr. 8) = Rumili oder Rendina Boghasi in den Strymonischen Meerbusen. Der kleinere westliche See, der See von Langaza oder Ajvasil (hl. Basilios) Göl, war bisher aus dem Altertum dem Namen nach nicht zu belegen. Denn die Behauptung Dölls 44f., der See von Langaza sei der alte Kerkinitis, entspricht nicht den Zeugnissen. Jetzt hat Kinch (nach einer Mitteilung von Chrysochoos im Παρνασσοῦ Ἐπετηρίς III 142, 2) in einem Bios des 9. Jhdts. für ihn den Namen Κορωνεία Λίμνη gefunden, und Kiepert hat ihn in seine Karte eingetragen, wenn auch ein Zeugnis aus klassischer Zeit nicht vorliegt.
[676] c) Jenseits des Strymon (s.d.) sei nur noch des linken Nebenflusses gedacht, der die Ebene von Philippi durchströmt, des Angites, des h. Angista (Hirschfeld o. Bd. I S. 2191. Casson 21). Dieser Fluß wird von Leake III 183. 225. Heuzey-Daumet 106 mit dem Gangas oder Gangites bei Appian. bell. civ. IV 106. Cass. Dio XLVII 47 gleichgesetzt, wohl mit Recht; doch bezieht Kiepert diesen Namen auf den Bach von Bunarbaši. Den Zygaktes (Appian. bell, civ. IV 105. 128) findet Leake III 225 im Fluß von Nevrokopo wieder.
IV. Verkehrsstraßen. M. ist für den Verkehr von den Donauländern und vom Adriatischen Meer zur Ägäis ein wichtiges Durchgangsland. So wurde es wie heute auch im Altertum von großen Verkehrsstraßen durchschnitten. Der Verkehr von und zur Donau benutzte natürlich die Wardar Morawafurche, während für den Verkehr von der Adria nach dem Osten, der für die Römer besonders wichtig war, keine natürliche Straße zur Verfügung stand. Von Dyrrhachion (Durazzo) führte die Via Egnatia durch das albanische Bergland zu den dessaretischen Seen und von hier nach Herakleia (bei Monastir, s. o. II E) in dem breiten nordsüdlichen Längstal des Erigon (Černa); diesem nach Süden folgend überschritt sie den Waldpaß Kirli Dertend (Barth 155f.; vgl. Liv. XXXI 39), τὴν ἐσβολὴν τῆς Λύγκου des Thukydides (IV 83), τὰς εἰς τὴν Ἐορδαίαν ὑπερβολάς des Polybios (XVIII 23, 3; vgl. Leake III 314), und gelangte in das Becken von Ostrovo, die alte Eordaia. Am Nordwestufer des Sees entlang erreichte sie die Talsenke von Telovo und durch diese Aigai = Edessa (Wodena) und die Tiefebene. Die heutige Eisenbahn Monastir-Salonik benutzt im allgemeinen dieselbe Route. Von Aigai aus ging jedoch die Straße gerade nach Osten weiter über Kyrrhos = Scurio (bei Gradišta, Gleichsetzung nicht sicher, s. o. II E) und Pella (Alaklissî) zum Wardar, während die Eisenbahn den See von Jenidsche im Süden umgeht. Den Wardar überschritt die Straße bei der Station Gephyra (Wardar-Han). Vgl. über die Via Egnatia und die Eisenbahn Tafel De Via Egnatia (Tüb. 1842) und das Buch von v. d. Goltz.
Die dritte wichtige Straße verband die Mündung des Peneios mit Salonik. Durch das Tempe führt die kürzeste Verbindung zwischen Thessalien und M. an der Küste entlang nach Norden. Die Straße von Larissa über Phylakai (Servia) nach Beroia (Werria, Karaferia) ist weiter und durchschneidet unwirtliche Gebirgsgegenden.
Für Ost-M. kommt vor allem die Fortsetzung der Via Egnatia in Betracht. Sie benutzte die Seensenke nördlich der Chalkidike und erreichte so von Süden her die Strymonmündung, die Eisenbahn Salonik-Seres-Drama-Adrianopel ist dagegen von Salonik nordwärts zum Doiransee und dann durch die Butkovasenke zum Strymon geführt. Von Amphipolis verfolgte die Via Egnatia anscheinend das Tal des Angites (Angista) zur Ebene von Philippi, um von dort über das Symbolon (Heuzey-D. 34. Cousinéry II 75f. Leake III 217ff.) zur Küste hinabzusteigen. Nach Miller 583ff. (s. u.) hat auch eine Landstraße mit Stationen von Amphipolis über Herakleia [677] Sintike (Demirhissar) und Serrhai (Seres) nach Philippi geführt.
Für Ober-M. sind noch die Straßen von Bedeutung, die außer der Via Egnatia aus der Ebene von Monastir im Norden und Süden hinausführen: die Straßen von Prilep über den Babuna- und Pletvarpaß zum Wardar und von Florina über den Biglapaß nach dem See von Kastoria. Über den Pletvarpaß ging eine antike Straße von Herakleia (bei Monastir) über Prilep nach Stoboi (Gradsko am Wardar), und auch der Biglapaß ist für die Verbindung zwischen den obermakedonischen Landschaften Eordaia und Orestis wichtig gewesen. Es braucht wohl nicht besonders betont zu werden, daß alle diese Verkehrsstraßen, die wir aus den Itinerarien kennen, auch schon in vorrömischer Zeit benutzt worden sind, wie nicht nur ihr von der Tektonik der Landschaft vorgezeichneter Verlauf, sondern auch die Lage der wichtigsten Städte beweisen. Eine ganze Anzahl der von den Itinerarien (s. über diese Kubitschek o. Bd. IX S. 2308ff.) angeführten Stationen (mutationes, mansiones) deckt sich daher auch mit makedonisch-griechischen Siedlungen.
Wenn auch bei der schlechten Überlieferung der Itinerare häufig weder die angegebenen Entfernungszahlen noch die Namen der Stationen einwandfrei mit der antiken Topographie in Einklang gebracht werden können, so sind sie doch für die Verkehrsgeographie von nicht zu unterschätzender Bedeutung und auch für die Topographie mit Nutzen zu verwerten. Das ganze Material stellt am bequemsten K. Miller Itineraria Romana, Stuttg. 1916, zusammen, wenn es auch nicht immer zuverlässig ist; für die Via Egnatia ist das oben angeführte Buch von Tafel noch immer von Wert. Hier kann es sich nur darum handeln, die Stationen der wichtigsten Routen zusammenzustellen. Für die Belegstellen muß auf Miller verwiesen werden.
1. Via Egnatia: von Lychnidos (Ochrida) bis Philippi (Filibah). Miller 520ff. Tafel 28ff.
Lignido (Lychnidos) = Ochrida.
Brucida, vielleicht = Brygias (?) bei Steph. Byz. (s. o. II E). Tafel 34. Nach Miller 520 bei dem h. Bukova. :Scirtiana, = Krušije(?); vgl. Tafel 37.
Es folgen Nicea, Castra und Parembole. Nach Miller sind vom Presba nach Monastir zwei parallele Straßen anzunehmen (vgl. dazu Leake III 313); Castra = Parembole legt er an die nördliche Straße beim h. Diava (Dihova der österr. Karte), Nicea bei Kazara(?) an die südliche, Kiepert S. 2 b sucht mit größerer Wahrscheinlichkeit Castra = Parembole östlich des Dorfes Kashani, Nicea beim Han von Kashani. Vgl. noch Heuzey-D. 302f. Dann:
Heraclea = Monastir (s. o. II E).
Melitonus, nach Miller = Kenali (?), nach Tafel 41 bei Florina.
Grande, vielleicht bei Banica(?).
Cellis (Cella) bei Hierokl. 638 Κέλλη), nach Miller 521 beim h. Bagna, nach Leake III 315 und Tafel 42 = Ostrovo, nach Kiepert bei Gomičevo zwischen Ostrovo und Banica.
Ad Duodecimum, nach Miller = Ostrovo(?).
Edessa (Aigai) = Wodena.
[678]
Scurio ( = Kyrrhos; s. o. II E), beim heutigen Gradista.
Zwischen Edessa und Thessalonike erwähnt Itin. Ant. 330 eine Station Diocletianopolis; Hierokl. 642 und Procop. de aedif. II³ nennen ebenfalls eine Stadt dieses Namens im makedonischen Gebiet. Nun geht aber aus Procop. a. Ο. ganz klar hervor, daß es sich nur um das heutige Kastoria, das alte Keletron in Orestis, handeln kann (s. o. II E; Oberhummer o. Bd. XI S. 142ff. Tafel 43ff.); Millers Vorschlag, in Diocletianopolis Pella, das ja auch an einem See lag, zu sehen (s. auch Kubitschek o. Bd. IX S. 2337), ist nicht annehmbar. Entweder ist also der Name im Itinerarium Antonini an eine falsche Stelle geraten, oder es muß hierein zweiter Diocletianopolis angenommen werden, von dem wir sonst nichts wissen (vgl. noch Philippson o. Bd. V S. 658).
Pella (bei Alaklissi; s. o. II E).
Gephira (Gephyra), Übergang über den Axios (Wardar) bei Topči, Wardar-Han: Tafel 57. Struck 94.
Ad Decimum, nach Miller bei Šamli am r. Ufer des Galliko(?). :Thessalonica = Salonik (s. o. II E).
Ad Duodea (wohl Duodecimum), nach Miller 522 h. Aivasali (Ajvasil), nach Kiepert am Anfang des Sees von Langaza.
Melissirgiu, Melisurgi, nach Miller beim h. Melissurgus, auf der österreichischen Karte nicht verzeichnete?). Vgl. Leake III 461. :Heracleustibus (Ἡρακλέους στίβος), nach Miller bei Konios(?) (auf der österr. Karte nicht).
Apollonia = Polina bei Pazarkia. Vgl. Tafel De Via Egn., Pars Orient 7; s. o. II E.
Peripidis (Euripidis) = Stavros, in der Nähe der alten Bromiskos und Arethusa (s. o. II E).
Pennana, vielleicht bei Argilos (?) (s. o. II E).
Amphipoli, Ruinen bei Neokhóri (s. o. II E).
Domerus, nach Tafel 10 = Demeritza(?); vgl. De Thessal. 497.
Ad Duodecimum, nach Miller = Eredzekli(?). In Pravista Meilenstein aus dem J. 217 n. Chr. gefunden (CIL III 14 207).
Philippi = Filibah, vgl. Miller 523. Tafel 10f.; s. o. II D 5.
2. Stoboi-Thessalonike.
Stopis (= Stoboi, Stobi), vgl. Miller 572. Ruinen südlich von Gradsko, am Einfluß des Erigon (Černa) in den Wardar; s. o. II E.
Antigonia, nach Miller bei Negotin im Distrikt Tikweš, doch vgl. Heuzey-D. 328f.; s. o. II E.
Stenas = Demir Kapu; vgl. Barth 126ff. v. Hahn 160ff. Meilenstein CIL III 710 a.
Idomenia (= Eidomene; s. o. II E), nach Miller = Davidovo (?).
Tauriana, von einigen = Doberos gesetzt; vgl darüber o. II E. nach Miller = Sinojan(?).
Gallicum (Callicum), entweder = Kefalovo am Amatovosee oder am Gallico (Echeidoros) (?).
Thessalonica.
3. Thessalonike-Beroia-Tempe. Da die Entfernungen der Tabula Peutingeriana von Beroia nach Pydna zu groß sind, wird die Festlegung der Stationen sehr erschwert. Nach Miller 573 ging wohl neben dem direkten Weg von Beroia nach Pydna (so Itin. Anton.) eine zweite Route über Aloros.
[679]
Thessalonica.
Pella.
Beroia = Verria, Karaferia; s. o. II E. Dann nach
Acerdos (Archelos), wohl bei Sadina oder Malchi(?), vgl. Leake III 423.
Aculos = Aloros, am Haliakmon; s. o. II E.
Bada, nach Miller 574 entweder = Kolyndros oder Libanovo, nach Heuzey Le M. O. 185 bei Libanovo, nach Desdevises 301 = Elefteróchori. Vielleicht = Balla (h. Palatitza): s. o. II E.
Anamo (Anamon), nach Miller bei Elefteróchori, doch s. o. II E unter Methone.
Hatera, nach Miller = Mikro Ajani bei Katerina, nach Heuzey 144f. bei Konduriotissa, nach Leake III 424. Desdevises 295 bei Katerina.
Dium (= Dion), bei Malathria; s. o. II E.
Sabatium (Sabatum), nördlich von Platamona bei Pola(?).
In Vurlani am Ausgang des Tempe Meilenstein Hadrians gefunden, CIL III 14 206, 32.
Stenas (Senas), nach Miller im Tempe. viell. an der Stelle des Bergschlosses Kastro τῆς Ὀραίας.
4. Stoboi-Herakleia Lynkestis.
Stopis.
Euristo (Euriston), am Raječ, jetzt Fariš oder Mramor(?), Miller 580.
Ceramie, nach Miller bei Berovce, südlich von Prilep, nach Kiepert S. 2b bei Galitschani.
Istubera, beim h. Stari Srpči(?), nach Kiepert bei Beranče; vgl. Leake III 321f. und o. II E unter Stybera.
Heraclea = Monastir.
5. Amphipolis-Herakleia Sintike-Philippi. Während Kiepert S. 4 die Angaben der Tabula Peutingeriana, die zwei Wege zwischen Herakleia Sintike und Philippi bietet, für verderbt und die bisherigen Erklärungsversuche für mißglückt hält, sucht Miller 583 dadurch die Angaben zu retten, daß er nicht Philippi-Herakleia-Philippi, sondern Amphipolis -Herakleia-Philippi verbindet; zwischen Herakleia und Philippi schiebt er noch Serrhai ein. Allerdings ist der Eingriff Millers sehr stark und deshalb nicht mehr als eine geistreiche Hypothese. Vgl. noch Leake III 226ff. C. Müller Ptol. I 1, 510. Nach Miller würde sich folgendes Bild ergeben:
Amphipolis.
Triulo (Trillon), nach Miller 584 = Monuhi, südlich vom Tachyno Göl, nicht bei Pravišta; s. o. II E unter Tragilos.
Graero (Greron) = Dzanimah bei Nigrita.
Euporea (Euporia, s. o. II E) = Orljak, an der Kreuzung der Strymonstraße mit der Straße von Salonik.
Heraclea Sentica (s. o. II E), nach Miller = Demir hissar. :Scotusa am Strymon, nach Miller = Savek, o. II E.
Dann schiebt Miller ein:
Serrhae (Serrhai) = Seres, s. o. II E.
Sarxa, nach Miller und Leake II 226 bei Zigna; C. Müller setzt es gleich Serrhai.
Strymon; nach Miller 585 hier die Mutnitza (?) gemeint, Übergang bei Kadin Köprüssi, wo auf der alten Römerbrücke Inschriften gefunden wurden (CIL III 662. 702). Nach Leake III [680] 226 Übergang über den Nevrokopo Dercai = Zygaktes. Diese Erklärungsversuche erscheinen recht gezwungen, da der Name Strymon für einen zweiten Fluß nirgends belegt ist.
Daraveseos = Drabeskos = Drama; o. II D 5.
Philippi.
Von Wichtigkeit auch für die antiken Verkehrsstraßen ist der Aufsatz Tomascheks S.-Ber. Akad. Wien CXIII (1886) 348ff.: Die Handelswege im 12. Jhdt. nach den Erkundigungen des Arabers Idrisi. Für die Neuzeit sei auf Schultze Jena 207ff. verwiesen.
V. Erzeugnisse und Bodenschätze. Ganz kurz soll auf die wichtigsten Erzeugnisse M.s eingegangen werden. M. war vor allem ein Land des Ackerbaus und der Viehzucht, wie es das noch heute ist, und neben den Getreidearten ist auch Wein- und Obstbau betrieben worden. Während Wein und Weizen aus Thrakien genannt und gelobt werden, trifft dies für M. nur selten zu. Bedeutendere Ausfuhr hat also nicht stattgefunden, trotzdem die Niederlande, namentlich die Gegend am Bermios, wo die Gärten des Midas gelegen haben, noch heute durch ihre üppige Fruchtbarkeit und ihren Reichtum an Obst berühmt sind (vgl. besonders die Werke von Cousinéry, Grisebach, Struck, Casson, Schultze Jena) und auch die Ebene von Monastir und die Seensenke nördlich der Chaleidike sich durch guten Boden und reichen Ertrag auszeichnen.
1. Wald: Desto häufiger wird der Holzreichtum M.s erwähnt. Bei der Waldarmut Griechenlands waren die großen Wälder der nördlichen Balkanhalbinsel von höchstem Werte, namentlich für den Schiffbau, zumal das makedonische Holz dazu für besonders geeignet galt: Theophrast. hist. plant. V 2, 1, vgl. IV 5, 5. Die Beherrschung der makedonisch-thrakischen Küste war vor allem aus diesem Grunde eine Lebensfrage für Athen. Zwar lassen die antiken Zeugnisse nicht immer klar erkennen, ob M. oder Thrakien gemeint ist, aber auch für M. allein sind die Beweise deutlich genug. Vor allem wichtig sind inschriftliche Zeugnisse. So sichert Perdikkas II. in dem Bündnisvertrag mit Athen diesem das Monopol der Ausfuhr von Schiffsholz zu: IG I 42 = v. Scala Staatsverträge des Altertums nr. 81; auch die Verträge Syll.² 587 und Syll.³ 135 (ἐξαγωγὴ δ’ ἔστω καὶ πίσσης καὶ ξύλων‚‘ ....ναυπηγησίμων πλὴν ἐλατίνων) enthalten entsprechende Klauseln. Archelaos wurde von Athen besonders geehrt, weil er Schiffsholz lieferte (411/10: Syll.s 104). Weiter wird der Reichtum an Schiffsholz in M. bezeugt durch Herod. V 23 (Gegend von Myrkinos). Thuk. IV 108, 1 (Amphipolis). Xen. hell. V 2, 16. VI 1, 11. Andoc. II 11. Demosth. XIX 265. XLIX 26. 36. Dagegen kann die Sendung von Schiffsbauholz für 100 Trieren, die Antigonos der Diadoche Athen zum Geschenk machte, nicht hierher gezogen werden, da M. damals im Besitz des Kassandros war: Plut. Demetr. 10. Diod. XX 46, 4. Schließlich ist ein Beweis für den Holzreichtum M s der Name der Stadt Xylopolis (wohl am Kruša Balk.) bei Ptolem. III 12, 33 und das Verbot bei Liv. XLV 29: navalem materiam et ipsos caedere et alios pati vetuit. Vgl. Casson 52f.
[681] 2. Bodenschätze: Nach der Bestimmung im Friedensvertrag von 168 v. Chr.: metalla quoque auri atque argenti non exerceri, ferri et aeris permitti (Liv. a. a. Ο.) hat es wohl Eisen- und Kupferminen gegeben, doch wird sonst nichts davon erwähnt. Dagegen ist M., namentlich in seinen Außenländern, an Gold und Silber reich gewesen. Nach den antiken Angaben scheinen beide Metalle meist zusammen vorgekommen zu sein. Die wichtigsten Fundstätten waren:
a) Damastion, in Illyrien, jedenfalls nördlich vom Ochridasee; kommt also für M. kaum in Betracht. Über die Lage und Bedeutung vgl. außer Philippson o. Bd. IV S. 2051 jetzt Gaebler Ztschr. f. Num. XXXVII (1927) 245ff.
b) Dysoron: Herod. V 17; s. o. III a und Philippson o. Bd. V S. 1889.
c) Pangaion: Herod. VII 112. Strab. VII 331 frg. 34. Eurip. Rhesus 921f. 970ff. Der Hauptort des Minendistriktes war Krenides-Philippoi (o. II D 5): Strab. VII 331 frg. 36. App. b. c. IV 106. Diod. XVI 8, 6.
d) Skaptesyle, zwischen Strymon und Nestos; s. Oberhummer o. Bd. III A S. 446.
Die Angaben des Etymol. M. s. v., daß der Echeidoros Gold geführt habe, und Strabons (XIV 680), daß Midas seinen Reichtum den Minen des Bermios verdanke, sind nicht ernst zu nehmen. Vgl. noch über die Bodenschätze M.s Casson 57ff.
[Geyer.]
Vorlage: 1947
Vorlage: S. 257
Es wird nur das eigentliche M. berücksichtigt, das im Westen von den dessaretischen Seen, im Osten vom Strymon und im Norden von dem Randgebirge der Tiefebene eingeschlossen wird.
II. Kapitel
Makedonia
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aus: RE:Makedonia
Seite: 681–697
von: Otto Hoffmann
Bearbeitungsstand
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VI. Volkstum und Sprache der Makedonen.
Die dürftigen Reste, die uns von der Sprache der Makedonen erhalten sind, bestehen teils in Namen, teils in einzelnen makedonischen Wörtern, die entweder gelegentlich in Werken über die makedonische Geschichte erwähnt oder als Glossen von den alexandrinischen Grammatikern zusammengetragen waren. Unter diesen scheint sich besonders der aus M. gebürtige Amerias in seinem Werke ‚Γλῶσσαι‘ mit der Sprache seines Heimatlandes beschäftigt zu haben. Mit Ausnahme der geographischen Namen ist dieses makedonische Sprachmaterial zuletzt von O. Hoffmann Die Makedonen, ihre Sprache u. ihr Volkstum 1906 gesammelt und kritisch bearbeitet worden. Trotz einzelner weiterführenden Gedanken kommen Hirt Die Indogermanen (1905) 149ff. 602ff. und Thumb Handb. d. griech. Dial. (1909) 8ff. nicht zu klaren Folgerungen aus den sprachlichen Tatsachen.
Die Frage nach der Sprache und dem Volkstum der Makedonen geht vielfach von der Anschauung aus, daß beides einheitlich gewesen sei, daß die Antwort also entweder ,griechisch‘ oder ,nichtgriechisch‘ lauten müsse. Nun schildern aber Herodot und Thukydides nach einer am makedonischen Königshofe lebenden Überlieferung anschaulich, wie der makedonische Staat nach seiner Gründung durch die Argeaden in langen Kämpfen mit den Völkern Illyriens und Thrakiens Schritt für Schritt seine Grenzen nach Norden und Osten vorschob. Mag sich in dieser Erzählung um den geschichtlichen Kern auch mancherlei Beiwerk gerankt haben, so steht das eine unbestritten fest, daß in dem M. des 4. Jhdts. Völker und Volksstämme verschiedener Abstammung und verschiedener Sprache zu einer politischen Einheit verbunden waren. Diese Tatsache drängt uns eine [682] Reihe von Fragen auf:• Wer waren die Makedonen selbst, der kleine Volksstamm, der, ehe er seine weltgeschichtliche Rolle zu spielen begann, auf enger Scholle an den östlichen Abhängen des Bermiongebirges wohnte? Und wie gestaltete sich später sein Zusammenleben mit den anderen Völkern, die er sich unterwarf and in einem Staate vereinigte? Haben diese etwa ihre Eigenart, ihre Sprache unverändert bewahrt, hielt sie nur die Machtstellung der makedonischen Fürsten zusammen, war also Μακεδών im 4. Jhdt. ein rein politischer Begriff? Oder gelang es den makedonischen Königen, ihre Völker innerlich einander näherzubringen und miteinander zu verschmelzen, bildete sich eine makedonische Nationalität heraus, die ihren äußeren Ausdruck in einer einheitlichen makedonischen Verkehrs- und Staatssprache fand, lange bevor die Koine zur Weltsprache des makedonischen Reiches erhoben wurde? Und wenn eine solche nationale und sprachliche Einigung gelang:• welchen Charakter trug sie? Setzte sich eine Sprache, eine Kultur, etwa die der Makedonen, durch? Oder ging aus der Verschmelzung der Völker eine Mischkultur und eine Sprache hervor, in der die verschiedenen Sprachen M.s, die eine mehr, die andere weniger, ihren Niederschlag fanden?
1. Der Volksname Μακεδόνες ist griechischen Ursprungs. Er kehrt in Thessalien wieder. Nach Herodot I 56 hatte das ἔθνος Δωρικόν ursprünglich in Thessalien gewohnt, zuerst in der Phthiotis, dann in der Hestiaeotis und endlich am Pindos unter dem Namen ‚Μακεδνόν‘. Von den Hauptstaaten des Peloponneses, die Kontingente zu der griechischen Flotte bei Artemision stellten, sagt er VIII 43:• ἐόντες οὗτοι, πλὴν Ἑρμιονέων, Δωρικόν τε καὶ Μακεδνὸν ἔθνος, ἐξ Ἐρινεοῦ τε καὶ Πίνδου καὶ τῆς Δρυοπίδος ὕστατα ὁρμηθέντες. Der Zusammenhang zwischen Μακεδνός und Μακεδόνες liegt auf der Hand:• es sind zwei in regelmäßigem Ablaut zueinander stehende Formen desselben griechischen Wortstammee, für den aus dem Adjektivum μακεδνός (φύλλα μακεδνῆς αἰγείροιο η 106) die Bedeutung ,hoch, schlank‚‘ zu erschließen ist. So gehört Μακεδόνες zu den wenigen Volksnamen, die deutlich eine Eigenschaft bezeichnen; aus dem Germanischen lassen sich vergleichen die Langobardi ,die Langbärte‘, Chauki ,die hohen‘ (zu got. hauh-s, ahd. hōh), Quādi ,die bösen, häßlichen‘ (zu mhd. kwaud ,böse, häßlich‘, ahd. quāt ,böse‘), vielleicht auch Burgundiones ,die großen‘ (zu altind. brhant- ,groß, gewaltig, stark‘), vgl. Hirt Beitr. z. Gesch. d. deutsch. Spr. u. Lit. XXI 125ff.
2. Die Namen des makedonischen Königshauses, der makedonischen Fürsten und Vornehmen sind mit wenigen Ausnahmen rein griechisch. Sie tragen ein ausgesprochen dialektisches Gepräge und klingen in ihren Lauten und Stämmen am stärksten an die griechischen Namen Thessaliens an. Die folgende Auswahl berücksichtigt besonders solche Namen, die durch ihre Laute und ihre Bildung eine sprachliche Eigenart zeigen (die in Klammer zugesetzten Zahlen verweisen auf O. Hoffmann Die Makedonen 116ff., wo das Nähere über die Persönlichkeiten und die Überlieferung der Namen zu finden ist. Die Abkürzung HPG. bezieht sich auf [[Friedrich Bechtel|Bechtel]] Die historischen [683] Personennamen des Griechischen bis zur Kaiserzeit, Halle 1917).
• Ἄγερρος (138), ein als Bürge im Perdikkasvertrag des J. 423 genannter Neffe des Königs Perdikkas, zu homer. ἀγέρὤχος, einem namentlich den Troern gegebenen ehrenden Beiwort, das als Name in Milet gefunden ist (4. Jhdt.).
• Ἀδαῖος (190), ein beliebter Makedonenname, zuerst unter Philipp belegt, vereinzelt auch in Griechenland vorkommend, Kurzform auf -αιος zu dem Namen Ἀδάμας Il. XII 140. XIII 560 u. ö.
• Ἁδέα (216), der Mädchenname der Gattin des Philipp Arridaios, die sich als Königin Eurydike nannte, Enkelin des Perdikkas II. Denselben Namen in der Form Ἁδεῖα führt die Frau des Makedonen Autodikos, eines Bruders des Königs Lysimachos. Das ᾱ des Stammes ist lang, es entsprechen genau die häufigen attischen Namen Ἡδεῖα, Ἡδέα zu ἡδύς aus ἁδύς.
• Ἅδιμος (143), Bürge des Perdikkasvertrages, zu griech. Ἁδίμα, alter Frauenname aus Thera, Ἅδυμος beliebter nordgriechischer Name zu ἇδος ‚Freude‘, ἅδυμος u. a., s. Ἁδέα.
• Ἁέροπος (130), Bruder des Reichsgründers Perdikkas, gleichnamig mit dem alten König Ἠέροπος von Tegea (Herodot IX 26), vielleicht mit dem Volksnamen Ἀέροπες verwandt.
• Αἴσυμνος (222), vornehmer Makedone des 4. Jhdts., gleichnamig mit dem griechischen Heerführer Αἰσυμνός Λ 303. Als Appellativum das Stammwort des Verbums αἰσυμνάω ,Recht sprechen, herrschen‘ (Eurip. Med. 19), davon αἰσυμνήτης, αἰσυμνητήρ, Grundbedeutung also Richter, Herrscher‘, vgl. die Namen Ἁγήμων, Ἀστύνομος, Πρύτανις, mak. Κάρᾱνος u. a. m. (HPG. 514ff.).
• Ἀλέξανδρος (1331, Argeade.
• Ἀλκάνωρ (202), vornehmer Makedone aus dem Ende des 4. Jhdts.
• Ἀλκέτας (133), Argeade.
• Ἀμακτύων (224), ein Oberst der königlichen ἴλη unter Seleukos II. Das zweite Glied des Namens nur noch in Ἀμφι–κτύονες (nicht mit ἀμφικτίονες gleichzusetzen). Das erste Glied in Ἂμάκλητος, Ἀμα–κλείδας (Fick Gr. Personennamen² 55), vielleicht auch in dem äolischen Monats- und Personennamen Ἀμα-λώϊος; (HPG. 523) neben Ὁμο-λώϊος, vgl. den makedonischen Monat Λώϊος.
• Ἀμύντας (133), Argeade.
• Ἀμύντωρ (170), Vater des Hephaestion.
• Ἀντίπυτρος; (180), ein beliebter Name vornehmer Makedonen.
• Ἀργαῖος (132), Sohn des Reichsgründers Perdikkas, von ἄργη ,Glanz‘, erhalten in dor. αργᾱντ- ,glänzend‘ (Pind. Ol. XIII 69) aus ἀργᾶ-εντ-.
• Ἀργέας (121), der Ahnherr des Königsgeschlechtes der Ἀργεάδαι.
• Ἀρραβαῖος (165), Lynkestenfürst, wahrscheinlich mit der beliebten makedonischen Konsonanten-Verdoppelung aus Ἀραβαῖος zu ἄραβος ,Gerassel‘, ἀραβέω ,rasseln, klirren‘ (ἀράβησε δὲ τεύχε’ ἐπ’ αὐτῷ). Eine ähnliche Bedeutung zeigt der Name seines Sohnes Βρομερός zu βρόμος ,Getös, Lärm‘.
• Ἀργι-δαῖος (134), ein alter Name im Argeadenhause, gekürzt aus Ἀρρί-δαμος mit Ἀρρι- aus Ἀρσι-, vgl. rhod. Ἀρσί-πολις, att. Ἀρρί-λεως.[684]
• Ἀρχέλας (138), Sohn des Perdikkas, als König Ἀρχέλαος genannt.
• Ἄσανδρος (193), Sohn des Philotas und Bruder des Parmenion, vgl. böot. Ϝάσ–ανδρος, thessal. Ϝασί–δαμος u. a. m., HPG. 85.
• Ἄτταλος (157), ein häufiger Name im makedonischen Adel, entweder ,Väterchen‘ als Deminutivum zu ἄττα, wie maked. Ἄττίνας (194) und Ἀττακῖνος (149), oder aus dem Vollnamen Ἀταλόφρων gekürzt.
• Αὐτόδικος (172), Bruder des Königs Lysimachos.
• Ἀφθόνητος (179), ein Page Alexanders, in thessal. Dialektform Ἀφθόνειτος (Hoffmann GD II 519), böot. Ἀφθοννώ, ohne ἀ- in thess. Φθόνειτος
• Βάλακρος (175), ein σωματοφύλαξ Alexanders, mit β für φ nach makedonischer Aussprache, vgl. die häufigen und alten Namen Φάλακρος zu Φαλακρίων ,kahlköpfig‘, Bechtel Einstämm. Personennamen 37ff.
• Βερενίκα (217), Tochter des Makedonen Magas, Gattin des Ptolemaios Lagos. Durch sie wurde Berenika ein häufiger makedonischer Frauenname. Βερε- nach makedonischer Aussprache für Φερε-.
• Βοραῖος (148), Bürge des Perdikkasvertrages, wahrscheinlich nicht zu βορέας, sondern mit β- für φ- aus Φοραῖος als Kurzform zu den Namen auf -φορος wie Καλλί–φορος, Ὀνασί–φορος, Παρ–φορος (HPG. 445).
• Βότρης (150), Bürge des Perdikkasvertrages zu argiv. Βότρας, herakl. Βότριχος, Βότρυς, vgl. Fick Griech. Personennamen 325.
• Βοῦκ[ρος] (148. 270), Bürge des Perdikkasvertrages. In der verderbten Form Βόκρος überliefert als Name eines Sohnes des Amyntas I. Kurzform zu Βου–κράτης oder Βού–κρανος ,Ochsenkopf‘ (HPG. 98), vgl. den ätolischen Namen Βοῦκρις.
• Βρίσων (195), ein Führer der τοξόται unter Alexander, zu βρῖσαι ,wuchtig bedrängen‘ (ἔβρισαν Λυκίων ἀγοί, Il. XII 346).
• Βρομερός (165), Sohn des Lynkestenfürsten Ἀρραβαῖος (s. d.), zu βρόμος ,Getöse‘.
• Γαιτέα[ς], Bürge des Perdikkasvertrages, wahrscheinlich mit γ für χ zu den alten griechischen Namen Χαῖτος, Χαῖτις, Χαίτων (Solmsen Kuhns Ztschr. XXXIV 550). Möglich wäre auch die Verbindung mit γῄτης ,Landmann‘ (Soph. Trach. 32) aus γᾶΐτᾱς.
• Γαυάνης (129), Bruder des Reichsgründers Perdikkas, aus ἀγαυ–ᾱνης ,mit edlem Antlitz‘ (ἀγαυός und -άνης wie in dor. ποτ–ᾱνής, προσ–ᾱνής ,freundlich‘, πρ–ᾱνής, vgl Namen wie Εὔ–ωπος, Δύσ-ωπος, Γόργ–ώπας).
• Γοργάτας (205), vornehmer Makedone, der gleiche Stamm in den makedonischen Namen Γοργίας (188. 205), Γόργος (222).
• Γυγαία, die erste uns bekannte Frau des Argeadenhauses, Tochter des Amyntas I. Wahrscheinlich ein Kultname, vgl. Ἀθηνᾶ Γυγαία, Γυγᾶ· Ἀθηνᾶ ἐγχώριος Hesych. Ganz zu trennen von der λίμνη Γυγαίη] Il. II 865 u. ö. Anklingend an ὠ–γύγιος, γυγαί· πάπποι Hesych. γυγαίη νύξ· ἡ σκοτεινή.
• Δαμάσιππος (206), ein ἡγεμών im Feldzuge Philipps gegen Theben.
• Δεκάμιχος (206), Heerführer unter Archelaos; wahrscheinlich Dialektform für Δικά–μνιχος, [685] Kurzform zu Δικά–μνᾱστος, vgl. die Namen Δικα–φίλα, Δικη–κράτης und die Kurznamen Ἔρι–μνος, Πόλυ–μνις, Ἀϊ–μνώ zu den zahlreichen Vollnamen auf -μνᾶστος, –μνηστος, HPG. 321ff.
• Δρωπίδας (183), Vater eines Κλεῖτος, der Führer der königlichen ἴλη war. Der Stamm δρωπ-ist häufig in griechischen Namen, nach HPG 477 zu δρώψ· ἄνθρωπος Hesych.
• Ἐπόλλικος (195), ein Reiteroberst unter Alexander; im zweiten Gliede der gleiche Stamm wie in den Namen maked. Κίλλης, myth. Κίλλας Wagenlenker des Pelops, Κίλλος. Wenn diese nicht zu κιλλός ,grau‘ - sondern zu ὀ-κέλλω, κέλλω, -κίλλω ,treiben‘ gehören, so kann Ἐπο- eine makedonische Nebenform von Ἰππο- sein (vgl. lat. equo-, kelt. epo-).
• Ἑρμόλαος (179), Sohn des Σώπολις, ein Page Alexanders.
• Εὖκτος (225), ein ἑταῖρος des Königs Perseus, wahrscheinlich nicht zu εὐκτός ,erwünscht‘, sondern mit euböisch Εὐκταῖος, Εὐκτείδης Kurzform zu dem Namen Εὐκτήμων (HPG 267).
• Εὔλαιος (225), ein ἑταῖρος des Königs Perseus, Kurzform zu dem Makedonennamen Εὔλανδρος, s. d.
• Εὔλανδρος (142), Bürge des Perdikkasvertrages, aus Εὔλᾱο-ς, Εὔλᾱ-ς und -ανδρος zusammengesetzt, wie Εὔκλιππος aus Εὔκλος und -ιππος, Εὐξένιποος aus Εὔξενο-ς und -ιππος.
• Ζωπυρίων (196), Befehlshaber unter Alexander.
• Ἤθαρος (149), Bürge des Perdikkasvertrages, zu ἠθεῖος, ἠθαῖος, ἠθάς ,lieb, vertraut‘.
• Ἡράκων (196), Stratege unter Alexander; Kurzform zu Ἡράκλειτος.
• Θῦνος (149), Bürge des Perdikkasvertrages, zu θῦνος ,Andrang, Kampf‘, θῡνέω, θύνω ,stürmen (in der Schlacht)‘.
• Ἰόλλας (208), Sohn des Antipatros und Mundschenk Alexanders. Wahrscheinlich nicht als * Ἰολλᾱς (HPG 573) aufzufassen, sondern makedonische Dialektform für den Namen Ἰόλᾱος (207), den verschiedene vornehme Makedonen führen.
• Ἴππαλος (226), häufiger Name am Hofe der Ptolemäer.
• Κάλας und Κάλλας (196), Namen mehrerer makedonischer Heerführer des 4. Jhdts., Κάλις (208) ein Mitverschworener des Philotas; Kurzformen zu Vollnamen mit Καλλι- und Καλο-.
• Καλλίνης (186), Hipparch der Hetärenreiterei unter Alexander, Kurzform zu Καλλί-νικος.
• Κάρανος (123), in anderer Dialektform Κόραννος (125), ein König der makedonischen Heldensage, als Appellativum κάρᾱνος ein dorisches Wort mit der Bedeutung ,Häuptling, Anführer‘ (126).
• Κάσσανδρος (208), ein alter und beliebter, nicht dem Epos entlehnter makedonischer Adelsname, mit homer. Κασσ-άνδρα zu homer. κέκασμαι, dor. κέκαδμαι, Stamm καδ- ,sich auszeichnen, hervorragen‘. Κασσ- aus Κασσι- wie Φρασι- zu φράζω, φραδή, φράδ-μων.
• Κεβαλῖνος (209) verrät die von Philotas angezettelte Verschwörung dem Könige Alexander, Κέβλαος (209) Anhänger des Eumenes. Makedonische Dialektformen für Κεφαλῖνος, Κέφαλος HPG. 479.
[686]
• Κεrδίμμας (197), Vater des Satrapen Menon; Kurzform zu einem Vollnamen mit Κερδι- wie etwa Κερδι-μένης, vgl. therä. Κερδ-ώνυμος, achä. Κέρδων HPG. 285.
• Κλέανδρος (143), Bürge des Perdikkasvertrages.
• Κλεῖτος (183), Sohn des Δρωπίδας, Führer der königlichen ἴλη.
• Κλεοπάτρα (219), altmakedonischer Frauenname, zuerst von der Gemahlin des Perdikkas II. getragen.
• Κοῖνος (123), Sohn des Κάρανος (s. d.), wieder aufgenommen als Name in makedonischen Adelsfamilien, vgl. die griechischen Namen Καλλίκοινος, Κονιεύς HPG 253.
• Κορράβων und Κορράτας (144ff.), Bürgen des Perdikkasvertrages, dazu die aus späterer Zeit belegten makedonischen Namen Κόρραβος, Κόρραγος und Κορραῖος, wahrscheinlich alle von κόρση, κόρρη ,Schläfe, Haupt‘ abgeleitet (wie ambrak. Κορράδας). Möglich bleibt auch die Anknüpfung an κοῦροι, κόροι oder an Κόρη.
• Κρατέννας (149), Bürge des Perdikkasvertrages, wahrscheinlich Kurzform zu Κρατέ-νικος.
• Κράτερος (155), der bekannte Freund Alexanders, ein Oreste. Der auch in Griechenland vorkommende Name ist Kurzform zu Κρατερο–γένης, Κρατερό-φρων u. a.
• Κρατεύας (154), Vater des σωματοφύλαξ Πείθων; der Name setzt ein Verbum κρατεύω voraus, HPG 261.
• Κύνᾱγος (226), Vater des Strategen Ζεῦξις unter Antiochos III., aus makedonischem Geschlecht. Ein Berufsname, vgl. κυνηγός ,Jäger‘.
• Λᾶγος (153), Vater des σωματοφύλαξ Πτολεμαῖος;, aus Λά–αγος ,Führer der λᾱοί‘.
• Λανίκα (220), Tochter des Dropidas (s. d.) und Schwester des Kleitos, aus Λᾱο-νίκᾱ.
• Λαοδίκα (220), ein im Seleukidenhause häufiger Frauenname, den zuerst die Mutter des Seleukos I. Nikator trägt.
• Λεόννατος (168), ein häufiger Makedonenname, der erste bekannte Träger desselben gehörte zur Königsfamilie der Argeaden und war σωματοφύλαξ. Das erste Glied ist sicher Λεο- ,ganz, vollständig‘ in Λεο-τυχίδας (spartanischer Königsname), ion. Λεό-δικος, Λεο-θάρσης, Λεόβριμος. Wenn in Λεόννατος das -νν ebenso zu beurteilen ist, wie die Konsonantenverdoppelung in maked. Ἁρραβαῖος, Περ-δίκκας, thess. Παυσαννίας, δαμμάτηρ, μναμμεῖον u. a. (Brugmann-Thumb Griech. Gramm. § 120), so bildet Λε-όννατος den Vollnamen zu den Kurznamen Ὄνᾱτος aus Kroton, Ὀνάτιχος aus Tanagra HPG 349. Als Appellativ bedeutet ὄνητος ,nützlich‘.
• Λιμναῖος (147), Bürge des Perdikkasvertrages. Entweder ein Heimatsname (,gebürtig aus Λιμναί‘) oder ein Widmungsname (vgl. Διονύσιος Λιμναῖος, Ἄρτεμνις Λιμναία).
• Λύκαιος (143), Bürge des Perdikkasvertrages. Kurzform zu dem makedonischen Adelsnamen Λυκ-αγόρας (197), vgl. griech. Λθκ-αιθος, Λυκ–όλας, Λυκο–μήδης, Λυκό-φρων u. a. HPG. 289.
• Λυσάνδρα (221), Tochter des Ptolemaios Soter.
• Μάγας (222), Vater der Berenika, der Gattin des Ptolemaios I. Nach ihm wurden wieder der Sohn und der Urenkel der Berenika Μάγας genannt. Wahrscheinlich gibt γ die makedonische [687] Aussprache des χ wieder, dann stellt sich Μάγας zu den vielen mit μάχη gebildeten Namen wie Μάχης, Μαχίδας, Μάχιος, Μάχων u. a. m.
• Μαχάτας (163), ein häufiger makedonischer Adelsname, zuerst im Perdikkasvertrage, als Appellativum im Homer (μαχητής) und bei Pindar μαχᾶτας).
• Μελαμνίδας (197), ein makedonischer Offizier Alexanders. Die lautlich einwandfreie Ableitung aus Μελαν–αμνίδας HPG 303 (zu ἀμνός ,Lamm‘) erscheint trotz Μελάν–ιππος und del. Ἄμνος sehr ansicher. Eher zu Μελε-, Μελι- ,sorgen‘.
• Μενέλαος (138), Bruder des Perdikkas.
• Μίσγων (150), Bürge des Perdikkasvertrages; vgl. att Μίσγων, styrä. Μίργων, Kurzform zu dor. Μισγό–λαος HPG 319.
• Νίκαια (221), Tochter des Antipatros, heiratet 323 den Perdikkas.
• Νίκανδρος (144), Bürge des Perdikkasvertrages.
• Νικάνωρ (176) ein beliebter Name beim makedonischen Adel.
• Νικόλαος (192. 211).
• Ὁλκίας (211), Führer von 3000 makedonischen Hopliten unter Antigonos im J. 320. Entweder Kurzform zu Namen auf -ολκος, z. B. Δάολκος (HPG 152) oder wie Ἔρπυς Hdt. IX 38 (ἐρπύζω ,einherschleichen‘). Benennung nach dem schleppenden schwerfälligen Gange.
• Ὀξυμένης (202), Vater eines Makedonen Αἴσυμνος (s. d.).
• Ὀρόντας (158), Vater des σωματοφύλαξ und späteren Reichsverwesers Perdikkas. Eine Bildung wie maked. Ἀμύν–τας, Ἀλκέ-τας, der Wortstamm mehrdeutig.
• Ὀφέλλας (199), Trierarch aus Pella, ein echter Makedone; Kurzform zu Ὀφέλ-ανδρος, Ὀφελλοκλείδας (HPG. 354).
• Παντάπονος (142), Bürge des Perdikkasvertrages, aus παντα- (z.B. Παντα-κλῆς, Παντά-ξενος, Παντά-γνωτος) und πόνος zusammengesetzt, auch als thessalischer Name bezeugt.
• Πάνταυχος (199), beliebter makedonischer Adelsname, zu αὐχή ,Stolz‘.
• Παντόρδανος (183), Oberst eines Reiterregiments, wahrscheinlich zu ὀρδέω ,lege ein Gewebe an‘, ὄρδημα· ἡ τολύπη τῶν ἐρίων, lat. ordior ,ein Gewebe anlegen, anzetteln, anfangen‘, ordo, ordin-is ,Reihe, Ordnung‘.
• Παρμενίων (182), Sohn des Philotas, Chef des Stabes.
• Παυσανίας (149. 163), Prinz des elimiotischen Fürstenhauses.
• Πεισαῖος (171), Vater des σωματοφύλαξ Ἀριστόνους, vgl. thess. Πείσσας, Kurzformen zu Πεισιγόρας, Πείσ-ανδρος u. a.
• Περδίκκας (131), Name dreier Könige aus dem Argeadenhause, wahrscheinlich nicht zu πέρδιξ ,Rebhuhn‘ (HPG. 585), sondern Kurzform zu Περι-δίκαιος (vgl. Εὐ-δίκαιος aus Amorgos IG XII 7 nr. 459) oder durch Verdoppelung des κ aus Περι-δίκας, vgl. kret. Θαρσυ-δίκας, nax. Δεινο-δίκης, att Φιλο-δίκης (HPG 135). Die Dialektform περ- für περι- z. B. in lakon. Πέρ-καλον Frau des Königs Damaratos Hdt VI 65, kret. Περ-γενίδας (HPG. 370).
• Περίλαος (212), Bruder des Königs Kassandros.
• Περοίδας (184), Oberst eines Reiterregiments, wahrscheinlich mit kephall. Ἐξ-οίδας, thess. [688] Πιτ-οίδας, Οἴδας (HPG. 344) zu οἰδάνομαι, οἰδέω in der übertragenen Bedeutung ,geschwollen, zornig, erregt sein‘, οἰδάνεται κραδίη χόλῳ Il. IX 646.
• Πευκόλαος (178), Truppenführer Alexanders, entweder zu homer. ἐν φρεσὶ πευκαλίμῃσι oder zu hom. πτόλεμος πευκεδανός Il. X 8, βέλος3 ἐχεπευκές Il. I 51. Vielleicht gehört auch der Name Πευκέστας (177), der mehrfach im Heere Alexanders vorkommt, hierher; doch kann er auch mit dem Volksnamen Χάων Πευκεστός in Epirus zusammenhängen.
• Πολυπέρχων (156), Führer der Τυμφαῖοι in Alexanders Heer, dialektische Form für Πολυσπέρχων-onigX&v, vgl. die Kurznamen Σπέρχις, Σπερχύλος, Σπέρχων (HPG 404), zu σπέρχω ,drängen‘, σπέρχομαι ,eilen‘.
• Πρεπέλαος (214), ein mit verschiedenen Missionen betrauter vornehmer Makedone unter Kassandros. In griechischen Namen ist Πρεπε- selten (HPG 384), häufiger sind Namen auf -πρέπης (vgl. Λεο-ορέοης) und -πρέπων.
• Πρωτέας (200), wiederholt Name vornehmer Ma-kedonen; ein Reitergeneral Alexanders heißt Πρωτόμαχος (200).
• Πτολεμαῖος (120, 173), einer der beliebtesten makedonischen Namen, in Griechenland besonders auf āolischem Boden (böot. Πτολεμαῖος König Thebens, Paus. IX 5, 6, thess. Τολεμαῖος aus Πτολεμαῖος), Kurzform zu den häufigen Namen auf -πτόλεμος.
• Πώταλος (229), ein vornehmer Makedone. Der Stamm Πωταλ- ist in Namen besonders in Thessalien und Boiotien belegt.
• Σάθων (186), Vater des Reiterobersten Sokrates unter Alexander. Die namentlich in dorischen Dialekten auftretenden Namen Σάθων, Σαθῖνος gehören zu σάθη penis (HPG. 482).
• Σᾶμος (229), Sohn des Trappenführers Chrysogonos unter Philipp im J. 218, wahrscheinlich ein Vollblutmakedone.
• Σέλευκος (174), Vater des σωματοφύλαξ Ptolemaios und wahrscheinlich Onkel des Σέλευκος Νικάτωρ, des Gründers des Seleukidenhauses. Der Name entspricht genau dem altlokrischen Namen Ζά - λευκος: wie Ζα- auf δια- zurückgeht (ζα–φλεγής, ζα–πυρος), so Σε- auf die nur für Thessalien bezeugte dialektische Nebenform διε: Ursprünglich ,sehr leuchtend, sehr hell‘.
• Σιμμίας (156), Vater des Polyperchon, mit μμ für μ wie in thess. Σίμμος, Σίμμιχος, Σιμμίους, böot. Σιμμίας (HGP. 491).
• Σταδμέας (144), ein Bürge des Perdikkasvertrages, nach makedonischer Aussprache für Σταθμέας, vgl. arkad. Σταθμίας (HPG 405), zu στάθμη in der Bedeutung ,Ordnung, Satzung, Regel‘, wie Θεσμο–γένης, Θεσμό-κλητος zu θεσμός.
• Στασάνωρ (201), ein ἑταῖρος Alexanders.
• Στρατονίκα (221), ein beliebter Frauenname im makedonischen Adel.
• Σωκράτης (186), Reiteroberst unter Alexander.
• Σώπολις (179), Vater des Pagen Hermolaos.
• Σῶσις (203), Vater eines Makedonen Ἀντίπατρος. Kurzform zu Namen mit Σωσι-.
• Σώστρατος (179), Sohn eines Amyntas, Page Alexanders.
• Τεύταμος (215), ein makedonischer Heerführer unter [689] Antigonos. In der thessalischea Heldensage treten die Namen Τευταμίδης, τευταμίας auf.
• Φίλιππος (121), zuerst im Stammbaum der Argeaden.
• Φιλώτας (180, 182 u. ö.), ein besonders beliebter Makedonenname, gebildet wie thess. Κλεούτας (aus Κλεώτας), vgl. HPG. 242.
• Φιλωτέρα (221), Schwester des Ptolemaios Philadelphos.
• Χάρος (215), ein junger vornehmer Makedone unter Alexander, Kurzform zu Χαρο-κλῆς, Χαρότιμος u. a.
Wie bei den Griechen, waren auch bei den Makedonen Namen aus der griechischen Heldensage beliebt: Ἕκτωρ (207), Μελέαγρος (146), Μενέλαος (138), Μενεσθεύς (184), Νεοπτόλεμος (202), Νέστωρ (211), Ὀρέστης (133), Πάτροκλος (228), Τληπόλεμος (201). Natürlich können das zum Teil auch bodenständige echtmakedonische Namen gewesen sein, was unbedingt für Ἀλέξανδρος (119) und Κάσσανδρος (208) zutrifft.
Verschwindend gering ist die Zahl der makedonischen Namen, für die mit Sicherheit nichtgriechischer Ursprung angenommen werden muß. Ob Δέρδας (159) wirklich mit Δάρδανος zusammenhängt (HPG 116), bleibt mehr als zweifelhaft; auch Δάδων (146), Μόλυκος (211) und Μόλων (228) lassen sich aus dem Griechischen ableiten. Ἀρύββας (176) heißt auch ein Molosserkönig, der Name war in Epirus heimisch und geht auf die Stadt Ἀρύββα zurück. Βυργῖνος Κράστωνος (141) ist ein Bürge des Perdikkasvertrages, vielleicht Prinz aus einem thrakischen Fürstengeschlechte. Auch ein zweiter Bürge, Διρβέ[ας], trägt einen Namen, für den man im Griechischen keine Aufklärung findet. Die Gattin Philipps, Αὐδάτα, war eine Illyrierin und deshalb wird auch der Name ihrer Tochter Κυννάνα oder Κύννα (219) illyrisch gewesen sein. Σίρρας (160ff.) war kein makedonischer König aus der Elimeia, sondern ein illyrischer Fürst, dessen Tochter den Amyntas heiratete. So bleibt außer den auch in Griechenland üblichen Namen Σειληνός (199), Μαρσύας (210), Σιβύρτιος (200) noch Σαβατταρᾶς (164) übrig.
Da es völlig ausgeschlossen ist, daß die Makedonen ihre ganze Namengebung im 6. und 5. Jhdt. den Griechen entlehnten, kann aus dem rein griechischen Charakter der makedonischen Namen nur der eine Schluß gezogen werden, daß die führende Oberschicht im makedonischen Staate Griechen waren. Und da die Lautfonn und die Bildung der makedonischen Namen ebenso wie der Volksname Μακεδόνες nach Thessalien hinüberweisen, so bestätigen sie das, was die makedonische Heldensage (Hoffmann Makedonen 123ff. 258) und die Überlieferung des Argeadenhauses uns erzählen und was mit dem geschichtlich klar erkennbaren Vordringen der Makedonen von Westen nach Osten (Ἔδεσσα: Αἰγαί, Βούνομος: Πέλλα) übereinstimmt: daß die Makedonen ein ursprünglich im nördlichen Thessalien wohnhafter, griechischer Volksstamm waren, der zusammen mit anderen Griechenstämmen (den Tymphaeern, Oresten, Elimioten) sich aus der engen Verbindung mit der Heimat löste und zwischen Bermion und Olymp hindurch in die Ebene zwischen Aigai und Pella hinaustrat, wo es ihm gelang, die illyrischen Stämme zu unterwerfen [690] und mit ihnen den makedonischen Staat zu gründen.
3. Von den Kultnamen der Makedonen lassen die Monatsnamen keinen Zweifel an ihrem griechischen Ursprung (O. Hoffmann Die Makedonen 101ff.). Vier von ihnen kehren genau in der gleichen Form in Griechenland wieder:
Ἀπελλαῖος, Ἀρτεμίσιος,
Δῖος, Πάναμος.
Zwei sind verkürzt aus volleren Formen, die auf griechischem Boden weit verbreitet waren:
Δαίσιος aus Θεο–δαίσιος,
Δώϊος aus Ὁμο–λώϊος.
Bei den nächsten vier führen Stamm und Bildung auf naheliegende Deutungen aus dem Griechischen:
Λύστρος, wahrscheinlich für Θύστρος, gleichen Stammes mit dem Namen des griechischen Dionysosfestes Θυῖα und den griechischen Monatsnamen Θύῖος, Διόσ-θυος. Der Bildung nach steht θύσ–θλα, der Name einer bacchantischen Dionysosfeier, am nächsten (Stamm θυσ- ,rasen, verzückt sein‘, davon auch θυσ–τάς ,Bacchantin‘).
Ξανδικός für Ξανθικός, benannt nach dem Fest Ξανθικά, einer Lustrationsfeier des makedonischen Heeres, die auch für Boiotien mit dem gleichen Ritus bezeugt ist. Die Ableitung von ξανθός ist kaum zweifelhaft, wenn auch die Beziehung zwischen dem Namen der Feier und der Bedeutung des Adjektivs unerklärt bleibt.
Περίτιος, nach dem Feste Περίτια benannt, das ,Umzug, Prozession‘ bedeutete, zu περι–ιέναι.
Ὑπερβερεταῖος, benannt nach einem Fest des Ζεὺς ὑπερβερέτᾱς, dessen Name (von ὑπερφέρω ,überragen‘) gleichbedeutend mit den Zeus-Beinamen ὕπατος, ὑπέρτατος, ὑπερμενής und wie νεφελ-ηγερέτα, ὑψι–βρεμέτης u. a. gebildet ist.
So bleiben nur zwei übrig, die sich nicht mit bekannten griechischen Wortstämmen verknüpfen lassen; doch spricht auch bei ihnen nichts gegen griechische Abstammung.
Αὐδναῖος.
Γορπιαῖος, schwerlich mit Δορπία oder καρ–πός verwandt.
Unter den Gottheiten der Makedonen (Otto Hoffmann Die Makedonen 62ff.) nimmt Ζεύς die erste Stelle ein. Nach seinem Feste Δῖα (vgl. att. Διάσια, Πάν–δια) ist der makedonische Monat Δῖος benannt, in Aigai wurden Ὀλύμπια gefeiert. Zwei seiner makedonischen Beinamen sind uns erhalten, beide mit echt makedonischem Charakter: Ὑπερβερέτας für ὑπερφερέτας, aus dem makedonischen Monatsnamen Ὑπερβερεταῖος zu erschließen, und Ἑταιρεῖος als Schirmherr des makedonischen Adels, der ἑταῖροι, dazu das Fest Ἑταιρίδια.
Der Ares Θαῦλος (94) klingt an das dorische Fest Θαυλία und das attische Geschlecht der Θαυλωνίδαι an.
Der Name des Dionysos Ψευδάνωρ (94) führt, wenn er richtig überliefert ist, auf irgend einen Mythos oder Kultbrauch zurück.
Von den Sondergöttern und Dämonen ist der Erinyenname Ἀραντίδες (95ff.) nicht zu trennen von ἀρά ,Fluch‘, das von griechischen Dichtern personifiziert und als gleichbedeutend mit Ἐρινύς gebraucht wird.
Für Δάρρων (95), eine Gottheit, von der der [691] Kranke Genesung erflehte, liegt die Ableitung von θάρσος, θαρσέω ,Mut fassen‘ nahe.
Endlich lassen sich die Θούριδες· νύμφαι, μοῦσαι (97) mit den als Dienerinnen des Dionysos und Apollo bezeugten griechischen Θεωρίδες in Verbindung bringen (ου aus ω auch in anderen makedonischen Wörtern).
Diesen griechischen Götter- und Dämonennamen der Makedonen stehen einige gegenüber, die ihren Ursprung im thrakisch-phrygischen Kult haben.
Daß in Makedonien der thrakisch-phrygische Vegetationsgott Σαυάζιος, Σαβάδιος verehrt wurde, folgt aus dem makedonischen Silenennamen Σαυᾶδαι (6). Zu seinem Gefolge gehörten auch die weiblichen Κλώδωνες und Μιμαλλόνες (98), deren Namen ungriechisch sind.
Βέδυ (wohl als Wedu zu sprechen) wurde von den makedonischen Priestern in ihren Gebeten angerufen (98), als ἀήρ gedeutet. Vielleicht von dem indogermanischen Stamme wē- ,wehen‘.
Die Aphrodite Ζειρήνη (93) hängt mit dem thrakischen Ort Ζειρηνία zusammen, wie der makedonische Ἡρακλῆς Ἐδεσσαῖος mit der Stadt Ἔδεσσα, die makedonische Ἄρτεμις Γαζωρία mit der makedonischen Stadt Γάζωρος.
So stimmen die Kultnamen mit den Personennamen darin überein, daß sie im ganzen griechische Züge tragen. Ein leichter Einschlag des thrakisch-phrygischen Kultes, der ja auch in Griechenland selbst deutlich spürbar ist, nimmt nicht wunder.
4. In dem als makedonisch überlieferten Wortschatz lassen sich drei Elemente unterscheiden. Das erste sind deutlich griechische oder aus dem Griechischen leicht abzuleitende Wörter, die zum Teil eine ausgesprochene Dialektform zeigen. Das zweite sind ebenfalls alte echtgriechische Wörter, deren Lautgestalt und Form aber den bekannten Gesetzen der griechischen Sprache widerspricht. Das dritte endlich sind Wörter, die sich ihrem Stamm und ihrer Form nach aus dem Griechischen nicht erklären lassen. Die folgende Auswahl aus allen drei Klassen beschränkt sich auf das unbedingt beweiskräftige Material (die in Klammern beigefügten Zahlen beziehen sich auf O. Hoffmann Die Maked.).
a) Griechische Wörter, zum Teil in einer aus dem Griechischen verständlichen Dialektform.
• ἄγημα (85), die Garde des Königs, nur aus ἑταῖροι bestehend. Eigentlich die ,führende‘ Spitze des Heeres mit dem Könige. In dieser ursprünglichen Bedeutung gebrauchten die Lakonen das Wort.
• ἀγκαλίς ,Sichel‘ (66) zu ἀγκύλος ,gekrümmt, gebogen‘, ἀγκάλη) (auch ἀγκαλίς) ,Ellenbogen, Arm‘.
• ἄγχαρμον ,die senkrechte Haltung der Lanze‘ (88) ist aus dem militärischen Kommando ἄνα χάρμᾱν ,hoch die Lanzenspitze!‘ hervorgegangen. Das Substantivum χάρμᾱ ,Lanzenspitze‘ ist aus der dorischen Chorlyrik bekannt, bei Pindar in χαλκοχάρμας, σιδαροχάρμας. Das steile Aufrichten der Lanze war bei den Makedonen ein ,Griff beim Exerzieren und zugleich ein Signal in der Schlacht.
• ἀγκουνοί ,Grenzsteine‘ (74), wahrscheinlich die ,Spitzen‘, zu ἀκρός, Suffix -ωνο-.
• ἀμαλός ,zart, jung‘ (52), sonst nur in der episch-dichterischen Sprache fortlebend.
• ἀορτή ,Mantelsack, Rucksack für Kleider‘ (90), vielleicht ein Nominativ ohne -ρ (s. ἀδῆ unter b), dann genau dem homerischen ἀορτήρ , Wehrgehänge‘ (eigentlich ,der Aufhänger‘ zu ἀείρω) entsprechend.
• ἀργίπους ,Adler‘ (45), volksetymologisch (mit Anlehnung an πούς) für ἄργιπος = altind. rjipyas Beiwort des ,Falken‘, altiran. erezifya ,Falke‘. Das Wort kann echtgriechisch sein; denn sein erster Teil steckt auch in dem homerischen ἀργί–ποδες κύνες ,streckfüßige Hunde‘, κύνες πόδας ἀργοί Il. XVII 578, zu ὀρέγω ,recken, ausstrecken‘.
• ἄσπιλος ,Gießbach, Bergstrom‘ (39), nach griechischem Lautgesetz aus ἄπ-σπιλος und dieses aus ἀπό-σπιλος ,vom Bergfelsen kommend‘, vgl. ῥεῖθρον ἀπὸ σπιλάδων Ps.-Theokr. XVII 5, ferner ἀπό–γειος ,vom Lande her wehend‘, ἀπο-γεία ,Landwind (ἀπὸ γῆς). Für σπιλάς ist eine Nebenform σπίλος bezeugt.
• γυάλας ,Pokal‘ (71) zu γύαλος ,gewölbt‘.
• δαίτᾱς, erklärt durch μεγιστής (80), kann entweder der ,Schiedsrichter‘ oder der ,Vorschneider‘ der Hoftafel gewesen sein. Im Griechischen ist das Wort in beiden Bedeutungen aus zwei Zusammensetzungen bekannt: Ἰσο–δαίτης als Name verschiedener Gottheiten (Διόνυσος, Πλούτων) kann nur ,gleich, gerecht verteilend‘ bedeutet haben, wie δατητής, dagegen geht das lakonische κρέω-δαίτας auf das Zerlegen des Fleisches beim Mahle.
[692]
• διμάχαι (83), eine schwere Reiterei, die in der Schlacht auch absitzen und als Fußtruppe verwendet werden konnte, angeblich von Alexander geschaffen. Gebildet wie att. ὁπλο–μάχης, μονο-μάχης.
• ἐπιδειπνίδες ,Nachtisch‘ (70) zu δεῖπνον ,Mahlzeit‘.
• ἑταῖροι ,Ritter‘ (115), der berittene makedonische Adel. Eine Entlehnung des Wortes aus dem Epos ist ausgeschlossen, Homer kennt gar keine Reiterei. Der Name πεζ–έταιροι ist erst zu ἑταῖροι neu gebildet, um die vollbürtigen Makedonen griechischen Blutes in der φάλαγξ von den übrigen Fußtruppen zu unterscheiden.
• ζέρεθρον (88) für homer. βέρεθρον, att. βάραθρον (beides aus gvere-) wird von Eustathius als makedonische, von Strabon als arkadische Form (vgl. arkad. ζέλλω für βάλλω) angeführt.
• ἰνδέα ,Mittag‘ (64), zu ἔν-διος ,mittäglich‘, ἔν-διον (ἦμαρ) und ἐν-δία (ἡμέρα) ,Mittag‘. Die Dialektform ἰν für ἐν ist aus Arkadien, Kypros und Kreta belegt.
• καρπαία, ein makedonischer Tanz (90ff.), besser eine Pantomime, die auch Änianen und Magneten aufführten und deren Inhalt eine βοηλασία (Λ 672) war. Nicht zu καρπός, sondern zu καρπάλιμος.
• κομμάραι ,Krebse‘ (48), makedonische Dialektform für das dorische κάμμαροι.
• κόραννος ,Fürst, Herrscher‘, aus dem mythischen makedonischen Königsname: Κόραννος (125) als dialektische Nebenform des ebenfalls makedonischen Κάρᾱνος (Grundform karasnos) zu erschließen.
• κοριναῖος ,uneheliches Kind, Jungfernsohn‘ (63), von κορίνα ,Jungfrau‘, einer Erweiterung von κόρα. Vielleicht ist das auch als makedonisch [693] überlieferte κύρνος ,uneheliches Kind‘ eine zur Gruppe b gehörende Nebenform.
• νικάτωρ ,Sieger‘ (86), ein Ehrentitel im makedonischen Heere, att. νικητήρ. Zum Andenken an seinen Sieg bei Gaugamela nannte Alexander ein benachbartes Gebirge νικᾱτόριον ὄρος. Nomina agentis auf -τωρ waren gerade bei den Makedonen beliebt.
• πελιός ,Greis‘ (152), eigentlich ,der Graue‘, für Makedonen, Thesproter und Molosser bezeugt.
• ῥάματα ,Trauben‘ (40) aus ῥάγ–ματα zu ῥάξ, ῥᾱγ-ός ,Beere, Weintraube (αἱ τῶν βοτρύων ῥᾶγες)‘.
• σαυτορία ,Rettung‘ (11), aus σαωτορία, von σαώτωρ, σαώτορ-ος, makedonische Form auf -τωρ (s. o. νικάτωρ) für att. σωτήρ aus σαωτήρ.
• σκοῖδος ,der mit der Führung der Bagage und des Proviants betraute Offizier‘ (83), gleichbedeutend mit σκευωρός und σκευοφύλαξ. Als erstes Glied einer Zusammensetzung kann σκο- aus σκεο- (vgl. νοσσός aus νεοσσός, ὁρτή aus ἑορτή) und dieses aus σκευο- (vgl. griech. σκεοθήκη), σκεοφύλαξ, σκεάζω, vom 3. Jhdt. v. Chr. an belegt) entstanden sein. Für den zweiten Wortteil sind mehrere Deutungen möglich.
• ταγοναγά· Μακεδονική τις ἀρχή (77). In dieser wahrscheinlich verderbten Hesychglosse steckt das homerische Wort τᾱγός ,Anführer‘, das in Thessalien Amtsname wurde. Im 5. Jhdt. heißt der thessalische Bundeshauptmann ταγὸς τῶν Θετταλῶν, und ταγοί sind die ersten Beamten der thessalischen Städte, nach denen die städtischen Urkunden datiert werden. Vielleicht ταγῶν ἀγά (zu ἄγω, wie ἀρχά zu ἄρχω) ,die Regierung der ταγοί‘, vgl. πολιτείαν ἄγειν, πόλιν ἄγειν.
• τελεσιάς, ein makedonischer Waffentanz (91), zu τελεσι- ,vollendend‘, vielleicht Abschluß einer Feder.
• χάρων ,Löwe‘ (43), bei Lykophron 455 Beiwort des Löwen, wahrscheinlich gekürzt aus χαροπός, dem homerischen Beiwort des Löwen.
b) Griechische Wörter mit fremdartiger Lautgestalt und Form. Hierher gehören zunächst diejenigen makedonischen Wörter, in denen – wie auch in mehreren makedonischen Personennamen – die übliche griechische Aspirata durch eine Media (θ durch δ, φ durch β) vertreten ist. Als griechischer Lautwandel ist diese Veränderung der Aspiratä, die ja von den Griechen als aspirierte Tenues gesprochen wurden (θ als th, φ als ph), schwer zu verstehen. Dagegen können Illyrier und Thraker, deren Sprache überhaupt keine Aspiratä besaß, in griechischen Wörtern die Aspirata durch eine Media ersetzt haben.
• ἀδῆ ,Himmel‘, ἀδραία ,heiterer Himmel‘(37). Aus αἰθήρ, αἰθραία (abgeleitet von αἴθρα, wie αἴθριος, αἰθρία von αἰθήρ). Auch die im Griechischen unbekannte Nominativform ohne -ρ, die dem Altindischen (pitá: πατήρ) und den baltisch–slawischen Sprachen (lit. mōtē, altslaw. mᾱtī: μήτηρ) eigen ist, weist darauf hin, daß αἰθήρ von der nichtgriechischen Bevölkerung Makedoniens ganz in ihre Sprache umgegossen wurde (252). Vielleicht sind auch ἀορτή (s. o. unter a) ,Mantelsack‘ und ἀλίη (s. u. unter c) ,Eber‘ Nominative ohne -ρ.
• δάνος ,Tod‘, δανέω ,töten‘ (75ff.), für θάνος, θανέω, zu θάν–ατος, θαν-εῖν.
[694]
• ἐδέατρος ,Vorsteher des Hofdienstes, besonders bei der königlichen Tafel, Hofmarschall, Truchseß‘ (78). Wahrscheinlich aus ἐπι-θέα-τρος ,Aufseher‘ von ἐπι–θεάομαι ,überschauen, besichtigen, beaufsichtigen‘, vgl. ἐφ-οράω, ἔφ-ορος, ἐπί–ουρος, ἐπί-σκοπος und das Simplex θεάομαι in der Bedeutung ,mustern‘. Die Verkürzung der Präposition ἐπί zu ἐπ ist aus dem thessalischen Dialekte bekannt: ἐτ τᾶ = ἐπὶ τᾶι (Otto Hoffmann Gr. Dial. II 388). Danach ἐ-δέατρος für ἐδ-δέατρος aus ἐπ-δέατρος.
• δώραξ· σπλήν (75). Da das erklärende σπλήν in der Sprache der Ärzte einen festen Verband bei Wunden und Brüchen bezeichnete, so kann δώραξ die makedonische Form für θώραξ sein. So benannten die griechischen Ärzte eine um Brust und Rücken laufende Binde (ἐπίδεσμον), vgl. θώραξ· ἐρεᾶ στέμματα Hesych.
• Κεβαλά ,Kopf‘ (50) aus κεφαλά, dazu die Makedonennamen Κέβαλος, Κεβαλῖνος.
• ἀβροῦτες ,die Augenbrauen‘ (51) für ὀφρύες. Das ⏉ verderbt aus F, also abrūves. Da dem Wort nur im Griechischen ein Vokal vorgeschlagen ist (altind. bhrū ,Braue‘, lit. bruvis, altslaw. brǔvǐ), so kann abrū- nur die makedonische Aussprache für ὀφρῦ- gewesen sein.
Verschiedene ohne Ethnikon überlieferte Glossen des Hesych mit β, δ für φ, θ dürfen mit Wahrscheinlichkeit den Makedonen zugewiesen werden, so νίβα· χιόνα (37) für νίφα Hesiod Erga 535, ῥουβοτός· ῥόφημα zu ῥυφέω, ἀδαλός· ἄσβολος für αἴθαλος (s. o. ἀδῆ = αἰθήρ).
Von einzelnen Wörtern seien noch genannt:
• ἀκραία ,Mädchen, Jungfrau‘ (62). Vielleicht mit dem echt makedonischen Suffix -αία abgeleitet von κόρα ,Mädchen‘, also für ἀ–κοραία, vgl. θύγατρες . . . τέσσαρες, ὥστε θεαί, κουρήϊον ἄνθος ἔχουσαι Demeterhymnus 108.
• ἀκρόν ,Muße‘ (64), wahrscheinlich für ἀγρόν aus ἀ-εργόν.
• κυνουπεύς ,Bär‘ (43), aus κνωπεύς zu κνώψ ,wildes Tier‘, Κνῶπος alter Name.
• κύρνος ,unehelicher Sohn‘ (63), vielleicht gleichen Stammes mit dem ebenfalls als makedonisch bezeugten gleichbedeutenden κοριναῖος (s. o. unter a).
c) Nichtgriechische Wörter, d. h. solche, für die vorläufig eine überzeugende Ableitung aus dem Griechischen nicht gegeben werden kann.
• ἄβαγνα ,Rosen‘ (41).
• ἄβαρυ ,Majoran‘ (40).
• ἀβλόν ,spende‘ (99).
• ἄδδα ,Deichsel‘ (66).
• ἄδισκος ,Mischtrank‘ (72).
• ἄλιζα ,Silberpappel‘ (42).
• ἀλίη ,Eber‘ (48). Vielleicht ein Nominativ ohne -ρ, s. o. ἀδῆ unter b).
• ἄξος ,Wald‘ (38).
• ἄργελλα ,Badestube‘ (59ff.).
• βαβρήν ,Bodensatz des Öls (73).
• βατάρα ,Waizenbrot‘ (72).
• βέδυ ,Luft‘ s. o. Kultnamen.
• βίρροξ· δασύ ,dichtbehaart‘ (52), daneben ohne Ethnikon bei Hesych βερρόν· δασύ. Das auffallende Suffix -οξ auch in dem nichtgriechischen Worte βέβροξ ,gut‘ (Hesych) neben βέβρος Hipponax 64.
• γάρκαν Akk. ,Zweig‘ (67).
[695]
• γόδα ,Gedärme‘ (49), zu altind. gudám ,Darm‘, mhd. kutel ,Eingeweide‘.
• γοτάν Akk. ,Schwein‘ (44).
• γώπας Akk. Pl. ,Dohlen‘ (47), vielleicht Dialektform für σκῶπας von σκώψ ,Eule, Kauz, Dohle‘.
• δάρυλλος ,Eiche‘ (41), mit δρῦς verwandt, aber schwerlich als griechische Bildung anzusehen.
• δράμις ,Brot‘ (72), von den Athamanen δράμιξ genannt, kann mit thess. δάρατος ,Brot‘ verwandt sein.
• ἐστερικαί ,Tischhunde, τραπεζῆες‘ (45).
• ἰζέλα· ἀγαθῇ τύχῃ (65) enthält wahrscheinlich die durch maked. ἰνδέα = ἐνδία verbürgte Präposition ἰν- für ἐν-.
• κάραβος ,Tür‘ (58).
• καυσία ,Hut‘ (55).
• κοῖος ,Zahl‘ (74).
• λακεδάμα ,Salzbrühe‘ (73), als Wort der Bauernsprache bezeugt. -άμα könnte durch Dissimilation aus -άλμα entstanden sein, vgl. att. σκοροδ–άλμη.
• ματτύη ,Appetitbissen‘ (70).
• παραός ,Adler‘ (47).
• σάρīσα ,Lanze‘ (87).
• σίγυννος, σιγύνη ,Jagdspeer‘ (68), als makedonisches und kyprisches Wort bezeugt, bei den Illyriern σιβύνη, schwerlich griechischen Ursprungs.
Die erste Gruppe der makedonischen Wörter läßt keinen Zweifel daran, daß die griechische Oberschicht im makedonischen Staate an ihrem griechischen Heimatdialekt festhielt. Noch im 2. Jhdt. waren nach Polyb. XXVIII 8, 9 vornehme Makedonen der illyrischen Sprache gar nicht mächtig.
Die zweite Gruppe zeigt, wie einzelne griechische Wörter im Munde der illyrisch-thrakischen Volksschicht Makedoniens durch Anpassung an deren Sprache verändert worden sind. Ob sie nun in dieser Form nur von dem illyrisch-thrakischen Volksteile gebraucht wurden oder auch in die Sprache der makedonischen Oberschicht übergingen, bleibt natürlich eine offene Frage. Aus Makedonennamen wie Βάλακρος, Βερενίκα, Βοραῖος, Κέβαλος, Κεβαλῖνος (neben Φίλιππος, Φιλώτας, Φιλωτέρα, Ἀφθόνητος) darf man schließen, daß in dem einen oder anderen Falle die illyrische oder thrakische Aussprache eines griechischen Wortes oder Namens auch im Munde der griechischen Makedonen üblich wurde – eine Erscheinung, die man auch sonst schon für das Griechische, wo es sich über fremdes Volkstum lagerte, angenommen hat (z. B. ion. μήτηρ für μάτηρ mit karischer Aussprache des ᾱ als ä, Kretschmer Glotta I 31ff.).
Die dritte Gruppe endlich bestätigt das, was von vornherein zu erwarten war: vieles illyrische und thrakische Sprachgut, namentlich Wörter für bodenständige Dinge (z. B. Pflanzen, Tiere), behaupteten sich nicht nur in der Sprache der älteren eingesessenen Volksschicht, sondern wurden auch von den einwandernden Makedonen übernommen.
5. Der makedonische Namen- und Wortschatz gibt uns natürlich kein abgerundetes Bild des thessalischen Heimatdialektes der griechischen Μακεδόνες. Doch treten einzelne seiner Züge scharf hervor.
[696] Im Vokalismus. Das gemeingriechische ᾱ haben die Makedonen wie alle griechischen Stämme, außer den Ionern erhalten: ἄγημα, νικάτωρ, τᾱγός, Ἄδιμος, Ἀρχέλαος, Λᾶγος, Νικάνωρ usw.
Drei Erscheinungen führen nach Thessalien herüber. Für die Präposition διά ist bisher nur aus Thessalien die Form διέ (Hoffmann Gr. Dial. II 321) belegt. Diese enthält auch der makedonische Name Σέ–λευκος, der dem lokri-schen Ζά–λευκος entspricht: wie διά über δία- zu ζα-, so διέ über δίε- zu σε- (weiches s-).
Der thessalische Wandel von ω in ου (Hoffmann Gr. Dial. II 368) war auch makedonisch: ἀκρουνοί aus ἀκρωνοί (74), σαυτορία (saūtoria) aus σαωτορία (11), κυνουπεύς aus κνωπεύς (43), Θούριδες für Θεωρίδες (97).
Die auch aus anderen griechischen Dialekten bekannte Verkürzung der zweisilbigen Präpositionen ist besonders stark gerade bei Thessalern (Hoffmann Gr. Dial. II 521) und Makedonen entwickelt:
• ἀνά zu ἀν- in ἄγχαρμον (88).
• ἀπό zu ἀπ- in ἄ–σπιλος aus ἀπ(ό-)σπιλος (39), vgl. thess. ἀπ-πεῖσαι = ἀπο-τεῖσαι, ἀτ τᾶς aus ἀπὸ τᾶς.
• ἐπί zu ἐπ- in ἐ-δέατος für ἐπι-θέατρος (77), vgl. thess. ἐτ τᾶ aus ἐπὶ τᾶι.
• παρά zu παρ- in Παρ-μένιον.
• περί zu περ- in Περ–δίκκας, vgl. thess. περ γᾶς = περὶ γῆς.
An den äolischen Dialekt klingen κομμάραι für καμμάραι (48), κόραννος neben κάρανος (125) an. Den äolischen Übergang von -ριο- in -ερρο-(äol. μέτερρος aus μέτριος, Ἀγερράνιος aus Ἀγριάνιος Hoffmann Gr. Dial. II 320) könnte man auch in dem makedonischen Namen Ἄγερρος (138) suchen und ihn dann nicht mit ἀγέρ-ωχος verbinden, sondern dem ätolischen Namen Ἄγριος (schon homerisch) gleichsetzen.
Mit dem Arkadisch-Kyprischen teilt das Makedonische die Form ἰν für ἐν: ἰνδέα aus ἐνδία (64).
Im Konsonantismus. Die Gemination einfacher Konsonanten, namentlich der Nasale und Liquida, griff gerade im Thessalischen und Äolischen weit über die Kurznamen hinaus. Unter den von Hoffmann G. D. II 479 aufgeführten thessalisch-äolischen Belegen für -μμ-, -νν–, -λλ-, –ρρ- befinden sich viele, in denen diese Geminatā nicht durch Assimilation, sondern lediglich durch Verlängerung des einfachen Lautes (d. h. seine Verteilung über zwei Silben) entstanden sind. Der gleichen Erscheinung begegnen wir im Makedonischen:
Κερδίμμας, Σιμμίας, - Κρατέννας, Λεόννατος, -Ἰόλλας, Κάλλας, Ὀφέλλας, - Ἀγέρρος (wenn zu ἂγέρ–ωνος), Ἀρραβαῖος, - Περδίκκας.
Die Angleichung des -ρς- zu -ρρ- (Ἀρριδαῖος aus Ἀρσιδαῖος, Κορρα- aus Κορσα-, S. 249) vollziehen verschiedene Dialekte.
In der Flexion. Der Stadtname Φίλιπποι (250) war der Genitiv Sing. auf -οι von Φίλιππος, also Φιλίπποι πόλις, wie Πριάμοιο πόλις. Die gleiche Fortlassung von πόλις zeigen die durch Stephanus von Byzanz und Ptolemaios bezeugten ägyptischen Stadtnamen Χαιρέου, Μενελάου, Νικίου, Ἀργέου. Der Genitiv auf -οι, entstanden aus der volleren epischen Form auf -οιο, [697] ist nur dem thessalischen Dialekte eigen. Daneben steht auf den makedonischen Münzen des 5. Jhdts. der Genitiv auf -ō: Ἀλεξάνδρō, Ἀρχελάō.
Von den Stämmen auf -ᾱ überliefern Münzen und Historiker zahlreiche Genitive auf -ᾱ: Ἀμύντᾱ, Περδίκκᾱ, Κρατεύᾱ, Μαχάτᾱ u. a. m.
In der Stammbildung. Die Stelle des Genitivs des Vaternamens vertrat im thessalischen wie im lesbischen und böotischen Dialekte gern das patronymische Adjektiv auf -ιος (Hoffmann Gr. Dial. II 588), z. B. Θεόδοτος Εὐδάμειος, Αὐτόβουλος Παυσανίαιος. Dieselbe Sitte muß bei den Makedonen bestanden haben. Denn aus ihr erklären sich die Namen der makedonischen Stadtgründungen Ἀλεξάνδρεια, Ἀντιόχεια, ΛΑοδίκεια, Σελεύκεια usw.
Beliebt waren im Makedonischen die Nomina agentis auf -τωρ (νικάτωρ, σαύτωρ) und die Kurznamen auf -αῖος und -έας.
[Otto Hoffmann.]
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III. Kapitel
Makedonia
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aus: RE:Makedonia
Seite: 697–771
von: Fritz Geyer (Historiker)
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VII. Geschichte.
1. Vorgeschichte. Aus denselben Gründen, die einer gründlichen Erforschung des tektonischen Aufbaus M.s im 19. Jhdt. hinderlich waren, ist auch die Durchforschung des makedonischen Bodens nicht recht vorwärts gekommen. Nur die Tumuli waren ihrem Inhalt nach näher bekannt, Ebert Lex. d. Vorgesch. unter Mazedon. Tumuli. Erst der Weltkrieg hat den französischen und englischen Forschern die Möglichkeit gegeben, größere Ausgrabungen in Angriff zu nehmen, und sie haben diese Möglichkeit nach Kräften ausgenutzt. St. Casson, der selbst als Mitglied der Britischen Schule in Athen schon vor dem Kriege in M. geweilt hatte und nun seine ganze Kraft der Aufhellung der Vorgeschichte widmen konnte, hat die Ergebnisse in seinem oben (vor II) angeführten Buche zusammengefaßt, nachdem schon die Annuals of Brit. School at Athens XXIII und XXIV (1918–1921) wertvolle Mitteilungen gebracht hatten. Da hier nur eine kurze Übersicht gegeben werden kann, muß für alles weitere auf dieses Werk verwiesen werden.
In seinen Schlußbetrachtungen (S. 154ff.) stellt Casson fest, daß die in den nordöstlichen Gebieten der Balkanhalbinsel gefundenen Stücke enge Beziehungen zu der neolithischen Kultur von Rumänien, Galizien und den Gebieten nördlich der Donau haben, dagegen den Funden aus M. und Griechenland mit Ausnahme von Thessalien fremd gegenüberstehen. Serbien und M. bilden einen Keil mit der Wardarmündung als Spitze und dem Strymon (Struma) als östlicher Grenze. Östlich vom Strymon beginnt der Moldautypus. Durch den serbisch-makedonischen Keil wird die Moldau-Thessalien Kultur und der Rest in zwei Hälften zerschnitten. M. stellt so in der neolithischen Zeit eine nordwestliche Einbruchszone dar, die in der letzten neolithischen Periode beginnt; die Beziehungen zwischen M. und Troia sind noch als ein unerklärbares Problem zu bezeichnen.
In der Bronzezeit finden wir in M. ein abgeschlossenes Bronzezeitalter, dessen volle Übereinstimmung mit Nordserbien mangels Ausgrabungen in dem dazwischen liegenden Gebiete nicht erwiesen werden kann. Nach Casson scheint in den makedonischen Funden der Einfluß einer Terremare-Kultur des Donautypus zu überwiegen, so daß die Donau als die Quelle dreier voneinander [698] unabhängiger Wellen nach dem Süden, nämlich nach Italien, Bosnien und M., erscheine. Diesem Bronzezeitalter ging eine alte bronzezeitliche oder chalkolithische Kultur voraus, welche mit dem Norden keine Verbindung hatte; jedoch läßt sich nicht sagen, ob diese Kultur ganz M. umfaßte.
Die Eisenzeitkultur herrschte vor allem im Wardartal und erstreckte sich ostwärts längs der Küste nur in geringer Ausdehnung. Das Gebiet östlich vom Strymon scheint von der frühen Bronzezeit bis zu den historischen Zeiten größtenteils verlassen gewesen zu sein.
Da in der Bronzezeit einmal M. mit Ungarn und dem Nordwesten und ebenso Troia (2. Stadt) mit Ungarn in enger Verbindung stehen, so sind große Völkerverschiebungen zwischen 2000 und 1200 von Zentraleuropa und dem Donaubecken nach Süden und Südosten sehr wahrscheinlich; Thrakien und Bulgarien waren abgeschnitten. Es handelt sich hier um die phrygische Völkerwanderung, deren Weg für die Hauptmasse an der Küste entlang nach Kleinasien führte. In M. und Troia ging die neolithische Kultur allmählich in die Bronzezeit über. Dagegen war der Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit ein jäher Kulturwechsel. Nach Troia und dem Wardartal haben sich im 11. Jhdt. Volksmassen vom Norden her ihren Weg gebahnt und die Bronzekultur vernichtet. Ihr Aufenthalt in M. kann nur kurz gewesen sein, denn mit großer Schnelligkeit erschienen sie auch im eigentlichen Griechenland. Nach Casson 157 wird so die Tatsache der dorischen Wanderung durch die archäologische Forschung erwiesen.
2. Älteste Zeit bis auf Amyntas I. Die Eisenzeit führte die dorischen Stämme in die Gebirgslandschaften Nordgriechenlands. Damals sind jedenfalls auch die Makedonen mit den ihnen nahe verwandten epeirotischen und thessalischen Stämmen in das Tal des Haliakmon vorgedrungen und haben sich dort festgesetzt. Ohne mich auf eine eingehende Behandlung der Stammessagen, die in ihrer ältesten Gestalt bei Herodot (VIII 137. 138) vorliegen und unter Archelaos I. um 400 eine Weiter- und Umbildung erfuhren, einzulassen (vgl. vor allem Abel 92ff. v. Gutschmid Symb. philol. Bonn. 118ff. = Kl. Schr. IV 54ff. O. Hoffmann Die Makedonen 122ff. 256ff.), möchte ich ihnen doch so viel entnehmen, daß in der Orestis und Elimeia, den Landschaften im Tal des Haliakmon, die ältesten Wohnsitze des makedonischen Volkes zu suchen sind (vgl. K. O. Müller 13ff). Denn dafür spricht auch die Wahrscheinlichkeit sowie das, was wir von der ältesten Geschichte der Makedonen wissen.
Zum Ausgangspunkt müssen wir Thuk. II 99 nehmen: hier wird bezeugt, daß noch zur Zeit des peloponnesischen Krieges mehrere makedonische Staaten bestanden, von denen Nieder-M. lediglich eine Art Oberhoheit beanspruchen konnte. Und dieses Land: τὴν δὲ παρὰ θάλασσαν νῦν Μακεδονίαν hatten nach Thukydides die Temeniden erobert. Das eigentliche M. war also eine Eroberung der Gebirgsstämme, die westlich der Küstenebene wohnten. Da Eordaia von Thukydides mit unter den eroberten Gebieten genannt wird, müssen ihre Wohnsitze weiter im Westen [699] und Süden, also in Orestis und Elimeia im engen Anschluß an Epeiros und Nordthessalien gelegen haben. Dagegen scheidet meines Erachtens die Bemerkung Appians Syr. 63: Ἄργος τὸ ἐν Ὀρεστειᾳ, ὅθεν οἱ Ἀργεάδαι Μακεδόνες für die Bestimmung der Ursitze aus. Abel hatte schon, bevor er diese Appianstelle fand, das Argos, aus dem die Reichsgründer ausgezogen sein sollten, in Orestis gesucht und in der Notiz Appians eine Bestätigung seiner Annahme gefunden (S. 95, 1). Einmal ist aber der Geschlechtsname Argeaden sicher nicht von Argos abzuleiten (vgl Hoffmann 121ff.), und zweitens hat Alexandros I. bei dem Antrage auf Zulassung zu den Olympien betont, daß er aus Argos stamme, Ἀργεῖος sei, Herod. V 22. Damit kann nur das peloponnesische Argos gemeint sein, was durch die Anknüpfung des Königsgeschlechts an die argivischen Temeniden bewiesen wird (Thuk. II 99,3). Diese Anknüpfung ist ohne Zweifel auf Alexandros I. zurückzuführen, wobei die Gründe, die ihn gerade auf das argivische Heroengeschlecht geführt haben, für uns nicht erkennbar sind. Vielleicht führte ihn auf Argos der Name der Hauptstadt der alten Landschaft Orestis, an deren Existenz wohl nicht zu zweifeln ist (s. o. II E), oder der Name seines Geschlechtes. Der nächste Schritt muß die Eroberung von Eordaia gewesen sein, zu dem vom Tal des Haliakmon ein bequemer Paß führt, wenn auch bei Thuk. a. O. Eordaia erst am Schluß erwähnt wird. Dafür spricht nicht nur die Lage, sondern auch die Tatsache, daß Lynkos (Lynkestis), von Thuk. a. O. und Strab. VII 326 als obermakedonische Landschaft bezeichnet, bei den schlechten Verbindungen zwischen dem oberen Haliakmontal und der Ebene von Monastir nur von Eordaia aus erobert werden konnte. Auch lag die alte Königsstadt Aigai (Edessa) am Ausgang der Senke von Telovo, die Eordaia mit Nieder-M. verbindet und im Altertum von der Via Egnatia, heute von der Eisenbahn benutzt wird. Von Eordaia aus sind dann die Lynkesten, als makedonischer Stamm von Thuk. a. O. und IV 83 bezeugt, in die Ebene von Monastir eingebrochen, die von den Pelagonen bewohnt wurde, und haben diese in die Gegend von Prilep zurückgedrängt.
Von ihrer Königsburg Aigai aus, die auch nach Verlegung der Residenz nach Pella der geheiligte Mittelpunkt des Reiches und die Ruhestätte der Herrscher blieb (vgl. z. B. Diod. XVI 92, 1. XIX 52, 5. Plut. Pyrrh. 26. Iustin. VII 1, 10. Plin. n. h. IV 33), hat dann ein Clan der Makedonen unter Führung seines Fürstengeschlechtes, der Argeaden, die Eroberung Nieder-M.s unternommen. Als Gründer des Reiches tritt schon bei Herod. VII 137. 138 Perdikkas auf, und auch bei Thuk. II 100, 2 steht er an der Spitze der makedonischen Könige.
Kurz muß wenigstens die Frage gestreift werden, welche Völker vor den Makedonen die Küstenebene bewohnt haben. Natürlich spielen da zunächst die Pelasger eine Hauptrolle (vgl. Müller 50. Abel 25ff.). Was darüber von antiken Autoren berichtet wird, ist zweifellos späten Ursprungs (vgl. Ed. Meyer Forsch. I 55,1), und die Ausführungen Abels leiden unter der früher allgemeinen Ansicht, daß die Pelasger die Urbewohner Griechenlands [700] gewesen seien. Trotzdem könnte die Bezeichnung hier mehr am Platze sein als anderswo. In Nordthessalien lag die Pelasgiotis, die also wirklich von Pelasgern bewohnt war (vgl. Ed. Meyer 29ff. Beloch Gr. Gesch. I 22 54f.), und die engen Beziehungen zwischen Thessalien und M. sind nicht zu leugnen. So können auch nördlich des Olymp griechische Pelasger gewohnt haben, da offenbar die Pelasger Thessaliens Griechen waren. In diesen Zusammenhang gehören wohl auch die Pelagonen hinein, die vor dem Einbruch der Lynkesten die ganze Ebene von Monastir und später ihren nördlichen Teil besessen haben, da ihr Name offenbar mit dem der Pelasger identisch ist (Beloch). Weiter berichtet Strab. VII 331 frg. 38. 39, daß Pelagonien ursprünglich Orestia hieß. Daraus könnte man schließen, daß auch in der Orestis, die wir als den Stammsitz der Makedonen erkannten, vor ihnen Pelagonen oder Pelasger saßen. Ohne daß man die recht mystischen Beweise Abels 28ff. sich zu eigen macht, wäre also eine pelasgische Bevölkerung der Gebiete nördlich und südlich des Olymps vor dem Eindringen der thrakisch-phrygischen Stämme und der Makedonen nicht von der Hand zu weisen, wobei unter Pelasgern ein griechischer Stamm der ersten Welle zu verstehen wäre.
In Nieder-M. begegnen uns weiter die Bottiaier, nach denen die Bottiaia (o. II A 2) hieß und die später nach der Chalkidike auswanderten. Nach alten Zeugnissen sollen sie aus Kreta eingewandert sein (Oberhummer o. Bd. III S. 794); zur Klarheit über ihre ethnische Stellung ist nicht zu gelangen. Außer ihnen erwähnt Strab. VII 329 frg. 11 als frühere Bewohner des Flachlandes noch Illyrier und Thraker. Von diesen nennt er die Pierer am Olymp, die Paionen am Axios, die Edonen und Bisalten bis zum Strymon. Gegen diese Angabe Strabons suchte Beloch (I 2² 56ff.) die Paionen mit den Pelagonen zusammenzubringen und sie zu Griechen zu machen. Wenn auch in den recht unklaren frg. 38 und 39 (Strab. VII 331) die Paionen und Pelagonen identifiziert werden, so stellt Strabon sie doch zugleich zu den Phrygern (vgl. frg. 41). Wenn schon Tomaschek I 13ff. und Kretschmer Einleitg. 245f. die Paionen für Illyrier erklärten, so haben die Münzen dies bestätigt (Gaebler Ztschr. f. Numismat. XXXVII 245f.). Zu den Phrygern gehörten die Bryger, die in Splittern auf makedonischem Boden sitzen blieben, als die Phryger längst nach Kleinasien weitergezogen waren, wohin auch Paionen mitgingen (Herodot. V 13. Kretschmer 185). Für uns ist am wichtigsten die Tatsache, daß sie am Bermios gesessen haben (Strab. VII 330 frg. 25. Herodot. VI 45). Sonst begegnen sie noch am Ochridasee und am Erigon (Strab. VII 327 frg. 8; s. o. II E Brygias. Oberhummer o. Bd. III S. 920f.). Für die Thraker verweise ich auf Tomaschek.
So werden die oben angeführten archäologischen Ergebnisse durch die literarischen Zeugnisse bestätigt. Im 3. Jahrtausend etwa erreichten die Griechen in der letzten neolithischen Periode keilförmig den Meerbusen von Salonik und breiteten sich allmählich über Nieder- und Ober M. aus: die Pelagonen. In der Bronzezeit wurde das Gebiet von den Phrygern, deren Reste noch in [701] historischer Zeit in M. nachzuweisen sind, bewohnt. Die Eisenzeit brachte dann das Eindringen der dorischen Makedonen, die sich zunächst im Gebirgslande festsetzten.
Wie schon erwähnt, begannen die Makedonen unter Perdikkas I., wohl in der ersten Hälfte des 7. Jhdts. (Abel 140. Beloch I 1² 341), die Eroberung des Tieflandes von Aigai aus. Perdikkas I. galt im 5. Jhdt. als der Gründer des Reiches, Herod. VIII 139. Thuk. II 100, 2. Übereinstimmend kennen beide von Perdikkas I. bis Perdikkas II. acht makedonische Könige, deren Namen uns Herodot überliefert hat. Diese Herrscherliste, die lauter makedonische Namen enthält (Hoffmann 122), kann also als sehr alt und wohl auch als zuverlässig angesehen werden. Anders steht es mit der Anknüpfung der Liste an die argivischen Temeniden, wie oben schon ausgeführt wurde. Und ebensowenig historisch sind die Versuche der Chronographen, die Könige mit bestimmten Regierungszeiten auszustatten.
Wir haben für die makedonische Königsliste als Quellen mit Zahlenangaben die Angaben Diodors, die Liste bei Synkellos (S. 500 Dind.) sowie mehrere Listen in der Chronik und im Appendix des Eusebios (Schöne); am übersichtlichsten zusammengestellt von Beloch III 2² 49ff. Die eingehende Behandlung dieser Anagraphe durch v. Gutschmid Symb. philol. Bonn. 103ff. = Kl. Schr. IV 1ff. Pack Herm. X 281ff. Ed. Schwartz Abh. Gött. Ges. Wiss., phil.-hist. Kl. XL (1895) hat nur gezeigt, daß für die Herrscher vor Archelaos sichere Überlieferung nicht vorlag (vgl. besonders Pack 289ff. Schwartz 75ff.). Der erste feste Punkt in der makedonischen Chronologie ist vielmehr das Todesjahr des Archelaos 400/399, das durch den Synchronismus mit dem Tode des Sokrates gesichert ist (Schwartz 78. Diod. XIV 37, 6. 7), nicht wie Pack 300 wollte, sein Regierungsantritt 414/13. Meines Erachtens verspricht daher erneute Prüfung der überlieferten Zahlen für die älteren Herrscher kein Ergebnis, das die Mühe lohnen würde. Vielmehr sind die Regierungszahlen von Perdikkas I. bis Perdikkas II. rein schematisch errechnet. Um 400 hat dann die Liste nach oben eine Erweiterung erfahren (darüber unten).
Die von Herodot. a. O. überlieferten Herrschernamen, die sich mit denen der Chronographen decken und wie hervorgehoben historisch einwandfrei erscheinen, sind: Perdikkas, Argaios, Philippos, Aëropos, Alketas, Amyntas, Alexandros I., Perdikkas II. Noch für den letzten König sind so abweichende Regierungszahlen bei Athen. V 217 d. e überliefert, daß auch für seine Regierung von einer gesicherten Chronologie nicht gesprochen werden kann (vgl. Beloch 53).
Nach dem kurzen Abriß der Eroberungen bei Thuk. II 99 ihre Reihenfolge bestimmen zu wollen, ist nicht möglich (mit Müller 31 gegen Abel 143ff.). Ganz unwahrscheinlich ist Müllers Annahme (S. 29), daß das ursprünglich makedonische Gebiet vor den Eroberungen bis an das Meer gereicht habe, weil Herod. VII 127 von Bottiaia die Makedonis unterscheidet (vgl. darüber o. II A 3). Es wurde schon betont, daß eine der ersten Unternehmungen sich gegen Eordaia gerichtet haben muß, trotzdem diese Landschaft bei Thuk. [702] a. O. erst am Schluß erscheint. Unmittelbar vor oder nach der Besetzung Eordaias erfolgte dann die Besitznahme Pieriens am Fuße des Olymps (bei Thuk. a. O.: πρῶτον ἐκτήσαντο καὶ ἐβασίλευσαν κτλ.); denn dorthin führte der Lauf des Haliakmon. Die Bewohner wurden vertrieben und begegnen uns später in dem Küstensaum östlich des Strymons (ἀνστήσαντες μάχῃ ἐκ μὲν Πιερίας Πίερας). Daran schloß sich ganz natürlich die Eroberung Bottiaias bis zum Axios; die Bewohner siedelten zum größten Teil nach der Chalkidike über. Die Stellung an der Mündung des Axios war nur haltbar durch Unterwerfung der Paionen bis zum Eintritt des Stromes in die Tiefebene. In dieser Zeit muß auch das bei Thukydides an letzter Stelle erwähnte Almopia (Moglena) erobert worden sein. Schließlich dehnten die makedonischen Herrscher ihr Gebiet über den Axios aus und unterwarfen die thrakischen Stämme in Mygdonien, Anthemus, Krestonia und Bisaltia. Diese Eroberungen im Norden der Chalkidike waren wohl im wesentlichen in der zweiten Hälfte des 6. Jhdts. abgeschlossen, da dem aus Athen 510 v. Chr. vertriebenen Hippias von Amyntas I. Anthemus angeboten wurde, Herod. V 94. Vgl. zur Ausdehnung M.s neben Müller und Abel noch Vischer Kl. Schr. I 242ff. Casson 175ff.
Amyntas I. ist der erste makedonische König, von dem gesicherte Kunde vorliegt (Kaerst o. Bd. I S. 2006). Er regierte nach seinen Beziehungen zu den Peisistratiden (Herod. V 94. Aristot. Ἀθ. πολ. 15, 2: Gründung von Rhaikelos [o. II E] durch Peisistratos) und zu den Persern in der zweiten Hälfte des 6. Jhdts. Als Megabazos 513 v. Chr. bei seiner Expedition nach Thrakien von Amyntas Unterwerfung forderte, gab dieser den Persern Erde und Wasser, und auch sein Sohn Alexandros mußte nach der berichteten Ermordung der persischen Gesandten die Perser begütigen: M. wurde Vasallenstaat der Perser, Herodot. V 18ff. Iustin. VII 3, 2ff.
3. M. im 5. Jhdt. Auf Amyntas folgte sein Sohn Alexandros I., der 480 sicher schon regierte. Die Beseitigung der persischen Gesandtschaft braucht man nicht mit Beloch 54 als unhistorisch anzuzweifeln. Danach muß Alexandros 513 bereits erwachsen gewesen sein. Aus Herod. VI 44 kann man weiter schließen, daß er bereits vor 492 auf den Thron gekommen ist. Denn die Worte: Mardonios’ Μακεδόνας δούλους προσεκτήσατο setzen eine Verweigerung des Tributes voraus. Diese kann man Amyntas kaum zutrauen, und so wird Alexandros bei seiner Thronbesteigung die Abschüttelung des persischen Joches versucht haben. Bei der Annäherung des Mardonios mußte er jedoch jeden Widerstand als nutzlos erkennen, und die unten berichtete Schenkung des Xerxes beweist, daß er rückhaltlosen Anschluß für klug hielt. Für seine Beteiligung am Zuge der Perser 480, seine athenerfreundliche Gesinnung, seinen Kampf gegen das abziehende Heer vgl. Kaerst o. Bd. I S. 1411f. Erwähnt sei nur, daß nach Demosth. XXII 200, wo Alexandros mit Perdikkas verwechselt wird, die Athener dem Könige das Bürgerrecht verliehen hätten. Diese Nachricht erscheint durchaus glaublich, da Alexandros bei Herod. VIII 13 πρόξεινος καὶ εὐεργέτης und VIII 143 πρόξεινος καὶ φίλος genannt wird, durchaus [703] technische Ausdrücke für ein enges völkerrechtliches Verhältnis zwischen ihm und Athen.
Hier muß seine Bedeutung für M. hervorgehoben werden. Nach Iustin. VIII 4, 1 soll ihm Xerxes das ganze Bergland zwischen Olymp und Balkan geschenkt haben. Jedenfalls hat er seit dem Perserkrieg (Herod. V 17: ὕστερον τούτων) das Gebiet am Prasias und Dysoros besessen (vgl. über die Lage o. III 1 b). Offenbar ist auch ihm erst die Eroberung von Krestonia und Bisaltia anzuschreiben. Also hat Xerxes ihn jedenfalls mit dem Gebiete bis zum Strymon belehnt (Abel 152. Vischer 245). Aus dem Bergwerk am Prasias soll er täglich ein Talent Silbers gewonnen haben. Seine schon vor 480 reiche Prägung nimmt nun noch größeren Umfang an (Head HN² 218f. Gardner Hist. of Anc. Coinage [Oxf. 1918] 194f.). Er schloß sich eng an die Münzen der Bisalten an und nahm nach dem Vorbild von Abdera einen reduzierten phönikischen Münzfuß an. Als Beginn der neuen Prägung ist etwa 480 anzusetzen.
Im alten makedonischen Gebiete ist ihm die Besetzung der griechischen Kolonie Pydna in Pierien am Olymp gelungen (Thuk. I 137 1). Sein Verhältnis zu Athen wurde gespannt, als dieses nach der Gründung des delisch-attischen Bundes zur beherrschenden Seemacht wurde und die thrakisch-makedonische Küste wegen ihres Reichtums an Schiffsholz und Edelmetallen vollständig abhängig zu machen strebte. So unterstützte der König die aufständischen Thasier (Plut. Kim. 14; Perikl. 10; vgl. Vischer I 246).
Alexandros hat auch die obermakedonischen Fürstentümer in ein festeres Verhältnis zum makedonischen Königtum gebracht. Ein Zug der Stammessage, der vielleicht auf alte Tradition zurückgeht, macht die ersten Fürsten von Niedermakedonien, Elimeia und Lynkos zu Brüdern und deutet dadurch an, daß alle drei Landschaften und außerdem der Ursitz Orestis ursprünglich gleichberechtigt nebeneinander standen (v. Gutschmid 122f.). Jetzt schien dem Herrscher des zu größerer Macht emporgestiegenen Niederlandes der Zeitpunkt gekommen, um seine Vettern zur Anerkennung seiner Oberhoheit zu zwingen, denn zur Zeit des peloponnesischen Krieges waren die obermakedonischen Stämme (Λυγκησταὶ καὶ Ἐλιμιῶται καὶ ἄλλα ἔθνη ἐπάνωθεν) ξύμμαχα καὶ ὑπήκοα, βασιλείας δ’ ἔχεικαθ’ αὐτά: Thuk. II 99, 2. Mit Abel 153ff. möchte ich diese Unterwerfung Obermakedoniens Alexandros I. zuschreiben. Er konnte die Zeit der persischen Herrschaft dazu benutzen, um mit Hilfe des ihm wohlwollenden Großkönigs die Gebirgskantone sich zu unterwerfen. Nach Herod. VII 131 blieb Xerxes ἡμέρας συχνάς in Pieria, während ein Drittel des Heeres τὸ ὄρος τὸ Μακεδονικὸν (ἔκειρε?). Alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß Elimeia dabei der Satrapie M. zugefügt wurde und ähnlich mag es mit Orestis und Lynkestis gegangen sein. Im 4. Jhdt. erscheint nun ein Derdas als Ἐλιμίας ἄρχων: Xen. hell. V 2, 38. Offenbar war er Enkel eines von Thuk. I 57, 3. 59, 2 erwähnten Derdas (s. Kaerst o. Bd. V S. 239. Beloch 74), der wohl zugleich identisch ist mit dem unter den Zeugen des Bundesvertrages zwischen Perdikkas II. und Athen (IG I 42. v. Scala Staatsvertr. d. Altert. I nr. 81) aufgeführten [704] Δέρ]δας βασιλ[εύς (vgl. dazu Köhler S.-Ber. Akad. Berlin 1893, 502 Anm. 1). Nach Schol. Thuk. 57, 3 war er ein Sohn des Arrhidaios und ein ἀνεψιὸς Περδίκκα καὶ Φιλίππου, der Söhne Alexandros’ I. (Beloch 63). Also halten u. a. Abel 155 und Kaerst o. Bd. II S. 1248 seinen Vater Arrhidaios für einen Bruder des Alexandros, der demnach hier eine Sekundogenitur eingerichtet hätte. Der Einspruch Belochs 63 ist nicht stichhaltig, aber auch seine Vermutung, Arrhidaios sei mit einer Schwester Alexandros’ I. vermählt gewesen, würde eine Abhängigkeit Elimeias von Niedermakedonien wahrscheinlich machen. Für Lynkestis und Orestis fehlen ähnliche Zeugnisse; das Fürstenhaus der Lynkesten leitete sich von den Bakchiaden in Korinth ab (Strab. VII 326). Zur Zeit des peloponnesischen Krieges herrschte hier ein Arrhabaios ὁ Βρομεροῦ (Thuk. IV 79, 2. 83, 1. 124ff.), der mit Perdikkas II. im Kampfe lag, und ein zweiter Dynast dieses Namens, ohne Zweifel ebenfalls ein Lynkeste, wird von Arist. polit. V p. 1311 b erwähnt. Von Orestis kennen wir nur einen Fürsten Antiochos zur Zeit des peloponnesischen Krieges, Thuk. II 80, 6. Auch sie sind nach den Worten des Thukydides (II 99, 2) dem makedonischen Könige untertan gewesen, haben allerdings trotzdem jede Gelegenheit zur Auflehnung benutzt.
Von besonderer Bedeutung ist aber Alexandros durch seine Versuche, sein Land und Volk in enge Beziehungen zum griechischen Mutterlande zu bringen: Antrag auf Zulassung zu den Olympien (Herod. V 22); Anknüpfung seines Geschlechtes an die Temeniden von Argos (s. o.); Stiftung einer goldenen Statue aus der persischen Beute (Herod. VIII 121. Demosth. XII 21); Beziehungen zu Pindar (Solin IX 14; vgl. Pind. frg. 120. 121 Schr. Dion. Chrys. II p. 25); Aufnahme der vertriebenen Mykenaier (Paus. VII 25, 6). Spätere Zeiten gaben ihm daher den ehrenvollen Beinamen Φιλέλλην (Schol. Thuk. I 57. Dion. Chrys. a. O. Schol. Demosth. Olynth. ΙΙΙ 130. Harpokr. s. v. Anecd. Graeca 375, 20 Bekk.).
Sein Todesjahr (die Nachricht von seiner Ermordung Curt. VI 11, 26 ist apokryph) ist nicht sicher festzustellen. Die 43-44 Jahre der Königslisten würden bei einem Regierungsantritt um 495 auf 450 führen, was nicht unwahrscheinlich ist. Zwischen 464 (thasischer Aufstand) und 434 (Anfang des peloponnesischen Krieges) ist kein Datum aus der makedonischen Geschichte überliefert. Sein Nachfolger war Perdikkas II. Wir finden ihn bei Beginn des peloponnesischen Krieges auf dem Thron (Thuk. I 56), und Sommer 414 wird er zum letztenmal erwähnt (Thuk. VII 9, 1; vgl. Busolt Gr. Gesch. III 2, 1353f.). Da sein Sohn Archelaos bereits 411/10 König war, muß Perdikkas zwischen 414 und 411 gestorben sein. Wie schon erwähnt wurde, liegen für seine Regierungszeit bei Athen V 217 d, e, dem Marm. Par. ep. 58 und 61 und den Chronographen so verschiedene Angaben vor, daß wir zu einer sicheren Ansetzung nicht kommen können. Abels Versuche (165ff.), zu einer Erklärung zu gelangen, sind recht unwahrscheinlich. Ist Alexandros I. 450 gestorben, so hätte Perdikkas von 450–413 regiert, da die Regierung des Archelaos ziemlich [705] sicher auf 413–399 festzulegen ist (s. u.). Die Anfänge des Perdikkas waren schwierig. Er hatte vier Brüder: Amyntas (Syncell. p. 500 Dind. = FHG III 691), Philippos (Thuk. I 57, 3. II 95, 2), Alketas (Plat. Gorg. p. 471 a, b. IG I 42 c. Wohl auch Aelian. var. hist. II 41) und Menelaos (IG I 42 c; vgl. Iustin.. VII 4, 3. Aelian. var. hist. XII 43). Von Philippos wissen wir, daß er eine ἀρχή gehabt hat, und zwar am unteren Axios {Thuk. II 100,3). Ebenso sind wohl die Worte Platons (Gorg. a. O.): ὡς ἀποδώσων τὴν ἀρχὴν ἣν Περδίκκας αὐτὸν (sc. Alketas) ἀφείλετο aufzufassen. Danach hatte also Alexandros seine jüngeren Söhne mit Teilreichen ausgestattet (vgl. Ed. Meyer GdA IV 75), da meiner Überzeugung nach aus Platon nicht herauszulesen ist, daß Alketas durch Perdikkas vom Throne gestürzt worden sei (Abel 167). Abel hält Alketas und Philippos für älter als Perdikkas und sieht in der Teilherrschaft des Philippos eine Art Abfindung für die ihm eigentlich zustehende Königswürde. Er möchte eine Teilung des Reiches dem staatsklugen Alexandros nicht zutrauen, und doch hat auch der Große Kurfürst sich bestimmen lassen, seinen Söhnen aus zweiter Ehe Gebiete zuzuweisen. Dagegen wissen wir von Teilreichen des Menelaos und Amyntas nichts, was aber nicht gegen eine Teilung überhaupt spricht (gegen Abel); Amyntas soll nach Syncell. a. O. πάντο τὸν βίον ἰδιωτικῶς gelebt haben.
Perdikkas hat seine beiden Brüder aus ihrem Anteil vertrieben. Während Alketas sich in dieses Schicksal gefunden zu haben scheint – er lebte nach Platon a. O. noch beim Regierungsantritt des Archelaos – haben Philippos und sein Sohn Amyntas mit den Waffen in der Hand sich widersetzt. Beim Beginn des peloponnesischen Krieges war er aus seinem Anteil vertrieben (Thuk. I 61, 4. II 95, 3) und war 429 schon tot (Thuk. II 95, 3. 100, 3). Die drei Perioden Abels (170): 454–448 Alleinherrschaft des Alketas, 448-436 Teilherrschaft des Perdikkas und Philippos, 436–413 Alleinherrschaft des Perdikkas sind also als unbeweisbar und unwahrscheinlich abzulehnen. Auch die Vermutung Abels, daß Athen Perdikkas bei Vertreibung des Philippos unterstützt habe, ist anfechtbar. Athen hatte an möglichster Schwächung der makedonischen Macht Interesse und hat deshalb stets die Thronbewerber und Rebellen gegen die Könige unterstützt Bei seinem Streben nach unbedingter Beherrschung der makedonisch-thrakischen Küste, das gerade damals besonders hervortrat (Amphipolis!), mußte ihm ein Zerfall des makedonischen Reiches erwünscht sein. Eine Unterstützung der Einheitsbestrebungen des Perdikkas ist zur Zeit des Perikles daher nicht anzunehmen. Im Gegenteil sehen wir Philippos und seinen Sohn stets auf Seiten der Athener (Thuk. I 57, 3. 59, 2, 61, 4. II 95, 3. 100, 3).
Der Ausbruch des großen hellenischen Krieges stellte Perdikkas vor eine schwere Aufgabe. Ein Sieg der Athener mußte verhindert werden, zugleich aber durfte man die seebeherrschende Stadt nicht zu sehr reizen. Andererseits hat Athen alles daran gesetzt, um seine Stellung in Thrakien zu verstärken. Daß die thrakische Küste Kriegschauplatz wurde, hat Perdikkas selbst veranlaßt. Er wurde dabei von der Besorgnis vor [706] der steigenden Macht Athens geleitet. Schon sein Vater hatte hinter Thasos gestanden, und Perdikkas selbst nahm 446 v. Chr. die aus Histiaia auf Euboia vertriebenen Bewohner auf (Theop. 347 Gr.-H. = Strab. X 445); 437 gelang den Athenern die Gründung von Amphipolis in außerordentlich günstiger Lage (vgl. Hirschfeld o. Bd. I S. 1949f.). Thuk. IV 102. Diese Kolonie sollte die griechischen Städte an der thrakischen Küste wie die eingeborenen Stämme in Unterordnung halten und war zugleich eine ständige Bedrohung für M., da seine Ausdehnung nach Osten unterbunden, sein Einfluß auf die Thraker ausgeschaltet wurde und jede Auflehnung gegen den König jetzt einen festen Rückhalt im Lande selbst hatte. Allerdings wurde die Stellung Athens durch den starken Druck auf die thrakischen Bundesgenossen auch erschwert, da diese mehr als früher nach fremder Hilfe ausschauen mußten. Zunächst war die Folge der Gründung von Amphipolis eine stärkere Geltendmachung der athenischen Interessen. Unter anderem trat Athen sofort in Verbindung mit Philippos; denn wenn dieser Fürst 432 flüchtig war, so wird seine Vertreibung mit seiner Verbindung mit Athen zusammenhängen. Wie das offizielle Verhältnis zwischen beiden Mächten vor dem Kriege war, ist schwer festzustellen. Aus Thuk. I 57, 2 ξύμμαχος πρότερον καὶ φίλος ὤν kann man wohl auf ein freundschaftliches Verhältnis schließen. Dagegen sind die Angaben in den Demosthenischen Reden über die Tributpflichtigkeit des Perdikkas nicht ernst zu nehmen. Nur eine läßt sich zunächst sicher auf ihn beziehen: Demosth. III 24; die anderen beiden Stellen sprechen ganz allgemein von einer Abgabenpflicht der makedonischen Könige bezw. M.s: XI 16 und VII 12. Die Absicht der Redner ist hier lediglich darauf gerichtet, die Ohnmacht M.s in früherer Zeit möglichst stark hervorzuheben. Auch Ulpian ad Demosth. Olynth. III 24 und Arrian. anab. VII 9, 4 sind nicht beweisend.
Wenn wirklich zwischen Athen und M. Symmachie bestand (Thuk. I 57, 2), so hat Athen durch seine Verbindung mit Philippos den Vertrag gebrochen. Philippos befand sich 432 im Bunde mit Derdas von Elimeia im offenen Kampf mit Perdikkas und im Bunde mit Athen (Thuk. a. O.). Abel 172. Da er als Führer eines makedonischen Reiterkorps auf der Chalkidike erscheint (Thuk. I 61, 4), scheint er schon flüchtig gewesen zu sein; 431 beim Vertragsschluß zwischen Sitalkes und Perdikkas war er jedenfalls nicht mehr im Besitze seines Fürstentums (Thuk. II 95). Besonders gefährlich war die Auflehnung des Fürsten von Elimeia, die wie der Kampf gegen Lynkestis zeigt, daß die obermakedonischen Vasallen in einer Erstarkung der makedonischen Macht eine ernstliche Gefahr sahen und nach voller Selbständigkeit strebten.
Nach dem Ultimatum Athens an Poteidaia 432 trat daher Perdikkas mit Sparta und Korinth sowie mit den Chalkidiern und Bottiaiern in Verhandlungen, um Athen zu beschäftigen (Thuk. I 57. Diod. XII 34, 2). Poteidaia fiel ab und schloß mit den Chalkidiern und Bottiaiern ein Bündnis (Thuk. I 58). Perdikkas bewog die Chalkidier, nach Olynthos zusammenzusiedeln, und [707] wies ihnen zur Entschädigung für ihre aufgegebenen Gebiete Ländereien am Bolbe (s. o. III 2) an (Thuk. a. O. Diod. a. O.). Perdikkas handelte damit durchaus im makedonischen Interesse, das möglichste Erhöhung der Widerstandskraft M.s und seiner Bundesgenossen erforderte. Daß Olynthos einmal ein gefährlicher Gegner M.s werden würde, konnte er nicht voraussehen (vgl. Vischer 255). Die athenische Flotte wandte sich zunächst gegen den tätigsten Feind, eben Perdikkas, und wurde durch einen Einfall des Philippos und Derdas in M. unterstützt (Thuk. I 59). Die Athener eroberten Therme und belagerten Pydna (Thuk. I 61). Als aber ein korinthisches Hilfskorps in Poteidaia eintraf, schloß der athenische Feldherr mit Perdikkas ξύμβασις καὶ ξυμμαχία (Thuk. I 61, 3), die Athener, um sich mit ganzer Kraft gegen die abtrünnigen Bundesgenossen zu wenden, Perdikkas, um vorläufig die gefährliche Verbindung zwischen Athen und seinen inneren Feinden zu sprengen (vgl. Busolt III 2, 805). Auf dem Marsche nach Poteidaia sollen die Athener nun einen Handstreich gegen Beroia (h. Venia; o. II E) versucht haben (Thuk. I 61,4). Man hat diese Angabe verworfen, weil die Athener damit sofort den Vertrag wieder gebrochen hätten und weil Beroia zu weit landeinwärts liege. Dieser Einwand ist jedoch nicht berechtigt, da die Küstenlinie damals sich viel mehr dem Gebirge näherte; die Straße nach Pella und zur Chalkidike führte an Beroia vorüber (s. o. II A 2; III 2 a). Auch ist die Emendation ἐπὶ Στρέψαν für ἐπιστρέψαντες höchst zweifelhaft, da dieses sonst nur bei Aesch. II 27, den Lexikographen und in den attischen Tributlisten (Koehler Abh. Akad. Berl. 1869, 182) erwähnte Städtchen kaum die Athener zu einem Angriff reizen konnte und auch von seinem Abfall nichts berichtet wird. Andererseits erscheint es allerdings höchst unwahrscheinlich, daß die Athener Perdikkas sofort nach Abschluß des Friedens durch offenen Friedensbruch wieder den Feinden in die Arme getrieben haben sollten. Gewiß hätte der König dann auch Mittel gefunden, um mit seiner vorzüglichen Reiterei dem athenischen Heer beim Marsch quer durch sein Reich Abbruch zu tun. Wahrscheinlicher ist, daß Beroia, das am Eintritt des Haliakmon in die Tiefebene, also an der Verbindungsstraße von Elimeia zum Tieflande, lag, dem Derdas in die Hände gefallen war; die Athener haben nun das Bündnis mit Perdikkas, das ihnen am Herzen lag (Thuk. a. a. O.: ξυμμαχίαν ἀναγκαίαν, durch das Versprechen erkauft, ihm Beroia zurückzuerobern. Daß sie dieses Versprechen nicht einlösten, ist dann der Grund zu dem sofortigen Abfall des Königs gewesen, Thuk. I 62. 2: ἀπέστη γὰρ εὐθὺς πάλιν τῶν Ἀθηναίων: Zugleich entsprach der Abfall auch dem makedonischen Interesse. Mit dem Abzug der Athener war die größte Gefahr beseitigt, und Perdikkas durfte seine alten Bundesgenossen nicht im Stich lassen, zumal im athenischen Heere Philippos und ein elimiotischer Fürst Pausanias (Thuk. a. a. O.) mit 600 Reitern sich befanden. Der König wurde zum Oberbefehlshaber der eidgenössischen Reiterei, zu der 200 makedonische Ritter gehörten, ernannt (Thuk. II 62. 2. 3).
[708] Der Kampf auf der Chalkidike ging unentschieden weiter. Athen suchte nach Bundesgenossen und fand Unterstützung bei Sitalkes, dem Könige der Odrysen. Das odrysische Reich war in der Zeit zwischen 480 und 430 schnell zu großer Macht gelangt und hatte sich bis an den Strymon ausgedehnt, war also ein gefährlicher Nachbar M.s geworden (Thuk. II 23. Diod. XII 50. Höck Herm. XXVI 76ff. Ed. Meyer GdA IV 73ff. Beloch II² 1; 310. Schoch u. Bd. III A S. 377ff.). Sitalkes war mit einer Griechin vermählt, und seinen einflußreichen Schwager Nymphodoros gewannen die Athener durch Verleihung der Proxenie (Thuk. II 29, 1). Er brachte nun ein Bündnis zwischen Sitalkes und Athen zustande (Diod. XII 50, 3. Aristoph. Acharn. 141ff.) und söhnte Perdikkas mit Athen aus, indem er die Rückgabe von Therme durchsetzte. Sitalkes versprach dem Perdikkas, Philippos nicht mehr zu unterstützen. Welche Gegenleistungen Perdikkas übernahm, wissen wir nicht; ein dauerndes Freundschaftsverhältnis war zwischen den beiden am Strymon rivalisierenden Mächten so wie so unwahrscheinlich. Doch lassen die Worte ἅ ὐπεδέξατο οὐκ ἐπετέλει (Thuk. II 95, 2) auf ganz bestimmte Verpflichtungen schließen (Thuk. II 29). Die Rückgewinnung Thermes und die Beseitigung der Gefahr seitens seines Bruders waren für Perdikkas von so großer Bedeutung, daß er sogleich (εὐθύς) seine bisherigen Bundesgenossen verließ und sich Phormions Heer anschloß (Thuk. II 29, 6) 431 v. Chr. Er hoffte wohl, daß die Chalkidier sich auch allein weiter halten würden. Auch zwischen Perdikkas und Derdas von Elimeia ist damals eine Aussöhnung erfolgt; denn Derdas steht als makedonischer Zeuge unter dem Bündnisvertrage von 422 (IG II 42 = v. Scala nr. 81). Er wird Beroia zurückgegeben und dafür Zusicherung weitgehender Selbständigkeit empfangen haben. Dem Kampfe des Arrhabaios von Lynkestis hat er sich nicht angeschlossen.
Perdikkas war nicht mit dem Herzen auf Seiten der Athener; er unterstützte sogar 429 den Angriff der Spartaner auf Akarnanien heimlich (Thuk. II 80, 7), zusammen mit seinem Vasallen Antiochos von Orestis. Gewiß war Athen diese zweideutige Haltung nicht unbekannt. Und da er außerdem seinen Verpflichtungen gegen Sitalkes nicht nachkam, so konnte ihm der Angriff des Thrakers im Spätsommer 429 nicht überraschend kommen. Sitalkes wandte sich in erster Linie gegen M., suchte also mehr sein Reich auszudehnen als durch Bedrängung der Chalkidier den Athenern unmittelbar zu helfen. Er führte Amyntas, den Sohn des inzwischen verstorbenen Philippos, bei sich ὡς ἐπὶ βασιλείᾳ τῶν Μακεδόνων (Thuk. II 95, 3) – vgl. Diod. XII 50, 4: κατάγειν ἐπὶ τὴν Μακεδονικν βασιλείαν Ἀμύνταν τὸν Φιλίππου. Also sollte M. Vasallenstaat des Thrakerkönigs werden. Sitalkes überschritt das Kerkinegebirge (Belašica Plan.) und gelangte nach Doberos im Wardartal (s. o. II E), Thuk. II 98. 99, 1. Er nahm Eidomene (s. o. II E) im Sturm, andere Orte ὁμολογίᾳ διὰ τὴν Ἀμύντου φιλίαν; es war das alte Gebiet des Philippos (Thuk. II 100, 3. Diod. XII 50, 6). Dann brach er in Nieder-M. ein und rückte in der Küstenebene bis zum Pajak vor: ἐς τὴν ἄλλην Μακεδονία τὴν ἐν ἀριστερᾷ [709] Πέλλης καὶ Κύρρου. Dann kehrte er um, überschritt den Axios und verheerte Mygdonien, Krestonia und Anthemus (Diod. XII 50, 7). Perdikkas, von den obermakedonischen Vasallen, wohl Elimeia und Orestis (ἀπὸ τῶν ἄνω ξυμμάχων) unterstützt, hielt sich zurück und fügte den Barbaren nur durch seine Reiterei erheblichen Schaden zu (Thuk. 100, 1. 4ff. Diod. XII 50, 5). Auch gegen die Chalkidier richtete Sitalkes nichts Ernstliches aus. So trat er, auch durch die Nähe des Winters beeinflußt, mit Perdikkas in Unterhandlungen (Thuk. II 101, 1), und dieser wußte durch Beeinflussung des Seuthes, des Neffen des Sitalkes, dem er seine Schwester mit bedeutender Mitgift versprach, den Abmarsch der Thraker zu beschleunigen. Sitalkes zog ab: αὐτῷ οὐδὲν ἐπράσσετο ὧν ἕνεκα ἐσέβαλε (Thuk. II 101. Diod. XII 51, 1. 2). Die Befürchtungen der Griechen angesichts der gewaltigen Macht des Thrakers (Thuk. a. a. O.) waren gegenstandslos gewesen; die Quelle des Diodor a. O. hat die Angaben des Thukydides gewaltig übertrieben (vgl. Vischer 260, 1. Schoch 380). Zweifelhaft bleibt auch die Notiz Diodors: πρὸς τὸν Περδίκκαν διαλυσάμενος ἐπιγαμίας ἐποιήσατο. Unmöglich erscheint mir die Erklärung Schochs, daß Perdikkas und Sitalkes einen Epigamievertrag geschlossen hätten, da wir die abschließende Bürgerrechtspolitik der griechischen πόλις unmöglich bei diesen nordischen Völkern voraussetzen können. Wahrscheinlich hat Diodor oder seine Quelle lediglich die Angabe des Thukydides über die Vermählung des Seuthes mit der makedonischen Prinzessin Stratonike im Auge gehabt. Der Plural ἐπιγαμίας legt die Vermutung nahe, daß auch Perdikkas eine odrysische Fürstentochter zur Frau nahm.
Das Verhältnis zwischen Perdikkas und Athen scheint zunächst durch den thrakischen Einfall nicht gestört worden zu sein. Denn nach der Inschrift Syll.³ 75 Z. 27f. scheint er die athenische Besatzung in Poteidaia (ἐμ Ποτειδ[ά]αι, nicht Ποσειδίῳ). wie Kirchhoff las und auch Busolt III 2 1009, 1 annahm) mit Proviant versorgt zu haben. Dagegen konnte Athen die Bestrebungen des Königs auf Unterwerfung der Bundesstadt Methone als Zeichen unfreundlicher Gesinnung betrachten. Zwei attische Dekrete von 428/7 und 426/5 (IG 140 = Syll.³ 75 = Michel Recueil 74) beschäftigen sich mit den Versuchen des Perdikkas, durch Schikanen aller Art Methone zum Anschluß an M. zu zwingen. Athen suchte durch Vergünstigungen und durch energischen Druck auf den König die Stadt beim Bunde zu erhalten. Dadurch wurden natürlich die Beziehungen zwischen Athen und M. getrübt (Thuk. IV 79, 2: Περδίκκας δὲ πολέμιος μὲν οὐκ ὢν ἐκ τοῦ φανεροῦ), und als nach der Einnahme Sphakterias die Überlegenheit Athens entschieden zu sein schien, hielt es Perdikkas für geraten, der griechischen Großmacht in Thrakien möglichst viel Schwierigkeiten zu bereiten, zumal auch die treuen Bundesstädte durch die Erhöhung des Phoros 425 schwer getroffen waren (Thuk. IV 79, 2. 84, 2). Hinzu kam der Wunsch, auch Lynkestis wie Elimeia und Orestis zur Anerkennung seiner Oberhoheit zu bringen. So trat er mit Sparta in Verhandlungen (Thuk. IV 79, 2), unterstützt von den Chalkidiern. Sparta ging darauf ein, und glücklich kam Brasidas [710] durch Thessalien zu Perdikkas (Thuk. IV 79, 1). Dieser wollte das spartanische Heer, dessen Verpflegung er zur Hälfte trug, sofort gegen die Lynkestis verwenden. Brasidas zog auch bis zum Paß Kirli Derbend, dem Eingangstor von Lynkos (ἐπὶ τῇ ἐσβολῇ τῆς Λύγκου), gab aber hier einer Bitte des Arrhabaios und der Warnung der Chalkidier, Perdikkas zu mächtig zu machen, nach und trat mit Arrhabaios in Verhandlungen. Perdikkas hatte die Spartaner eingeladen, ihm zu helfen (μᾶλλον δὲ καθαιρέτην ὧν ἂν αὐτὸς ἀποφαίνῃ πολεμίων: Thuk. IV 83, 5), aber er wollte nicht die athenische mit der spartanischen Vorherrschaft vertauschen. Als er sah, daß Brasidas nicht makedonische, sondern selbständige spartanische Politik trieb und mit Arrhabaios zu einem Abkommen gelangte, verringerte er seine Beihilfe (Thuk. IV 83. Vgl. Vischer I 263).
Durch seine Erfolge wurde Brasidas bald eine gefährlichere Macht für M. als Athen, und nach der Einnahme von Amphipolis fand sich Perdikkas im Lager des Spartaners ein, um ihn bei seinen weiteren Unternehmungen zu unterstützen. Dazu wird ihn die Besorgnis veranlaßt haben, sonst von Brasidas als Feind behandelt zu werden; auch mußte es ihm leichter erscheinen, die zur See ohnmächtigen Spartaner wieder zu verdrängen als die Athener. Nach dem Waffenstillstand von 423 wuchs die Bedeutung der Makedonen für Brasidas, der den Waffenstillstand durchzuführen sich weigerte. Deshalb war dieser jetzt bereit, noch einmal einen Feldzug gegen Lynkestis zu unternehmen. Das verbündete Heer zählte 3000 Hopliten, 1000 makedonische und chalkidische Reiter und eine Menge Leichtbewaffneter (ἄλλος ὅμιλος τῶν βαρβάρων πολύς). Diese recht geringfügige Streitmacht, die trotzdem wohl alles war, was Perdikkas und Brasidas zusammenzubringen vermochten, beweist einmal, daß sehr bedeutende Kräfte auf dem chalkidischen Kriegsschauplatze zurückblieben, und dann, daß M. wohl über eine vorzügliche Reiterei, aber nicht über ein geordnetes Fußvolk verfügte; hatte doch Perdikkas auch illyrische Söldner gedungen (Thuk. IV 124, 4). Andrerseits muß aber auch die Macht des Lynkesten recht erheblich gewesen sein. Nach anfänglichem Erfolge stockte der Vormarsch infolge der Weigerung des Brasidas, der sich nicht zu weit vom Kriegsschauplatz entfernen wollte (Bedrohung von Mende) und wohl auch die völlige Niederwerfung des Arrhabaios nicht wünschte. Der Rückzug infolge des Verrats der geworbenen Illyrier wurde für die Leichtbewaffneten zu einer Katastrophe, in die auch die makedonische Reiterei hineingezogen wurde. Hätten die Verbündeten gemeinsam gehandelt, wäre es zu dieser Panik wohl überhaupt nicht gekommen. Wohl gelang es der Umsicht des Brasidas und der Disziplin seiner Truppe, sich ohne Verluste zurückzuziehen, aber der ganze Erfolg war verloren und die Stimmung zwischen den Bundesgenossen aufs äußerste gereizt. Mit Recht konnte Perdikkas das Scheitern der Unternehmung dem Brasidas zuschreiben, der durch die Unterbrechung des siegreich begonnenen Vormarsches strategisch falsch und politisch unklug gehandelt hatte. Er mußte annehmen, daß der spartanische Feldherr mit ihm ein falsches Spiel trieb: ἀπὸ τούτου τε πρῶτον Περδίκκας Βρασίδαν [711] τε πολέμιον ἐνόμισς καὶ ἐς τὸ λοιπὸν Πελοποννησίων τῇ ,ὲν γνώμῃ δι’ Ἀθηναίους οὐ ξύνηδες μῖσος εἴχε (Thuk. IV 128, 5). Thuk. IV 124ff.
Mende ging trotzdem verloren, und vor Skione kam es nach längeren Verhandlungen zu einem Frieden und Bündnis zwischen Perdikkas und Athen: 423/2 v. Chr. Einen Beweis seiner ernsten Absichten gab der König sofort dadurch, daß er durch seinen Einfluß in Thessalien den Durchzug spartanischer Verstärkungen hinderte (Thuk. IV 132, 1. 2). Von dem Vertrage sind mehrere Bruchstücke erhalten: IG I 42. 43 Suppl. p. 141 I² 71 = v. Scala nr. 81 (Busolt III 2 1170, 1 unterscheidet zwischen der ὁμολογία bei Thukydides und dem Bündnisvertrag wohl insofern mit Recht, als die ξυμμαχία in Athen abgeschlossen wurde). In dem Vertrage wird Athen das Monopol für Schiffsbauholz zugesichert, und offenbar ist Arrhabaios in den Frieden eingeschlossen worden. Diesem Vertrage folgte jedenfalls der Vertrag zwischen Athen und den Bottiaiern IG I 52. 53 Suppl. p. 142ff. I² 90 = v. Scala 82 = Syll.³ 89, den Beloch II I² 352 erst in das J. 417 setzt.
Allerdings war es wohl dem Perdikkas nur darum zu tun, seinem Ärger über Brasidas Ausdruck zu geben; zu entschlossener Unterstützung der Athener war er nicht geneigt. Denn als gleich darauf der kommandierende attische Stratege Nikias gegen die Chalkidier vorgehen wollte, vereitelte der König diesen Feldzug durch seine Untätigkeit (Thuk. V 83, 4). Nichts berechtigt uns, aus den Worten des Thukydides: ἔψευστο τὴν συμμαχίαν καὶ ἡ στρατιὰ μάλιστα διελύθη ἐκείνου ἀπάραντος auf eine beabsichtigte oder gar ausgeführte Expedition des Nikias im J. 417 zu schließen, von der uns der Historiker sonst nichts berichtet, sondern offenbar geht dieser Vorwurf auf ein in der Vergangenheit liegendes Versäumnis des Perdikkas. Auch erscheint unter den Feldherren in Thrakien für 418/7 und 417/6 nicht der Name des Nikias (Syll.³ 94 Z. 9 und 25): vgl. Vischer I 267. Erst als sich Perdikkas 417 offen den Spartanern anschloß, haben die Athener dann diesen Vertragsbruch des Königs hervorgeholt. Damals wurde er ihm nicht angerechnet, denn Kleon forderte 422 von ihm den vertragsmäßigen Zuzug. Vorher fiel bei Amphipolis die Entscheidung. Der Friede des Nikias 421 war für M. von großer Bedeutung. Die Bedingungen, namentlich betreffend die Rückgabe von Amphipolis und das Verhältnis zu den chalkidischen Städten, wurden nicht durchgeführt, und so brach Athens Machtstellung in Thrakien zusammen. M. war von dem Druck der Großmacht befreit. Und als 417 sich Spartaner, Argiver und Chalkidier zusammenschlossen, gelang es ihnen, auch Perdikkas zum Anschluß zu bewegen: ἀνέπεισαν Περδίκκαν ξυνομόσαι σφίσιν. οὐ μέντοι εὐθύς γε ἀπέστη τῶν Ἀθηναίων; Thuk. V 80, 2. Perdikkas wollte nicht sofort offen mit Athen brechen, aber doch die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, dem alten Rivalen Schwierigkeiten zu bereiten. Athen aber erklärte 417/16 M. den Krieg und verhängte über seine Häfen die Blockade. Weitere Schritte wurden zunächst nicht unternommen, denn wir sahen oben, daß die Expedition des Nikias in das J. 423/2 gehört (Thuk. V 83). Doch 416/5 machten athenische Reiter von Methone aus zusammen mit [712] makedonischen Flüchtlingen Einfälle in das Gebiet des Perdikkas; Thuk. VI 7, 3. Die Beziehungen zwischen Methone und M. waren also gespannt geblieben; Vischer I 269 vermutete unter Μακεδόνων φυγάδες Anhänger des Amyntas. Mit den Chalkidiern hatten die Athener einen von 10 zu 10 Tagen laufenden Waffenstillstand abgeschlossen, und jene weigerten sich auch, mit Perdikkas gemeinsame Sache zu machen (Thuk. VI 7, 4). So schien es dem Könige ratsam, um nicht vereinzelt zu werden, sich den Athenern zu nähern; er unterstützte 414 den attischen Strategen Euetion gegen Amphipolis (Thuk. VII 9). Ob vorher ein feierlicher Vertrag abgeschlossen wurde, ist nicht festzustellen (gegen Busolt III 2. 1353; vgl. Ed. Meyer GdA IV 524f.). Bald darauf muß Perdikkas gestorben sein. Er hat es mit Erfolg verstanden, sein Land durch die schweren Kämpfe ohne Einbußen hindurchzusteuern, und auch auf dem Gebiete der geistigen Kultur hat er sich Verdienste erworben. So soll Hippokrates von Kos an seinem Hofe gelebt haben (Suid. s. Ἱπποκράτης), und der Dithyrambendichter Melanippides starb bei ihm (Suid. s. v.). Die Einladung des Sokrates (Antonin. de se ipso XI 25) ist wohl dem Archelaos zuzuschreiben; vgl. Vischer I 271.
4. M. von Archelaos bis zum Regierungsantritt Philippos’ II. Nach Plat. Gorg. 471a-d hat Perdikkas wohl seinen siebenjährigen legitimen Sohn aus seiner Ehe mit Kleopatra zu seinem Nachfolger bestimmt und die Reichsverweserschaft seinem Sohne Archelaos übertragen (Abel 194. Köhler S.-Ber. Akad. Berl. 1893, 490ff.). Dieser stammte von einer Sklavin (Aelian. var. hist. XII 43), war aber bereits 422 von Perdikkas als legitim anerkannt worden: er steht unter den Zeugen des Vertrages IG I 42. 44 (s. o.) unmittelbar hinter den Brüdern des Königs. Er konnte also als nächster Agnat zum ἐπίτροπος bestellt werden. Ohne die Einzelheiten der Skandalgeschichte bei Plat. a. a. O. als glaubwürdig zu betrachten, ist kaum daran zu zweifeln, daß Archelaos den jungen, ihm anvertrauten König, seinen Oheim Alketas und dessen Sohn Alexandros beiseite geschafft und dann selbst den Thron bestiegen hat. Dann hat er aber gezeigt, daß er zum Herrscher geboren war (vgl. über ihn im allgemeinen Kaerst o. Bd. II S. 446ff. und Köhler 490ff.). Für eine Beurteilung seiner Regierung muß man von Thuk. II 100, 2 ausgehen : Ἀρχέλαος ὁ Περδίκκου υἱὸς βασιλεὺς γενόμενος τὰ νῦν ὄντα (sc.τείχη) ἐν τῇ χώρᾳ ᾠκοδόμησε καὶ ὁδοὺς εὐθείας ἔτεμε καὶ τἆλλα διεκόσμησε τὰ κατὰ τὸν πόλεμον ἵποις καὶ ὅπλοις καὶ τῇ ἄλλῃ παρασκευῇ κρείσσονι ἢ ξύμπαντες οἱ ἄλλοι βασιλῆς ὀκτὼ οἱ πρὸ αὐτοῦ γενόμενοι. Diese Worte gehen vor allem auf die Erhöhung der militärischen Machtmittel des Landes. Bau von Befestigungen und Heerstraßen hatte sich besonders bei dem Einfall des Sitalkes als notwendig herausgestellt. Ein wohlgeordnetes Fußvolk hätte Perdikkas seinen Kampf für die Unabhängigkeit des Reiches außerordentlich erleichtert. Man würde also ganz von selbst auf den Gedanken kommen können, daß Archelaos der Reiterei ein Fußvolk zur Seite gestellt habe. Gewiß gehen die Worte des Thukydides zunächst auf bessere Ausrüstung, aber die außerordentlich starke Hervorhebung der Verdienste [713] des Königs wäre doch wohl zu gewichtig, wenn es sich nur um solche Reformen gehandelt hätte. Nun glaubte Köhler 493f. ein Fragment des Anaximenes von Lampsakos (bei Harpokr. und Suid.: FGrHist 72 F 4) auf Archelaos beziehen zu können, obwohl es sich um einen Alexandros handelt; Alexandros I. und II. könnten nicht in Betracht kommen. Es mit Droysen auf Alexander den Großen zu beziehen, geht erst recht nicht an. Aber weder die Emendation Köhlers noch die viel gewaltsamere Kaersts (Gesch. d. Hellen. I² 193) und Plaumanns (o. Bd. VIII S. 1378), statt ,Alexandros‘ ,Philippos‘ einzusetzen, befriedigt. Beloch Gr. Gesch. III 1² 23 möchte, ohne Köhlers weitgehende Schlüsse aus dem Fragment anzuerkennen, doch Archelaos die Schaffung eines regulären Fußvolkes zuschreiben. Damit trifft er sicher das Richtige. Hier kann ich nur kurz meine Ansicht andeuten. Das Fragment besteht aus zwei Teilen und ist von dem Lexikographen ungeschickt zusammengestellt worden. Der erste Teil bezieht sich auf die Organisation der Ritterschaft unter Alexandros I. als regulärer Reiterei, wobei den Rittern der bisher nur der Umgebung des Königs zukommende Titel ἐταῖροι verliehen wurde (über diesen Titel vgl. Plaumann o. Bd. VIII S. 1375). Der zweite Teil bringt die Fortführung, die Schaffung des Fußvolkes mit dem Ehrennamen πεζέταιροι durch Archelaos. Beide Angaben fand der Lexikograph in einem Exkurs über die Entwicklung des makedonischen Heeres bei Anaximenes und zog sie zusammen, richtete aber dabei Verwirrung an (auch sprachlich ist das Fragment nicht einwandfrei) und vergaß vor dem zweiten Teil den Namen des Archelaos (s. auch Kaerst 194, 1). Seitdem bildete das Heer das Volk in Waffen. Zugleich hatte die Reform auch eine wichtige politische Seite; im Fußvolk fand der König ein Gegengewicht gegen die Macht des Adels. Das Königtum konnte sich dem Adel viel freier gegenüberstellen und durch geschickte Benutzung der bestehenden Gegensätze seine Macht erhöhen. Denn auch der Adel war jetzt gezwungen, sich mit dem Könige gut zu stellen. Nur auf dieser Grundlage konnte Philippos II. die makedonische Großmacht aufrichten. Bald nach seiner Thronbesteigung zog Archelaos gegen die Stadt Pydna, die sich also inzwischen (unter Alexandros I. war sie makedonisch Thuk. I 137) befreit hatte. Köhler 496 hat vermutet, daß er Pydna das Münzrecht entzogen habe. Jedenfalls haben makedonische Städte bis auf Philippos II. Münzen geprägt (z. B. Aigai). Die Behauptungen von Svoronos Journ. intern. d’arch. numism. XV 125ff. 212ff. XIX 40ff. entsprechen nicht den Tatsachen (vgl. auch Gardner Hist. of anc. Coinage, Oxf. 1918, 188). Vielleicht lag der Grund des Abfalls auch in finanzpolitischen Maßnahmen (vgl. Syll.³ 135: Ausfuhr- und Durchgangszölle); jedenfalls ging Archelaos auch von der sog. phönikischen zur persischen Währung über (Gardner 275. 326. Head HN² 220). Da er an einem freundlichen Verhältnis zu dem nicht mehr gefährlichen Athen festgehalten hatte und Athen für die Lieferung von Schiffsbauholz mehr als früher auf M. angewiesen war (vgl. für Archelaos Syll.³ 104. Andok. II 11), so kam ihm ein attisches Geschwader unter Theramenes [714] zu Hilfe, 410 v. Chr. Obwohl es bald nach Thrakien absegeln mußte (Diod. XIII 49, 1. Xen. hell. I 1, 12), zwang Archelaos die Stadt zur Ergebung und verpflanzte sie 20 Stadien landeinwärts (Diod. XIII 49, 2. Vgl. o. II E). Doch sind die Bürger bald wieder an die alte Stätte zurückgekehrt (Diod. XIX 36. 49). Auch mit den obermakedonischen Fürsten kam Archelaos in Streitigkeiten; möglieh, daß er die Unterordnung stärker betonte, sicher wohl, daß er auch Lynkestis unterwerfen wollte. Wenigstens erfahren wir aus Aristot. polit. V p. 1311 b von einem Kriege des Archelaos gegen Arrhabaios und Sirrhas. Unter Arrhabaios haben wir den Sohn des lynkestischen Fürsten zur Zeit des peloponnesischen Krieges zu verstehen, und Sirrhas, der die Tochter des Lynkesten geheiratet hatte (Strab. VII 326), war jedenfalls Fürst von Elimeia. Diese für ihn gefährliche Verbindung sprengte Archelaos durch das Angebot an Sirrhas, ihm eine Tochter zur Frau zu geben (vgl. zu dieser Frage Abel 195f. Droysen Hellen.² I 86, 2. Kaerst o. Bd. V S. 239. Köhler S.-Ber. Akad. Berlin 1893, 502. Hoffmann 160ff. Beloch III 2² 74. 78f.). Archelaos verzichtete so auf die Durchführung eines gefahrvollen Bruderkrieges, bei dem nur M.s Feinde die tertii gaudentes waren. Am Ende seiner Regierung griff Archelaos in die Verhältnisse Thessaliens ein, das nach dem Erlöschen des Tagosamtes und der Auflösung der Gesamtverfassung durch heftige Kämpfe zerrissen war (vgl. darüber Ed. Meyer Theopomps Hellenika 247ff.). Schon Perdikkas hatte in Thessalien starken Einfluß besessen (Thuk. IV 78, 2. 132, 2). 404 hatte Lykophron von Pherai die Adelsgeschlechter bei Larisa besiegt (Xen. hell. II 3, 4), und im Anschluß daran kam es in Larisa zu heftigen Parteikämpfen. Gegen die Herrschaft des Aleuaden Aristippos (Plat. Menon 70 a. b.) erhob sich eine gemäßigte Partei die den Sturz der starren Oligarchie erstrebte. Aristippos rief zunächst den jüngeren Kyros um Hilfe an. Dieser unterstützte ihn mit Söldnern und Geld (Xen. anab. I 1, 10); die Söldner wurden zu Kyros zurückgeschickt τῷ Ἀριστίππῳ συναλλαγέντι πρὸς τοὺς οἴκοι (Xen. I 2, 1). Also hatte Aristippos zunächst die Oberhand erlangt (Ed. Meyer 252), aber damit war die Gefahr für den Adel nicht beseitigt. Die gemäßigte Partei wandte sich an Sparta, das zur Hilfe bereit war. Aristippos fand nun Unterstützung bei Archelaos, der nach heftigem Kampfe Larisa besetzte. Da Sparta die Bildung einer starken Macht hier im Norden nicht dulden konnte, wäre es wohl zum Kriege gekommen, wenn Archelaos nicht ermordet worden wäre und Sparta in Kleinasien hätte eingreifen müssen. Wichtige Einzelheiten über diese thessalischen Ereignisse erfahren wir aus der Broschüre [Ἡρώδου] περὶ πολιτείας, die zuerst Köhler 504ff. für die Geschichte dieser Zeit herangezogen hat. Während Drerup (Stud. z. Gesch. u. Kult. d. Altert. II 1. 1908) sie in das J. 404 setzte, haben Ed. Meyer 267 und Beloch III 2² 17f. nachgewiesen, daß sie in die Zeit 400–399 gehört. Doch zeichnet Beloch III 1² 21ff. den Verlauf der Dinge anders als oben geschehen. Zu erwähnen ist noch, daß Archelaos in Larisa das Bürgerrecht erhielt (Herodes § 17), Perrhaebien zu M. zog [715] (Meyer 262), aber keinen Strategen in Larisa einsetzte (§ 29. Meyer 262, 1. Doch vgl. Beloch 24, 4). Zu dem entscheidenden Einfluß des Archelaos in Larisa stimmen auch die Notiz des Aristot. polit. V p. 1311 b, daß der Larisaier Hellanokrates sich an der Ermordung des Königs beteiligt habe, weil dieser sein Versprechen, ihn zurückzuführen, nicht erfüllt habe, sowie die Worte des Thrasymachos aus einer Rede ὑπερ Λαρισαίων (Clem. Alex. Strom. VI 2, 16): Ἀρχελάῳ δουλεύσομεν , Ἕλληνες ὄντες βαρβάρῳ. Zugleich wird durch die Rede des [Herodes] bewiesen, daß Archelaos während des dekeleischen Krieges Neutralität beobachtet (§ 19) und nach dem Fall Athens um die Aufnahme in den hellenischen Bund Spartas nachgesucht hatte (§ 24. Ed. Meyer 265ff.).
In der inneren Politik bemühte sich der König, sein Volk aus der Abgeschiedenheit herauszuführen und durch die griechische Kultur auf eine höhere Stufe emporzuheben. Seinen Bemühungen ist es wohl zuzuschreiben, wenn Philippos II. und seine Generale uns auch in den Reden seiner Gegner als hochgebildete Männer entgegentreten (Köhler 499). Archelaos verlegte jedenfalls die Residenz nach Pella, das damals noch am Meere lag (s. o. I und III 2 a), also in weit höherem Maße als Aigai geeignet war, der Mittelpunkt eines nach der Ägais gerichteten Reiches zu werden. Pella blühte schnell auf (Xen. hell. V 2, 13). Seinen Palast ließ er von Zeuxis mit Gemälden schmücken (Aelian. var hist. XIV 17), und sein Hof wurde der Mittelpunkt eines reichen geistigen Lebens (Suid. s. Χοίριλος. Vita bei Westermann Βιογρ. 88. Athen. VIII 345 d. Aelian. var. hist. XIII 4. Schol. Aristoph. Ran. 85. Plut. amator. 24). Besonders der Aufenthalt des Euripides hat den Ruhm des Königs als eines feinsinnigen Maecens erhöht (vgl. die Stellen bei Christ-Schmid Gr. Lit. Gesch I⁶ 350f. Geffcken Gr. Lit.-Gesch. I Anm. 173, 15. 16. Ridgeway The Class. Quarterly XX 1ff.). Euripides hat in M. die ‚Bakchen‘ gedichtet und seinen Gönner im ,Archelaos‘ gefeiert. In diesem Drama tritt uns zuerst die erweiterte Stammsage mit Karanos als Reichsgründer entgegen; Euripides hat ihm den Namen Archelaos gegeben (vgl. über den Inhalt Abel 93f. v. Gutschmid 118ff. Pack Herm. X 292ff. Köhler 499ff. Hoffmann 123ff.). Seitdem ist die Karanossage ein fester Bestandteil der makedonischen Gründungssage (vgl. Theopomp. frg. 29 Gr.-H.). Dabei ist sie lediglich eine Doublette der Perdikkas-Sage. Man wird nicht fehlgehen, wenn man diese Erweiterung auf den König zurückführt. Die Gründe hierzu sind nicht klar. Hoffmann 128 sah darin, daß der mythische Gründer von Aigai Reichsgründer und Ahnherr des Königshauses wurde, das Bestreben des Königs, Aigai für die Verlegung der Residenz nach Pella zu entschädigen. Doch ist Aigais Bedeutung schwerlich so groß gewesen, um den König zu einem solchen Schritt zu veranlassen. Wenn wirklich die Beziehungen der Karanossage zu der thessalischen Sage der Lapithen (vgl. M. Schmidt o. Bd. XII S. 785) so eng sind, wie Hoffmann glaubt, so könnte man eher vermuten, daß Archelaos durch diese Herübernahme des Karanos aus Thessalien seine Ansprüche auf Nordthessalien legalisieren wollte. Sicher ist auch, [716] daß unter Archelaos die makedonische Geschichtschreibung (d. h. griechische Geschichtschreibung über M.) für die bisherige Entwicklung ein festes Schema fand (vgl. Pack 298ff.). Weiter hat Archelaos in Dion am Olymp, einer Gegend, die seit alters als Sitz der Musen galt (Baege De Maced. sacris. Dissert. phil. Hal. XXII 1, 122ff. Kern Nordgriech. Skizzen 59ff.), σκηνικοὺς ἀγῶνας Διὶ καὶ Μούσαις gestiftet (Diod. XVII 16, 3; vgl.Arrian )anab. I 11, 1 [statt ,Aigai‘ muß ,Dion‘ stehen]. St. Byz. s. Δῖον. Demosth. XIX 192 und Ulp. dazu. Diod. XVI 55, 1. Dion Chrys. I 16 Arn. Baege 12. 122ff.). Das Fest wurde im Herbst gefeiert; ein bestimmter Zwischenraum läßt sich nicht feststellen (vgl. Köhler 499, 1). Die Dauer des Festes betrug neun Tage (Diod. XVII 16. Schol. Ulpian Demosth. a. O). Köhler 496 vermutete, daß im Zusammenhang mit diesen Olympien auch die Lustration des Heeres im Xandikos, die Xandika, eingeführt seien (vgl. darüber Nilsson Griech. Feste 404. Baege 223f.).
Archelaos fiel einer Verschwörung zum Opfer (Aristot. polit. V p. 1311 b. Aelian. var. hist. VIII 9. Plat. Alkib. II 141 d. Plut. amator. 23), an deren Spitze sein Liebling Krateuas stand, während Diod. XIV 37, 6 nur von einem Jagdunfall spricht. Sein Todesjahr ist durch den gleichzeitigen Tod des Sokrates auf 400/399 festgelegt (Diod a. O.); Syncell. p. 500 Dind. gibt ihm 14 Jahre. Die Zahlen ,15‘ bei Euseb. I 227 und ,7‘ bei Diod. a. O. sind abzulehnen. Da Perdikkas II. noch 414 lebte, ist mit Beloch 55 eine 14jährige Regierungsdauer als wahrscheinlich anzunehmen. Ihm folgte zunächst der Mörder, der sich aber nur ein paar Tage halten konnte (Aelian. a. O.). Die folgenden Jahrzehnte der makedonischen Geschichte sind voller Wirren, auch die Reihenfolge der Herrscher ist nicht mit voller Sicherheit festzustellen. Aber über die großen Züge der Entwicklung werden wir doch unterrichtet, und diese sollen hier mit wenigen Strichen gezeichnet werden. Der Tod des Archelaos mußte M. schwer treffen, da die neue Heeresformation noch nicht Zeit gehabt hatte, sich einzuleben, und gerade bei dem damaligen Zustande der griechischen Welt, in der sich überall der Widerstand gegen die Vorherrschaft Spartas regte und dieses auch in Asien in einen Krieg gegen Persien verwickelt wurde, eine feste Hand in M. besonders wichtig gewesen wäre. Dem Archelaos folgte nach der Beseitigung des Krateuas sein minderjähriger Sohn Orestes, über den Aëropos die Vormundschaft führte. Dieser soll dem lynkestischen Fürstenhause angehört haben (Kaerst o. Bd. I S. 679), aber Beloch 65 hat mit Recht darauf hingewiesen, daß dies nirgends überliefert wird und sehr unwahrscheinlich ist, weil Lynkestis damals so gut wie selbständig war (s. o.). Er wird also der nächstberechtigte Agnat des Königshauses gewesen sein. Die Chronographen geben dem Orestes 3 Jahre (Beloch 51), dem Aëropos 4–6 Jahre, Diod. a. O. 6 Jahre. Während Ed. Meyer G. d. A. V 300. 303 nach Diodor den Orestes sofort ermordet werden läßt und dem Aëropos 6 Jahre gibt, entscheidet sich Beloch 56 dafür, dem Orestes nach den Chronographen 3 Jahre und dem Aëropos 3 Jahre als Vormund und 3 Jahre als König zuzuteilen; jedenfalls hat Aëropos noch 394 auf dem Thron [717] gesessen (Polyaen. II 1, 17). Da statt Aëropos bei Syncell. 494 und sonst Archelaos steht, hatte v. Gutschmid 107 angenommen, Aëropos habe sich als König Archelaos genannt (vgl. Ed. Meyer 300); dem widerspricht, daß wir Münzen mit dem Namen Aëropos haben, die er doch nicht nur als Vormund geprägt haben kann, wenn dies überhaupt zulässig erscheint (Beloch 65. Head HN² 221). Orestes’ Name erscheint auf Münzen überhaupt nicht. Von Aëropos wissen wir nur, daß er beim Durchmarsch des Agesilaos durch M. noch König war (Polyaen. a. O.). Vgl. Kaerst a. O. Ihm folgte 394/3 sein Sohn Pausanias (Diod. XIV 89, 2), der nach einjähriger Herrschaft von Amyntas II. ermordet wurde; nach Beloch 56 sind allerdings der Mörder und Amyntas III. identisch und Amyntas II. ein Gegenkönig, den Diodor überhaupt nicht erwähne. Amyntas II. (s. Kaerst o. Bd. I S. 2006. v. Gutschmid 105f.) ist jedenfalls derselbe wie der von Aristot. pol. V p. 1311 b erwähnte, der von Derdas ermordet wurde; ein Sohn des Archelaos? (Aristot. a. O.). Auch er erhält von den Chronographen 1 Jahr. Also haben beide wohl von 394/3–392 regiert (vgl. Beloch 56. Ed. Meyer 303). Dann bemächtigte sich Amyntas III. der Herrschaft, ein Sohn des Arrhidaios und Urenkel des Alexandros I. (Syncell. 500. Syll.³ 135. 136), also nicht der Sohn eines Menelaos (Iustin. VII 4, 3. Aelian. v. h. XII 43). Die Chronographen geben ihm 18 Jahre, Diod. XIV 89, 2. 92, 3. XV 60, 3: 24 Jahre. Eine Entscheidung ist schwierig; Ed. Meyer 303 läßt ihn von 393/2–370/69, Beloch von 392-370 regieren, während v. Gutschmid ihn 389–369 ansetzt, offenbar zu kurz (vgl. Kaerst o. Bd. I S. 2006). Seine Regierung war zunächst schwierig, da vor allem die Illyrier sich die Wirren in M. zunutze machten. Auf der anderen Seite war Olynthos zu einem ansehnlichen Staatswesen emporgewachsen, das ganz natürlich bei jedem Versuch der Ausdehnung auf M. stoßen mußte (Ed. Meyer 301). Außerdem waren auch die inneren Verhältnisse noch keineswegs geordnet; ein Prätendent Argaios wird von Diod. XIV 92, 4 und den Chronographen mit 2 Jahren in die Regierung des Amyntas eingeschoben (etwa 384–382, vor dem olynthischen Kriege). Amyntas soll auch vertrieben worden sein, nach Diod. XIV 92, 3 und XV 19, 2 sogar zweimal; doch handelt es sich hier wohl um dasselbe Ereignis (Beloch 57f.). Um sich gegen die Illyrier halten zu können, schloß er um 389 mit Olynthos ein Schutz- und Trutzbündnis (Swoboda Arch.-epigr. Mitt. VII 1ff. = Syll.³ 135) und überließ der Stadt einen Teil seines Reiches (Diod. a. O.). Doch taten die Olynthier nichts, da ihnen die Notlage M.s nur willkommen war und sie selbst nach dem Besitz des Landes strebten (vgl. Xen. hell. X 2, 12). So scheint er zunächst den Illyriern unterlegen zu sein, und diese Zeit wird Argaios zu seiner Schilderhebung benutzt haben. Nachdem er den Frieden von den Illyriern durch Geld erkauft hatte (Diod. XVI 2, 2), gewann er, nach Diod. XIV 92, 3 mit Hilfe der Thessaler (falsch Demosth. XXIII 111 und Schol. Aischin. II 26) und nach Xen. hell. V 2, 38 wohl auch des Derdas von Elimeia, sein Reich zurück (vgl. Isokr. [718] VI 46 = Aelian. v. h. IV 8). Da Olynthos inzwischen mit der Eroberung M.s begonnen und bereits Pella und andere Städte erobert hatte, sich auch weigerte, das ihm überlassene Gebiet zurückzugeben, wandte sich Amyntas an die Spartaner, die die Machtbestrebungen der Olynthier mit Unbehagen verfolgten (Diod. XV 19, 3). So kam es zu der spartanischen Expedition nach Thrakien, die zu der Niederwerfung von Olynthos führte: 382–379 (Diod. XV 19–23. Xen. hell. V 2. 3; vgl. Ed. Meyer GdA V 302ff. Beloch III 1², 102ff.). Damit war M. von einem gefährlichen Gegner befreit, und Amyntas konnte seine Herrschaft als gesichert ansehen. Aus der letzten Zeit seiner Regierung stammt der Vertrag mit Athen (Syll.³ 157. Swoboda 41f.: um 373; Ed. Meyer 395: 375). In dieser Zeit trat Amyntas auch mit Iason von Pherai in Bündnis, wohl um sich von dieser Seite zu sichern (Diod. XV 60, 2); vgl. noch Kaerst a. O. Schäfer Demosth.² II 6ff.; über seine Münzen Head HN² 221f. Er starb 370/69 (Diod. XV 60, 3). – Ihm folgte sein Sohn Alexandros II. Er regierte nur ein Jahr, und zwar bis 369/8 (nicht 368/7, wie Diod. XV 71, 1: Beloch 61); die Dauer wird von Diodor und den Chronographen richtig angegeben (s. Kaerst o. Bd. I S. 1412). Auch er blieb wie sein Vater den Illyriern tributpflichtig (Iustin. VII 5, 1). Er wurde von den Aleuaden in Larisa gegen Alexandros von Pherai zu Hilfe gerufen; er kam und besetzte die Stadt mit Ausnahme der Burg. Dann eroberte er auch diese und Krannon, und zwar mit Hilfe der Aristokraten; aber er täuschte seine Verbündeten, legte Besatzungen in die Städte und behielt sie für sich (Diod. XV 61, 3-5). Auf das Hilfegesuch der Thessaler, die nun statt eines zwei Tyrannen hatten, schickten die Boioter 369 Pelopidas nach Thessalien und besetzten Larisa. Dann wurde dieser nach M. gerufen, wo inzwischen ein Prätendent Ptolemaios ὁ Ἀλωρίτης, der Buhle der Königinmutter Eurydike (Iustin. VII 4, 7. Abel 218f. Beloch 67), sich gegen Alexandros II. erhoben hatte. Pelopidas stiftete Frieden zwischen den Parteien und schloß mit dem legitimen König ein Bündnis; daß er bei seinem Abzug den Bruder des Königs, Philippos, als Geisel mitnahm (Diod. XV 67, 3. 4. Plut. Pelop. 26. Iustin. VII 5. 2), erscheint nach Aeschin. ΙI 26ff. ausgeschlossen: Ed. Meyer 439. Bald darauf (369/8) ermordete aber Ptolemaios der Alorite den König und ergriff als ἐπίτροπος des zweiten Königssohnes die Regierung (Diod. XV 71,1. XVI 2, 4. Aeschin. a. O. und Schol. Demosth. XIX 195. Iustin. VII 5, 4f. Marsyas FGrHist 135/6 F 11. Plut Pelop. 27. Liban. vit. Demosth. [Westerm. 296f.]): auch heiratete er Eurydike (Schol. Aesch. a. O.). Vgl. über Eurydike Macurdy Amer. Journ.of Philol. XLVIII 201ff. Gegen ihn erhob sich Pausanias (Aeschin. II 27: φυγάδος μὲν ὄντος), nach Diod. XVI 2, 6 τῆς βασιλικῆς συγγενείας, und drang vom Osten her mit einem Heere in M. ein, wo er starke Sympathien fand. Da rief Eurydike den attischen Feldherrn Iphikrates, den Amyntas III. an Sohnes Statt angenommen haben soll und der damals sich vor Amphipolis aufhielt, zu Hilfe. Iphikrates vertrieb, wohl in der Hoffnung, M. dadurch für Athen zu gewinnen, Pausanias und rettete [719] die Herrschaft für Ptolemaios. Trotzdem schloß dieser mit den Thebanern ein Bündnis, da er Athen wegen seiner Ansprüche auf Amphipolis nicht mit Unrecht für einen unbequemen Nebenbuhler M.s hielt (Aeschin. II 27ff. Plut. Pelop. 27. Nep. Iphicr. 3, 2). Unter den Geiseln, die nach dem Abschluß des thebanischen Bündnisses dem Pelopidas mitgegeben wurden, ist jedenfalls auch Philippos gewesen. Nach dreijähriger Regierung (Beloch 51) wurde Ptolemaios von dem jungen Könige Perdikkas III. ermordet: 365 (ebenso v. Gutschmid und Ed. Meyer): Diod. XV 77, 5. XVI 2, 4. Schol. Aeschin. II 19. Sync. p. 500 Dind. – Als Timotheos an die Stelle des Iphikrates trat, wurde der Krieg an der thrakischen Küste energischer in die Hand genommen 364 (Demosth. XXIII 149ff. Schol. Aeschin. II 31). Timotheos wandte sich zunächst gegen M., dessen Stellung für den Krieg gegen die Olynthier von großer Bedeutung war, nahm Methone S und Pydna – Methone muß also inzwischen makedonisch geworden sein – und brachte ein Bündnis mit M. zustande (Dinarch. I 14. Demosth. II 14. Polyaen. III 10, 14). Allem Anschein nach gehört hierher auch das athenische Ehrendekret für den Pelagonen Menelaos (Syll.² 174); ein Dekret der Ilier nennt den Namen seines Vaters: Μ. Ἀρραβαίου Ἀθηναῖον (Syll.³ 188). Zugleich erfahren wir aus der zweiten Inschrift, daß er inzwischen das athenische Bürgerrecht erhalten hatte. In dem attischen Dekret werden seine Verdienste im thrakischen Kriege gerühmt: αὐτὸν συνπολεμο[ῦντα] καὶ χρήματα παρέχοντα εἰς τὸν πόλεμον τὸν πρὸς Χαλκιδέας καὶ πρὸς Ἀμφίπολιν (Z. 7ff.). Wie aus der Heimatsbezeichnung hervorgeht, stammte er aus Lynkestis; seine Hilfe im Kriege und die hohe Ehrung läßt ihn als den Fürsten dieser Landschaft erscheinen (Beloch 76f.), und dazu stimmt der Vatersname. Denn oben sahen wir, daß zwei Fürsten des Namens Arrhabaios die Lynkestis regierten, einer zur Zeit des archidamischen Krieges und der zweite zur Zeit des Archelaos. So ist dieser Menelaos ohne Zweifel der Sohn des zweiten Arrhabaios. In welchen Beziehungen Lynkestis damals zu M. stand, ist unbekannt. Dieser Fürst Menelaos kann entweder vor und im Gegensatz zu M. athenischer Bundesgenosse geworden sein oder sich gleichzeitig mit seinem Oberherrn für Athen entschieden haben. Mir erscheint die erste Möglichkeit vorzuziehen. Philippos II. hat dann auch die Lynkestis mediatisiert: Menelaos erscheint um 350 als ἵππαρχος in athenischen Diensten (Demosth. IV 27). – Kaum war Timotheos nach Athen zurückgekehrt, als Perdikkas III. sich mit Amphipolis verbündete und zum Schutz eine Besatzung in die Stadt legte (Diod. XVI 3, 3 von Philipp: ἑκουσίως ἐξεχώρηςε τῆς πόλεως). Es stand mit der athenischen Sache so schlecht, daß der Nachfolger des Timotheos, Kallisthenes (362), mit Perdikkas einen Waffenstillstand schloß (Aesch. II 30), der vom Volke nicht genehmigt wurde. Doch konnte auch Timotheos gegen Amphipolis nichts ausrichten (Schol. Aesch. II 31. Polyaen. III 10, 8): 360 (über die Chronologie s. Beloch 246). Nachdem so die Lage im Osten sich günstig gestaltet hatte, scheint sich Perdikkas gegen die Illyrier, denen die makedonischen [720] Könige anscheinend seit Amyntas III. tributpflichtig waren (Diod. XVI 2, 2. Iustin. VII 5, 1), gewandt zu haben. Doch er wurde in einer großen Schlacht, in der 4000 Makedonen fielen, besiegt (Diod. XVI 2, 4. 5. Polyaen. IV 10. 1); er selbst wurde tödlich verwundet: 360/59 (vgl. über diese Zeit noch Schaefer Demosth. II² 7ff.). Damit schien für M. alles verloren: die Illyrier rüsteten sich zu einem großen Einfall, die Paionen brachen verwüstend in M. ein, Pausanias erschien wieder als Kronprätendent auf der Bildfläche, und zwar mit Unterstützung der Thraker, und die Athener liehen einem Prätendenten Argaios bewaffnete Hilfe; vielleicht war es derselbe, der schon einmal zur Zeit Amyntas’ III. M. beherrscht hatte. Endlich erhob auch der älteste Sohn Amyntas’ III. aus dessen erster Ehe, Archelaos, Ansprüche auf den Thron; der rechtmäßige König aber war ein Kind (Diod. XVI 2,6. Theopomp. frg. 31 Gr.-H.).
5. M.s Erhebung zur Großmacht. In dieser furchtbaren Not ist der jüngste Sohn Amyntas’ III., Philippos II., der Retter M.s geworden. Nach Karyst. frg. I (FHG IV 356) hatte Philippos von seinem Bruder ein Teilfürstentum erhalten. Mit einer für seine Jugend erstaunlichen Umsicht und Geistesgegenwart hat er zunächst die größten Gefahren beschworen. Er flößte den gänzlich entmutigten Makedonen die Zuversicht auf den Sieg ein, vermochte die Paionen durch Geldzahlung und gute Worte zu einem Frieden für den Augenblick und überredete den Thrakerkönig durch Geschenke dazu, den Prätendenten Pausanias fallen zu lassen (Diod. XVI 3, 1-4). Archelaos wurde gefangen genommen und hingerichtet (Iustin. VIII 3, 10). Argaios war durch den Rückhalt, den er an Athen hatte, besonders gefährlich. Der athenische Stratege Mantias landete mit 3000 Söldnern in Methone und schickte Argaios mit ihnen gegen Aigai, die alte Hauptstadt M.s. Aber hier fand Argaios keine Unterstützung; er mußte nach Methone zurück und wurde von Philippos auf dem Marsche überfallen, vernichtend geschlagen und zur Ergebung gezwungen (Diod. XVI 3, 5. 6). Nun verzichtete Philippos auf alle Ansprüche auf Amphipolis, aus dem er schon vorher seine Besatzung herausgezogen hatte (Diod. XVI 3, 3), entließ die Gefangenen und schloß mit Athen Frieden und Bündnis (Diod. XVI 4, 1. Demosth. II 6. XXIII 121): nach Theopomp. frg. 165 Gr.-H. hat Philippos den Athenern seine Mithilfe bei der Erwerbung von Amphipolis versprochen und dafür in einem geheimen Artikel die Rückgabe des einst makedonischen Pydna zugesichert erhalten. – So im Rücken gesichert, wandte sich Philippos nun gegen die anderen Feinde, um ihnen zu zeigen, daß M. unter kräftiger Leitung zur Selbstbehauptung stark genug und ihnen überlegen sei. Er rückte zunächst gegen die Paionen vor, also offenbar in das untere Wardartal und die begrenzenden Gebirgszüge, und zwang nach einem Siege die Paionen zur Unterwerfung. Sodann zog er εἰς τὴν τῶν Ἰλλυριῶν χώραν mit 10 000 zu Fuß und 600 Reitern. Vergebens bot der Illyrierkonig Bardylis (s. d.) einen Vergleich auf dem Grunde des gegenseitigen Besitzstandes an. In der Schlacht siegte Philippos glänzend, und die Illyrier räumten [721] das von ihnen besetzte makedonische Gebiet. Auch erkannten die Stämme bis zum Lychnitis (Ochridasee) die Herrschaft der Makedonen an (Diod. XVI 4, 2–7. 8, 1. Iustin. VII 6, 7). Beloch III 1² 226f. hat mit Recht diese Schlacht in die Ebene von Monastir gelegt und als Folge des Sieges auch die Einziehung der obermakedonischen Fürstentümer Lynkestis und Orestis betrachtet. Denn seit der Regierung Philipps hören wir von diesen Fürstentümern – auch von Elimeia nicht – nichts mehr, und wie oben gezeigt, war der letzte Fürst der Lynkestis 350 Hipparch in athenischen Diensten. Also wird Philippos den Krieg gegen die Illyrier, in dem diese Fürsten sich entweder an die Barbaren angeschlossen hatten oder vertrieben worden waren, zum Anlaß genommen haben, um diese Vasallenstaaten zu beseitigen und M. zu einem Einheitsstaate zu machen. Die Angehörigen der Fürstenhäuser verstand Philippos durch hohe Stellungen an sich zu ketten; eine ganze Reihe der bedeutendsten Generale Alexanders d. G. gehörte solchen fürstlichen Familien an. M. stand machtvoll da, in größerem Umfange als unter Alexandros I. und Archelaos, und die äußeren Verhältnisse waren weit günstiger als zur Zeit dieser Herrscher. Die griechischen Großmächte, vor allem Athen, waren nicht mehr imstande, im Umkreis des Agäischen Meeres ihre Vormachtstellung zur Geltung zu bringen. Sie waren in den ewigen Kämpfen miteinander so machtlos geworden, daß keine von ihnen einem kräftigen Angriff standhalten konnte, und sich zur Abwehr zusammenzuschließen verbot ihnen der Geist der Zwietracht und des Mißtrauens. Auch das Nachbarland Thessalien war seit dem Ende des 5. Jhdts. durch ewige Kämpfe zerrissen worden. Durch die Ermordung des Alexandros von Pherai (s. d.) 358 war nun die erste Macht Thessaliens schwer erschüttert worden, und die Aleuaden von Larisa, die um 400 schon einmal M. um Hilfe gebeten hatten, wandten sich an Philipp, da sie allein doch zu schwach waren, um die Gewaltherrschaft zu stürzen. Dieser erschien in Thessalien und verschaffte in siegreichem Kampfe mit den Tyrannen den Städten (gemeint sind wohl vor allem Larisa, Krannon und Pharsalos) ihre Freiheit; zugleich erwarb er sich damit die Zuneigung der thessalischen Adligen (Diod. XVI 14, 2. Iustin. VII 6, 8. Vgl. Theopomp. frg. 34. 35. 47 Gr.-H.). Mit Recht hat Beloch III 1² 228 diese Dinge etwa in das J. 358 gesetzt, nach dem illyrischen Siege. – Weit wichtiger waren für M. die Verhältnisse im Strymongebiet. Amphipolis versperrte M. jede Ausbreitung nach dem Osten, die in mehr als einer Hinsicht für ein lebensfähiges M. eine Notwendigkeit war. Perdikkas III. hatte, wie wir sahen, bereits in der Stadt festen Fuß gefaßt, aber Philippos hatte die Besatzung in der Bedrängnis der ersten Zeit wieder herausziehen müssen. Jetzt hielt er die Zeit für gekommen, Amphipolis endgültig zu unterwerfen. Trotz der jahrzehntelangen Verfeindung mit Athen rief die Stadt die Hilfe der Mutterstadt an (Demosth. I 8. II 6. Theopomp. frg. 43 Gr.-H.). Aber diese wies im Vertrauen auf Philippos’ Versprechen, die Stadt gemäß dem Friedensvertrag an Athen geben zu wollen, das Hilfsgesuch ab, da die [722] Stellung Athens am Hellespont gefährdet erschien (Demosth. II 6. VII 27. XXIII 116). Philippos eroberte Amphipolis, ließ aber Milde walten und legte nur eine Besatzung hinein, nachdem seine Gegner verbannt waren (Diod. XVI 8, 2. Syll.³ 194. [Demosth.] XII 20f.): 357/6. Da Philippos die Stadt für sich behielt – er konnte darauf hinweisen, daß ja Athen auch Pydna ihm nicht herausgab –, so bestand zwischen ihm und Athen jetzt Kriegszustand (Demosth. XXIII 107. Aesch. II 21. 70. III 54. Isokr. V 2. Syll.³ 196 Z. 41). Doch zu einer energischen Kriegführung konnten sich die Athener nicht aufraffen (vgl. Schaefer Demosth. II² 22f); Philippos kümmerte sich infolgedessen um die Athener nicht weiter, sondern nutzte die Gelegenheit, da Athen durch den Bundesgenossenkrieg reichlich beschäftigt war, dazu aus, sein Machtgebiet abzurunden. Er griff Pydna an und gewann die Stadt durch Verrat; hier wurde über die Bürger ein schweres Blutgericht abgehalten (Diod. XVI 8, 3. Demosth. I 5. 9. XX 63). Zugleich versöhnte er sich mit Olynthos und vermochte die Stadt zur Wiederaufnahme des Krieges gegen Athen, wohl um eine Verbindung beider Mächte, zu verhindern. Er ging um dieses Preises willen sogar so weit, den Olynthiern die alte makedonische Stadt Anthemus abzutreten und Poteidaia ihnen zuzusichern (Demosth. VI 20. II 14. Liban. ad Olynth. 7. Demosth. XXIII 107). Er opferte als Realpolitiker für den Augenblick etwas auf, was er später mit Zinsen zurückzugewinnen hoffen konnte. Dann galt es, Poteidaia den Athenern zu entreißen, das ihm und den Olynthiern in gleicher Weise ein Stein des Anstoßes war. Er eroberte die Stadt, schickte die Athener mit freundlichen Worten nach Hause, da er es mit Athen nicht verderben wollte. Die verödete Stadt übergab er mit dem Landgebiet den Olynthiern (Diod. XVI 8, 5); nach dem Schol. Demosth. VI 20f. ist die Stadt auch zerstört worden (vgl. noch Suid. s. Κάρανος, weitere Stellen bei Schaefer 25, 1). – Danach bot sich die Gelegenheit, von Amphipolis aus in das Minengebiet jenseits des Strymons vorzudringen, da die Kreniten, die Bewohner von Krenides, ihn gegen die Thraker zu Hilfe riefen. Er konnte so sein Reich bis zum Nestos ausdehnen (Steph. Byz. s. Φίλιπποι. Strab. VII 323. 331 frg. 35. Arrian. anab. VII 9, 3). In dieser Gegend gründete er dann eine neue Stadt Philippoi an Stelle des alten Krenides im Bezirke Daton (vgl. o. II D 5): Diod. XVI 8, 6. Steph. Byz. a. O. und s. Κρηνίδες. Strab. 331. frg. 34. Appian. bell. civ. IV 105. Noch Skyl. 67 nennt Amphipolis, Galepsos, Oisyme hellenische Städte in Thrakien; da die Küstenbeschreibung aus der Mitte des 4. Jhdts. stammt, ist die Eroberung des Küstenstreifens wohl kurz vor 350 zu setzen, vgl. Strab. VII frg. 35. Unger Philol. XXXIII 34ff, – Die überraschenden Erfolge des Königs brachten einen Bund der besonders bedrohten Nachbarn zustande: die Paionen, Thraker, Illyrier schlossen mit Athen 356/5 ein Bündnis zwecks gemeinsamer Kriegführung gegen Philippos, besonders zur Wiedereroberung des Minenbezirkes: die Urkunde über das Bündnis Athens mit dem Thraker Ketriporis, dem Paionen Lyppeios, dem Illyrier Grabos nennt Z. 45 ausdrücklich [723] Krenides (Syll.³ 196). Bei Diodor sind die Namen der Fürsten nicht genannt, XVI 22, 3. Philippos überfiel sie einzeln und zwang sie zur Unterwerfung (Diod. a. O. Vgl. Demosth. I 23. Isokr. V 21. Iustin. XII 16, 6. Plut. Alex. 3. Vgl. Beloch III 1² 230f.). Paionien erscheint seitdem als Vasallenstaat (Demosth. I 23), doch mit eigener Münzprägung, und ebenso sind die Agrianen wohl damals unter makedonische Herrschaft gekommen (Arrian. anab. I 5, 1ff.). In dieser Zeit hat Philippos unter Zustimmung des Adels und Volkes den Königstitel angenommen; der junge Amyntas IV. scheint aber auch weiter als König bezeichnet worden zu sein (Iustin. VII 5, 9f. IG VII 3055. Vgl. Beloch 232). – Als 354 der Thebaner Pammenes von Philippos den Durchmarsch nach Asien begehrte, geleitete ihn der König und besetzte dabei Abdera (Beloch III 2² 283 legt diese Ereignisse in das J. 347). Während ein Teil seiner Truppen von Chares geschlagen wurde, gelang es Philippos, mit seinen Schiffen zu entkommen (Polyaen. IV 2, 22. Demosth. XXIII 183). Doch wurde Neapolis, die Hafenstadt der Ebene von Philippoi, durch ein Bündnis mit Athen noch vor Philippos geschützt (Syll.³ 197). Nach der Rückkehr aus Thrakien wandte er sich gegen Methone, die einzige noch selbständige Stadt im eigentlichen M., in der Landschaft Pieria am Olymp. Nach tapferer Gegenwehr – der König verlor hier das rechte Auge (Didym. zu Demosth. XII 43ff. Strab. VII 330 frg. 22. VIII 374. Diod. XVI 34, 5. Iustin. VII 6, 14) – mußte die Stadt sich ergeben und wurde zerstört (Diod. XVI 31, 6. 34, 5. Strab. IX 436. Polyaen. IV 2, 15. Vgl. Demosth. IX 26); 354/53. Mit der Einnahme von Methone konnte Philippos seine nächste Aufgabe, die Befriedung M.s, Sicherung seiner Grenzen und Gewinnung der wichtigsten Grenzbezirke, als gelöst ansehen – nur Olynthos stand ihm noch im Wege, doch mußte er die Niederkämpfung dieses Gegners noch der Zukunft überlassen. Allein diese Kriegsarbeit war nicht seine einzige Aufgabe in dieser ersten Zeit gewesen. Ebenbürtig stellt sich neben diese Kämpfe die großartige Arbeit im Innern obwohl es kaum glaublich erscheint, daß Philippos in dieser Zeit andauernder Kämpfe noch Muße und Kraft zur Durchführung grundlegender Reformen hatte, so ist doch als sicher anzunehmen, daß die Umbildung des Heeres während dieser Kämpfe, wenigstens in ihren Hauptzügen, durchgeführt worden ist. Ohne hier auf Einzelheiten eingehen zu können, sei nur darauf hingewiesen, daß Philippos, das Werk seiner Vorfahren Alexandros’ I. und Archelaos’ vollendend, Reiterei und Fußvolk zu einer taktischen Einheit zusammengefaßt und das Fußvolk dem griechischen Söldnerheer ebenbürtig zur Seite gestellt hat. Neben die schwerbewaffnete Phalanx, deren gewaltige Stoßkraft er durch Einführung längerer Lanzen erhöhte, traten gleichberechtigt Leichtbewaffnete und Reiterei. Gerade die geniale Benutzung aller Waffen hat dem makedonischen Heere den Vorrang gegeben. Wertvollste Anregungen hatten gerade in dieser Hinsicht dem Könige die Strategie und Taktik des Epameinondas gegeben, die er bei seinem Aufenthalt in Theben aus nächster Nähe kennen gelernt hatte. [724] Dieses Heer, das in seinem Kern aus Makedonen bestand, wurde durch die Kriege geschult und abgehärtet, an Disziplin und Tapferkeit gewöhnt und mit unbedingter Treue zu seinem königlichen Kriegsherrn erfüllt. So schuf Philippos eine Waffe, die in der Hand eines geborenen Feldherrn unwiderstehlich sein mußte. Vgl. über die Reformen des Philippos II. Droysen Heerw. u. Kriegführ. d. Griechen (1889) 107ff. Delbrück Gesch. d. Kriegsk. I³ 167ff. Berve Das Alexanderreich I 103ff. – Unmittelbar nach der Einnahme von Methone 354 (vgl. zur Chronologie Beloch III 2² 262ff.) fand Philippos Gelegenheit, seinen Einfluß über die Grenzen seines Reiches nach Thessalien hinein auszudehnen[1]. Der Heilige Krieg gegen die Phoker (357 bezw. 355–345) hatte auch Thessalien in Mitleidenschaft gezogen und zunächst die streitenden Parteien versöhnt. Aber bald brach der alte Gegensatz zwischen Larisa und Pherai wieder aus. Die Aleuaden riefen wieder wie schon einmal Philippos zu Hilfe, während die Tyrannen von Pherai sich an die Phoker wandten. Philippos besiegte das phokische Hilfskorps unter Phayllos (Diod. XVI 31, 6); doch der gesamten Macht der Phoker unter Onomarchos war er nicht gewachsen und wurde in zwei Schlachten geschlagen (Diod. XVI 1–3). Philippos ging wohl noch 354 nach M. zurück. 353 erschien er wieder in Thessalien, wo ihm der Oberbefehl über das thessalische Aufgebot übertragen wurde. Er eroberte Pagasai und besiegte Onomarchos in einer entscheidenden Schlacht; der phokische Führer selbst fiel (Diod. XVI 35, 4-6. Weitere Zeugnisse bei Beloch III 1² 476f. Schaefer Demosth. I² 504ff., der die Schlacht 352 ansetzt). Nun ergab sich ganz Thessalien bis auf Halos dem makedonischen Könige. Die Tyrannis war gestürzt, Thessalien frei; das Land hielt seitdem treu zu M. Damit hatte Philippos seine Macht außerordentlich erhöht, zumal ihm seitdem die vorzügliche thessalische Reiterei zur Verfügung stand. Er legte in einige Städte wie Pagasai Besatzungen und ging dann zum Angriff gegen Phokis selbst vor. Hier aber gebot ihm ein bedeutendes Heer der Phoker und ihrer Verbündeten Halt, und Philippos war klug genug, nicht durch einen aussichtslosen Angriff alles aufs Spiel zu setzen (Diod. XVI 37, 3. 38, 1). Der Krieg mit Athen ging weiter, da Athen auf Amphipolis nicht verzichten wollte. Doch veranlaßte Philipps wachsende Macht den Thraker Kersebleptes zum Anschluß an Athen; er überließ die Städte auf dem Chersones außer Kardia den Athenern, die Kleruchen dorthin sandten (Diod. XVI 34, 3. Beloch 489); 352. Auch Hilfe zur Eroberung von Amphipolis sagte Kersebleptes zu (Demosth. XXIII 14). Über die Ehren, die dafür seinem Günstling Charidemos zuteil wurden, vgl. Demosth. XXII a. v. St. Dafür schlössen sich andre Thrakerfürsten, die bisher athenerfreundlich gewesen waren, an Philippos an, so Amadokos (Theop. frg. 99 Gr.-H.) und wahrscheinlich auch Ketriporis (Beloch 490, 2). In derselben [725] Zeit scheint Philippos jenseits des Lychnitis mit Kämpfen gegen die Illyrier beschäftigt gewesen zu sein (Demosth. I 13. IV 48). Nach Isokr. V 21 hat er sie unterworfen mit Ausnahme der Anwohner des Adriatischen Meeres, und nach Arrian. anab. I 5, 1 war Kleitos, der Sohn des Illyrierkönigs Bardylis, Vasall des Makedonenkönigs (352). Dann wandte sich Philippos gegen Epeiros (vgl. über die Verhältnisse dort Beloch 490f. Klotzsch Epirot. Geschichte [Berlin 1911] 56ff.). Hier hatte Arybbas (s. d.) die ganze Gewalt an sich gebracht und die eine Tochter seines verstorbenen Bruders, Olympias, 357 Philippos zur Gemahlin gegeben in der Hoffnung, an ihm eine Stütze zu finden (Iustin. VII 6, 10. Plut. Alex. 1. 2). Jetzt zwang Philippos den Arybbas, ihm den jungen Alexandros zur Erziehung zu übergeben, und erkannte ihn nur bis zu dessen Großjährigkeit als Regenten an (Iustin. VII 6, 4ff. Demosth. I 13). Beloch III 2², 180f. schließt aus der Tatsache, daß während des Krieges zwischen Arybbas und Bardylis Parauaia offenbar noch nicht makedonisch war, während sie 317 (Plut. Pyrrh. 2) und sicher 294 (Plut. Pyrrh. 6) als makedonisch erscheint, auf die Abtretung der Landschaft an M. 352. - Im nächsten Jahre (351) griff Philippos Thrakien an und drang bis zur Propontis vor, wo er Heraion Teichos belagerte; Kersebleptes konnte sich gegen ihn im Felde nicht behaupten (Demosth. I 13. III 4. Theop. frg. 99 Gr.-H.). Mit Perinthos und Byzantion trat er in freundschaftliche Beziehungen (Demosth. IX 34: ἐπὶ Βυζαντίους ... συμμάχους ὄντας. Vgl. XVIII 87. 93. Schol. Aeschin. II 81). Nur eine Krankheit des Königs rettete damals den Chersones den Athenern (Demosth. III 4f.). – Die gewaltige Macht, die nun hinter dem Könige stand, mußte besonders in den Chalkidiern schwere Besorgnisse erwecken. Gebot Philippos doch jetzt über ein Reich, das fast vom Adriatischen Meere bis zum Hellespont, von den nördlichen Gebirgszügen bis zu den Toren Griechenlands reichte. Olynthos stand mit M. im Bunde; es war bisher seine Hauptsorge gewesen, Athen, den alten Feind, ganz von der thrakischen Küste zu verdrängen. Jetzt war dieses Ziel wohl erreicht, aber der Bundesgenosse war so mächtig geworden, daß die Chalkidier allen Grund hatten, vor seinen ehrgeizigen Plänen sich in acht zu nehmen. Denn Philippos mußte ja aus makedonischem Interesse nach dem Besitz der Chalkidike streben, die seinem Reiche mitten vorgelagert war. Solange hier eine unabhängige Macht bestand, war das makedonische Reich ständig bedroht, und zwar war es der Kern des Landes, der jedem Angriff von dorther offen lag. Auch der Verkehr zur See erheischte die Herrschaft über die Küstengewässer. Nicht ohne Grund hat Kassandros seine neue Hauptstadt Kassandreia an die Stelle des alten Poteidaia gelegt und als wirtschaftliches Zentrum Thessalonike gegründet, das ohne die Chalkidike an der Grenze gelegen hätte. Über kurz oder lang mußte es also für Olynthos zum Kampf auf Leben und Tod mit M. kommen (vgl. Schaefer a. O. II² 118ff.). So näherte sich die Stadt Athen, der einzigen Macht, die dank ihrer Flotte noch helfen konnte (Demosth. III 7. XXIII 107–109). Doch gab es auch in Olynthos eine Partei, die [726] für Anschluß an M. eintrat, da nur so eine Katastrophe vermieden werden könnte (Demosth. IX 56); es gelang ihnen denn auch, ihren Hauptgegner Apollonides in die Verbannung zu schicken (Demosth. IX 56. 66). Philipps Geld hatte das Seinige dazu beigetragen (Demosth. XIX 265). Noch kam es nicht zum Kriege; vielmehr muß Philippos damals den Olynthiern gegenüber sich zu rechtfertigen gesucht haben (Demosth. IX 11). Erst 349 ist Philippos gegen Olynthos vorgegangen (vgl. über die Chronologie Beloch III 2² 277ff. Rehm Silvae Monacenses 61ff.). Beim ersten Angriff fielen sofort fast alle chalkidischen Städte in seine Gewalt (Demosth. XIX 266. Diod. XVI 52, 9. Philoch. frg. 132 [FHG I 405]). Das Bündnis zwischen Athen und Olynthos wurde geschlossen, und sofort ging eine athenische Flotte mit 200 Söldnern nach Olynthos ab (349). Aber trotzdem Athen noch zweimal Verstärkungen schickte, war das Schicksal von Olynthos doch besiegelt: nach der Einnahme von Torone und Mekyberna wurde die Stadt selbst belagert und erobert, ehe die dritte athenische Hilfssendung kam. Die Stadt wurde dem Erdboden gleichgemacht, die Einwohner fortgeführt, das Gebiet aufgeteilt. Seine Stiefbrüder ließ Philippos hinrichten (Iustin. VIII 3, 10. Oros. III 12). Die übrigen Städte der Chalkidier wurden zu gleichen Rechten in den makedonischen Staatsverband aufgenommen: 348 (die wichtigsten Zeugnisse sind neben Demosth. I–III: Diod. XVI 53. Philoch. frg. 132. Beloch III 1² 495ff.). In Alexanders d. Gr. Heer gab es Ilen aus Apollonia (Arrian. anab. I 12, 7), aus Anthemus (Arrian. II 9, 3), aus Bottiaia (I 2, 5). – In der gleichen Zeit war Philippos auch an den Kämpfen auf Euboia beteiligt, die diese wichtige Insel den Athenern entreißen sollten (über die Chronologie Beloch III 2² 278ff. Kahrstedt Forsch. zur Gesch. des 5. und 4. Jhdts. 58ff.). Es ist sicher, daß Philippos diese Unruhen wenn nicht hervorgerufen, so doch geschürt hat, um Athen anderweit zu beschäftigen. Dieses hat ein Heer nach Euboia hinübergeschickt und schließlich die Insel noch einmal für Athen gerettet: die Euboier mußten um Frieden nachsuchen (Aeschin. III 86ff. s. Geyer o. Suppl.-Bd. IV S. 441f. Kahrstedt 54ff. Schaefer II² 78ff.). – Bald darauf ist es zwischen Philippos und Athen zur Verständigung gekommen. Beide Parteien sahen ein, daß der Kriegszustand zu nichts führen konnte. Athen war durch die Kriege seit 359 schwer mitgenommen, und Philippos konnte nicht wünschen, mit Athen dauernd auf dem Kriegsfuß zu stehen. Athen war immer noch bei weitem die erste griechische Seemacht, und wenn Philippos eine Einigung Griechenlands unter seiner Führung erstrebte, so war ein freundliches Verhältnis zu Athen der Erreichung des Zieles dienlicher als der Kriegszustand (vgl. Aesch. II 12ff). Angebote 0 des Königs fanden in Athen freundliche Aufnahme, und eine Gesandtschaft, der Demosthenes, Philokrates und Aischines angehörten, ging nach Pella. Bekanntlich besitzen wir über diese Verhandlungen die beiden Reden des Demosthenes (XIX) und Aischines (II) (Beloch Att. Politik 190ff. und Griechische Geschichte III 1² 503f. Kahrstedt 127ff. Pokorny Studien zur griech. Geschichte im 6. und 5. Jahrzehnt des 4. Jhdts. [727] 139ff. Schaefer II² 192ff.). Zum Abschluß des Friedens schickte Philippos dann Gesandte nach Athen, unter ihnen Parmenion und Antipatros (Demosth. XIX 69. Aeschin. III 72). 346 wurde der Friede in Athen angenommen und beschworen. Er wurde auf Grund des gegenseitigen Besitzstandes abgeschlossen und enthielt zugleich eine Garantie dieses Besitzstandes für die beiden Vertragschließenden und ihre Bundesgenossen. Ausgenommen waren zunächst Halos und die Phoker; doch wurde die Klausel in bezug auf die Phoker auf Verlangen des Volkes gestrichen. Hinzugefügt waren Bestimmungen über die Sicherung des Meeres ([Demosth.] XII 2). Sämtliche Quellenstellen über den Vertrag hat v. Scala Staatsvertr. d. Altert. I nr. 204 S. 206ff. übersichtlich zusammengestellt. – Dieser Friede des Philokrates wurde sodann vor einer zweiten athenischen Gesandtschaft vom Könige beschworen. Philippos hatte die Zwischenzeit zu einem Feldzuge gegen Kersebleptes benutzt, der zur Ergebung gezwungen wurde; dabei wurde eine Reihe von Kastellen von den Makedonen genommen (Aesch. II 81ff. III 82. Demosth. IX 15. XIX 156. 334). In Pella waren (nach Aesch. II 112) die Gesandten beinahe ganz Griechenlands zusammengeströmt. Es war nicht mehr zu verkennen, daß der Makedonenkönig die erste griechische Macht geworden war. Zu einer Einigung über die weiter zu verfolgende Politik kam es aber zwischen M. und Athen nicht. Während Aischines für ein enges Zusammengehen war (Aeschin. II 103ff. 114ff.), lehnte sich Demosthenes gegen jede Bindung auf, bei der Athen den kürzeren ziehen mußte (Demosth. XVIII 66f. Beloch III 1² 506f.). Aischines war bereit, Theben zu opfern, Demosthenes erstrebte gerade ein Bündnis mit dieser Stadt. So vereitelte er weitere Verhandlungen (Aesch. II 1061.). Philippos behandelte dagegen die Gesandten sehr zuvorkommend und gab ihnen ein freundliches Schreiben mit (Demosth. XIX 40). Auch die Thessaler beschworen in Pherai den Vertrag (Demosth. 158), and die Gesandten vermittelten zwischen Halos und Philippos den Frieden (Demosth. 36. 39. Vgl. Strab. IX 433). In Athen fruchteten Demosthenes’ Versuche, die Gesandten des Verrates zu bezichtigen, nichts; vielmehr wurde der Vertrag auch auf die Nachkommen Philipps ausgedehnt (Demosth. 48. 56. VI 31). – Durch den Frieden wurde die Beendigung des Heiligen Krieges in Philipps Hände gelegt. Phalaikos kapitulierte und übergab die festen Plätze an Philippos: 346 (Diod. XVI 59). Philippos rückte in Mittelgriechenland ein; Athen schaltete sich selbst aus, und so mußte sich Philippos auf Theben stützen. Bei der Amphiktionenversammlung wußte Philippos eine zu schwere Bestrafung der Phoker zu verhindern. Ohne auf die näheren Bestimmungen der Beschlüsse einzugehen, sei nur noch hervorgehoben, daß Philippos in den Amphiktionenrat aufgenommen wurde (vgl. die Zeugnisse bei Beloch III 1² 510ff. Pomtow o. Bd. IV S. 2681ff). Die Panik, die auf die Nachricht von Philipps Einmarsch in Mittelgriechenland ausgebrochen war, suchte Philippos zu beschwichtigen (Demosth. XVIII 37ff.). Doch ließ sich Athen bei den Pythien des J. 346 nicht vertreten (Demosth. 128). [728] Philippos forderte durch eine Gesandtschaft Genugtuung (Demosth. 111), und der Beredsamkeit des Demosthenes, der einen Krieg in diesem Augenblick, wo besonders Theben und Thessalien gegen Athen aufs höchste erregt waren, auf jeden Fall verhindern wollte, gelang es, das Volk zur Anerkennung der Stellung Philipps zu bewegen (vgl. Demosth. V). – Philippos hatte so die maßgebende Stellung in Griechenland gewonnen. Athen und Theben hatten seine Vormachtstellung anerkennen müssen, und der Besitz der Thermopylen ermöglichte es ihm, jederzeit ein Heer in Hellas einrücken zu lassen. Schon gab es unter den Griechen Männer, die in ihm den Einiger und Retter Griechenlands erblickten, so vor allem Isokrates. Er erblickte die Aufgabe des griechischen Hegemon in dem Kampfe gegen Persien (vgl. über Philippos und Isokrates Münscher o. Bd. IX S. 2185ff. Ed. Meyer Kl. Schr. II 101ff. Geyer N. Jahrb. III [1927] 530). Beloch III 1² 525ff. weist darauf hin, unter wie günstigen Umständen um diese Zeit während des Aufstandes in Ägypten, Phönikien, Kypros, Kleinasien ein Angriff auf Persien hätte unternommen werden können. Und wenn auch Philippos die Schaffung eines Weltreiches fernlag (s. Ed. Meyer Blüte u. Niedergang d. Hellenism. 9. Geyer 531f.), so mußte ihm doch klar sein, daß ein griechich–makedonisches Reich ohne Kleinasien nicht lebensfähig war (Demosth. X 32 mit Schol. Didym ad Demosth. VI 55. VIII 30). Aber noch war die Stellung Philipps in Europa nicht gefestigt genug. So unternahm er zunächst einen Kriegszug gegen die Dardaner und Illyrier nördlich vom Lychnitis: 344 (Diod. XVI 69,7; vgl. 93. Trogus prol. VIII. Iustin. VIII 6,3. Demosth. XVIII 44. Vgl. Beloch 528, 1. Ed. Meyer 104 ff.). Wenn ich o. II E Herakleia in Lynkestis (Monastir) nach Steph. Byz. als Gründung Amyntas’ II. bezeichnet hatte, so möchte ich mich jetzt Belochs (528, 2) Vorschlag anschließen, in diesem Herakleia eine Gründung Philippos’ II. zu sehen (er verweist auf Iustin. VIII 5, 7-9. 6, 1. Demosth. IV 48). Abgesehen davon, daß es einen König Amyntas τὸν Φιλίππου nicht gegeben hat, ist kein makedonischer König vor Philippos Herr von Lynkestis gewesen. – In Thessalien wurde Philippos 344 zum Archon gewählt (vgl. Diod. XVII 4, 1: τὴν πατροπαράδοτον ἡγεμονίαν. Iustin. XI 3, 2: exemplo patris dux universae gentis creatus); er beseitigte die ihm mißliebigen Machthaber (Diod. XVI 69, 8. Vgl. Demosth. XVIII 48), beeinflußte die Wahl der Tetrarchen (Theop.frg. 201 Gr.-H. Demosth. IX 26. Beloch 529, 3) und scheint durch Verfügungen eingegriffen zu haben (Demosth. IX 33: γράφει δὲ Θετταλοῖς ὃν χρὴ τρόπον πολιτεύεσθαι). Einige Städte erhielten Besatzungen (Demosth. XIX 260: τὰς γὰρ ἀκροπόλεις αὐτῶν ἐνίων Μακεδόνες φρουροῦσιν), darunter vor allem Pherai (Demosth. VII 32. IX 12. X 10). Doch hat er offenbar nicht ohne Zustimmung der Bundesversammlung Krieg führen dürfen (Aeschin. III 161. Demosth. XVIII 147). Seitdem ist Thessalien ein Bestandteil des makedonischen Reiches geblieben. Ob Philippos in den Städten Dekarchien aus ihm ergebenen Männern eingesetzt hat (Demosth. VI 22: δεκαδαρχίαν) oder hier ein Schreibfehler für τετραρχίαν vorliegt, ist strittig (s. Ed. Meyer 107, 3 [729] Busolt-Swoboda Griech. Staatskde. II 1489. Beloch 529, 3. Kaerst Gesch. d. Hellenismus I² 243, 2). Von den Umwohnern Thessaliens sind die Magneten, Perrhaiber und phthiotischen Achaier untertänige Bundesgenossen Philipps geworden; Pagasai und der größte Teil von Magnesia wurde sogar ganz M. einverleibt (vgl. darüber Busolt-Swoboda 1488). – Die Gewinnung Thessaliens war eine wichtige Etappe auf dem Wege zur griechischen Hegemonie. Es ist deshalb verständlich, daß Philippos dies auch äußerlich zum Ausdruck brachte. Allan B. West (Numism. Chr. 1923, 177ff.) hat nachweisen zu können geglaubt, daß Philippos zwar Silber nach phönikischem Fuß geprägt hat, von 344 an aber Goldstücke nach attischem Fuß hat schlagen lassen: ein Zeugnis für die Bedeutung, die er dem Anschluß Thessaliens beilegte. – Nach der von Beloch III 2² 288ff. festgestellten Chronologie für die J. 346–336 ist 344 Artaxerxes III. mit dem Reichsheer gegen Phönikien und Ägypten aufgebrochen; die Aufforderung, die er an Athen richtete, Hilfstruppen zu stellen, wurde zurückgewiesen (Didym. ad Demosth. VIII 5ff. Diod. XVI 44, 1 [Demosth.] XII 6 [Anaximenes]). Bald darauf trübten sich aber wieder die Beziehungen zwischen Philippos und Athen (Demosth. VI). Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß die Erfolge Artaxerxes’ III. und die dadurch wieder gefestigte Machtstellung des Perserreiches in Athen neue Hoffnungen erweckte (vgl. Beloch III 2², 290). Demosthenes wurde in den Peloponnes geschickt, um dort gegen Philippos zu hetzen; dieser war mit Recht über diese unfreundliche Handlungsweise erzürnt. Die Gesandtschaft des Demosthenes blieb jedoch ohne Erfolg, da Sparta gegen Messenien und Megalopolis vorging und Athen seinen Bund mit Sparta nicht lösen wollte. Messenien und Megalopolis sahen also ihren Rückhalt in Philippos. Dieser entsprach natürlich ihrem Hilfsgesuch und verlangte von Sparta Anerkennung Messeniens. Zugleich ging eine Gesandtschaft nach Athen: 343. Athen erklärte sich zur Neutralität bereit (Demosth. VI und die Hypothesis. Theop. frg. 166. 167 Gr.-H. Demosth. XIX 261) Im Anschluß daran erbot sich Philippos zu Abänderungen des bestehenden Vertrages (Demosth. VII 20ff. XVIII 136. VI 18 [Anaximenes]). Inzwischen war Artaxerxes III auch die Eroberung Ägyptens gelungen, und das Perserreich stand jetzt mächtiger da als je. Es ist also natürlich, daß Philippos alles daran setzte, um mit Athen zu einem vollen Einvernehmen zu gelangen, und Athen seinerseits an dem Perserkönig eine Stütze gegen M. zu finden hoffte. Deshalb fand Philippos’ Annäherungsversuch Ablehnung, und die Beziehungen zwischen ihm und Athen erkalteten (Demosth. XVIII 136. XIX 331. Anaximenes] XII 20). Eine Folge hiervon war Philipps Eingreifen auf Euboia, wo in Eretria und Histiaia mit makedonischer Hilfe die Oligarchen ans Ruder kamen (Geyer Suppl.-Bd. IV S. 380. 442. 753). Auch in Megara suchte der König die Gegner Athens zur Herrschaft zu bringen, wenn auch vergeblich (Demosth. XIX 294f. Beloch III 1² 542): 343. Demosthenes ging jetzt gegen die Parteigänger Philipps vor, Philokrates wurde wegen Hochverrats verurteilt, dagegen Aischines freigesprochen (Demosth. XIX. Aesch. II). In zwischen [730] hatte Philippos in Epeiros eingegriffen, Arybbas vertrieben und seinen Neffen Alexandros als König eingesetzt (nach Beloch: 342): Diod. XVI 72, 1; vgl. Iustin. VII 6, 12. Von hier aus suchte er auch Ambrakia zu gewinnen, um so dem nun eng an M. angeschlossenen Epeiros die unbedingt notwendige Hafenstadt zu verschaffen. Korinth, Kerkyra, Akarnanien suchten Anschluß an Athen, und dieses schickte Truppen nach Akarnanien. während Demosthenes sich nach Ambrakia begab (Demosth. XLVIII 24ff. IX 72. XVIII 237. 244). Größere Erfolge hatte Demosthenes auch im Peloponnes, wo selbst Argos, Megalopolis, Messene mit Athen Bündnisse schlossen (Demosth. IX 72. XVIII 237. Aesch. III 97. Schol. Aesch. III 83: 343/2. IG II² 225). Philippos stand deshalb von seinen Plänen ab und schloß nur mit den Aitolern ein Bündnis (Demosth. IX 34. Vgl. Philoch. frg. 135 [FHG. I 406]). Trotzdem mußten die Verhandlungen mit Athen als aussichtslos abgebrochen werden (342: Beloch III 1² 547). – Wichtiger sind für die Geschichte M.’s die Feldzüge Philipps in Thrakien. Bei der Nachbarschaft des wieder erstarkten Perserreiches war die Herrschaft über Thrakien besonders wichtig. Es scheint auch, als ob der Perserkönig in einem Vertrage mit Philippos Thrakien ausdrücklich als makedonische Interessensphäre anerkannt habe (Arrian. anab. II 14, 2. 5). Kersebleptes hatte sich Übergriffe gegen Griechenstädte erlaubt, und Philippos ruhte nicht eher, als bis das ganze Gebiet unterworfen war; die Thraker mußten den Zehnten zahlen: 342/1. Philippos gründete eine Reihe wichtiger (ἀξιόλογοι) Städte, vor allem wohl Philippupolis (Steph. Byz. Dexippos [FGrHist 100 F 27. Bd. II A S. 470]). Der Getenkönig trat zu Philippos in freundschaftliche Beziehungen (Satyros frg. 5 FHG III 161), und die Griechenstädte traten in Bündnis mit ihm (Diod. XVI 71, 1. 2. Iustin. IX 2, 1: Apollonia). Byzantion fühlte sich ernstlich bedroht (Demosth. VIII 14). Demosthenes gelang es nun, Athen durch einen Angriff auf Kardia und Verletzung des thrakischen Gebietes zu offenem Bruch mit Philippos zu treiben (Demosth. VIII. XII [Anaximenes] 3. 11. 16. V 25): 341. Er selbst ging nach dem Hellespont und schloß hier mit Byzantion ein Bündnis (Demosth. IX. Vgl. XVIII 302. Westermann Βιογρ. 290f.) und trat auch mit dem Großkönig in Verbindung (Demosth. IX 71. X 32 II. Aesch. III 238. Westermann 289. 312. Über die Beziehungen des Demosthenes zu Persien vgl. Kahrstedt Forschungen 1ff. Drerup Stud. z. Gesch. d. Altert. VIII 3/4 S. 143ff.). In derselben Zeit gelang es auch, in Euboia die athenischen Parteigänger wieder zur Herrschaft zu bringen; allerdings schlossen sich die euboiischen Städte zu einem Bunde zusammen, der nun seinerseits mit Athen in Bündnis trat. Die Insel war wohl von Philippos befreit, aber doch selbständig geworden näheres bei Geyer Suppl.-Bd. IV S. 381. 442. 753). Athen ging weiter. Hatte es schon 342 versucht, Magnesia zum Abfall zu bringen (Schol. Aesch. III 83), so besetzten jetzt die Euboier auf attischen Trieren Orte am Pagasäischen Meerbusen ([Demosth.} XII 5). 340 schloß Athen dann einen Bund mit einer ganzen Reihe von Städten und setzte bestimmte Kriegsleistungen fest (Demosth. XVIII 237. Aesch. [731] III 95ff. Westermann 291): 340. – Indessen hatte Philippos den Angriff gegen Perinthos begonnen, wobei er nach Möglichkeit das attische Gebiet schonte, (Demosth. XII 16. XVIII 139). Doch konnte er die Stadt nicht vom Meere abschneiden, und so mußte er die Bestürmung abbrechen, zumal auch der persische Satrap Arsites eingriff (Diod. XVI 75, 1. Arrian. II 14, 5. Paus. I 29, 10). Da besonders Byzantion Hilfe gesandt hatte, wandte er sich jetzt gegen diese Stadt (Diod. XVI 74–76. Demosth. XI 5). Nun erklärte Athen dem Könige offen den Krieg und beschloß Absendung einer Flotte (Demosth. XI und XII [Anaximenes]. Diod. XVI 77, 2. Philoch. frg. 135: 340/39). Byzantion erhielt von Athen, Chios, Rhodos und Kos energische Hilfe; Philippos, dem es gelungen war, eine große Handelsflotte fortzunehmen, wurde zur See geschlagen und mußte schließlich die Belagerung aufgeben (vgl. vor allem Diod. XVI 77. Plut. Phok. 14. Hesych. Miles. 26-29. FHG IV 151f. Dionys. Byz. frg. 41. 66 [Geogr. Gr. min. II 50. 92], Didym. ad Demosth. X 45ff. Iustin. IX 1, 6. Weitere Stellen bei Beloch III 1² 556f.). Er blieb noch in Thrakien und drang 339 bis zur Donau vor, besiegte die Skythen und auf dem Rückwege auch die Triballer und sicherte dadurch seine thrakischen Besitzungen (Trog. prol. IX. Iustin. IX 2. X 1-3). – Demosthenes hatte inzwischen alle Vorbereitungen zum Kriege getroffen. Da er wußte, daß Athen mit seinen Bundesgenossen außerstande war, M. in offenem Kampfe entgegenzutreten, setzte er alles daran, Theben zu gewinnen, während Philippos es zum Bruche zwischen Athen und Theben bringen wollte. Wie es darüber zum Heiligen Kriege gegen Amphissa und schließlich zum überraschenden Einmarsch des eben aus dem Norden zurückgekehrten Königs gekommen ist, gehört nicht hierher. Als Philippos wohl im Spätherbst 339 Elateia in Phokis besetzt hatte, gelang es Demosthenes, die Mobilmachung und eine Gesandtschaft unter seiner Führung nach Theben durchzusetzen (Demosth. XVIII 169–179. Diod. XVI 84. 85). Philippos war zu weitgehenden Zugeständnissen bereit, wenn Theben sich ihm anschloß oder wenigstens den Durchmarsch gestattete (Philoch. frg. 135. Didym. ad Demosth. XI 40ff. Plut. Demosth. 18. Demosth. XVIII 211ff.). Doch entschieden sich die Thebaner für Athen, da sie bei einem Siege Philipps doch nur Bundesgenossen zweiten Ranges geworden wären (s. o. Dazu Aesch. III 137ff. Iustin. IX 3, 5). So kam es 338 zu dem entscheidenden Waffengange, der durch den Sieg bei Chaironeia Philippos den Weg zur Einigung Griechenlands unter seiner Führung ebnete (vgl. über Feldzug und Schlacht Kromayer Ant. Schlachtf. I 130ff. Kaerst Gesch. d. Hellen. I² 258ff. Beloch III 1² 566ff.). Theben mußte nach der Niederlage die Bedingungen des Königs annehmen und die Kadmeia einer makedonischen Besatzung übergeben (Diod. XVI 87, 3. Paus. IV 27, 10. IX 1, 8. 37, 8. Iustin. IX 4, 6ff. Kaerst 263f.). Athen dagegen war zur Verteidigung bereit und imstande; aber die Männer, die von einem Krieg bis zum Äußersten im Hinblick auf die Überlegenheit des Königs zu Lande und auf die zahlreichen Gefangenen sich nichts versprachen, gewannen die Oberhand. Philippos bot die Hand zum Frieden, [732] da Athen immer noch die stärkste Seemacht war und eine Belagerung wenig Aussicht bot; zudem drohte bei Fortführung des Krieges der Anschluß Athens an Persien. So kam es unter Vermittlung des Demades zum Frieden: Athen mußte seinen Seebund auflösen und sich verpflichten, dem hellenischen Bunde beizutreten; es verlor den Chersones und erhielt dafür Oropos; es behielt seine sonstigen auswärtigen Besitzungen (vgl Kaerst 265. Beloch 572). Nach Ambrakia (Diod. XVII 3, 3), Akrokorinth und Chalkis (Polyb. XXXVIII 3 B.-W. Plut. Arat. 23) kamen Besatzungen, im Peloponnes wurde der arkadische Bund wiederhergestellt, Lakonien verheert, aber Sparta nicht zerstört. Es kam nicht so viel darauf an, ob die Stadt, deren Landgebiet Philippos verkleinerte und die von mißtrauischen Feinden umgeben war, sich abseits hielt (vgl. Beloch 574. Kaerst 265f.). Noch 338 wurde dann auf einer Tagsatzung in Korinth der hellenische Bund unter der Leitung des makedonischen Königs begründet: Philippos hatte das Ziel erreicht, das er sich zunächst gesteckt hatte. Über die Organisation des Bundes, die Bestimmungen über den Landfrieden, die Wehrverfassung und den Beschluß des panhellenischen Krieges gegen Persien vgl. vor allem Geyer S.-Ber. Akad. Münch. 1917 Abh. 10 und S.-Ber. Akad. Berl. 1922, 97ff.; daneben Kaerst 526ff. und Beloch 575f. Philippos hat nicht nur die Wünsche der Patrioten diplomatisch für seine eigenen selbstischen Zwecke verwendet, er war wohl auch entschlossen, wenigstens die Ägäis zu einem griechischen Meere zu machen (vgl. Diod. XVI 89, 2): s. o. Auch ist noch im Beisein des Königs nach der konstituierenden Sitzung des Bundesrates die sog. Kriegssitzung gefolgt, in der der Perserkrieg beschlossen wurde (vgl. Geyer S.-Ber. Akad. Münch. 20ff.). In Verfolg dieses Beschlusses sandte der König im Frühjahr 336 ein Korps unter Parmenion und Attalos voraus, προστάξας ἐλευθεροῦν τὰς Ἑλληνίδας πόλεις; er selbst wollte bald folgen (Diod. XVI 91, 1. Iustin. IX 5, 8). Vorher aber kam der Konflikt im Königshause offen zum Ausbruch; als Philippos Kleopatra zu seiner Gemahlin erhob, verließen Olympias und sein Sohn Alexandros den Hof und M. Doch Philippos lenkte ein; es kam zwischen ihm und dem Thronfolger zur Versöhnung, und auch der Bruder der Olympias, Alexandros von Epeiros, sollte durch die Vermählung mit Philippos’ Tochter Kleopatra gewonnen werden. Aber auf dieser Hochzeit zu Aigai fiel der König durch Mörderhand: 336 (Diod. XVI 91-94. Iustin. IX 6). Die Motive zur Tat sind nicht klar; am wahrscheinlichsten ist es doch, daß der Mörder aus Rache gehandelt hat (vgl. Droysen Gesch d. Hellen. I 1² 99ff. Beloch 606f. Kaerst 317f., die an eine Verschwörung glauben. Berve Das Alexanderreich I 222f.). Ganz abzulehnen erscheint mir die Vermutung, die drei Lynkesten könnten die Hand im Spiele gehabt und sich Hoffnungen auf den Thron gemacht haben, da nie ein lynkestischer Fürst König von M. gewesen ist. Sie könnten höchstens gehofft haben, bei der allgemeinen Verwirrung Lynkestis wieder selbständig zu machen, obwohl ihre Zugehörigkeit zu dem Fürstenhause nicht überliefert ist (vgl. noch Geyer Alex. d. Gr. u. die Diadochen, Leipz. 1925, 26f.).
[733]
6. M. unter Alexander d. Gr. Alexandros III., der Große, wußte sich sehr schnell Gehorsam zu verschaffen und verstand es, das von seinem Vater geschaffene Reich zunächst in vollem Umfange zu behaupten. Die Barbaren bis zur Donau und zum Lychnitis zwang er zur Unterwerfung und erreichte in Griechenland Anerkennung als στρατηγὸς αὐτοκράτωρ des Perserzuges (vgl. Köhler S.-Ber. Ak. Berl. 1898, 120f. Wilcken 1922, 97ff.). In bezug auf die Einzelheiten verweise ich auf Kaerst o. Bd. I S. 1412ff. und füge an neuerer Literatur hinzu: Beloch III 1² 607ff. IV 1³ 10ff. Kaerst I² 317ff. Birt Alex. d. Gr.², Leipz. o. J. Geyer a. O. Berve a. O. – Hier handelt es sich um die Geschicke des eigentlichen M. Dieses wurde durch die Eroberung Asiens eine Provinz des Weltreiches, wenn es auch das Kernland blieb. Oben ist schon hervorgehoben, daß die Chalkidike voll berechtigt neben das alte M. gestellt wurde; so gab es Ilen der Ritterschaft von Apollonia (s. o. II E), von Amphipolis, von Anthemus (Arrian. anab. I 12, 7. I 2, 5. II 9, 3); auch die Ile von Bottiaia (Arrian. I 2, 5) ist wohl in der Chalkidike zu Hause, da Bottiaia westlich vom Axios doch kaum eine landschaftliche Einheit bildete. Diese Bezeichnungen sind wohl zugleich Namen von Verwaltungsbezirken. In gleicher Weise entstammen die Regimenter {τάξεις) der Phalanx bestimmten Bezirken: im Feldheer Alexanders sind die Taxeis der Lynkestis und Orestis, der Tymphaia und der Elimiotis belegt (Diod. XVII 57, 2). Danach ist also die epeirotische Grenzlandschaft Tymphaia Ober-M. einverleibt worden. Die übrigen Taxeis haben ihre Heimat im Flachland gehabt (Berve Das Alexanderreich I 115); die Aushebungsbezirke waren hier wohl nicht so scharf abgegrenzt wie in den Gebirgskantonen. Die hellenischen Städte haben anscheinend ihre innere Autonomie behalten; die makedonischen Städte treten als selbständige Verwaltungskörper erst wieder seit Philippos V. hervor. In M. ließ nun Alexander seinen bedeutendsten Gehilfen, Antipatros, zurück; er bekleidete etwa das Amt eines Satrapen, stand also an der Spitze der Zivilverwaltung, leitete das Finanzwesen und war vor allem Oberbefehlshaber der ihm übergebenen Truppen, nach Diod. XVII 17, 5: 12 000 Mann zu Fuß und 1500 Reiter. Dies wird die Hälfte des regulären makedonischen Heeres gewesen sein. Wenn man aus den doch recht lückenhaften Angaben über die Ilen und Taxeis einen Schluß ziehen darf, so scheint dieser Heeresteil aus Reitern der nieder- und obermakedonischen Kernlande und den Regimentern der neugewonnenen Küstengebiete bestanden zu haben. Durch Nachsendungen ist diese Truppenmacht später bedeutend vermindert worden. Selbstverständlich hatte Antipatros außerdem Hilfsvölker und Söldner zur Verfügung. Von seiner Zivilverwaltung ist nichts überliefert. Auch in der Ferne dachte Alexander an das Heimatland: so schickte er gefangene griechische Söldner zur Bergwerksarbeit nach M. (Arrian. I 16, 6), ließ aus Indien Rinder zur Hebung der Viehzucht nach M. bringen (Arrian. IV 25, 4). Im übrigen hatte Antipatros auch über Thrakien und Hellas eine Oberaufsicht. Da sich das Verhältnis zwischen dem Könige und seinem Statthalter allmählich lockerte, rief ihn Alexander 324 ab. [734] Der Befehl ist nicht mehr ausgeführt worden (vgl. Berve I 224ff.).
7. M. zur Diadochenzeit. Durch den Tod des großen Königs rückte M. wieder in den Vordergrund der geschichtlichen Entwicklung. Die Marschälle brachen bewußt mit der Verschmelzungspolitik und fühlten sich in erster Linie als Makedonen. Ihnen erschien ihr Heimatland als der wichtigste Teil des Weltreiches, und wenn sie auch im Osten sich neue Reiche gründeten, aus M. stammten die Beamten, Offiziere und Mannschaften, auf die sie ihre Herrschaft stützten (vgl. Ed. Meyer Blüte und Niedergang des Hellenismus 14ff. Kornemann Verg. u. Gegenw. XVI 333ff. Geyer Hist. Ztschr. CXXXII 403ff.; N. Jahrb. III [1927] 533ff.). Auf die Frage, wer zum Reichsverweser bestellt worden ist, ob Krateros oder Perdikkas, braucht hier nicht eingegangen zu werden (vgl. zuletzt Beloch IV 22 307f. Schachermeyr Klio XIX 435ff. Enßlin Rh.Mus. LXXIV 293ff. Geyer Alex. d. Gr. 117). Nominell folgte Alexander d. Gr. sein Halbbruder Philippos III. Arrhidaios (323–317; vgl Beloch 104f. Head HN² 228. Zur Chronologie W. Otto S.-Ber. Akad. Münch. 1925 Schlußheft und S. Smith Rev. d’Assyriol. XXII 179ff.). Bei der Verteilung der Satrapien behielt Antipatros M. (Arrian. succ. Alex. 7. Dexippos frg. 1 FHG III 668. Iustin. III 4), mit der Aufgabe, die Ruhe in Griechenland zu sichern. So mußte er mit seinem durch die Nachsendungen nach Asien zusammengeschmolzenen Heere den gefährlichen lamischen Krieg durchführen, den er nur durch die Unterstützung von Krateros und Leonnatos zu einem günstigen Ende führen konnte (Kaerst o. Bd. I S. 2504ff. Geyer Suppl.-Bd. IV S. 1043f.; o. Bd. XII S. 2037 und 2060ff). Wichtig für die Stellung M.s war vor allem die Demütigung Athens, das eine Besatzung aufnehmen und eine gemäßigte Demokratie einführen mußte (Diod. XVIII 18. Arrian. 13f. Plut. Phok. 27ff.; Demosth. 28f. Paus. I 25, 5). Sept. 322 kehrte Antipatros nach M. zurück und unternahm bald darauf mit Krateros einen Zug gegen die Aitoler, den er jedoch abbrechen mußte, um der Bedrohung durch Perdikkas gemeinsam mit Krateros und Antigonos entgegenzutreten (Kaerst 25 7. Geyer Suppl.-Bd. IV S. 1044). Nach dem Tode des Perdikkas wurde er in Triparadeisos mit der Reichsverweserschaft betraut und trat mit den beiden Königen den Rückmarsch nach M. an (Diod. XVIII 39. Arrian. succ. Alex. 30ff. 40ff. App Syr. 54. Plut, Eum. 8). Hier hatte inzwischen Polyperchon als Antipatros’ Vertreter die Aitoler aus Thessalien herausgeschlagen und zum Frieden gezwungen (Diod. XVIII 38. 319 starb Antipatros (Diod. XVIII 48, 4. Marm. Par. B 12. Suid. s. ?ντίπατρος). Er hatte Polyperchon zum Nachfolger bestimmt, da er seinem Sohne Kassandros nicht die nötige Autorität zutraute (Diod. XVIII 48, 4) Als Antigonos aber dem Polyperchon den Gehorsam verweigerte, beschloß Kassandros, M. zu verlassen und sich Antigonos anzuschließen (vgl. Staehelin o. Bd. X S. 2295. Diod. XVIII 49). Antigonos stellte ihm Truppen zur Verfügung, und Ptolemaios schloß sich dem Bündnis an, jedenfalls auch Lysimachos, da sich Kassandros zunächst auf sein Gebiet flüchtete (Diod. XVIII 54). [735] Polyperchon rief als Gegenmaßregel Olympias nach M. zurück und erließ eine Proklamation an die Griechen, durch die die demokratischen Verfassungen wiederhergestellt wurden, den Verbannten die Rückkehr gestattet und die Zurückziehung der Besatzungen in Aussicht gestellt wurde. Damit wurde die Revolution in Griechenland entfesselt. Trotzdem behauptete Kassandros Munychia und den Peiraieus und zwang nach dem Siege über die Reichsflotte im Bosporos 318 Athen zur Ergebung: 317 (Belege bei Staehelin 2295f. Beloch IV 1² 99ff.). Auch sonst gewann Kassandros in Griechenland an Boden. Wichtiger aber war für ihn, daß ihn die Königin Eurydike zum Reichsverweser ernannte (Iustin. XIV 5, 1–4; vgl. Diod. XVIII 75). Kassandros zog nun nach M., wo er viele Sympathien fand; doch verließ er M. bald wieder, um in Griechenland Polyperchons Einfluß zu brechen, und nun erschien Olympias in M., vereinigte sich mit Polyperchon und trat dem makedonischen Heere gegenüber. Dieses weigerte sich, gegen die Mutter des großen Königs zu kämpfen; das Königspaar fiel in die Hand der Olympias, die beide töten ließ; auch sonst wütete sie und verscherzte sich dadurch alle Sympathien. Als Kassandros zurückkehrte, warf sie sich nach Pydna; König Aiakidas von Epeiros versuchte sie vergeblich zu entsetzen. Polyperchon wurde von seinen Truppen verlassen, und so mußte Pydna 316 kapitulieren (Diod. XIX 49. 50). Das Heeresgericht verurteilte Olympias zum Tode, und sie erlitt standhaft den Tod. Auch die ihr treuen Kommandanten von Pella und Amphipolis mußten die Waffen strecken (Diod. XIX 50, 6–8). Weitere Quellenangaben bei Staehelin 2297f. Kassandros internierte nun die Königin Rhoxane und den jungen Alexandros IV. in Amphipolis und heiratete Philippos’ Tochter Thessalonike; es war der erste Schritt zum Thron (Diod. XIX 52, 1. 61, 2. Iustin. XIV 6. 13. Euseb. chron. I 231. Syncell. p. 504 Dind.). Wichtig für M. waren auch die beiden Städtegründungen, die in diese Zeit fallen: Kassandreia an Stelle von Poteidaia und Thessalonike (h. Salonik) (Diod. XIX 52, 2. Strab. VII 330 frg. 25. Paus. V 23, 2. Steph. Byz. s. v. und Strab. VII 330 frg. 21. 24. Steph. Byz.s. v., weiteres bei Staehelin). Beide Städte haben schnell einen bedeutenden Aufschwung genommen, da sie an günstigen Stellen lagen und die griechische Stadtverfassung erhielten (Perdrizet Rev. ét. anc. XII 224ff.). Sein Bruder Alexarchos gründete Uranopolis (Herakl. Lemb. frg. 5. FHG III 169). Die nächste Zeit benutzte Kassandros, um seinen Einfluß in Griechenland gegen Polyperchons Sohn, Alexandros, auszudehnen. 315 war seine Herrschaft in Griechenland gesichert (Staehelin). In diesem Jahre begann der erste Krieg gegen Antigonos, an dem auch Kassandros teilnahm. Er wurde von dem Heer des Antigonos geächtet und konnte seine Stellung in Griechenland nur mit Mühe behaupten. 314 gelang es ihm aber, Akarnanien, Leukas, die illyrischen Städte Epidamnus und Apollonia zum Anschluß an M. zu bringen (Staehelin). Der Kampf ging weiter, und besonders wurde Kassandros seit 313 von Antigonos’ Strategen Polemaios bedrängt. Damals wurden auch die Besatzungen aus Apollonia und Epidamnos [736] vertrieben (Diod. XIX 78, 1) und sein Einfluß in Epeiros gebrochen (Diod. XIX 88). Nach der Niederlage des Demetrios bei Gaza 311 kam es zum Frieden. Kassandros’ Stellung muß besonders erschüttert gewesen sein, da er nur bis zur Großjährigkeit des jungen Königs στρατηγός von Europa sein sollte und die hellenischen Städte für autonom erklärt wurden (vgl. Staehelin 2304. Geyer o. Art. Lysimachos). Der Krieg begann bald von neuem. Kassandros bekriegte damals auf das Hilfsgesuch des Königs Audoleon von Paionien die illyrischen Autariaten und siedelte sie am Orbelos an (Diod. XX 19, 1. Iustin. XV 2, 1). Auch scheint er mit den Kelten Kämpfe ausgefochten zu haben, und zwar am Haimos (Sen. nat. quaest. III 11, 3. Plin. n. h. XXXI 53) Die Interessen M.s hat er also nicht vernachlässigt. – Da der junge König, je älter er wurde, desto mehr die Herrschaftsansprüche des Kassandros bedrohte, beseitigte ihn dieser mit der Königin-Mutter (Diod. XIX 105, 2: wohl 310. Vgl. Marm. Par. B 18. Weitere Stellen bei Staehelin). Wie unsicher er sich noch immer in M. fühlte, zeigt auch sein Verhalten gegen Polyperchon, als dieser den letzten Sohn Alexanders d. Gr., Herakles, zum König ausrief. Er wußte Polyperchon zur Beseitigung des Herakles zu bewegen (Diod. XX 28, 2). Während er 308 Ptolemaios’ Bestrebungen, in Griechenland festen Fuß zu fassen, zu durchkreuzen wußte, brachte ihn Demetrios in schwere Bedrängnis, 308/7. Vor allem verlor er Athen. Als dann Demetrios nach dem Siege von Salamis 306 nach Griechenland zurückkehrte, gelang es ihm, Kassandros fast ganz aus Griechenland zu verdrängen. Dieser hatte inzwischen, wie die anderen Diadochen, 305/04, den Königstitel angenommen (Belege bei Staehelin 2307). 307/04 versuchte Kassandros vergeblich, Athen einzunehmen; er mußte vor Demetrios zurückweichen. Ja, 303/02 vermochte Demetrios den hellenischen Bund unter seines Vaters und seiner Führung wieder aufleben zu lassen (Wilcken S.-Ber.Akad. Berl. 1922, 122ff; 1927, 277ff.). Vergebens suchte Kassandros mit Antigonos zum Frieden zu kommen. So brachte er 302 die letzte große Koalition gegen Antigonos zustande (Geyer o. Art. Lysimachos). Demetrios mußte Griechenland verlassen, und die Schlacht bei Ipsos 301, an der auch Truppen des Kassandros teilnahmen, brachte die Entscheidung gegen Antigonos. Kassandros war des Besitzes von M. jetzt sicher. Er selbst hatte die Entfernung des Demetrios zur Wiederherstellung seiner Macht in Griechenland benutzt (Staehelin 2309f.). Nach Ipsos hat Demetrios noch einmal versucht, in Griechenland festen Fuß zu fassen; doch Athen versagte sich ihm, und Kassandros wurde nun in Griechenland von Demetrios nicht mehr behelligt, wie Staehelin 2311 glaubt, auf Grund eines Übereinkommens. Kurz vor seinem Tode verlor Kassandros noch die Insel Kerkyra an Agathokles, 298. 298/7 ist Kassandros gestorben (Staehelin 2312. Beloch IV² 2, 105). – Ihm folgte sein ältester Sohn Philippos IV., der noch nicht ein volles Jahr regierte (Iustin XVI 1, 1. Euseb. chron. I 232f.). Nach seinem Tode kam es zunächst für seine Brüder zu einer vormundschaftlichen Regierung [737] (Euseb. I 231). M. war also zu einer tatkräftigen äußeren Politik unfähig, und so konnte sich Demetrios wieder in Griechenland festsetzen und vor allem nach langer Belagerung Athen einnehmen, 294 (Kaerst o. Bd. IV S. 2784. Beloch IV² 1, 216ff.). Die beiden jungen Könige hatten sich inzwischen vermählt, und zwar Alexandros mit Ptolemaios’ Tochter Lysandra und Antipatros mit Lysimachos’ Tochter Eurydike (Euseb. I 231. Iustin. XVI 2, 4). Bald darauf kam es zwischen ihnen zu Streitigkeiten, da nicht der älteste Antipatros das Reich erhielt, sondern Thessalonike eine Teilung vornahm. Darauf ermordete Antipatros seine Mutter, während Alexandros sich an Demetrios und Pyrrhos von Epeiros wandte. Pyrrhos erschien, ließ sich von Alexandros Tymphaia, Parauaia und Ambrakia mit Akarnanien abtreten und drängte Antipatros zurück, der sich vergeblich an seinen damals mit den Geten beschäftigten Schwiegervater Lysimachos wandte. Doch vermittelte dieser einen Vertrag zwischen den beiden Brüdern (Geyer o. Art. Lysimachos. Plut. Demetr. 36; Pyrrh. 6. Iustin. XVI 1, 1–7. Paus. IX 7, 3). Nun erschien aber Demetrios. An der Grenze M.s kam ihm Alexandros entgegen und eröffnete ihm, daß er seine Hilfe nicht mehr brauche. Demetrios kehrte scheinbar um und ließ in Larisa Alexandros niederstoßen. Das Heer des Alexandros trat zu Demetrios über, und Antipatros flüchtete zu Lysimachos εἰς Πόντον: 294 (Porphyr. FHG III 695. Iustin. XVI 1, 8-19. Diod. XXI 7. Plut. Demetr. 36. 37; Pyrrh. 7. Euseb. I 231. Kaerst 2785). Dieser war durch den Getenkrieg gezwungen, Demetrios als König von M. anzuerkennen (Iustin. XVI 1, 19). Nach den Königslisten ist Demetrios nicht volle sieben J. König gewesen; wahrscheinlich von 294/3–288/7 (vgl. Beloch IV² 2, 105f. Geyer a. O. Euseb. I 232f. Plut. Demetr. 44). Demetrios unterwarf dann Phokis und Boiotien und war so Herr des größten Teiles von Griechenland. Er begründete nun in zentraler Lage eine neue Hauptstadt, Demetrias, an Stelle des alten Pagasai (Strab. IX 436. Plin. n. h. IV 29. Vgl. Klio XI 442ff. Swoboda Hermanns Staatsaltert. III6 433ff). Nach Kämpfen in Boiotien, das sich wieder erhoben hatte, hoffte er auf Erwerbungen in Thrakien, wo Lysimachos in die Gefangenschaft des Dromichaites gefallen war. Aber die Freilassung des Königs und der Abfall Thebens riefen ihn zurück (Plut. Demetr. 39. 40). Nach längerer Belagerung mußte sich Theben ergeben, 291 (Plut. Demetr. 40. Diodor. XXI 14, 1). Demetrios scheint damals auch Kerkyra besetzt zu haben und wandte jetzt überhaupt den nordwestlichen Landschaften mehr Aufmerksamkeit zu. 290 feierte er die Pythien in Athen als Protest gegen die aitolische Besetzung von Delphi; es kam zu einem Kriege gegen die Aitoler und gegen Pyrrhos von Epeiros, der, selbst ehrgeizig und nach der Herrschaft über Griechenland strebend, in Demetrios seinen gefährlichsten Nebenbuhler sah. Demetrios drang in Epeiros ein, während Pyrrhos einen Sieg in Thessalien erfocht (Plut. Demetr. 41; Pyrrh. 7. Kaerst 2787f.). Im nächsten Jahre kam es zu einem Einfall des Pyrrhos in M.; er drang bis Aigai vor, mußte dann aber vor Demetrios [738] zurückweichen. Beide schlossen nun einen Vertrag, 289 (Plut. Demetr. 43; Pyrrh. 10). Doch verstand es Demetrios nicht, sich die Zuneigung der Makedonen zu erwerben. Prunksucht, Launenhaftigkeit und Willkür, sein unruhiger Geist machten ihn unbeliebt (vgl. Plut. Demetr. 41. Kaerst 2788). Dazu beschloß jetzt Demetrios, das Reich des Antigonos zurückzuerobern, und machte dazu die großartigsten Rüstungen (Plut. Demetr. 43. Pyrrh. 10). So bildete sich eine Koalition, und schon 288 begann der konzentrische Angriff. Während eine ptolemäische Flotte im Ägäischen Meere erschien (Plut. Demetr. 44. Syll.³ 367), rückten Lysimachos und Pyrrhos in M. ein. Zunächst wandte sich Demetrios yegen Lysimachos und brachte ihm eine Schlappe bei Amphipolis bei (Paus. I 10, 2). Da aber seine Truppen schwierig wurden und keine Lust zeigten, gegen Alexanders alten Kampfgenossen zu fechten, auch Pyrrhos das Kernland bedrohte, zog Demetrios gegen Pyrrhos. Amphipolis fiel an Lysimachos (Polyaen. IV 12, 2). Doch vor Beroia ging das Heer des Demetrios zu Pyrrhos über, und Demetrios mußte flüchten (Plut. Pyrrh. 11; Demetr. 44f. Iustin. XVI 2, 3). Die Sieger teilten sich in das Reich; wahrscheinlich war der Axios die Grenze (Plut. Pyrrh. 12. Paus. I 10, 2); nach Paus. a. O. hat jedenfalls Pyrrhos τὸ δὲ πολὺ Μακεδονίας besessen. Über die Teilung vgl. noch Geyer a. O. Da Antipatros seine Wiederherstellung als König von M. betrieb, ließ ihn Lysimachos töten und seine Tochter in Haft bringen (Iustin. XVI 2, 4. Euseb. I 232). Die Notiz Diod. XXI 7, bereits 294 habe Demetrios Antipatros töten lassen, ist ein Irrtum, da dieser nach dem Democharesdekret noch 287 gelebt hat (Westerm. Biogr. 292). Wenn Pyrrhos bei Euseb. I 234 als König von M. sieben Monate hat und deshalb v. Wilamowitz Philol. Unters. IV 248 und Hünerwadel Forsch. zur Gesch. des Königs Lysim., Zürich 1900, 84 die Teilung erst 286 setzen, so hat Klotzsch Epirot. Gesch. 206ff. mit Recht diese sieben Monate als Einschiebsel erklärt; die 3 Jahre 4 Monate der thessalischen Tabelle für Pyrrhos gelten auch für sein makedonisches Königtum (Geyer a. O.). Das weitere Schicksal des Demetrios s. Kaerst 2789ff. – Lysimachos versuchte nun auch in Griechenland die Stellung des Demetrios zu erschüttern (Geyer a. O.). Vor allem gelang ihm die Besetzung von Phokis (Syll.³ 361 C. 378/9. Pomtow Phil. Wochenschr. 1912, 127ff.), und auch zu Aitolien trat er in nähere Beziehungen (Lysimacheia: Belege bei Geyer a. O). Sobald Demetrios in die Gefangenschaft des Seleukos geraten war (284), ging Lysimachos gegen Pyrrhos vor, der trotz eines Bündnisses mit Antigonos (Paus. I 10, 2. Phoinikides bei Kock Fr. com. gr. III 333) aus M. weichen mußte: 284 (Plut. Pyrrh. 12. Paus. I 10, 2. 11, 6. Iustin. XVI 3, 1. Beloch IV² 2, 107). Lysimachos hat als König von M. bei Euseb. I 234 5 Jahre 6 Monate, also von 287/6-282/1 (vgl. Euseb. I 233); das stimmt mit dem Datum der Schlacht bei Kurupedion überein, soweit es aus der übrigen Überlieferung festgestellt werden kann (Beloch 107ff.). Nach der thessalischen Liste hat er 6 Jahre (Euseb. I 242. 246. II 118f.); doch gewann er Demetrias nicht (Plut. Demetr. 53) [739] Lysimachos versuchte nun die Nachbarländer M.s wieder in größere Abhängigkeit zu bringen, so Paionien (vgl. die Beziehungen Audoleons zu Athen, Syll.³ 371). Über einen Feldzug gegen Audoleons Sohn Ariston berichtet Polyaen. IV 12, S. Es kam nach seiner Heirat mit Arsinoë an seinem Hofe zu Intrigen, die schließlich zur Beseitigung des Agathokles, seines ältesten Sohnes, führten (Paus. I 10, 3. 4. Weiteres bei Geyer). Lysandra, die Gemahlin des Agathokles, flüchtete zu Seleukos und brachte diesen zum Kriege gegen Lysimachos, zumal die Verfolgung der Freunde des Agathokles unter den hohen Beamten Abfallgelüste hervorrief und Seleukos selbst große Sehnsucht nach seiner Heimat M. hatte. (Vgl. auch Staehelin Bd. II A S. 1223f., der darauf hinweist, daß es über kurz oder lang zum Kampfe zwischen den beiden Herrschern kommen mußte.) Der Aufstand brach in Kleinasien aus, Lysimachos ging zu seiner Bekämpfung hinüber und verlor schließlich bei Kurupedion 281 Thron und Leben (vgl. Geyer und Staehelin). Ende 281 oder Anfang 280 überschritt Seleukos den Hellespont; ihn trieb die Sehnsucht nach M. {?πείγετο: Paus. I 16, 2. πόθον ἔχει πατρίδος, Memn. XII 1). Er wollte den Rest seiner Tage in M. verbringen. Doch schon auf dem thrakischen Chersones wurde er von Ptolemaios Keraunos, dem Sohne Ptolemaios’ I., den er schon zweimal freundlich bei sich aufgenommen hatte, ermordet: 281/80 (vgl. Beloch 107ff.). König von M. ist Seleukos also nicht gewesen (über seinen Tod und die Behauptung Lehmann-Haupts [Klio III 539. V 244ff. VII 449ff. IX 248ff.] über die Wahl des Seleukos seitens der Heergemeinde s. Staehelin 1226). – Ptolemaios Keraunos wurde zum Könige ausgerufen (creatus ab exercitu: Trog, prol. XVII. Iustin. XVII 2, 6. Memn. XII 3), da er wegen seines Vaters Ptolemaios’ I. und als Rächer des Lysimachos beim Heere beliebt war. Er warb um seine Stiefschwester Arsinoë und versprach ihr, ihre Söhne zu adoptieren (Iustin. XVII 2, 7f. XXIV 2). Auch mit Ptolemaios II. trat er in freundschaftliche Beziehungen (Iustin. XVII 2, 9). Andererseits erhoben Antiochos, Antigonos Gonatas und Pyrrhos Ansprüche auf M. (Iustin. XVII 2, 10ff.). Pyrrhos verzichtete jedoch gegen Unterstützung bei seinem italischen Unternehmen (Iustin. XVII 2, 11ff. XXIV 1, 8). Da Antiochos genügend in Asien zu tun hatte, blieb nur Antigonos als Prätendent übrig. Er erschien denn auch 280 mit einer Flotte, während sein Heer in Thessalien einfiel. Ptolemaios Keraunos schlug ihn, unterstützt von Herakleia am Pontes, entscheidend, so daß er nach Boiotien zurückgehen mußte (Memn. XIII). Darauf machte auch Antiochos mit Ptolemaios Frieden, wohingegen dieser auf die asiatischen Provinzen des Lysimachos verzichtete (Iustin. XXIV 1, 8. Trog. prol. XVII). Ptolemaios vermählte sich jetzt mit Arsinoë. Da diese aber Kassandreia weiter besetzt hielt und ihr ältester Sohn zu den Illyriern ging, um mit Waffengewalt den Thron zu gewinnen, wurde er wohl mißtrauisch. Bei einem Besuche in Kassandreia bemächtigte er sich der Stadt und ließ ihre beiden Söhne töten. Arsinoë flüchtete nach Samothrake (Iustin. XXIV 2, 3. Trog. prol. XVII. Memn. XIV. Vgl. Syll. or. 15). [740] Ptolemaios’ Herrschaft schien gesichert. Da brachen keltische Schwärme in M. ein; schon vorher hatten die Kelten versucht, in die südliche Balkanhalbinsel einzubrechen, unter Kassandros (Plin. n. h. XXXI 53) und Lysimachos (Paus. X 19, 5). Jetzt trat ihnen Ptolemaios entgegen, aber sein Heer wurde vernichtet, er selbst fiel (279 oder 280). Die Kelten plünderten nun das Land, ohne gegen die festen Städte etwas ausrichten zu können. Zwei Monate war der Bruder des Ptolemaios, Meleagros, 45 Tage ein Antipatros, Neffe des Kassandros, König (Diod. XXII 4. Iustin. XXIV 5. Paus. X 19, 6f. Memn. XIV. Euseb. I 235. Chronologie Beloch IV² 2, 109ff). Nun trat Sosthenes an die Spitze M.s, aber nicht als König, sondern als Stratege; er hatte die Makedonen gesammelt und den Barbaren manche Schlappen zugefügt und wurde nun vom Heere zum König ausgerufen. Aber diese Würde lehnte er ab. Eine zweite keltische Schar brachte ihm eine Niederlage bei. Jedenfalls wurde das Land von den Kelten furchtbar verheert, während sich die festen Plätze halten konnten (Diod. XXII 9. Iustin. XXIV 5. 6, 1-4, Porphyr. FHG III 696. Euseb. chron. I 235f. Vgl. Obst Bd. III A S. 1197). Wenn nun auch die Barbaren weiterzogen, so war M. doch schwer getroffen. Dazu kam, daß die republikanische Form für das Land nicht paßte. Kassandreia wurde zunächst von einer Eurydike, wahrscheinlich der Mutter des Ptolemaios Keraunos, besetzt gehalten und erlangte dann die Freiheit, ohne sich dem Staatsoberhaupt zu fügen (Polyaen. VI 7, 2). Auch hielt sich Antipatros, der Neffe des Kassandros, ? ?τησίας, in einem Teile M.s (Euseb. I 235. Polyaen. IV 6, 17); außerdem werden noch ein Ptolemaios, jedenfalls der Sohn des Keraunos, ein Aridaios und Alexandras als Prätendenten genannt. Natürlich hatten auch Antigonos und Pyrrhos ihre Ansprüche nicht aufgegeben (Euseb. a. O. Diod. XXII 4). Als Sosthenes, der wenigstens einiges Ansehen besaß, starb (278), hinterließ er das Land in voller Anarchie. Die Nebenländer waren selbständig geblieben, wie wir von Paionien wissen, wo ein König Dropion herrschte (Syll.² 394. Vgl. Beloch IV 1² 566, 1), und auch für Thessalien scheint dasselbe angenommen werden zu müssen. Die Zeit vom Tode des Keraunos bis zur Thronbesteigung des Antigonos wird von Diod. XXII 4 auf drei Jahre angegeben, also entweder bis 277/6 oder 276/5 (vgl. Ed. Schwartz Abh. Gött. Ges. XL 81. Beloch IV 2² 112).
8. M. unter den Antigoniden. Der Krieg zwischen Antiochos I. und Antigonos Gonatas fand jedenfalls 278 v. Chr. sein Ende. Die beiden Könige versöhnten sich und verzichteten gegenseitig auf die Ansprüche, die sie doch nicht realisieren konnten. Antigonos erhielt die Schwester des Antiochos, Phila, zur Gemahlin (Iustin. XXV 1, 1. Trog. prol. 24. Memnon 16. 18 FHG. III 535; vgl. Kaerst o. Bd. I S. 2414). Gleich darauf schlug Antigonos die Kelten vernichtend bei Lysimacheia: 277. (Trog. prol. 25. Iustin. XXV 1. 2. Diog Laert. II 141. Syll.³ 401). Nun konnte er versuchen, M. zu gewinnen. Er schlug den Antipatros (Polyaen. IV 6, 17. Diog. Laert. a. O.), fand aber bei Apollodoros von Kassandreia, der sich hier zum Tyrannen aufgeworfen [741] und eine wahre Schreckensherrschaft errichtet hatte (Polyaen. VI 7, 1. 2. Trog. prol. 25. Diod. XXII 5), hartnäckigen Widerstand, der von Sparta unterstützt wurde (Paus. IV 5, 4. Polyaen. II 29, 2). Nach der Einnahme von Kassandreia, das sich zehn Monate wehrte (Polyaen. IV 6, 18), wurde Antigonos in M. als Herrscher anerkannt: 276/5. Belochs Ansatz (IV 2² 112. 119f.): 277/6 läßt zu wenig Zeit für die Besiegung des Prätendenten und die Belagerung Kassandreias. Da 275 auch die thessalischen Hieromnemonen verschwinden (278/7 sind sie noch im Amt: Syll.³ 899, 276/5 werden keine Thessaler mehr angeführt: Syll.³ 405), so ist jedenfalls auch Thessalien sofort wieder makedonisch geworden; dazu stimmen auch die Regierungsjahre des Antigonos als rex Thetaliorum bei Euseb. (vgl. Beloch 115ff.). Ob auch Paionien wieder botmäßig gemacht wurde, ist nicht sicher zu entscheiden; vielleicht ist damals Antigoneia am Axios (s. o. II E) gegründet worden (für die Regierung des Antigonos ist das grundlegende Werk W. W. Tarn Antigonos Gonatas, Oxford 1913. Würdigung des Königs bei Beloch IV 1² 571ff. Kaerst a. O.). Doch 275/4 kehrte Pyrrhos nach Griechenland zurück und begann den Angriff auf M., da sein Reich zur Bedeutungslosigkeit herabgedrückt wurde, wenn M. die Vorherrschaft über Griechenland behauptete. Ein Teil der Truppen des Antigonos ging sofort zu Pyrrhos über, da seine Herrschaft noch keine festen Wurzeln hatte schlagen können; die Phalanx folgte nach einer Niederlage der gallischen Söldner. Antigonos floh nach Thessalonike, Thessalien und ein großer Teil M.s ging verloren (Μακεδονίας δὲ τῆς ἄνω. Paus. a. O.), auch Aigai. Nur seiner Flotte verdankte Antigonos die Behauptung (Plut. Pyrrh. 26. Diod. XXII 11. 12. Paus. I 13, 2. 3. Iustin. XXV 3, 5–7. Euseb. I 243 Sch.). Als Antigonos, auf keltische Söldner gestützt, die Offensive wieder aufnahm, wurde er von dem Sohn des Pyrrhos, Ptolemaios, zum zweiten Male besiegt (Iustin. XXV 3, 7. 8). Da sich nun in Griechenland allerorten der Abfall regte, zog Pyrrhos nach dem Peloponnes, um ihn dem Antigonos zu entreißen: 273; in der Tat wurde er fast überall mit Freuden aufgenommen (Plut. Pyrrh. 26ff. Paus. I 13, 4ff. Iustin. XXV 4, 43. Vgl. Beloch IV 1² 575, 1). Nur Sparta erwehrte sich seines Angriffs. Inzwischen hatte sich Antigonos wieder in den Besitz seines Landes gesetzt und erschien nun ebenfalls im Peloponnes (Paus. I 13, 7). In dem Kampf um den Besitz von Argos ist Pyrrhos dann gefallen (272: Plut. Pyrrh. 31–34). Das epeirotische Heer ergab sich dem makedonischen Könige, der Epeiros dem ältesten Sohne des Pyrrhos ließ (Iustin. XXV 5, 2). Nun richtete Antigonos seine Herrschaft in Griechenland wieder auf, wobei er den Städten die Autonomie ließ. Nur begünstigte er natürlich seine Anhänger und sah gern, wenn sich Tyrannen der Herrschaft bemächtigten, die auf ihn angewiesen waren (Trog. prol. 26. Iustin. XXVI 1, 1ff. Polyb. II 4l, 10: πλείστους γὰρ δὴ μονάρχους οὗτος ἐμφυτεῦσαι δοκεῖ τοῖς Ἕλλησι. Vgl. IX 29, 5. 6. Näheres s. bei Beloch IV 2² 374ff.). Mit Ptolemaios II. stand er damals in guten Beziehungen, vgl. Geyer Art. Magas Nr. 2.
[742] Doch bald trübte sich das gute Verhältnis, und Ägypten suchte M. aus der beherrschenden Stellung in Griechenland zu verdrängen, wobei es an Sparta und Athen (Syll.³ 434/5: 266/5) Unterstützung fand. Nach hartnäckigem Kampfe fiel Areus von Sparta 264 bei Korinth, und Athen mußte sich ergeben: 263 (chremonidëischer Krieg: Beloch IV 1² 587ff. Niese Gesch. d. griech. u. maked. Staaten II 233ff. Kaerst 2415. Chronologie: Beloch IV 2² 502ff.). M. hatte seine Stellung in Griechenland behauptet. Über die Beteiligung des Antigonos an dem Kriege zwischen Antiochos II. und Ptolemaios II. vgl. Kaerst a. O. und die Werke von Niese und Beloch. – Von besonderer Bedeutung für die Stellung M.s war der Seesieg bei Kos (nach Niese II 130f. im chremonidëischen Kriege, nach Beloch um 257: IV 2² 506ff.), der die Kykladen in makedonische Abhängigkeit brachte (vgl. über die Folgen Beloch a. O. 512). Antigonos konnte daher den Druck, der auf Griechenland lastete, etwas erleichtern: er zog die Besatzung aus dem Museion von Athen zurück (Euseb. II 120. Synk. p. 524 Dind.). Dagegen brachte in dieser Zeit (genauere Zeitangabe nicht möglich: Beloch IV 1² 595ff. Niese II 236ff.) ein Krieg mit Alexandros von Epeiros M. in große Gefahr. Dieser hat sich nicht nur siegreich gegen die Illyrier behauptet, sondern im Bunde mit den Aitolern auch einen Teil von Akarnanien mit Leukas erobert. Nun fiel er in M. ein, und der Zauber von Pyrrhos’ Namen war noch so groß, daß ein Teil des Heeres zu Alexandros überging und Ober-M. verloren ging. Antigonos scheint M. verlassen zu haben. Doch sein Sohn Demetrios stellte die Manneszucht im Heere wieder her und schlug Alexandros zum Lande hinaus, ja, er eroberte sogar Epeiros, wo ein Aufstand Alexandros zur Flucht nach Akarnanien zwang (Iustin. XXVI 2, 9–3, 1. Euseb. I 243 und hierzu Niebuhr Kl. Schr. I 228f.). Die siegreiche Schlacht soll bei Derdia in der Eleiraiotis (Euseb. a. O.) stattgefunden haben; obwohl dieser Ort sonst nicht bekannt ist, wird die Notiz richtig sein, da die Eleimiotis die natürliche Verbindung zwischen Epeiros und M. herstellt (s. o. II B 1); auch weist Niebuhr a. O. mit Recht auf den eleimiotischen Fürstennamen Derdas hin. Die Stellung M.s in Griechenland wurde mit Ausnahme eines kurzen Kriegszuges der Spartaner gegen Megalopolis nicht erschüttert. – Ein großer Teil der griechischen Besitzungen wurde dem Könige jedoch jahrelang durch den Aufstand seines Neffen Alexandros entrissen, in dessen Hände Antigonos die Vertretung der makedonischen Interessen gelegt hatte. Der Mittelpunkt seiner Macht waren Korinth und Chalkis auf Euboia, die beiden ,Fesseln Griechenlands‘, wie er sich auf Euboia auch den Königstitel zulegte (vgl. über ihn Wilhelm o Bd. I S. 1436. Geyer Suppl.-Bd. IV S. 444f. Beloch IV 2² 518ff.): um 250–244. Natürlich fingen auch sofort überall sich die Gegner M.s an zu rühren, und da die republikanische Bewegung im Wachsen war und in dem Bundesstaat eine neue Staatsform sich entwickelte, die straffe Zentralgewalt mit innerer Autonomie vereinigte, so verlor M. damals den größten Teil des Peloponnes (Sikyon 251, Megalopolis, Orchomenos, [743] Mantineia), wo der Achäische Bund sich immer weiter ausdehnte. Auch Phokis und Boiotien gingen durch den Anschluß an den Aitolischen Bund verloren. Doch nach dem Tode des Alexandros kamen durch die Heirat zwischen seiner Witwe Nikaia und dem makedonischen Thronfolger Demetrios Euboia und Korinth wieder in die Gewalt des Antigonos (gegen 244: s. die o. angegebene Literatur). Eine Folge der Wiedergewinnung der beiden wichtigsten Häfen war wohl der Sieg von Andros über die ägyptische Flotte, der auch zur See das Gleichgewicht wiederherstellte (vgl. über die Schlacht bei Andros Beloch 516ff., der sie 227 setzt, und die dort angeführte Literatur. Geyer 445). Doch schon 243 ging der wichtigste Platz in Griechenland, Korinth, durch Aratos wieder verloren, ein offener Friedensbruch, der klar zeigte, welches das Ziel der republikanischen Partei war (vgl. Polyb. II 50, 9. Plut. Arat. 18ff. Polyb. II 43, 4ff. Polyaen. VI 5. Paus. II 8, 4. Kaerst 2415; über Aratos Niese o. Bd. II S. 383ff.). Antigonos suchte durch ein Bündnis mit den Aitolern seine Stellung zu behaupten (Polyb. II 43, 9f. 45, 1. IX 38, 9). Dieser Schritt aber war doch ein Zeugnis dafür, daß von einer Hegemonie über Griechenland, wie sie Philippos II. aufgerichtet hatte, nicht mehr die Rede sein konnte. M. war zur Aufrechterhaltung seiner Vormacht auf Verständigung angewiesen. Auch war Antigonos nicht mehr in der Lage, in die Kämpfe zwischen Sparta, Aitolien und den Achäern einzugreifen (vgl. Beloch IV 1² 623ff.). 239 starb Antigonos, nach 34jähriger Regierung im Alter von 80 Jahren (vgl. die Chronographen bei Beloch IV 2² 115ff. und [Lucian.] Macrob. 11. Polyb. II 44, 2). Über seine literarischen Interessen und sein Hofleben s. Kaerst 2417. Tarn 223ff. Er hatte M. wieder zur Großmacht erhoben. – Sein Nachfolger war sein Sohn Demetrios (Kaerst o. Bd. IV S. 2792f.). Sein Regierungsantritt ließ natürlich die Hoffnungen der Feinde M.s anschwellen, der Aitolische und Achäische Bund schlossen sich zusammen, zu Boiotien, Elis, Messenien und Sparta bestanden enge Beziehungen. Durch die Versuche der Aitoler, den epeirotischen Teil von Akarnanien zu gewinnen, wurde Epeiros zum Anschluß an M. bewogen: Demetrios heiratete Phthia (Iustin. XXVII 1, 1–4). So kam es zum Kriege zwischen M. und dem Aitolischen Bunde, der von Aratos unterstützt wurde. Demetrios brachte Boiotien, Phokis und die opuntischen Lokrer zum Abfall von den Aitolern: 237/36 (Polyb. II 44, 1. 46, 1. XX 5, 3. Plut. Arat. 33. 34. Syll.³ 485. Vgl. über den Δηματριακὸς πόλεμος Beloch IV 2² 527ff. Kaerst a. O.). Ob er mit dem Demetrios ὁ Αἰτωλικός bei Strab. IX 451 gemeint ist, der tief in Aitolien eingedrungen sei, ist nicht sicher (vgl. Polyb. V 8, 6). Der Sieg des makedonischen Feldherrn Bithys über Aratos bei Phylakia (Plut. Arat. 34. Syll.³ 476) war nicht entscheidend (über den Ort vgl. Beloch 529f.); Attika hatte unter mehrfachen Einfällen der Achäer zu leiden (vg). auch Syll.³ 497). So konnte Demetrios sich um Epeiros nicht kümmern, und Akarnanien scheint Anlehnung an Rom gesucht zu haben (Iustin. XXVII 1, 5ff. Vgl. dazu de Sanctis Storia dei Romani III 1, 277f. und Holleaux Rome, la [744] Grèce et les monarchies hellénist. [Paris 1921] 5ff., der die Beziehungen leugnet). In Epeiros kam es infolgedessen zu dem Sturz des Herrscherhauses und Anschluß an die Aitoler und Achäer (Polyb. II 6, 1. 7, 11), während Akarnanien seine Beziehungen zu M. weiter pflegte (Polyb. II 2, 5). In derselben Zeit führte Demetrios einen Krieg mit den Dardanern, die Paionien besetzten und ihm eine Niederlage beibrachten (Liv. XXXI 28,2. Trog. prol. 28); der Krieg dauerte über Demetrios’ Tod hinaus (Iustin. XXVIII 3, 14). Wenn Bylazora von Philippos V. erobert wurde (217: Polyb. V 97, 1), so darf man doch nicht folgern, daß die Stadt vor dem Dardanerkriege makedonisch war (über die Lage s. o. II E); vielmehr ist diese Annahme sehr unwahrscheinlich. Doch gelang es Demetrios, mit dem illyrischen Könige Agron (vgl. über ihn Beloch IV l² 635f.) gegen Aitoler und Dardaner ein Bündnis zu schließen. Agron befreite denn auch die akarnanische Festung Medeon und besiegte die Aitoler (Polyb. II 2, 4 – 4, 5): um 230. Dagegen fand Epeiros zunächst gegen die Illyrier bei den Aitolern Hilfe, schloß sich dann aber den Illyriern an (Polyb. II 4, 6 – 7, 11). Nach erst zehnjähriger Regierung starb Demetrios II. 229 (Polyb. II 44, 2. Euseb. I 237. 238 [wo er mit seinem Oheim verwechselt wird]. 241). Sein achtjähriger Sohn Philippos V. folgte ihm unter der Vormundschaft des Antigonos, des Sohnes des Demetrios von Kyrene, als des ältesten Agnaten. Überall erhob sich der Aufstand, sogar Thessalien fiel mit aitolischer Hilfe ab, und die Dardaner erschienen von neuem im Lande. Doch gelang es Antigonos, Thessalien wiederzugewinnen und die Dardaner aus dem Lande herauszuschlagen (Trog. prol. 28. Iustin. XXVIII 3, 14). Beloch IV 2² 412ff. hat aus den Hieromnemonenlisten dieser Zeit und sonstigen Angaben geschlossen, daß damals die Thessaliotis und Hestiaiotis zum Aitolischen Bunde gehört haben, also offenbar von Antigonos den Aitolern überlassen wurden, um die Pelasgiotis zu retten; seine Beweisführung erscheint zwingend, und es wäre bei unserer trümmerhaften literarischen Überlieferung nicht zu verwundern, wenn wir sonst davon nichts hören. Nun heiratete Antigonos die Königinwitwe Chryseis und nahm auf Verlangen des Volkes, d. h. wohl der Heergemeinde auf Vorschlag der φίλοι oder ἑταῖροι des Königs (Plut. Aemil. 8: οἱ πρωτοι Μακεδόνων), den Königstitel an, nachdem er durch sein mannhaftes Auftreten eine Erhebung in der Hauptstadt unterdrückt hatte (Iustin. XXVIII 3, 11–16). (Über Antigonos vgl. Bettingen König Antigonos Doson von M., Diss. Jena 1912.) Allerdings waren inzwischen alle makedonischen Besitzungen in Griechenland verloren gegangen; selbst Athen war befreit worden (vgl. Beloch IV l² 638ff. Kaerst o. Bd. I S. 2418). M. besaß nur noch Euboia (Geyer Suppl.-Bd. IV 445f.) und Thessalien. Doch Antigonos verstand es, die Machtstellung seines Reiches in Griechenland wieder aufzurichten. Zunächst griff er in Kleinasien ein, wo Ägypten während der Wirren im Seleukidenreich seine Stellung gewaltig verstärkt hatte. Er wollte verhindern, daß Ägypten von hier aus auch auf Griechenland bestimmenden Einfluß gewann. Der Zug war erfolgreich, [745] mußte aber wegen der Verhältnisse in Griechenland abgebrochen werden: um 227 (Trog. prol. 26. Polyb. XX 5, 7–11). Hier eröffnete ihm die Reform Kleomenes’ III. von Sparta und dessen Bestreben, die alte Machtstellung Spartas wieder herzustellen, die Möglichkeit eines Eingreifens. Denn Kleomenes mußte in einen unversöhnlichen Gegensatz zum Achäischen Bunde kommen, so daß der leitende Staatsmann Aratos keine andere Wahl sah als den Anschluß an M. Es wurde ihm sehr schwer, da er wußte, daß der Bund in Abhängigkeit von M. geraten würde Als Preis forderte Antigonos Korinth, und auch dazu war Aratos bereit (s. Näheres bei Kaerst a. a. O. Niese o. Bd. II S. 286ff. Lenschau o. Bd. XI S. 702ff.). Es mußte schnell gehandelt werden, da die Massen überall mit Kleomenes, von dem sie eine Bodenreform erwarteten, sympathisierten. Der Kampf begann bei Korinth; Kleomenes mußte sich zurückziehen. Korinth fiel an M. (Polyb. II 53, 6 – 54, 3. Plut. Kleom. 21). Der Peloponnes wurde dem spartanischen König entrissen, und dieser sah sich auf Lakonien beschränkt, wo er 222 bei Sellasia entscheidend geschlagen wurde (s. o. Außerdem Beloch a. O. Kromayer Antike Schlachtfelder I 199ff.). Schon vorher hatte Antigonos den Hellenischen Bund, allerdings in loseren Formen, als κοινὴ συμμαχία wieder ins Leben gerufen, dem er als ἡγεμών vorstand. Es war keine Vereinigung von πόλεις mehr, sondern von κοινά. So war die makedonische Hegemonie wiederhergestellt (Polyb. II 54, 4. IV 9, 3. 4. 16, 1. 22, 2. 25. 26, 2. Vgl. Beloch 712f.). Nach seinem Siege hielt sich Antigonos nur kurze Zeit in Lakonien auf und behandelte Sparta mit großer Milde. Er mußte nach M. zurück, wo die Illyrier eingefallen waren; er traf sie noch im Lande an und schlug sie in einer Schlacht. Dann aber fiel er in eine Krankheit und starb bald darauf: 221 (Polyb. II 70. Plut. Kleom. 30. Euseb. I 239). – Ihm folgte der Sohn Demetrios’ IΙ., Philippos V., im Alter von 17 Jahren; zunächst war ihm ein Regentschaftsrat zur Seite gestellt (Polyb. IV 76, 1. 87, 6–8). Der junge König sah sein Reich genau so gefährdet wie einst sein Vater und sein Vormund. Der Tod des erfolgreichen Herrschers war das Signal zu Krieg und Erhebung. Die Aitoler waren durch die Gründung des Hellenischen Bundes zur Bedeutungslosigkeit verurteilt worden, und eine starke Kriegspartei wollte es deshalb zum Bruche treiben. So kam es über Feindseligkeiten gegen Messenien zum Kampfe zwischen dem Aitolischen und Achäischen Bunde (Polyb. IV 3–13). Trotzdem wiederstrebte die aitolische Bundesversammlung dem Eintritt in den offenen Krieg; aber eine neue offene Friedensverletzung durch aitolische Freibeuter zwang den Achäischen Bund zur Kriegserklärung (Polyb. IV 16–25). Philippos war zwar in Eilmärschen in den Peloponnes geeilt, hatte aber die Aitoler nicht mehr getroffen; dann hatte er mit Sparta den Vertrag neu beschworen (Polyb. IV 22ff.). Doch eine offene Empörung brachte auch in Sparta die Kriegspartei ans Ruder, und es kam zu einem Bündnis zwischen Sparta und den Aitolern (Polyb. IV 34. 35). Dagegen faßte Philippos damals auf Kreta festen Fuß (Polyb. IV 53–55). Er selbst unternahm [746] einen Zug nach Epeiros und von hier gegen Ambrakia und Aitolien (Polyb. IV 57, 1. 61–65). Inzwischen aber waren die Aitoler durch das Tempetal in Pierien eingefallen und hatten Dion zerstört. Sie waren dann zwar zum Schutze der Heimat umgekehrt, aber dafür hatte ein anderer Feind M.s, die Dardaner, sich zum Einfall gerüstet, Philippos eilte nach M. und wehrte so den drohenden Einbruch der Dardaner ab (Polyb. IV 62. 66, 1–7). Im Winter unternahm der König dann noch einen überraschenden Feldzug gegen Elis, der von vollem Erfolge begleitet war (Polyb. IV 67–80). Im nächsten Jahre (218) gelang ihm ein Einfall in Aitolien selbst, wobei der heilige Bezirk von Thermon gründlich zerstört wurde (Polyb. V 2–17). Auch Sparta wurde durch einen plötzlichen Überfall des Königs überrascht und das Eurotastal verwüstet (Polyb. V 18–24). In dieser Zeit hat der König auch die maßgebenden Männer im Regentschaftsrat beseitigt, die ihm lästig waren und ihre Stellung wohl auch mißbraucht hatten; dabei half ihm Aratos (Polyb. V 14–16. 25-30. Plut. Arat. 48). 217 unternahm Philippos einen Zug gegen die Dardaner den Axios aufwärts und eroberte die Stadt Bylazora, die größte Stadt Paioniens, um ein für allemal den Einfällen der Dardaner einen Riegel vorzuschieben. Die Stadt sperrte das Wardartal (es ist das h. Veles oder Köprülü) und erschwerte im makedonischen Besitz den Dardanern die Benutzung der Haupteinfallslinie (Polyb. V 97, 1. 2: οὐ γὰρ ῥᾴδιονἦν αὐτοῖς ἐμβαλεῖν εἰς Μαδεδονίαν κρατοῦντος Φιλίππου τῶν εἰσόδω διὰ τῆς προειρημένης πόλεως). Von dort zog Philippos mit dem gesamten Aufgebot nach Thessalien und eroberte nach kurzer Belagerung das phthiotische Theben; es wurde mit Makedonen besiedelt und erhielt den Namen Philippupolis (Φιλίππου τὴν πόλιν ἀντὶ Θηβῶν κατωνόμασεν: Polyb. V 97, 3–100). Nun erneuerten Rhodos und Chios mit Unterstützung Ptolemaios’ IV. ihre Bemühungen zur Wiederherstellung des Friedens. Die Aitoler waren nach den Erfahrungen der letzten Jahre dazu bereit, und Philippos wollte die Hände frei haben zur Verdrängung der Römer aus Illyrien, wozu jetzt nach dem Siege Hannibals am Trasimenischen See die Gelegenheit gekommen schien. Denn die Stellung Roms an der illyrischen Küste war eine ständige Bedrohung M.s. Erst 219 hatten die Römer durch Besetzung der von Demetrios von Pharos beherrschten Städte in bedrohlicher Nähe der unter M.s Einfluß stehenden illyrischen Gebiete festen Fuß gefaßt, und Demetrios selbst hatte bei Philippos Aufnahme gefunden (Polyb. III 16. 18. 19. 19, 8. IV 66,4. VII 9, 13). Seitdem hatte er beim Könige für den Krieg gegen Rom gewirkt und war für diese Fragen Vertrauensmann geworden (Polyb. V 101, 7ff. 105, 1. 108, 5–8). So kam der Friede auf Grund des Besitzstandes zustande (Polyb. V 102ff.): 217. Man war sich einig, daß der drohenden Gefahr aus dem Westen durch Einigkeit begegnet werden müsse; mit Recht hat Beloch IV l² 733 auf Polyb. V 104, 9–11 hingewiesen. (Vgl. auch Polyb. V 105, 4. Iustin. XXIX 3.) – Sofort nach dem Friedensschluß mußte sich Philippos nach Illyrien wenden, wo sein Nachbar, der illyrische Fürst Skerdilaïdas (s. d.), sich [747] schwerer Grenzübergriffe schuldig gemacht hatte. Eine kleine Stadt {πόλισμα) in Pelagonien, Pissaion (s. o. II E), war von ihm geplündert, einige Städte in Dessaretien durch Versprechungen oder Drohungen auf seine Seite gezogen worden und zwar Antipatreia, Chrysondyon, Gertûs, ein bedeutendes Gebiet des benachbarten M. angegriffen worden (Polyb. V 108, 1. 2). Daraus und aus 108, 8 können wir schließen, daß die Grenze M.s damals zwischen dem Ochrida- und Prespasee verlaufen sein muß; die genannten Orte sind sonst nicht bekannt, wie wir über die Topographie dieser Gegend überhaupt kaum etwas wissen. Die Illyrier sind über den Prespa hinaus in die Ebene von Monastir vorgedrungen, wo Pissaion gelegen haben muß. Philippos war nicht nur entschlossen, die eroberten Gebiete zurückzugewinnen, sondern wollte auch darüber hinaus die ewigen Kämpfe mit den Illyriern endgültig aus der Welt schaffen, zumal die Unterwerfung des Gebietes zwischen den Seen und der Küste für jede Unternehmung gegen Italien unerläßlich erscheinen mußte. Er gewann die Städte zurück und eroberte Kreonion, Gerûs (identisch mit Gertûs?), sowie am Lychnitis (Ochrida) Enchelanai, Kerax, Sation und Boioi und noch zwei Orte im Gebiete zweier illyrischer Stämme hinzu (Polyb. V 108, 8). Die vier Städte am Lychnitis legte Leake III 325ff. an das Westufer des Sees. Während des Winters ließ Philippos 100 sogenannte Lemben (s. d.) zur Beförderung von Truppen bauen und ging bei Beginn des Sommers 216 in See. Um den Peloponnes herum erschien er am Aoos in der Nähe von Apollonia. Hier aber erregte eine falsche Nachricht über das Nahen einer römischen Flotte bei ihm so große Bestürzung, daß er nach Kephallenia zurückfuhr. Dort erfuhr er, daß die Römer auf die Bitten des Skerdilaïdas nur zehn Schiffe von Lilybaion abgesandt hätten, er also wohl imstande gewesen wäre, seine Zwecke in Illyrien zu erreichen. So mußte er unverrichteter Sache zurückkehren, was seinem Ruf nicht förderlich war (Polyb. V 109. 110). Noch 216 trat Philippos nach der Schlacht bei Cannae mit Hannibal in Verhandlungen, und es kam zum Abschluß eines Bündnisses (Polyb. VII 9). [2] Für M. war am wichtigsten, daß den Römern alle Besitzungen an der illyrischen Küste entrissen werden sollten. Auch konnte Philippos erst in den italischen Krieg eingreifen, wenn die Römer aus Illyrien verdrängt waren. Doch waren diese in der Lage, eine Flottenabteilung in das Adriatische Meer zu schicken, um ihre Stellung zu behaupten, und sie fanden an den Illyriern und auch den griechischen Städten, die kurzsichtig genug der Unterordnung unter den makedonischen König das Bündnis mit der fremden Macht vorzogen, bereitwillige Bundesgenossen (Polyb. VIII 1, 6 B–W. Liv. XXIII 32, 16f. XXIV 11, 3). Ein Angriff des Philippos auf Kerkyra 215 v. Chr. scheiterte (Appian. Maced. 1); er mußte [748] vor allem erst Bundesgenossen in Griechenland werben, da er ohne eine Flotte nichts ausrichten konnte. Doch die Achäer und vor allem Aratos wollten von einer Unterstützung des Philippos bei seinen illyrischen Plänen nichts wissen; auch sie waren nicht weitsichtig genug, um die von den Römern ihrer Unabhängigkeit drohende Gefahr und die Notwendigkeit ihrer Verdrängung aus Illyrien zu erkennen, und fürchteten nur einen Machtzuwachs des Königs. So beschloß Philippös, den Griechen energischer gegenüberzutreten und sie zur Gefolgschaft zu zwingen; damit verlor er aber zugleich auch die Sympathien der Griechen, vor allem des Aratos, der bisher viel bei ihm gegolten hatte (vgl. Kaerst o. Bd. II S. 388f. Niese II 469). Zuerst suchte er in Messenien festen Fuß zu fassen, wich jedoch vor Aratos und seinem Sohn zurück (Polyb. VII 10. 12. Plut. Arat. 49f.). 214 ging Philippos wieder zur See gegen Illyrien vor, nahm Orikos ein und legte sich vor Apollonia; doch die römische Flotte eroberte Orikos zurück und entsetzte Apollonia. Die Makedonen mußten ihre Flotte verbrennen und sich auf dem Landwege zurückziehen; es scheint also, als habe das Hinterland von Apollonia damals zu M. gehört (Polyb. VII 14 d B–W. Liv. XXIV 40. Plut. Arat. 51), Darauf gab der König zunächst die Unternehmungen gegen die Küste und die griechischen Küstenstädte auf und suchte die illyrischen Stämme zu unterwerfen. Vor allem gelang ihm die Eroberung von Lissos (Alessio), was nach Polybios die ganze Gegend zur Unterwerfung veranlaßte (Polyb. VIII 13. 14); damals haben wohl die Atintanen, Ardiaier und Parthiner die makedonische Herrschaft anerkannt (Liv. XXVII 30, 13. XXIX 12. 13. Vgl. Polyb. VIII 14 b). Wenn Philippos weiter solche Erfolge hatte, geriet die Stellung der Römer in Illyrien ins Wanken, und die Gefahr einer makedonischen Unterstützung des Hannibal rückte nahe (vgl. Iustin. XXIX 4, 4). Doch die Römer wandten sich mit Erfolg an die Gegner M.s in Griechenland; fast alle, namentlich die Aitoler, waren in ihrer Kurzsichtigkeit bereit, M. im römischen Interesse zu bekämpfen, und dadurch wurde Philippos genötigt, seine illyrischen Unternehmungen aufzugeben. Zunächst wurde 212 ein römisch-aitolisches Bündnis geschlossen (Liv. XXVI 24. Iustin. XXIX 4, 5; vgl. Niese II 477f. de Sanctis III 2, 414f.; Täubler Imp. Rom. I 210f.). – 211 wandte sich Philippos zuerst gegen die Illyrier, verheerte das Gebiet von Orikos und Apollonia, zog dann nach Pelagonien und nahm hier eine Grenzstadt der Dardaner, Sintia, die Kiepert FOA XVI S. 4 a nach Petritsch an der Strumitsa legt. Nach Livius müßte sie jedoch im Norden der Ebene von Monastir gelegen haben, am Ausgang eines der Pässe in das Wardartal (vgl. Niese II 478, 3). Von dort eilte er nach Thessalien und vertraute die fauces Thessaliae seinem Sohne Perseus an. (Es sei darauf hingewiesen, daß der König damals erst 27 Jahre alt war, also sein Sohn Perseus erst ein kleiner Knabe gewesen sein kann.) Dann begab er sich in Eilmärschen an die thrakische Grenze gegen die Maeder, die häufig in M. einfielen; er verheerte ihr Gebiet und begann mit der Belagerung ihrer Hauptstadt Iamphorynna (Φόρουννα. Polyb. [749] IX 45, 3). Auf ein Hilfsgesuch der Akarnanen eilte er nach Einnahme der Stadt nach dem Süden, erhielt aber in Dion die Nachricht, daß die Aitoler den Angriff aufgegeben hätten; so kehrte er nach Pella zurück (Liv. XXVI 25). Die Römer kamen spät und erzielten nur geringe Erfolge. Doch wurde die Lage für Philippos schwieriger, da 211/10 die Eleer, Messenier und Spartaner und auch Attalos von Pergamon sich dem Bunde gegen ihn anschlossen (Niese II 481f.). So kam es 210 im Peloponnes zum Kriege gegen die Achäer, während Philippos in Südthessalien gegen die Aitoler vorging. Wichtig für seine Gegner war die Einnahme von Aigina. 209 wurde der Krieg eifrig fortgesetzt, die Achäer von Norden und Süden angegriffen, die Aitoler von Philippos bedrängt. Eine Friedensvermittlung von Rhodos, Chios, Athen und Ägypten unterbrach die Kampfhandlungen. Beide Parteien schlossen zunächst einen Waffenstillstand; da aber Pergamon und Rom die Kriegslust der Aitoler stärkten, kam der Friede nicht zustande (Polyb. X 25. Liv. XXVII 37) Von Kleonai aus, wo er die Nemeen feierte, gelang Philippos ein siegreicher Überfall auf plündernde Römer und Aitoler (Liv. XXVII 31). Auch der weitere Feldzug war für ihn günstig, als ihn eine beunruhigende Nachricht nach dem Norden rief. Hier war Lychnidos (Ochrida) in die Hände eines Aëropos (Eropus) gefallen, und die Dardaner waren auf seine Anregung in die Orestis eingefallen und hatten den campus Argestaeus verheert (s. o. II E unter Argos Orestikon) (Liv. XXVII 32, 9–33, S). Der Name des Empörers läßt darauf schließen, daß es sich um einen Angehörigen des Königshauses handelt oder er wenigstens Anspruch auf die Zugehörigkeit zu ihm erhob. Nach Iustin XXIX 4, 6 haben die Dardaner zahlreiche Gefangene mitgeschleppt, aber doch die Orestis wieder geräumt. Philippos ist ihnen gefolgt und hat die verlorenen Gebiete wohl sofort oder Ende 208 zurückgewonnen (Iustin. 8. 10). – 208 wurde Philippos von allen Seiten bedrängt; sogar Oreos (Histiaia) auf Euboia wurde von den Römern zerstört und ein Handstreich gegen Chalkis versucht; Verhandlungen in Herakleia in Trachis führten zu keinem Ergebnis (vgl. Geyer Suppl.-Bd. IV S. 755. Niese II 489ff.). Aber im allgemeinen gelang es dem Könige, den Feinden standzuhalten und ihnen bedeutenden Schaden zuzufügen, wozu ihn seine Rührigkeit besonders befähigte. Um in Zukunft auch zur See der verbündeten römisch-pergamenischen Flotte entgegentreten zu können, ließ er in Kassandreia 100 Kriegsschiffe bauen (Liv. XXVIII 8, 14). Im folgenden J. 207 war seine Aufgabe leichter, da weder Attalos noch die Römer auf dem Kriegsschauplatz erschienen. Auch die Friedensversuche wurden erneuert, aber wieder ohne Erfolg, da die Römer wieder den Aitolern Unterstützung versprachen (Polyb. XI 4–6). Die Aitoler wurden aber von Philippos stark bedrängt und ihr Land gründlich verwüstet (Polyb. XI 7, 2f.). Im Peloponnes gewannen die Achäer unter Philopoimens Führung die entschiedene Oberhand. Im J. 206 wurde durch den Übertritt der Athamanen zu M. auch der bisher verschonte Teil Aitoliens den Makedonen preisgegeben (Liv. XXXVI 31, 11), und da die [750] Römer wieder nicht erschienen, kam es (206 oder 205) zum Frieden zwischen den Aitolern und M. und ihren Bundesgenossen (Liv. XXIX 12, 1–4). Die Römer schickten nun eine bedeutende Kriegsmacht nach Illyrien und begannen Dimallos zu belagern. Als Philippos kam, zogen sie sich nach Apollonia zurück und mußten zusehen, wie die Gegend verwüstet wurde (Liv. XXIX 12, 5–7). Da Philippos die Hoffnung aufgegeben hatte, die Römer aus Illyrien zu vertreiben, und die Römer ohne griechische Hilfe nichts erreichen konnten, kam es zum Frieden von Phoinike (205). Philippos verzichtete auf einige illyrische Plätze, behielt aber die Herrschaft über die Atintanen und Parthiner. In Rom wurde der Friede genehmigt (Liv. XXIX 12, 13ff. Appian. Maced. 8. Vgl. zum Frieden de Sanctis III 2, 435ff. Täubler 214ff.). So ging M. ehrenvoll aus dem Kriege hervor. Zwar war es dem Könige nicht gelungen, die Römer aus Illyrien zu verdrängen, aber er hatte doch seinen Machtbereich bis zur Adria ausgedehnt, scheint dagegen in Thessalien endgültig auf die südlichen Teile verzichtet zu haben (s. o. Beloch IV 2² 412ff.). Nach Polyb. XVIII 3, 12. 48, 8 gehörte Pharsalos 198 dem Philippos, muß aber nach den Worten der Aitoler vorher längere Zeit den Aitolern gehört haben. Aus Polyb. V 99, 3 liest man nun gewöhnlich heraus, daß Pharsalos 218 noch zu M. gehörte. Dann entsteht die Frage, wann Pharsalos aitolisch geworden ist (vgl. Niese II 503, 1). Meines Erachtens ist es nicht nötig, Polyb. V 99, 3 in diesem Sinne zu verstehen (wie auch schon Beloch 416 andeutet), und damit fällt die Notwendigkeit, die Erwerbung von Pharsalos durch die Aitoler in die Zeit nach 218 zu setzen. War der Süden Thessaliens seit Antigonos Doson aitolisch, so ist es verständlich, daß die Aitoler auch Echinos, Larisa Kremaste und das phthiotische Theben 198 als alten früheren Besitz bezeichneten; auch diese Städte sind dann wie Pharsalos erst nach 205 (Theben 217, s. o.) makedonisch geworden. Hatte so M. keine Gebietsverluste zu beklagen, war seine Stellung den Illyriern und Thrakern gegenüber sogar stärker geworden, so war die Tatsache bedenklich, daß die Einheit Griechenlands zersprengt war und auch bei den Achäern gegen Philippos starkes Mißtrauen bestand.
In Griechenland brach der Krieg bald von neuem aus; seitdem Nabis sich zum Herrn von Sparta gemacht hatte, war an dauernden Frieden im Peloponnes nicht zu denken, zumal die Achäer an Philopoimen einen tüchtigen Feldherrn hatten. Zugleich bewirkte das gesteigerte Selbstvertrauen des Achäischen Bundes eine größere Selbständigkeit M. gegenüber, und dadurch wurde die Machtstellung M.s empfindlich getroffen. Das Verhältnis zwischen Philippos und Philopoimen war daher gespannt (vgl. Plut. Philop. 12. Paus. VIII 50, 4. Iustin. XXIX 4, 11). Philippos fühlte die Notwendigkeit, M.s Macht durch eine großzügige Steigerung der eigenen Hilfsmittel und durch Erweiterung des unmittelbaren Besitzes zu erhöhen. Von Interesse ist seine Bürgerrechtspolitik gegenüber Larisa, dessen Bürgerschaft er schon 219 durch Aufnahme von Thessalern und anderen Hellenen zu vermehren versuchte; da er auf Widerstand und Ablehnung stieß, erneuerte [751] er 213 seine Anordnung und befahl die Wiederaufnahme der ausgeschlossenen Neubürger. Dabei ist bemerkenswert, wie gut der König über die Organisation der römischen Bürgerschaft orientiert ist; es ist ihm nicht zweifelhaft, daß die damalige weitherzige Bürgerrechtspolitik Roms zu den gewaltigen Erfolgen bestimmend beigetragen hat (Syll.³ 543). Diese Auffassung wird Philippos auch den übrigen griechischen Städten seines Machtbereiches und wohl auch den nach griechischem Vorbild organisierten makedonischen Städten gegenüber vertreten haben. Auch der Verstärkung und Verbesserung seiner Flotte wandte er erhöhte Sorgfalt zu. So verständig die innere Politik war, durch die Gewalttätigkeit der äußeren Politik hat er sich überall Feinde geschaffen. Zunächst scheint er im Norden beschäftigt gewesen zu sein; in Illyrien machte er nach Phoinike Eroberungen (Polyb. XVIII 1, 14. Vgl. XIII 10, 11), in Thrakien war er tätig (Polyb. XIII 10, 7–10), wo nach dem Zusammenbruch des Reiches der tylenischen Kelten die thrakischen Stämme sich wieder unangenehm bemerkbar machten. Von den bei Polybios genannten thrakischen Orten kann sicher nur Kabyle lokalisiert werden; es wird nach Golowitza am Tundscha gelegt (s. Forbiger Lehrb. d. alten Geogr. III² 741f.). Danach ist Philippos also etwa bis an den Südfuß des Balkan vorgestoßen. Dann hat er mit den Dardanern gekämpft und sie in einer großen Schlacht entscheidend geschlagen (Diod. XXVIII 2. Iustin. XXIX 4, 10). Auf seine Verwicklungen mit Rhodos sei nur hingewiesen. Ein großes Feld kriegerischer Tätigkeit schien sich dem König zu öffnen, als Ptolemaios IV. starb und unter seinem unmündigen Nachfolger schwere Unruhen in Ägypten ausbrachen: 205/04. Philippos schloß mit Antiochos III. von Syrien ein Abkommen zum Angriff auf Ägypten, um dieses seiner ägäischen Besitzungen zu berauben (Stellen bei Niese II 578). Ägypten besaß damals den größten Teil der thrakischen Küste von Maroneia an (Polyb. V 34, 8). 202 ging Philippos gegen diesen Besitz vor und ließ zugleich durch makedonische Schiffe Rhodos und die Kykladen beunruhigen (Polyb. XVIII 54, 7ff. Diod. XXVIII 1). Die hellespontischen Städte traten zu ihrem Schutz in den Aitolischen Bund (Polyb. XVIII 3, 11. XV 23, 8). Trotzdem fiel Lysimacheia in Philipps Hand, ebenso Sestos, Perinthos und Kalchedon (Polyb. XV 23, 9. XVIII 2, 4. 3, 11. 4, 5). Durch die Eroberung von Kios kam er in offene Feindschaft mit Rhodos (Polyb. XV 21f.). Auf der Rückfahrt vergewaltigte er Thasos, das ihm die Tore geöffnet hatte (Polyb. XV 24). – 201 brach er zur Eroberung der kleinasiatischen Besitzungen der Ägypter auf und nahm Samos, geriet aber nun in Kampf mit Pergamon und den Rhodiern mit ihren Verbündeten. Attalos und Rhodos riefen Rom um Hilfe an (Niese II 583f.). Philippos erlitt eine schwere Niederlage zur See und erreichte auch zu Lande nichts Entscheidendes; trotzdem setzte er den Krieg mit günstigerem Erfolge fort und eroberte eine Reihe karischer Plätze. Doch als sich die Verbündeten wieder vereinigten, verlor er Samos und andere Punkte und konnte sich nur mit Mühe nach M. durchschlagen. In Europa hatte er sich [752] die Aitoler zu Feinden gemacht; damals muß er die thessalischen Städte Pharsalos, Echinos, Larisa Kremaste den Aitolern entrissen haben (Polyb. XVIII 3, 12. Siehe oben). Die Aitoler wagten aber auf eigene Faust nicht loszuschlagen und wurden in Rom abgewiesen (Appian. Maced. 4, 2. Polyb. XVIII 38, 8f.). Auch mit Athen geriet Philippos in Streit, und die Athener wandten sich an ihre Freunde und nach Rom. Hier war man jetzt zum Kriege bereit, da ein mächtiges M. eine Gefahr für Rom werden konnte, und die Römer beschlossen einzugreifen, wollten aber vorher die beiden Könige zu trennen versuchen. Eine Gesandtschaft ging 200 zu Philippos mit der Forderung, den Krieg in Hellas einzustellen, seine Streitigkeiten mit Attalos und Rhodos einem Schiedsspruch zu unterwerfen und die Besitzungen des Ptolemaios nicht mehr anzugreifen (Polyb. XVI 27, 2. 34, 2. 3).
Als Attalos und die Rhodier in Europa erschienen, ging zunächst Athen zu ihnen über. Dagegen hielten sich die Aitoler und vor allem die Achäer zurück. Philippos war entschlossen, den Forderungen der Römer nicht nachzugeben; im Gegenteil ging er mit doppeltem Eifer gegen die ägyptischen Plätze in Thrakien vor. Maroneia, Ainos, Kypsela, Doriskos, Serrhaion, sodann die Orte am thrakischen Chersones wurden von ihm eingenommen (Liv. XXXI 16, 4ff.). Nach heftiger Bestürmung fiel auch Abydos in seine Hand, da Attalos und die Rhodier keine ausreichende Hilfe sandten (Polyb. XVI 29ff. Liv. XXXI 16, 6–18). Als der König nach M. zurückkehrte, erfuhr er, daß das römische Heer in Illyrien gelandet sei: 200 v. Chr. Zwar gelang es noch in diesem Jahre, mit athenischer Hilfe Chalkis zu nehmen; dafür aber wurde Attika von Philippos gründlich verwüstet (Liv. XXXI 24–26). Die Achäer ließen sich vom Könige nicht in den Krieg hineinziehen. Inzwischen hatten die Römer einen Angriff gegen die illyrischen Besitzungen M.s unternommen und waren in Dessaretien eingebrochen; Antipatreia wurde mit stürmender Hand genommen (Liv. XXXI 27) (vgl. zum Feldzug in Obermakedonien Kromayer Ant. Schlachtfelder II 9ff.). Nun stellten sich auch die Illyrier und Dardaner sowie Amynandros von Athamanien im römischen Lager ein. Dagegen hielten sich die Aitoler noch zurück, trotzdem ihnen jetzt die Römer das Bündnis anboten (Liv. XXXI 28–32). Philippos war auf seine eigenen Kräfte angewiesen; in seinem Heere finden wir nur illyrische und thrakische Söldner sowie Thessaler, Boioter und Akarnanen (Polyb. XVIII 22, 2. 43. Liv. XXXI 35, 1. XXXIII 14, 4. 5. 18, 7–9). Zudem wurde ein beträchtlicher Teil seines Heeres durch die Garnisonen in Griechenland, Thrakien und Karien in Anspruch genommen (Niese II 600, 2). 199 war Pelagonien (Lynkos), die Ebene von Monastir, der Kriegsschauplatz (s. über die von Liv. XXXI 33ff. genannten Örtlichkeiten und Flüsse o. II B 3, II E und III 1. 2). Hier hielt Philippos längere Zeit die Gegner fest, mußte sich aber dann gegen die Illyrier und Aitoler wenden und Obermakedonien den Römern preisgeben; diese durchzogen Eordaia, Elimeia und Orestis und kehrten dann nach Dessaretien und Illyrien zurück (Liv. XXXI 40). Nach Polyb. [753] XVIII 47, 6 haben sich dabei die Oresten den Römern angeschlossen (vgl. Liv. XXXI 40, 3), so daß also der Ursitz der Makedonen zuerst zu den Feinden überging. Dies erscheint um so merkwürdiger, als wohl Lynkestis und Elimeia, aber nie die Orestis sich feindlich gegen den makedonischen König gestellt hatte. Philippos war inzwischen zu spät gekommen, um die Dardaner noch im Lande zu erreichen; nachgesandte Truppen brachten ihnen Verluste bei (Liv. XXXI 40, 7. 43, 1f.). Er selbst wandte sich gegen die Aitoler, die jetzt auch in den Krieg eingetreten (Liv. XXXI 40, 9. 46) und in Thessalien eingebrochen waren; er überraschte sie und zwang sie zur Rückkehr (Liv. XXXI 41ff.). Auf den Seekrieg gehe ich hier nicht ein; nur seien der Angriff auf Kassandreia und die Eroberung von Akanthos (Liv. 45, 14ff.) und die zweite Eroberung von Histiaia auf Euboia erwähnt (Geyer Suppl.-Bd. IV S. 755f.). – 198 mußte Philippos alle Kräfte zusammenfassen; er zog seine Besatzung aus Lysimacheia und lieferte es damit den Thrakern aus (Polyb. XVIII 4, 5f.). Den Achäern machte er bedeutende Zugeständnisse (Liv. XXXII 5, 4ff.). (Vgl. zum Feldzug 198 Kromayer II 33ff.) Die Römer hatten einen Einfall durch die epeirotischen Gebirgsgegenden nach Thessalien geplant, aber Philippos kam ihnen zuvor, besetzte die Pässe am Aoos und befestigte sie stark, so daß die Römer keine Angriffe wagten (Liv. XXXII 5. 6. Plut. Tit. 3). Indessen traf der neue Consul T. Quinctius Flamininus im Lager ein. Seine Angriffe auf die Stellung des Philippos hatten keinen Erfolg, und eine Unterredung zwischen ihm und dem König führte bei den harten Forderungen der Römer zu keinem Ergebnis (Liv. XXXII 9. 10). Da gelang es Titus, unter epeirotischer Führung die Stellung des Königs zu umgehen, die nun bei einem Doppelangriff fluchtartig von den Makedonen verlassen wurde; die makedonischen Lager fielen den Römern in die Hände, aber Philippos konnte seine Truppen sammeln und nach Thessalien marschieren (Liv. 11 ff. Plut. Tit. 4). Hier ließ er einen großen Teil der Städte räumen, um sie nicht den Feinden überlassen zu müssen, und nahm im Tempe eine feste Stellung ein. Aitoler und Athamanen brachen in die Grenzgebiete Thessaliens ein (Liv. 13. 14. Polyb. XVIII 3, 9. Plut. Tit. 5), und auch die Römer erschienen dort. Doch vor Atrax fanden sie tapferen Widerstand, und da der Winter herannahte, räumte der Consul Thessalien und zog nach Phokis. Inzwischen hatte die Flotte Eretria und Karystos genommen (Liv. XXXII 16–18. Vgl. Polyb. XVIII 45, 5). Dann gelang es auch, die Achäer, die sich vor den Römern fürchteten und auch den Makedonen zu Dank verpflichtet waren, auf die römische Seita hinüberzuziehen (Liv. XXXII 19–23. Plut. Tit. 5. Appian. Maced. 7. Polyb. XVIII 6, 7. Niese II 616ff.). Philippos war in Griechenland fast ohne Freunde. Er mußte versuchen, zu einem annehmbaren Frieden zu kommen, und auch Titus, der den Krieg gern beendigen wollte und der Verlängerung des Oberbefehls nicht sicher war, hätte einen günstigen Frieden begrüßt. So kam es zu einer Zusammenkunft in Nikaia, auf der die Verbündeten ihre weitgehenden [754] Forderungen anmeldeten; der König war bereit, einen Teil zu erfüllen, und schließlich schickten er und die Verbündeten Gesandtschaften nach Rom. Hier wurden seine Gesandten entlassen, als sie auf Korinth, Chalkis und Demetrias nicht verzichten zu können erklärten (Polyb. XVIII 1ff. Liv. XXXII 32ff.). So zog Philippos für 197 alle irgendwie entbehrlichen Besatzungen an sich, zumal da trotz der Auslieferung von Argos auch Nabis von Sparta sich den Römern anschloß und dadurch zugleich die Achäer ihre ganze Kraft dem Kriege widmen konnten.
Und schließlich wurden sogar die Boioter gewonnen (Liv. XXXIII 1. 2). Der letzte Feldzug endete mit der Schlacht bei Kynoskephalai, in der die Makedonen nach tapferem Kampfe den Legionen erlagen (vgl. über den ganzen Feldzug und die Schlacht Kromayer Ant. Schlachtf. II 57ff.). Philippos mußte nach M. zurück; Thessalien fiel ganz den Römern in die Hände, ebenso Akarnanien nach rühmlichem Widerstand. Nur gegen die Dardaner war Philippos siegreich; mit schnell ausgehobener Mannschaft schlug er sie bei Stoboi entscheidend und trieb sie in ihr Gebiet zurück, so daß wenigstens das eigentliche M. von Feinden freiblieb (Liv. XXXIII 19). Im übrigen trat Titus bei den Verhandlungen dem Könige freundlich gegenüber und wies die überspannten Forderungen der Aitoler zurück. Philippos war bereit, alles früher von ihm verlangte zu bewilligen, und erhielt einen Waffenstillstand, um in Rom die entscheidenden Verhandlungen führen zu können. Da Antiochos III. in dem Kriege mit Ägypten große Erfolge erzielt hatte, hielt der Procousul es für klug, den makedonischen König nicht zum äußersten zu treiben und zu einem Anschluß an den Syrer zu zwingen, sondern ihm einen annehmbaren Frieden zu bewilligen. Dieselbe Ansicht herrschte im Senat vor, und so wurde der Friede auf Grund der vereinbarten Bedingungen von ihm genehmigt und auch vom Volke angenommen (Polyb. XVIII 34ff. Liv. XXXIII 11ff. Plut. Tit. 9. Täubler 228ff.). 196 trafen die Legaten des Senats in Griechenland ein, und Philippos räumte sofort sämtliche hellenischen Städte, vor allem Korinth, Chalkis und Demetrias, lieferte die Kriegsgefangenen und seine Kriegsschiffe bis auf sechs aus und verpflichtete sich, 1000 Talente zu zahlen (Polyb. XVIII 44. Liv. XXXIII 30. Appian. Maced. 9, 3. Plut. a. a. O. Vgl. Niese II 648, 2. de Sanctis IV 1, 92f.). Mit der Vorherrschaft M.s über Griechenland war es vorbei; das makedonische Volk war an seiner Weltherrschaft und der unausrottbaren Kleinstaaterei der Griechen verblutet (vgl. Münzer Die polit. Vernichtung des Griechentums, Leipzig 1925. Geyer N. Jahrb. III [1927] 523ff.). Die Römer erklärten die Griechen für frei, um sie möglichst zu vereinzeln und dann desto sicherer beherrschen können. Die Furcht vor dem syrischen Könige, dessen Macht ihnen viel größer erschien als sie in Wirklichkeit war, leitete sie bei dieser Atomisierung Griechenlands. Und die Griechen jubelten in ihrer Kurzsichtigkeit den Befreiern zu; sie ahnten nicht, wie bald nach der Ausschaltung ihrer natürlichen Vormacht die Stunde der Knechtschaft für sie schlagen sollte. – Von weiteren Entscheidungen der Senatskommission [755] seien als wichtig für M. noch hervorgehoben: Die Oresten wurden von M. abgetrennt und für frei erklärt, ebenso die Magneten und Perrhaiber; Thessalien wurde als selbständig anerkannt mit Einschluß des phthiotischen Achaia. Der Illyrier Pleuratos erhielt Lychnidos, dem Athamanen Amynandros wurden die von ihm besetzten Kastelle des Philippos überlassen (Polyb. XVIII 47. Liv. XXXIII 34ff.). Über Thessaliens neue Verfassung sowie über die der Magneten und Perrhaiber vgl. Swoboda in Hermanns Staatsaltert. III⁶ 238ff. 429ff. Busolt-Swoboda Griech. Staatsk. II 1491ff. Die Akarnanen behielten ihre Freiheit und schlossen mit den Römern ein Bündnis. – Philippos hatte im Tempe eine Zusammenkunft mit dem römischen Legaten Cn. Cornelius, der ihn zum Eintritt in das römische Bündnis bewog (Polyb. XVIII 48. Liv. XXXIII 35). Nur die Aitoler waren unzufrieden und nicht ohne Grund; da sie sich in keiner Weise gerecht behandelt fühlten, mußten sie jedem Feinde Roms zufallen.
Für alle Einzelheiten der römischen Politik in Griechenland verweise ich auf Niese II 653ff. Als die römischen Kommissarien und Soldaten 194 Griechenland räumten, stand in der Tat kein fremder Soldat auf griechischem Boden. – Inzwischen hatte Antiochos bereits in Europa festen Fuß gefaßt, die Städte des Chersones besetzt und Lysimacheia wiederaufgebaut (Liv. XXXIII 38). Hier trafen ihn die römischen Gesandten, die ihn vor allem zur Herausgabe der dem Philippos abgenommenen Städte aufforderten; zu einer Einigung kam es nicht, da Antiochos jede Einmischung der Römer in Asien zurückwies und die thrakischen Städte als von seinem Ahnherrn gewonnen bezeichnete (Polyb. XVIII 49. Liv. c. 39. Diod. XXVIII 12. Appian. Syr. 2; vgl. Liv. XXXIV 58, 5). Der Krieg schien damals schon bevorzustehen. 195 eroberte Antiochos die thrakische Küste bis Maroneia und Ainos, verbündete sich mit Byzantion und half den Griechenstädten am Pontos (Appian. Syr. 6). Dann schickte er Gesandte nach Rom, wo damals auch Gesandte aus M., Griechenland und Asien anwesend waren (Diod. XXVIII 15. Liv. XXXIV 57. App. a. a. O.). Der Senat suchte im Hinblick auf den kommenden Krieg alle zu befriedigen und versprach vor allem Philippos, ihm, wenn er am Bündnis festhalte, seinen Sohn Demetrios zurückzuschicken und den Rest der Kriegsentschädigung zu erlassen (Diod. XXVIII 15. Vgl. Liv. XXXV 31, 5). Aus der Liviusstelle scheint auch hervorzugehen, daß ihm Magnesia und Demetrias zugesagt worden ist. Die Verhandlungen mit den Gesandten des Antiochos verliefen ergebnislos: 193 v. Chr. Auch taten die Aitoler, die den römischen Einfluß in Griechenland brechen wollten, alles, um Antiochos zum Kriege zu treiben. Man versuchte auch Philippos für den Krieg zu gewinnen (Liv. XXXV 12, 15ff.) und behauptete vor Antiochos, er sei bereit loszuschlagen. So ließ sich der syrische König zum Übergang nach Griechenland bestimmen, wo Nabis längst den Krieg begonnen hatte und 192 auch die Aitoler die Feindseligkeiten eröffneten. Verhandlungen mit Philippos hatten zu keinem Ergebnis geführt; der makedonische König hielt sich wohl [756] zurück, weil er an einen Sieg des Antiochos nicht glaubte und wegen der engen Verbindung mit den Aitolern auch nicht für wünschenswert hielt (vgl. Liv. XXXIX 28). Antiochos war in keiner Weise den Römern gewachsen, und so endete der Krieg mit seiner vollen Niederlage und der Verdrängung aus Kleinasien (189 v. Chr.). Philippos hatten die Römer durch eine Truppenabteilung in Illyrien beobachten lassen (Liv. XXXVI 1. Appian. Syr. 15. 16). Doch eine bewußt feindliche Handlung des Antiochos, der des Athamanen Amynandros Schwager, einen angeblichen Nachkommen Alexanders d. Gr. und Prätendenten für den makedonischen Thron, die Gebeine der bei Kynoskephalai gefallenen Makedonen bestatten ließ, hatte Philippos auf die Seite der Römer getrieben (Liv. XXXVI 8, 5f. 10, 10. Appian. Syr. 16). Man sicherte ihm die den Aitolern und ihren Bundesgenossen abgenommenen Gebiete zu. Er ließ darauf sofort römische Truppen durch sein Gebiet nach Thessalien hindurch. Hier beteiligte er sich selbst 191 eifrig am Kriege (Liv. c. 13), eroberte nach Ankunft des Consuls Athamanien (Liv. c. 14. 32, 1. Appian. Syr. 17). Nach der Schlacht bei den Thermopylen belagerte er vergeblich Lamia und mußte schließlich den Römern Platz machen (Liv. XXXVI 25); dies kränkte ihn schwer. Als daher ein Bote der Aitoler an Antiochos in seine Hände fiel, behandelte er ihn freundlich und machte ihm gegenüber den Aitolern wegen ihres Verhaltens gegen die Römer und Antiochos Vorwürfe; darauf entließ er ihn mit dem Auftrage, seine Landsleute seines Wohlwollens zu versichern (Polyb. XX 11). Der Consul lenkte ein und überließ dem Könige die Eroberung der noch im aitolischen Besitze befindlichen Städte Thessaliens und seiner Nachbargebiete (Liv. XXXVI 33, 1. XXXIX 23. 28). Er gewann zunächst Demetrias und Magnesia sowie einige perrhaibische Städte und unterwarf dann die Doloper und Aperanten (Liv. XXXVI 33, 7. 34, 9. Plut. Tit. 15). Zugleich entließ der Senat seinen Sohn Demetrios mit den übrigen Geiseln und versprach Erlaß der Kontribution (Polyb. XX 3. 11, 9. Liv. XXXVI 35, 12). Als die neuen Feldherren 190 in Griechenland eintrafen, kam man auch zu einem vorläufigen Abkommen mit den Aitolern, und so war der Weg nach Asien frei. Das Heer zog durch Thessalien, M. und Thrakien zum Hellespont. Philippos hatte für alles Sorge getragen, die Straßen in Ordnung gebracht, Brücken gebaut, Lebensmittel bereit gestellt, empfing seine Gäste mit großer Liebenswürdigkeit und geleitete sie durch M. und Thrakien (Liv. XXXVII 7, 7ff. XXXIX 28. Appian. Syr. 23. 28. 43; Maced. 9. 5). Dafür wurde ihm der Rest der Kontribution erlassen (Appian. Syr. 23; Maced. a. O.). Die Seesiege der Römer und ihrer Verbündeten erregten bei Antiochos große Besorgnisse; er glaubte, alles zur Entscheidungsschlacht an sich ziehen zu müssen, und räumte sogar Lysimacheia, das den Römern den Übergang noch hätte sperren können (Diod. XXIX 5. Liv. XXXVII 31. Appian. Syr. 28. 37). So konnte das römische Heer unbehindert übersetzen. – Nach dem Siege über Antiochos und über die Galater traten 189 die Römer wieder durch Thrakien und M. den Rückzug [757] an. Er war weit verlustreicher als der Hinmarsch, und man machte es dem Manlius zum Vorwurf, daß er sich mit Philippos nicht in Verbindung gesetzt hatte (Appian. Syr. 43; Maced. 9, 5. Liv. XXXVIII 41). – Schon 190/89 hatte Philippos Athamanien wieder verloren (Liv. XXXVIII 1. 2). Die Aitoler entrissen ihm darauf auch das Gebiet der Aperanten und Doloper (Liv. c. 3, 3ff. Polyb. XXI 25, 3ff.). Als dann die Aitoler nach ihrer Besiegung durch M. Fulvius Nobilior um Frieden nachsuchten, erhielt er die Gebiete nicht zurück, weil man ihn nicht zu mächtig werden lassen wollte (Liv. c. 10, 3ff. Vgl. Polyb. XXI 31). – Seine Erwerbungen suchte Philippos nun möglichst eng an M. anzuschließen; der Name Philippupolis für Gomphoi (Liv. XXXIX 25, 3) ist allerdings wohl auf Philippos II. zurückzuführen (vgl. Head HN² 294f}. In Thrakien gewann er Ainos und Maroneia zurück (Liv. c. 23. Polyb. XXII 6, 7. 13, 5. 9). Die Klagen seiner Gegner fanden aber bei den Römern, die ihn mit Mißtrauen beobachteten, williges Gehör; in Thessalien sind ihm einige Plätze mit Gewalt genommen worden (Liv. XXXIX 26, 1f.). In Rom trafen seine Gegner 187 ein (Gaebler Ztschr. f. Num. XXXVI 111ff.); der Senat schickte eine Kommission nach M., die im Tempe mit Philippos und seinen Gegnern zusammentraf. Wie anzunehmen fiel die Entscheidung gegen ihn; er mußte die Plätze in Thessalien, Perrhaibien und Athamanien räumen. Von seinen Erwerbungen behielt er nur einige phthiotische Städte und Demetrias mit Magnesia (Liv. c. 24ff. Polyb. XXII 1). In Thessalonike wurde dann weiter über die thrakischen Städte verhandelt; bis zur Entscheidung des Senats sollte er sie räumen. 185/4 wurde auch diese Frage zu seinen Ungunsten entschieden; er mußte auf die thrakischen Städte endgültig verzichten (Polyb. XXIII 8, 1. 2). Vorher ließ er durch thrakische Soldaten seine Widersacher in Maroneia niedermachen (Polyb. XXII 11. Liv. c. 33ff. Vgl. Polyb. XXII 1, 5. 13). Dadurch hatte er sich so bloß gestellt, daß er einlenken mußte, da er zum Kriege noch keineswegs gerüstet war. Er schickte daher seinen Sohn Demetrios nach Rom, wo dieser zahlreiche Ankläger vorfand; er fand günstige Aufnahme. Nur die Räumung Thrakiens mußte jetzt ganz vollzogen werden (Polyb. XXII 1ff. Liv. 46ff. Appian. Maced. 9, 6. Iustin. XXXII 2, 3ff.). Da er sich während des Krieges große Verdienste um Rom erworben hatte, sah er in diesem Vorgehen des Senates schnöden Undank und berechnete Kränkung, und fortan setzte er seine ganze Kraft an die Wiederaufrichtung seines Landes, um dereinst mit Aussicht auf Erfolg den Entscheidungskampf mit Rom aufnehmen zu können (Polyb. XXII 18, 10 B.-W. 14, 7. XXIII 8, 1f. 10, 4. Liv. XXXIX 23. 29). Er suchte alles aufzuhäufen, was zu einer erfolgreichen Kriegführung notwendig schien (Polyb. XXV 3, 9f. Plut. Aemil. 8. Appian. Maced. 11, 1. Vgl. Iustin. XXXII 3, 4). Er erhöhte die Grundsteuern und die Hafenzölle, nahm die stillgelegten Bergwerke wieder in Betrieb und legte neue an, suchte die Bevölkerungszahl sowohl durch Vergünstigungen für kinderreiche Familien wie auch durch Ansiedlung von Thrakern zu erhöhen (Liv. c. 24). Dabei suchte [758] er seine Vorbereitungen möglichst zu verheimlichen, vernachlässigte daher die an den großen Straßen und an der Küste gelegenen Städte, sammelte dagegen in den Plätzen im Innern Waffen und Mannschaften, legte dort Schatzhäuser und Getreideschuppen an zur Unterhaltung einer großen Söldnerzahl (Plut. Aemil. 8). Aus den bedeutendsten Küstenstädten – es sind wohl in erster Linie die griechischen gemeint – verpflanzte er viele Bürger mit Weib und Kind in das makedonische Binnenland und ersetzte sie durch Thraker und andere Barbaren (Polyb. XXIII 10, 4ff. Liv. XL 8). Wenn Polybios hier εἰς τὴν νῦν μὲν Ἡμαθίαν, τὸ δὲ παλαιὸν Παιονίαν προσαγορευομένην sagt, so kann er damit nur M. am Axios bis zum Engpaß von Demir Kapu meinen; daß Emathia als Landschaftsname sonst in historischer Zeit nicht bezeugt ist, ist oben II A 1 ausgeführt worden. Die Kinder der von ihm Hingerichteten ließ er in Haft nehmen, um von ihnen nichts befürchten zu müssen (Polyb. a. a. O. Liv. a. a. O.). Auch die Münzpolitik des Königs wurde von dem Streben nach Erhöhung der Machtmittel des Staates geleitet. Er gestattete den Distrikten, sich an der Ausbeutung der Bergwerke zu beteiligen und aus ihrem Ertrage eigene Münzen zu prägen; dadurch wurden sie an einer möglichst intensiven Ausbeutung interessiert. Unter Philippos und Perseus haben mindestens fünf Distrikte eigene Münzen geprägt, und zwar Edonis, Amphaxitis, Bottiaia, Doberos und Parauaia; sie haben Silber- und Bronzemünzen herausgebracht (alles weitere bei Gaebler Ztschr. f. Numism. XX 169ff. XXXVI 188ff. und Die antiken Münzen Nordgriechenlands III 1 (1906) S. 1ff., 26ff.). Auch Städte erhielten das Münzrecht. Außerdem suchte der König im Norden und Osten sein Machtgebiet zu erweitern. In Thrakien scheint er noch Besitzungen bis in die Gegend von Abdera, Maroneia und Ainos gehabt zu haben (Diod. XXXI 8, 8). Nach der Besiegung des Antiochos war er auch wieder der geborene Schirmherr der hellenischen Städte in Thrakien. So half er 184 v. Chr. den Byzantinern gegen die Thraker an der Propontis, nahm deren Fürsten Amadokos gefangen und soll schon damals die an der Donau wohnenden Barbaren zu einem Kriege gegen Italien aufgereizt haben (Polyb. XXII 14, 12. Liv. XXXIX 35). Darauf zog er gegen die Odrysen, Besser und Dentheleten, besiegte sie, nahm und besetzte Philippupolis und gründete auf dem Rückmarsch, der ihn zum Axios geführt haben muß, im Gebiet der Deurioper am Erigon die Stadt Persëis (s. o. II B 4 und II E: Polyb. XXIII 8, 3ff. Liv. c. 53). Bald darauf fiel Philippupolis wieder in die Hand der Odrysen (Polyb. a. a. O); wann die Odrysen wieder unterworfen wurden, deren König Kotys (s. d.) noch bei Pydna Heerfolge leistete (Liv. XLIV 12), ist unbekannt. – Einen größeren Feldzug unternahm Philippos dann 181 gegen die Maeder, im Gebiete der Rhodope. Er brach von Stoboi am Axios auf, durchzog die Einöde bis zum Balkan und soll hier einen Gipfel erstiegen haben, von dem aus man nach allgemeinem Glauben das Adriatische wie Schwarze Meer erblicken konnte. Nach einem Abstecher in das Gebiet der Dentheleten griff er darauf die Maeder an und nahm [759] ihre Stadt Petra ein. Ein großer Teil Thrakiens war der makedonischen Herrschaft unterworfen (Liv. XL 21f. 24. 56). Darüber hinaus knüpfte Philippos mit den Bastarnern an der Donau an, um sie gegen die Dardaner, aber auch gegen die Römer zu benutzen (Liv. XL 5. 57f. XL II 11. Iustin. XXXII 3, 5). – Auf den Zwist im Königshause, der mit der Vergiftung seines jüngeren Sohnes Demetrios endete, einzugehen, ist hier nicht der Ort (vgl. Kaerst o. Bd. IV S. 2794f. Niese III 31ff.). Als sich nach dem Tode des Sohnes die Beschuldigungen als unwahr herausstellten und Perseus bereits zu sehr den künftigen König herauskehrte, soll Philippos daran gedacht haben, einen entfernten Verwandten Antigonos zur Nachfolge zu empfehlen. Ehe aber Entscheidendes geschah, starb der König in Amphipolis 179 v. Chr. (Liv. c. 56. Euseb. I 239. 240). Es folgte ihm sein Sohn Perseus, der 10 Jahre 8 Monate regierte (Euseb. a. O.); Antigonos wurde beseitigt (Liv. XL 58, 9. Vgl. Heiland Untersuchungen zur Gesch. des Königs Perseus von M., Diss. Jena 1913). Gleich nach seiner Thronbesteigung mußte er gegen den Thraker Abrupolis ziehen, der in das Gebiet am Pangaion einfiel und bis vor Amphipolis streifte. Er vertrieb ihn und stellte die Vorherrschaft M.s in Thrakien wieder her (Polyb. XXII 18, 2f. Appian. Maced. 11, 2. 6. Diod. XXIX 33. Liv. XLII 41. Paus. VII 10, 6). Der Senat begrüßte ihn, nachdem er in Rom die Erneuerung des Bündnisses nachgesucht hatte, durch eine besondere Gesandtschaft (Liv. XL 58 a. E. XLI 24, 6. Diod. XXIX 30). Im Lande selbst suchte Perseus durch Wohlwollen und Gnadenerlasse sich Freunde zu erwerben, und Griechenland gegenüber schlug er Bahnen ein, die zum Zusammenstoß mit Rom führen mußten, so wenig er auch an einen Krieg denken mochte. Er wollte den makedonischen Einfluß wieder herstellen, und alle Gegner Roms mußten in ihm ihren natürlichen Führer sehen (vgl. Polyb. XXV 3. Liv. XLII 11. Appian. Maced. 11, 1). Er war sich aber nicht klar, daß Rom diese Bestrebungen nicht dulden konnte, denn M. und Griechenland, geeinigt unter der Führung eines entschlossenen Herrschers, war noch immer ein Achtung gebietender Gegner. Aber wieder aufrichten konnte Perseus die Großmaehtstellung M.s nur, wenn er entschlossen und rücksichtslos in Griechenland durchgriff und auch vor dem Entscheidungskampf nicht zurückschreckte. Daß er wohl überall Verbindungen anknüpfte und Hoffnungen erweckte, aber den Mut zu entschlossener Tat nicht fand, hat ihn und mit ihm M. ins Verderben geführt. – Roms Mißtrauen wurde auch durch eine Gesandtschaft der Dardaner geweckt. Gegen diese hatten sich die Bastarner, wie es mit Philippos verabredet war, in Bewegung gesetzt und nach M. ihren Anmarsch gemeldet. Auf die Nachricht vom Tode des Philippos weigerten sich die Thraker, Lebensmittel zu liefern; es kam zu Plünderungen und Kämpfen. Ein Teil der Bastarner griff trotzdem, unterstützt von Thrakern, die Dardaner an, und diese wurden schwer bedrängt und wandten sich nach Rom, das Gesandte schickte. Anfang des Winters gelang es dann den Dardanern, die Bastarner zum Abzug zu zwingen. Perseus wurde von Rom eindringlich [760] ermahnt (Liv. XL 57ff. XLI 19. Polyb. XXV 6. Appian. Maced. 11, 1f.). Auch Byzantion scheint von ihm unterstützt worden zu sein (Appian. a. a. O. Liv. XLII 40). Als in Illyrien ein Fürst ermordet wurde, die Mörder bei Perseus Zuflucht fanden, wurde auch dies gegen ihn ausgenutzt (Appian. 11, 6. Liv. XLII 13, 6. 40, 5. 41). In Thessalien befürchteten die Römerfreunde einen Umsturz zugunsten M.s, die Boioter schlossen ein Bündnis mit Perseus, und bei den Aitolern nahm sein Anhang ständig zu (Belege bei Niese III 102f.). Die Doloper zwang er zur Unterwerfung, besuchte aber bei dieser Gelegenheit Delphi, was wieder zusammen mit Kundgebungen an die hellenischen Gemeinden bei seinen Feinden Verdacht erregen mußte (Liv. XLI 22. 23. XLII 13. Polyb. XXII 18, 4. Appian. a. a. O.). Auch mit den Achäern knüpfte Perseus wieder an. Als es dann in Aitolien und Thessalien zu Unruhen kam, wurden auch diese dem Perseus zur Last gelegt. Er versuchte sich noch einmal in Rom zu rechtfertigen, und der Senat konnte ihm Vertragsverletzungen nicht nachweisen, verlangte jedoch Wiedereinsetzung des Abrupolis, was Perseus nicht versprechen konnte (Liv. XLII 41. Diod. XXIX 33). Vor allem sah Eumenes von Pergamon sein Ansehen bei den Griechen immer mehr schwinden, das des Perseus wachsen, und so entschloß er sich, persönlich zur Anklage nach Rom zu gehen. Seine Rede hat im Senate den Entschluß zum Kriege gezeitigt; denn die Römer trauten dem Perseus dieselben feindlichen Pläne zu wie Eumenes. Der Pergamener unterstrich die Gefahr, die Rom aus dem starken makedonischen Königtum erwuchs, und die Römer entschlossen sich, diese Gefahr durch die Vernichtung M.s zu beseitigen. So verriet ein hellenistischer König den andern, ohne zu ahnen, daß die Reihe schließlich auch an ihn kommen werde. Die Gegenreden der Makedonen und Rhodier waren vergeblich. Sofort suchten die Römer überall nach Bundesgenossen. Perseus, der vor dem Kriege zurückschreckte, hat noch einmal den Weg der Verhandlungen betreten, doch den Römern damit nur Zeit zur Rüstung verschafft und seine Anhänger in Griechenland entmutigt. In dieser Zeit verstanden es die Römer, für die der Krieg beschlossene Sache war, fast alle griechischen Staaten und fremden Herrscher auf ihre Seite zu ziehen, während Perseus bei Ausbruch des Krieges fast allein stand. Auch die Dardaner und Illyrier standen auf Seiten der Römer; nur der Odryse Kotys hielt zu M. (s. o.). Trotzdem wäre auch jetzt der Sieg oder wenigstens ein ehrenvoller Ausgang möglich gewesen, wenn Perseus Entschlossenheit gezeigt hätte. Sein Heer war bedeutend (vgl. über die Heereszahlen und den ganzen Feldzug Kromayer II 231ff.; über die Schlacht bei Pydna noch Ed. Meyer Kl. Schr. II 463ff.). Geld und Getreide waren im Überfluß vorhanden, ebenso Waffen, die Städte stark befestigt (Plut. Aemil. 8. 28). Gegen Norden boten die befestigten Wardarengen Schutz; auch scheint das Gebiet am Schar Dagh (Skardos) eine Einöde gewesen zu sein, wie aus dem Bericht des Polybios XXVIII 8, 3 über die Reise der Gesandten des Perseus zu Genthios (nach Skutari) hervorgeht: διὰ τῆς Ἐρήμου καλουμένης Ἰλλυρίδος. Dagegen [761] machten die Illyrier von Westen her, von Lychnidos, Einfälle in Ober-M. (Liv. XLIII 9f. 18). 171 zog Perseus wohl den Römern nach Thessalien entgegen und behauptete sich hier rühmlich, wenn er auch immer wieder Friedensanerbietungen machte, aber dann beschränkte er sich auf die Verteidigung M.s (s. Kromayer a. a. O.), zwei Jahre hindurch erfolgreich. Er konnte sogar einen erfolgreichen Feldzug gegen die Dardaner unternehmen (Plut. Aemil. 9. Liv. XLIII 18, 2. Vgl. Polyb. XXVIII 8, 2f.). Niese III 130, 5 möchte die Eroberung von Chalestron (Diod. XXX 4) hierher ziehen, da von einer Empörung von Chalastra an der Mündung des Axios (s. o. II E) nichts berichtet werde. Es wäre immerhin möglich, daß Chalestron ein illyrischer Ort gewesen ist; unwahrscheinlich ist die Annahme Heilands 61. Auch im Westen wurden die Grenzen gehalten. Ein energischer Vorstoß des Perseus im 3. Kriegsjahr (169) hätte vielleicht die Kriegslage erheblich ändern können. Aber statt nach Süden brach Perseus im Winter 170/69 plötzlich nach Nordwesten auf, um die römischen Streitkräfte und ihre illyrischen Verbündeten um Lychnidos heimzusuchen und mit dem Könige Genthios in Verbindung zu treten (Liv. XLIII 18. Vgl. Niese III 140f. Über die weiteren Verhandlungen mit Genthios und den Abschluß des Bündnisses s. Staehelin o. Bd. VII S. 1199f.). Er zog von Styberra im Gebiet der Deurioper (bei Prilep, s. o. II E) nach Uscana (Hyskana: Polyb. VIII 14 b, 2. XXVIII 8, 11), der Hauptstadt der Penesten, vielleicht im Telovo südlich vom Schar Dagh, wo eine bedeutende römische Besatzung lag, die kapitulieren mußte. Von hier drang er weiter vor und eroberte den Ort, der den Übergang über den Schar Dagh beherrschte (Oaeneum). So konnte er eine Gesandtschaft an Genthios schicken (Polyb. XXVIII 8). Nach einem zweiten Vorstoß des Perseus unterwarf sich ein Teil der Penesten und die Parthiner und stellten Geiseln; dagegen gelang die Wiedereroberung von Uscana durch die Römer nicht (Liv. XLIII 18–21). Das Verständnis dieser Züge wird durch das Dunkel, das über der Topographie dieser Gebiete liegt, außerordentlich erschwert. Ein Anschlag auf Aitolien mißlang (Liv. c. 21). – 169 gelang es den Römern, in die Küstenebene am Ostfuß des Olymps einzudringen (Kromayer a. a. O. 267ff.); die Lage, in die das römische Heer geriet, war sehr schwierig, da sie rings von feindlichen Befestigungen eingeschlossen waren und keine Lebensmittel hatten. Aber Perseus verlor vollkommen den Kopf und räumte die Pässe, auch das Tempetal, womit er die rückwärtigen Verbindungen den Römern freigab. Trotzdem mußte der Consul bis nach Phila am Ausgang des Tempe zurückgehen. Die römische Flotte erschien an der makedonischen Küste bei Thessalonike, Aineia, Antigoneia auf der Chalkidike und belagerte schließlich Kassandreia; doch mußten die Verbündeten die Einschließung aufgeben, und ein Handstreich gegen Demetrias hatte ebensowenig Erfolg (Liv. XLIV 10ff.). Auch vor Amphipolis erschien Eumenes (Polyb. XXIX 6 1). – 168 kam endlich das Bündnis mit Genthios zustande (Staehelin a. a. O.), das auf die Feinde M.s Eindruck machte. Auch brachte es [762] Perseus jetzt über sich, für sein Geld Söldner zu werben. 20 000 Bastarner erschienen an der Grenze, der König dirigierte sie nach Bylazora in Paionien. Da wollte er an dem ausgemachten Solde sparen und hielt mit dem Geld zurück. Schließlich zerschlugen sich die Verhandlungen; die Barbaren verwüsteten Thrakien und zogen zurück, trotzdem sie der König vorzüglich hätte gebrauchen können (Liv. XLIV 26. 27. Diod. XXX 19. XXXI 14. Plut. Aemil. 12. App. Maced. 18). Auch den Genthios betrog er um die verheißene Unterstützung (Liv. c. 27. App. a. a. O. Plut. 13). – 168 begann der Feldzug mit einer Unternehmung der makedonischen Flotte, die bis nach Kleinasien vordrang und den Feinden mannigfachen Schaden zufügte (Liv. c. 28). Die Rhodier neigten sich immer mehr auf die makedonische Seite, da ein voller Sieg der Römer ihnen nicht wünschenswert erschien. Auf Rat des Consuls beschlossen sie, den Frieden zu vermitteln, und die Nachricht von den Erfolgen der makedonischen Flotte bestärkte sie in dieser Absicht. Dagegen gelang es den Römern, Genthios in einem kurzen Feldzug vollständig zu besiegen. Bald nach der Ankunft des neuen Feldherrn wurde die Schlacht bei Pydna geschlagen, die dem Königtum der Antigoniden und der makedonischen Machtstellung ein Ende bereitete: 168 v. Chr. (vgl. Kromayer a. a. O. Ed. Meyer a. a. O.). Perseus flüchtete, M. ergab sich den Römern, zumal der König bei seinem Volke immer unbeliebter geworden war. Alle Städte gingen über (Liv. XLIV 45. Plut. Aemil. 24). Auch Amphipolis mußte Perseus räumen; er fuhr nach Samothrake (Liv. 45. Plut. a. a. O. 23. Diod. XXX 21). Hier wurde er zur Ergebung gezwungen (Liv. XLV 5. 6. Plut. Aemil. 26). Das Land erwartete die Entscheidung der Römer.
9. M. unter römischer Oberhoheit und als römische Provinz: M. sollte frei sein in den Grenzen, die es zuletzt gehabt hatte, nur sollte es als Tribut etwa die Hälfte der bisherigen Abgaben bezahlen. In ihren Rechten sollten die Makedonen ungeschmälert bleiben, aber an die Stelle der Könige sollten jährliche Beamte treten (Liv. XLV 18, 3), und außerdem wurde es in vier Teile (μερίδες) geteilt: den ersten bildete das Gebiet zwischen Strymon und Nestos sowie die Besitzungen östlich des Nestos außer Ainos, Maroneia und Abdera und das Gebiet der Bisalten und Sinter mit Herakleia Sintike. Der zweite Teil umfaßte das Land zwischen Strymon und Axios außer den Bisalten und die Paionen östlich des Axios. Den dritten Teil sollte im Osten der Axios, im Norden der Bora (das Grenzgebirge des Tieflandes: s. III 1, also besser im Westen und Norden), im Süden der Peneios begrenzen; dazu kam Paionien westlich vom Axios. Den vierten Teil bildete Ober-M. bis zu den Grenzen von Epeiros und Illyrien; wenn Strab. VII 331 frg. 48 sagt: συνάψας τῇ Μακεδονίᾳ καὶ τὰ Ἠπειρωτικὰ ἔθνη], so können damit nur die Tymphaier, Parauaier, Atintanen gemeint sein. Zu Hauptstädten bekam der erste Bezirk Amphipolis, der zweite Thessalonike, der dritte Pella, der vierte Pelagonia (das bisherige Herakleia: s. o. II E). Dorthin sollten die Bezirksversammlungen einberufen und die Steuern abgeliefert werden, [763] dort sollten die Behörden ihren Sitz haben. Um für die Zukunft jede Erstarkung M.s zu verhindern, sollten die vier Republiken weder Ehegemeinschaft haben noch gegenseitig das Niederlassungsrecht besitzen. Die Bergwerke wurden stillgelegt und jede Gewinnung von Gold und Silber verboten, nur die von Eisen und Kupfer gestattet, wofür die Abgabe auf die Hälfte herabgesetzt wurde. Weiter wurde das Fällen von Bäumen zur Gewinnung von Schiffbauholz untersagt. Das Heer wurde aufgelöst und nur die Unterhaltung von Grenzschutztruppen gestattet; die Niederlande, das dritte M., waren also ganz waffenlos. Zweifelhaft ist die Bestimmung: et sale invecto uti vetuit (so ist wohl zu lesen). Danach scheint M. verpflichtet worden zu sein, das notwendige Salz selbst zu gewinnen. Da den Dardanern Paionien verweigert wurde, sollte das dritte M. ihnen Salz zu bestimmtem Preise nach Stoboi liefern, wo sie es sich holen sollten (Liv. XLV 29; vgl. c. 18. Diod. XXXI 8, 1–9. Strab. a. O. Vgl. Plut. Aemil. 28. Iustin. XXXIII 2, 7). Schließlich erhielten die vier Teile auch noch neue Verfassungen aus der Hand des Paullus (Liv. XLV 30. 32. Iustin. a. O.). In jedem Teile sollte ein Senat (σύνεδροι) gewählt werden, quorum consilio res publica administraretur (vgl. Marquardt Röm. Staatsverwaltg. I² 317). Nähere Bestimmungen sind nicht erhalten. Um das Volk auch seiner Führer zu berauben, mußten alle, die jemals ein königliches Amt bekleidet hatten, mit ihrer Familie M. verlassen und sich nach Italien begeben. Man kann wohl sagen, daß alle Bestimmungen dieses Friedens mit teuflischer Kunst darauf berechnet waren, das makedonische Volk für alle Zeiten in Abhängigkeit zu halten. Offenbar wurde es den Makedoniern außerordentlich schwer, sich in die unnatürliche Zerreißung des Landes zu finden (vgl. Liv. XLV 30, 1). Natürlich hörte mit dem Aufhören der Souveränität auch die Münzprägung auf, und erst 158 gestattete der Senat die Wiederaufnahme des Bergwerkbetriebes und der Prägung eigener Münzen. Von diesem Privilegium machten der erste, zweite und vierte Bezirk Gebrauch; namentlich Münzen des ersten Bezirks sind sehr zahlreich vorhanden. Diese Bezirksprägung endete 150 v. Chr. mit dem Aufstand des Andriskos (s. d.). (Vgl. hierzu Gaebler Ztschr. f. Numism. XXIII 141ff.; Die antiken Münzen III 1, 3ff.) In den Bezirken kam es bald zu schweren Zwistigkeiten, da die neue Verfassung sich nicht bewährte (vgl. Polyb. XXXI 2, 12. Plut. Aemil. 24: Die Makedonen φιλοβασίλειοι); in Pella wurden die Synhedroi ermordet (Polyb. a. a. O. 17, 2). 152 v. Chr. sollte auf Bitten der Makedonen Scipio Ämilianus zur Schlichtung der Streitigkeiten nach M. kommen (Polyb. XXXV 4, 11). So schien der Bοden für den Versuch des Andriskos, der sich Philippos, Sohn des Perseus, nannte, gut vorbereitet, den Versuch, M. wieder zu einigen und das Königtum wiederherzustellen (Wilcken o. Bd. I S. 2141ff.): Diod. XXXI 40 a. XXXII 15. Liv. per. 48. 49. Er trat zuerst in M. als Prätendent auf, ging dann nach Syrien, um hier Unterstützung zu suchen, wurde aber von Demetrios I. nach Rom geschickt; von hier entwich er, hielt sich eine Zeitlang in Milet [764] auf, kam dann nach Thrakien, wo er in Byzantion schon feierlich empfangen wurde, erhielt vom Thraker Teres Truppen, fiel in M. ein und besiegte die Makedonen. Nach Besiegung des Praetors P. Juventius 149 eroberte er auch Thessalien. Erst Q. Caecilius Metellus bewältigte ihn und nahm ihn in Thrakien gefangen: 146 v. Chr. M. hat sich nur mit Widerwillen dem brutalen Praetendenten gefügt, der es nicht zum Freiheitskampf begeistern konnte (Belege bei Wilcken a. a. O.). Doch hat Rom die Gelegenheit benutzt, um M. zur römischen Provinz zu machen. Die vier Teile wurden wieder vereinigt und einem Prätor, meist mit prokonsularischer Potestas, unterstellt (Flor. I 30. 32), wenn auch die vier μερίδες bestehen blieben. Im Westen wurden die illyrischen Gebiete bis zum Adriatischen Meere mit M. vereinigt, während im Osten der Nestos, im Norden die Gebirgszüge, die Pelagonien und das Becken von Üsküb von den Dardanern trennten, die Grenze bildeten (vgl. Ptol. III 13, 7. Plin. n. h. III 145. IV 33ff. Strab. VII 329 frg. 10); endgültig allerdings erst nach Einrichtung der Provinzen Moesien und Thrakien. Zugleich wurde auch Griechenland unter die Aufsicht des makedonischen Statthalters gestellt. Hauptstadt wurde Thessalonike, nach Plin. IV 36 liberae condicionis ebenso wie Amphipolis, Abdera und Ainos (Plin. IV 38. 42f.). Nach Plin. IV 35 waren auch die Amantini, Orestae et Scotussaei frei, überhaupt anscheinend ganz Ober-M. (Strab. VII 326. Caes. b. c. III 34). Die Münzprägung ging auf den römischen Senat über, in dessen Auftrag einige Statthalter Münzen geschlagen haben. Sonst blieb die Verfassung, die Paullus den Teilen gegeben hatte, unverändert. Erwähnt sei noch kurz der Aufstand des Alexandros (alter Pseudophilippus, Pseudoperses), der von dem Quaestor L. Tremellius niedergeschlagen wurde (Liv. per. 53. Zonar. IX 28. Eutrop. IV 15): 143. Nach Gaebler (Die antiken Münzen Nordgriechenl. III 1, 6ff.; vgl. seine Untersuchungen Ztschr. f. Numism. XXIII [1902] 141ff. XXIV 245ff.) lassen sich folgende Statthalter feststellen (vgl. A. W. Zumpt Commentat. epigr. II 151ff.):
148–146 Q. Caecilius Metellus, praetor und pro praet. (vgl. Syll.³ 680).
146–144 L. Mummius, cons. und pro cons.
143–142 A. Licinius Nerva, praet.
142–141 D. Iunius Silanus Manlianus, praet.
135–133 M. Cosconius, praet. (s. o. Bd. IV S. 1669).
129–128 Ti. Latinius Pandusa, praet. (Appian. Illyr. 10).
121–120 Cn. Cornelius Sisenna {praet.) pro cons. (Syll.³ 705. Gaebler
Ztschr. f. Num. XXIII 163f.).
120–119 S. Pompeius, praet. (Syll.³ 700).
119 M. Annius, quaest. pro praet.
119–117 L. Caecilius Metellus, cons. und pro cons. (Gaebler 165ff).
116–114 Q. Fabius Maximus Eburnus, cons. und pro cons.
114–113 C. Porcius Cato, cons.
113–112 C. Caecilius Metellus Caprarius, cons.
112–110 M. Livius Drusus, cons. und pro cons.
110–108 M. Minucius Rufus, cons. und pro cons. (Syll.³ 710).
[765]
101–100 T. Didius, praet.
93–92 L. Iulius Caesar, praet. (Gaebler 171).
92–88 C. Sentius Saturninus, praet. und pro praet.
88–87 L. Cornelius Scipio Asiagenus, praet.
86–83 L. Cornelius Scipio Asiagenus, pro cons.
80–78 Cn. Cornelius Dolabella, pro cons.
78–76 Ap. Claudius Pulcher, pro cons.
75–72 C. Scribonius Curio, pro cons.
72–70 M Terentius Varro Lucullus, pro cons.
70–68 L. Rubrius Culleolus, pro cons.
68–64 Q. Caecilius Metellus, pro cons.
64–63 L. Manlius Torquatus, pro cons.
62–60 C. Antonius Hybrida, pro cons.
60–58 C. Octavius, pro cons.
58–57 L. Apuleius Saturninus, pro cons.
57–55 L. Calpurnius Piso Caesoninus, pro cons.
55–52 Q. Ancharius, pro cons.
52–50 Cn. Tremellius Scrofa (praetorius) pro cons.
50–49 T. Antistius, quaest. pro cons.
46–45 Ser. Sulpicius Rufus, pro cons.
45–44 D. Laelius (legatus) pro cons.
44–43 Q. Hortensius Hortalus (legatus) pro cons.
43–42 Q. Caepio Brutus, pro cons.
41–40 L. Marcius Censorinus (praetorius) pro cons. (Plut. Anton. 24).
29–28 M. Licinius Crassus, pro cons.
27 v. - 15 n. Chr. Senatsprovinz.
23 M. Primus (praetorius) pro cons.
vor 16 M. Lollius, pro cons.
16 L. Aelius Catus (praetorius) pro cons.
13–11 L. Calpurnius Piso, pro cons.
vor 1 v.Chr. P. Vinicius (praetorius) pro cons.
kurz vor 1 P. Silius (praetorius) pro cons.
8 n. Chr. Sex. Pompeius (praetorius) pro cons.
15–44 kaiserliche Provinz.
15–35 C. Poppaeus Sabinus, leg. Aug. pro praet.
35–44(?) P. Memmius Regulus, leg. Aug. pro praet.
Seit 44 wieder Senatsprovinz. (praetorii) pro cons.
L. Baebius Honoratus } {\displaystyle \left.{\begin{aligned}\end{aligned}}\right\}} {\displaystyle \left.{\begin{aligned}\end{aligned}}\right\}}Flavier
P. Tullius Varro } {\displaystyle \left.{\begin{aligned}\end{aligned}}\right\}} {\displaystyle \left.{\begin{aligned}\end{aligned}}\right\}}Flavier
C. Salviua Liberalis Nonius Bassus } {\displaystyle \left.{\begin{aligned}\end{aligned}}\right\}} {\displaystyle \left.{\begin{aligned}\end{aligned}}\right\}}Flavier
Q. Gellius Sentius Augurinus Iunius Rufinus } {\displaystyle \left.{\begin{aligned}\end{aligned}}\right\}} {\displaystyle \left.{\begin{aligned}\end{aligned}}\right\}}Hadrianus.
P. Iulius Geminius Marcianus } {\displaystyle \left.{\begin{aligned}\end{aligned}}\right\}} {\displaystyle \left.{\begin{aligned}\end{aligned}}\right\}}M. Aurelius.
P. Aelius Coeranus } {\displaystyle \left.{\begin{aligned}\end{aligned}}\right\}} {\displaystyle \left.{\begin{aligned}\end{aligned}}\right\}}Septimius Severus
M. Antius Crescens Calpurnianus } {\displaystyle \left.{\begin{aligned}\end{aligned}}\right\}} {\displaystyle \left.{\begin{aligned}\end{aligned}}\right\}}Septimius Severus
P. Iulius Iunianus Martialanus } {\displaystyle \left.{\begin{aligned}\end{aligned}}\right\}} {\displaystyle \left.{\begin{aligned}\end{aligned}}\right\}}Severus Alexander
Ti.Clodius Pupienus Pulcher Maximus } {\displaystyle \left.{\begin{aligned}\end{aligned}}\right\}} {\displaystyle \left.{\begin{aligned}\end{aligned}}\right\}}Severus Alexander.
A. Pontius } {\displaystyle \left.{\begin{aligned}\end{aligned}}\right\}} {\displaystyle \left.{\begin{aligned}\end{aligned}}\right\}}Verus?
Die Namen der legati pro praet. proconsules, der quaestores pro praet., procuratores bei Gaebler 8. (Weitere Belege bei Gaebler Ztschr. f. Numism. a. O. und XXIV 245ff.; dort auch Näheres über die Prägungen der Statthalter). Römische Kolonien wurden: Dyrrhachion, Dion (Plin. IV 35. Ptol. III 13, 15. IG III 471), Pella (CIG 1997), Philippoi -(Strab. VII frg. 42. Cass. Dio LI 4), Kassandreia, Stoboi. – Hier seien noch die wichtigsten Ereignisse aus der Geschichte [766] erwähnt: Kämpfe des Praetors M. Cosconius gegen die Skordisker (Liv. per. 56. Vgl. Zumpt a. O. II 165); 120/119 wurde der Praetor S. Pompeius von den Skordiskern (τοῦ τῶν Γαλατῶν τινες ἔθνους) bei Stoboi besiegt und getötet (Syll.³ 700); 116–108 andauernde Kämpfe der römischen Statthalter mit den Skordiskern, die erst durch den Sieg des M. Minucius Rufus (110–108) für längere Zeit zur Ruhe gebracht wurden (Gaebler XXIII 167). Aber schon 101/100 hatte T. Didius wieder mit ihnen zu kämpfen (Flor. I 39, 5 CIL I² 661. Gaebler a. O.); auch 92 brachen sie wieder mit Mädern und Dardanern in M. ein und durchzogen verheerend das ganze Land bis nach Epeiros; erst L. Cornelius Scipio Asiagenus schlug sie 88 entscheidend (Liv. per. 70. 74. 76. Oros. V 18, 30. Appian. Illyr. 5; Mithr. 29). 93–88 findet eine reiche Prägung in M. statt, um die römischen Finanzen zu bessern (Gaebler 171ff.). 87 fiel dann M. ganz in die Hand des Mithradates (Appian Mithr. 35. Liv. per. 82. Plut. Sulla 11. Memnon 32). Auch die Thraker, Skordisker und andere Stämme brachen auf Veranlassung des Mithradates wieder in M. ein (Liv. per. 81. 82). Erst Sulla hat sie 85 aus M. vertrieben und unterworfen (Liv. per. 83. Appian. Mithr. 55. Plut. Sulla 23). Doch werden uns aus den folgenden Jahren immer wieder Kämpfe mit den Thrakern gemeldet: alle Statthalter von 80–70 haben mit ihnen gekämpft und sind teilweise bis zur Donau vorgedrungen; M. Terentius Varro Lucullus (72–70) hat auch die Städte am Pontos unterworfen (Hertzberg Gesch. Griechenlands unter der Herrschaft der Römer I 419f. Gaebler 181). Unter C. Antonius Hybrida ging dann ein Teil der Eroberungen wieder verloren (Liv. per. 103. Cass. Dio XXXVIII 10. LI 26); unter L. Calpurnius Piso (57–55) drangen die Dardaner, Besser und Dentheleten sogar bis Thessalonike vor, wie er sich in seiner Verwaltung überhaupt schwere Übergriffe zuschulden kommen ließ (s. besonders Cicero in Pisonem: Hertzberg a. O. 428. Münzer o. Bd. III S. 1387ff.). Seine Legaten vertrieben die Barbaren, und bis 49 herrschte in M. im allgemeinen Ruhe (vgl. noch Dessau Gesch. der röm. Kaiserzeit I 389ff.). 48–41 wurde die Provinz dann als Sammelplatz der Optimaten unter Cassius und Brutus und die Schlacht bei Philippi schwer mitgenommen. Nach 41 fiel sie M. Antonius anheim, bis sie nach der Schlacht bei Actium 31 v. Chr. wie der ganze Osten Octavianus als Herrn anerkennen mußte. 29/28 v. Chr. hat dann M. Licinius Crassus die Daker, Bastarner, Moeser so erfolgreich bekämpft, daß seitdem M. von den umwohnenden Völkern im allgemeinen nichts mehr zu fürchten hatte (Dessau I 392f.); die eroberten Gebiete wurden mit Ausnahme der Odrysen M. einverleibt (Cass. Dio. LI 22ff. Zonar. 60 X 32. Liv. per. 134f.; vgl. Hertzberg 503, 61). Allmählich entstanden dann aus den Gebieten nördlich von M. selbständige Provinzen (Dalmatien, Mösien, Thrakien), so daß M. zur Binnenprovinz wurde. Doch mußten noch M. Lollius die Besser, L. Aelius Catus 16 v. Chr. die Sarinaten bekämpfen, und L. Calpurnius Piso hat 13–11 v. Chr. die Thraker südlich des Balkan zur Ruhe gebracht. Ganz Thrakien und das Gebiet [767] zwischen Balkan und Donau wurde nun den Odrysen zugewiesen, die jetzt stark genug zum Schutz waren, bis die Provinz Mösien neu eingerichtet wurde (Cass. Dio LIV 20. 34. Liv. per. 140. Vell. II 98. Flor. II 27. Gaebler Ztschr. f. Numism. XXIV [1903] 246). 27 v. Chr. wurde M. senatorische Provinz und Griechenland als Achaia von ihm getrennt (Cass. Dio LIII 12. Strab. XVII 840. Suet. Aug. 47. Dessau I 394f.). Im Norden reichte die Provinz M. zunächst bis zur Donau und zum Pontos, im Osten bis zum Hebros. 15 n. Chr. nahm Tiberius auf Bitte der Bewohner die beiden Provinzen M. und Achaia in kaiserliche Verwaltung (Tac. ann. I 76). 44 n. Chr. gab jedoch Claudius M. dem Senate zurück (Cass. Dio LX 24. Sueton. Claud. 25). Mit der Einrichtung von Mösien und Thrakien wurde M. auf die alten, oben angegebenen Grenzen beschränkt (15 und 46 n. Chr.). Unter Antoninus Pius wurde Thessalien mit M. vereinigt {vgl. über die Grenze zwischen M. und Achaia Brandis o. Bd. I S. 193f.). Auf seinen Reisen besuchte Hadrian M.; auch die Kaiser Macrinus, Severus Alexander , Gordianus III. und Philippus Arabs scheinen nach den Münzen in M. gewesen zu sein. (Gaebler a. O. 248). – Über die Provinzialverfassung ist zu bemerken, daß es in jedem Bezirk (μερίς) ein συνέδριον gab, und daß alljährlich das κοινὸν Μακεδόνων zusammentrat (Demitsas Ἡ Μακεδονία. 55. 60. 218. 811, 812; Rev. archéolog. XXXVII [1900] 489 nr. 130. Gaebler 251). Wahrscheinlich ist das κοινὸν Μακεδόνων von Augustus ins Leben gerufen worden. Es hatte sakrale Bedeutung, denn an seiner Spitze stand der Oberpriester des provinzialen Kaiserkults, der ἀρχιερεὺς τοῦ κοινοῦ Μακεδόνων (Demitsas nr. 811. 812). Er hatte die mit dem Kaiserkult verbundenen gottesdienstlichen Handlungen zu vollziehen und auf die vorschriftsmäßige Übung des Kaiserkults in der Provinz zu achten. Auch führte er den Vorsitz im κοινόν und bei den provinzialen Spielen und hatte die Verwaltung der für den Kaiserkult aufgebrachten Gelder und der für die Spiele bestimmten Stiftungen (vgl. Gaebler 254f. Hirschfeld Kl. Schr. 496ff. Kornemann Klio I 98ff. Herzog-Hauser Suppl. Bd. IV S. 823ff.). Neben ihm stehen für die einzelnen Städte, so z. B. für Sirrhai und Beroia, die ἀρχιερεῖς τῶν Σεβαστῶν, die auch die Agonothesie des κοινόν übernehmen konnten (ἀγωνοθετης τοῦ κοινοῦ Μακεδόνων: vgl. dazu Gaebler 254ff.). Gaebler wendet sich gegen die Versuche, aus einer Inschrift von Beroia (Rev. archéol. nr. 131) für einen ἀρχιερεὺς τῶν Σεβαστῶν, der die ἀγωνοθεσία τοῦ κοινοῦ Μακεδόνων geleistet hatte, auf eine wichtige politische Tätigkeit des Oberpriesters Schlüsse zu ziehen. So hat er auch nicht das provinziale Prägerecht besessen, das M. von Claudius erhalten hatte und das die Provinz als solche ausübte. Die Bezeichnung κοινὸν Μακεδόνων auf den Münzen faßt Gaebler als Akkusativ: zum Landtag geprägt, da auch Aufschriften wie κοινὸν Μακεδόνων Β νεωκόρων Βεροιαίων begegnen, d. h. zum makedonischen Landtag geprägte Münze der Beroiaier. Wenn seit Domitian an Stelle des Σεβαστὸς Μακεδόνων die ℞-Aufschrift lautet: κοινὸν Μ., so hat [768] jedenfalls seit dieser Zeit die Provinz ihr Prägerecht nur zum Landtag ausgeübt (Gaebler 259). Der Vorort des makedonischen κοινόν war Beroia, das seit Nerva den Titel μητρόπολις führte (Demitsas Ἡ Μακεδ. I nr. 55) und damals die νεωκορία τῶν Σεβαστῶν erhielt (Rev. archéol. XXXVII S. 489 nr. 131. Gaebler 278f.). Einen inneren Zusammenhang zwischen beiden Titeln leugnet Gaebler a. O. gegen Büchner De neocoria 61, der das Vorhandensein eines Provinzialtempels zur Voraussetzung für beide Bezeichnungen macht. So hatte Thessalonike, als freie Stadt gar nicht zum κοινόν gehörte, seit Gordian III. die Neokorie und erst seit Decius den Metropolistitel (vgl. Gaebler 278, 3). Über die makedonischen Kaisermünzen vgl. Gaebler 280ff. und Die ant. Münz. Nordgriechenlands III 1, 11ff. Mit dem Kaiser Philippus Arabs erlosch die makedonische Provinzialprägung. Dabei verweist Gaebler 307. 336f. auf die aus den Münzen deutlich erkennbare Eifersucht der freien Stadt und Hauptstadt Thessalonike gegen Beroia als Sitz des κοινόν und Inhaber der Neokorie. – Unter Decius hatte M. im Anschluß an den Verlust von Philippupolis zum erstenmal einen der Raubzüge der Goten zu erdulden (Ammian. Marc. XXXI 5, 16f. Dexippos frg. 16 [FHG III 674]. Hertzberg III 146f.). Nur die großen Städte hielten sich und bildeten zugleich die Zuflucht für die Flüchtlinge vom flachen Lande. Damals wurde Thessalonike, nachdem Gordian III. ihr die Neokorie verliehen hatte, von Decius durch den Metropolistitel und die Bezeichnung als colonia geehrt (s. o. Gaebler 336, 1). Seitdem ist M. häufiger von den Barbaren heimgesucht worden. Besonders heftig war der Angriff der Goten 269 n. Chr. von der See aus gegen Kassandreia und Thessalonike, das schwer bedrängt wurde. Doch das Nahen des Kaisers Claudius II. führte zur Aufhebung der Belagerung (Zosim. I 43. Vita Claudii 9, 8. Tafel de Thessalon, p. XLff.); die Goten zogen durch das Axiostal dem Kaiser entgegen. Erwähnt sei nur, daß die Diocletianische Christenverfolgung auch M. schwer mitnahm (Hertzberg III 218, 1. Über das Christentum in M. s. Harnack Mission und Ausbreitung II³ 238). – Bei der Neuordnung des Reiches unter Diocletian und Constantin gehörte M. nach dem Veroneser Verzeichnis (vgl. Mommsen Gesamm. Schr. V 561ff.) zur Diözese Mösien(Dioecesis Moesiarum = Illyricum orientale). Später erscheint eine Dioecesis Moesiarum mit sieben Provinzen, darunter zwei M.: M. und M. salutaris (Not. dign. und Hierokl.: vgl. Kornemann o. Bd. V S. 729f. und Mommsen a. O.). Die M. salutaris oder secunda ist offenbar um 386 von dem eigentlichen M. abgetrennt worden (Mommsen 580. Kuhn Die städt. u. bürgerl. Verf. des Röm. Reiches II 228ff.). An der Spitze der Diözese stand ein Vicarius, an der der Provinz ein Consularis. – Von Feinden wurde M. erst wieder unter Kaiser Valens heimgesucht, als die Westgoten schon vor und erst recht nach der Schlacht bei Adrianopel 378 n. Chr. ihre Raubzüge bis hierher ausdehnten (Zosim. IV 20, 10. Euseb. frg.42. 46 [FHG IV 31ff.]). Theodosius wählte Thessalonike zum Waffenplatz und Hauptquartier, und es gelang ihm schließlich, die Goten [769] zu einem Vertrage zu zwingen, der sie zur Seßhaftigkeit brachte (Hertzberg III 363ff. Schiller Gesch. der röm. Kaiserzeit II 403. Seeck Gesch. des Untergangs der antiken Welt V 125ff.). Für die weitere Geschichte M.s vgl. Hopf in Ersch-Grubers Encyclop. Sekt. I 85ff. Hertzberg Geschichte Griechenlands seit dem Absterben des antiken Lebens (Gotha 1876ff.). Miller The Latins in the Levant (Oxford 1908).
VIII. Verfassung. M. steht im Anfang seiner Geschichte unter einem Volkskönigtum, das durch einen reisigen Adel und einen freien Bauernstand in seiner Macht beschränkt wurde (Arrian. anab. IV 11, 6: οὐδὲ βίᾳ ἀλλὰ νόμῳ). Allerdings wissen wir über die ältere Zeit nicht viel, und Rückschlüsse von den Zuständen seit Philippos II. sind nur mit äußerster Vorsicht zu machen, da der Aufstieg M.s zur Groß- und Weltmacht auch die Stellung des Königs gewaltig hob. Sicher ist zunächst, daß die Krone im Mannesstamm der Argeaden nach dem Rechte der Erstgeburt erblich war. Aber noch in den hellenistischen Monarchien mußte die Heeresversammlung den neuen König anerkennen, und zwar nicht nur den König, dessen Erbrecht umstritten war, wie Philippos III. Arrhidaios, sondern auch den völlig legitimen Thronfolger. So ließ Seleukos I. seinen Sohn Antiochos vom Heere als Mitregenten anerkennen (Appian. Syr. 61. Plut. Demetr. 38); nach dem Tode Ptolemaios’ IV. wurde sein Sohn Ptolemaios V. vom Heere als König begrüßt (Polyb. XV 32). Auch die Diadochen empfingen die Königswürde durch ihr Heer (vgl. z. B. Appian. Syr. 54. Plut. Demetr. 18. Memnon XIII). Dieses Recht des Heeres ist ursprünglich ein Recht des Volkes gewesen, denn das Heer war seit Archelaos das Volk in Waffen. Da wir sahen, daß Archelaos den Bauernstand zum Waffendienst heranzog und aus ihm ein schwer gerüstetes Fußvolk bildete, dem er den Ehrennamen πεζέταιροι beilegte, so wird dieses Mitbestimmungsrecht beim Thronwechsel vor dieser Neuschöpfung dem Adel zugestanden haben. Als nun die Bauern gleichberechtigt neben die Ritterschaft traten, konnte ihnen die Beteiligung an der Begrüßung des neuen Königs nicht versagt werden. Ähnlich hat auch bei der Übertragung der Königswürde an den bisherigen ἐπίτροπος Antigonos Doson die Heeresgemeinde auf Vorschlag der πρῶτοι Μακεδόνων, also wohl der Räte des Herrschers, die entscheidende Rolle gespielt (Plut Aemil. 8). Die Tatsache, daß in den Wirren der Diadochenzeit das Heer auch sonst entscheidend in die Politik eingriff (Verwerfung von Alexanders Testament: Diod. XVIII 4; Bestellung der Reichsverweser und Verteilung der Satrapien in Babylon und Triparadeisos; Ächtung des Kassandros und Verkündigung der Autonomie der Griechen, Diod. XIX 61), darf nicht zu der Annahme führen, daß das Volk auch in normalen Zeiten dieses Recht besaß. Leitung der äußeren Politik ist Recht des Königs gewesen. Allerdings möchte ich zum Beweise für diese Annahme nicht die völlig selbständige Handlungsweise Philippos’ ΙΙ. heranziehen (vgl. Beloch ΙΙI 1² 469, 6), der durch die gewaltig gesteigerte Macht über alle Beschränkungen hinausgehoben wurde, aber die Politik eines Herrschers wie Perdikkas’ II. zeigt deutlich, daß der König in der äußeren Politik [770] Herr seiner Entschlüsse war. Wenn in einem der uns inschriftlich erhaltenen Verträge (v. Scala nr. 81) neben den königlichen Prinzen auch vornehme Makedonen unter den Zeugen aufgeführt werden, so ist das wohl in erster Linie auf den Wunsch der Athener zurückzuführen, die möglichst sicher gehen wollten. Der Vertrag selbst erscheint ebenso wie der des Amyntas III. mit den Chalkidiern (Syll.³ 135) lediglich als Werk des Königs, neben dem keine makedonische Instanz weiter genannt wird (vgl. im allgemeinen A. Schaefer Histor. Taschenbuch VI 3 [1884] 1ff.). – Dagegen war die Versammlung der wehrfähigen Männer höchster Gerichtshof, wenn es sich um Anklagen wegen Hochverrats handelte. Dieses Recht ist wohl uraltes Herkommen; es erscheint jedoch fraglich, ob die Aburteilung eines Adligen nicht ursprünglich nur seinen Standesgenossen zustand (Pairskammer; noch heute ist das englische Oberhaus in gewissen Fällen Gerichtshof für die Peers) und erst nach der Heeresreform des Archelaos vor das Volk in Waffen gezogen wurde. Beispiele für das Verfahren vor dem Heeresgericht sind besonders der Prozeß des Philotas und Prozesse aus der Diadochenzeit (z. B. Diod. XVIII 37. XIX 61; vgl. auch Polyb. IV 27, 5ff. 29, 6). Darauf bezieht sich auch die von Polyb. V 27, 6 bezeugte ἰσηγορία der Makedonen. – Natürlich hatte der König einen Staatsrat, dessen Mitglieder auch für besondere Aufgaben zur Verfügung standen. Es erscheint sicher, daß die Bezeichnung ἑταῖροι ursprünglich auf die Umgebung des Königs beschränkt war (vgl. dazu Plaumann o. Bd. VΙΙΙ S. 1375ff. Hoffmann Die Maked. 118. Berve Das Alexanderreich I 104) und erst von Alexandros I. auf die gesamte Ritterschaft übertragen wurde. Dieser Staatsrat erscheint vor Philippos II. bei Aelian. var. hist. XIII 4 und Plut. Pelop. 27 (vgl. für die spätere Zeit Plut. Aemil. 8 1 [πρῶτοι Μακεδόνων] und Liv. XLIV 26 [unum ex purpuratis]). Seine Existenz wird aber auch durch die Rolle der ἑταῖροι unter Alexander d. Gr. (vgl. Berve a. O.) und durch den Staatsrat der hellenistischen Monarchien bewiesen (Beloch IV l² 383f. Geyer Hist. Ztschr. CXXXII 399ff.). Über die administrative Einteilung des Landes und die lokalen Verwaltungsbehörden erfahren wir für M. gar nichts. Die Gliederung in größere Provinzen läßt sich aus den Aushebungsbezirken für das Heer (vgl. Berve a. O.) und den Aufschriften der Provinzialmünzen in der Zeit Philippos’ V. (Bottiaia, Amphaxitis, Edonis) erschließen. Auch die obermakedonischen Landschaften haben doch jedenfalls Verwaltungsbezirke (vgl. Doberos und Parauaia) gebildet.
Die Verfassung der Städte scheint nach griechischem Muster gestaltet gewesen zu sein, wie ja griechische Städte früh unter makedonische Herrschaft gekommen waren (Pydna, Therme) und die späteren Neugründungen wohl alle griechischen Charakter trugen (Philippoi, Herakleia, Kassandreia, Thessalonike, Persëis). Wenn in Inschriften der römischen Zeit ein Kollegium von πολιτάρχαι erscheint, so ließe sich wohl an römischen Ursprung denken (vgl. Liebenam Städteverwaltung im röm. Kaiserreich 293. Zahlreiche Inschriften bei Demitsas Ἡ Μακεδονία . . . Heuzey-Daumet 315), zumal auch das reiche Material [771] bei Busolt-Swoboda Griech. Staatskunde diese Amtsbezeichnung nicht belegt.
Zum Schluß sei für die makedonische Ära (148 v. Chr.) auf Kubitschek o. Bd. I S. 636f. Griech. Zeitrechnung [1927]. M. N. Tod Annuals Brit. School. Athens XXIII 206ff. XXIV 54ff. hingewiesen, für den makedonischen Kalender auf Bischoff o. Bd. X S. 1586ff., für die makedonischen Kulte auf die vorzügliche Dissertation von Baege De Macedonum sacris, Diss. Philol. Hal. XXII 1. 1913.
[Geyer.]
Die auswärtige Politik der makedonischen Großmacht seit Philippos II. kann hier nur kurz gestreift werden. Der Nachdruck liegt auf der Darstellung der Geschicke der Landschaft M.
Da es nicht Aufgabe dieser Skizze sein kann, die Geschichte der makedonischen Kriege zu bringen, wird ein für allemal auf die römischen Geschichten, vor allem de Sanctis und Niese-Hohl in J. Müllers Handbuch, sowie auf Niese Bd. II und III verwiesen.
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