Jahreszeiten. Schon in sehr frühen Zeiten muß die Beobachtung der Witterungsabwechslung zum Unterscheiden von Perioden geführt haben, und sobald die regelmäßige Wiederkehr bestimmter klimatischer Verhältnisse zum Erkennen des Jahreskreises geführt hatte, waren damit zugleich J. gegeben. In dem Klima, das die indogermanischen Völker in ihren ältesten europäischen Wohnsitzen gekannt haben, mußte der Gegensatz der kalten zur wärmeren Zeit dazu Anlaß geben, die eine als besondere vor der anderen, gewöhnlichen, durch einen Namen zu unterscheiden. Schrader hat aus der überaus weiten Verbreitung des Begriffes ,Schneezeit, Schneetreiben‘ (χεῖμα, χειμών, χιών, hiems, skr. açu-heman: hi, hinôti ,treiben‘ usw.), mit dem in dieser Hinsicht weder Sommer noch Frühling oder Herbst wetteifern können, erschlossen, daß zuerst eine J., der Winter, der übrigen Zeit gegenüber hervorgehoben ist (Reallex. d. indog. Altertumsk. 394 ,Jahreszeiten‘). Mit den klimatischen Verhältnissen (Schrader a. O. ,Urheimat‘ besonders S. 901) steht diese Annahme im besten Einklang, und sie wird bestätigt durch die weitverbreitete Sitte des Zählens nach Wintern, d. h. nach dem merkwürdigsten, dem Hauptteil des Jahres, deren Spuren bei Griechen und Römern noch im χίμαρος ,einjähriger Bock‘, χίμαιρα ,(einjährige) Ziege‘, bimus, quadrimus u. a., vorliegen (Schrader a. O. 390. Prellwitz Etym. Wörterb. d. gr. Spr.² 508. Walde Lat. Etym. Wörterb. s. bimus).
Anfangs hatte man also eine J., den Winter, und das übrige Jahr. Das griechische Wort für J. hatte nun neben seiner speziellen auch die allgemeine Bedeutung ,Zeit(raum)‘. Es ist entweder zur Reihe var skr. varas, aisl. var, zu setzen, der die Bedeutung ,Zeit, Periode‘, im Altindischen mit der des regelmäßigen Wechsels verbunden (L. Meyer Handb. d. gr. Etym. I 654), eigen ist, oder zu ab. yare, got. jer, nhd. Jahr (Prellwitz a. O. 523. Boisacq Dict. Etym. d. l. langue grecque 1083; vgl. Brugmann Kurze vergl. Gramm. § 152. 153. 415. Walde a. O. homus 369). Letztere Ableitung wird von L. Meyer verworfen wegen der uralten Bedeutung Jahr, welche bei ὥρα. nie, in der Form ὧρος erst bei Späteren vorkommt (Diod. I 26, 5. Plut. mor. [1165] 677. Athen. X 423 E. Hesych. s. ὧροι). An diesen Stellen kann jedoch altes Sprachgut bewahrt geblieben sein – die Plutarchstelle: Ἀντίπατρος δὲ … ἔφη τοὺς μὲν ἐνιαυτοὺς ἀρχαϊκῶς ὥρους λέγεσθαι weckt allerdings diese Vermutung, und der Begriff der regelmäßig wechselnden Periode ist doch von dem, was man für Urzeiten unter Jahr zu verstehen hat, nicht weit entfernt. Zum Jahresbegriff bildet einen Übergang der Ausdruck εἰς ὥρας (Theokr. XV 74. Plat. epist. VII 346 D), der die Summe der Teile dem Ganzen gleichsetzend die Bedeutung ,übers Jahr, bis zum nächsten Jahr‘ erhalten hat. Indem man nun für Schneezeit als Hauptteil die Notwendigkeit eines eigenen Namens fühlte, war der Rest des Jahres mit ,Zeit(raum), Periode‘ (gr. ὥρα) genügend bezeichnet. Als aber das Bedürfnis aufkam, auch den Nicht-Winter zu benennen, schufen die meisten indogermanischen Sprachen dafür Namen, die ,gleicher Teil, Jahreshälfte‘ bedeuten: aw. ham, arm. amarn, ahd. sumor, agls. sumor gehören zu skr. sama, gr. ὅμος (Schrader a. O. 782). Nur die Griechen und Römer haben die klimatische Eigenart durch θέρος und aestas zum Ausdruck gebracht (vgl. Boisacq a. O. 341. Prellwitz a. O. 182. Walde a. O. aedes 15). Erwägt man, daß diese Eigenart eben die des indoeuropäischen, in besonderem Maße des griechischen Sommers ist, und daß dieselbe viel schärfer hervortritt als die des Winters, dessen Witterung der monatelangen beständigen Glut des fast regenlosen griechischen Sommers gegenüber ziemlich unstet und von weniger ausgeprägtem Charakter ist (Neumann-Partsch Physikal. Geogr. v. Griech. 19. 23. 75, 103. 122. Philippson Mittelmeergebiet 104ff.), dann wird es wahrscheinlich, daß die Namen eben in jener neuen Heimat aufgekommen sind, und man versteht, daß der ursprüngliche Hauptteil des Jahres an Bedeutung verlor und der Sommer an dessen Stelle trat, so daß der alte Gegensatz χειμών – ὥρα ,Schneezeit – (übrige) Zeit‘ – in ὥρα – χειμών ,schöne Zeit – Winter‘ bald θέρος – χειμών ,Hitzezeit – Winter‘ überging. So ist auch die freundliche Nebenbedeutung, die ὥρα und seinen Ableitungen eigen ist, erklärlich. Als schöne Jahreshälfte erscheint es noch in ὅσσα τε φύλλα καὶ ἄνθεα γίγνεται ὥρῃ (Hom. Il. II 468; Od. IX 51), wo die Beschränkung auf den Frühling dadurch verboten wird, daß ὥρα, wenn es sich auf eine bestimmte J. bezieht, bei Homer immer durch ein Attribut präzisiert wird (Hom. Il. II 471. VI 148. XVI 643; Od. V 485. XVIII 367. XXIII 301). Auch in der Formel ὅτε … ἐπήλυθον ὧραι (Od. II 107. XI 294. XIX 152. XXIV 142. Hymn. Hom. III 350) sind die schönen Jahresteile, welche das Naturjahr eröffnen, zu verstehen, in περὶ δ’ ἔτραπον ὧραι (Od. X 469. Hesiod. Theog. 58) jedoch alle J. im allgemeinen. Später ist dann eine Ableitung, ὡραῖα, als Bezeichnung der schönen J. aufgekommen (s. u. S. 1171).
Jetzt hatte man also zwei J., indem, ebenso wie der Winter, auch der Sommer nach seinem auffallendsten Merkmal bezeichnet wurde, weil der Name θέρος, der eigentlich nur für die Hitzeperiode des Hochsommers paßte, auf die ganze schöne Hälfte des Jahres ausgedehnt wurde [1166] (Ideler Handb. d. Chron. I 241. Unger Zeitrechn. d. Gr. u. R. in J. v. Müllers Handb. I² 718ff. P. Herrmann De Horarum apud veteres figuris, Berlin 1887, 7ff.).
Dieser vom klimatischen Wechsel gebotenen, überall vorherrschenden Zweiteilung des Jahres begegnen wir bei den Griechen zuerst Hom. Od. VII 118, wo es von den συκαῖ und ἐλαῖα heißt: τών οὔποτε καρπ ὸς ἀπόλλυται οὐδ’ ἐπιλείπει χείματος οὐδὲ θέρευς, ἐπετησιος, indem das letzte Wort ausdrücklich χεῖμα und θέρις als feste Jahreshälften zusammenfaßt. Menschlicher Empfindung und Wahrnehmung entsprungen war diese Jahresteilung anfänglich an keinerlei Daten oder feste physische Kennzeichen gebunden. Das Kommen und Gehen der Vögel, das Vorherrschen gewisser Winde (z. B. des Zephyros) bezeichnete Anfang und Ende der beiden Teile. Besonders die Schwalbe war in dieser Hinsicht wichtig, wie bei so vielen Völkern, und das lebt auch in neugriechischen Redensarten fort (vgl. A. Mommsen Griech. Jahresz. I 15). Diesen Kennzeichen geben die Astronomen in ihren Parapegmen einen Platz neben den astronomischen, was für ihre Bedeutung im praktischen Leben zeugt, z. B. χελιδὼν φαίνεται bei Geminos Calend. 68 c. Als aber späterhin sowohl gleiche Teile als feste Punkte unentbehrlich wurden, ging man dazu über, Sommer- und Winterbeginn kalendermäßig auf den Frühauf- und Untergang der Pleiaden, in der ersten Mai- und Novemberhälfte zu stellen (Hesiod. op. 383. 448, wo Rzach weitere Stellen gibt. Theophr. de signis temp. 6: διχοτομεῖ τὸν ἐνιαυτὸν Πλειάς τε δυομένη καὶ ἀνατέλλουσα. Censor. 21, 13. Ideler a. O. 240. Unger a. O. § 5). Doch scheint in ,Hesiods‘ Zeit das Sommerende früher angesetzt zu sein, denn Plin. n. h. XVIII 25, 213 berichtet, daß nach dessen Astrologie der Pleiaden Frühuntergang in die Zeit der Herbstnachtgleiche fiel (Hesiod. frg. 179 Rz.; vgl. o. Bd. VIII S. 1223), was zu seinem Schlußtermin der Schiffahrt stimmt (op. 670ff.).
Den ältesten kriegerischen Zeiten genügte diese Zweiteilung völlig, und auch die Schiffahrt brauchte nicht mehr als die Unterscheidung einer Zeit der Fahrten und einer Periode, während deren die Wetterverhältnisse den überseeischen Verkehr nicht gestatteten. Weil dieselben soviel unsteter waren als die des Sommers (Neumann-Partsch a. O. 113. 122), haben auch die Perioden der Schiffahrt mehr Abwechslung gezeigt, doch auch dafür hat man allmählich kalendarische Termine aufgestellt. Auf diesen beiden Gebieten ist dann die Zweiteilung des Jahres die vorherrschende geblieben, auch als man im gewöhnlichen Leben längst mit drei oder vier J. rechnete. Das tritt besonders deutlich bei Thukydides hervor, der den Peloponnesischen Krieg beschrieben hat κατὰ θέρη τε καὶ χειμῶνας (II 1. V 26). Bei ihm ist immer das θέρος die Zeit der Kriegsverrichtungen, welche über die kalendarische Jahreshälfte beträchtlich hinausgeht, der χειμών diejenige der Waffenruhe (vgl. Xen. hell. III 9. 12), deren letzte Wochen natürlich der Vorbereitung des bevorstehenden Feldzugs gewidmet waren. Bei den Römern kam dieses durch die Marsfeste zum Ausdruck, die Weihung der Rosse, Equirria, am 27. Februar und 14. März, [1167] der Waffen, Quinquatrus, am 19., der Hörner, Tubilustrium, am 23., und das Agonium Martiale am 19. März. Das ,ancilia movere‘ in demselben Monat kündigte durch die Anrufung ,Mars vigila‘ die baldige Eröffnung der Feindseligkeiten an. Dieselbe ist, was auch manche Thukydidesstellen beweisen, in die ersten Tage des Frühlings, d. h. nach der Nachtgleiche, zu setzen (Wissowa Rel. u. Kult. d. Röm.² 144, 556. Unger Zeitr.² § 58; Das Kriegsjahr des Thukydides, Philol. XLIII 1884, 577–661, wo er das Kalenderdatum des Überfalls von Plataiai im J. 431 als Kriegssommerepoche bei Thukydides zu erweisen sucht).
Der Anfang des Frühlings und damit der ganzen schönen Jahreszeit und des Naturjahres (Verg. Georg I 64. 217. III 206) wurde von den Theoretikern an verschiedene Himmels- und Wettererscheinungen geknüpft. Das Eintreten des Zephyros um den 8. Februar galt manchen, besonders bei den Römern, als Lenzepoche, andere wählten Arkturs scheinbaren (am 23. Febr.) oder wirklichen (6. März) Spätaufgang, mehrere die Nachtgleiche. Letztere, die dem Klima entspricht und daher als die volkstümliche zu betrachten ist, findet sich zuerst Hom. Od. XVII 520, wo die Nachtigall ἔαρος νέον· ἱσταμένοιο singt. Heutzutage kommt sie in Griechenland 1–4 Wochen nach dem Aequinoctium (Attika 0–24 Tage, Smyrna 13–21 Tage, A.Mommsen Gr. Mittelzeit 23; Gr. Jahresz. 243). Daß man für das Altertum dieselbe Zeit annehmen muß, ergibt sich aus der Vergleichung ihrer Legezeit, die nach Arist. hist. an. V 84 in den ersten Maitagen θέρους ἀρχομένου fiel, was auch jetzt noch zutrifft. Sechs Monate verliefen nach Soph. O. T. 1137 ἐξ ἦρος εἰς Ἀρκτοῦρον, d h. bis zu dessen Frühaufgang um Mitte September, was ebenfalls auf das Märzaequinoctium als Frühlingsanfang führt. Daß diese Lenzepoche die volkstümliche war, ist bewiesen worden von Unger in seiner ausführlichen, das ganze Material vorlegenden Abhandlung ‚Frühlingsanfang‘ im Jahrb. f. Philol. CXL 1890, 153ff. 377ff. 473ff. Den scheinbaren Spätaufgang Arkturs nimmt Hesiod. op. 564 an, nach Ungers Ansicht (Zeitr. 558; Frühlingsanf. 163), damit er Frühling und Herbst mit dessen Erscheinen und Untergehen, Sommer und Winter, mit den Solstizien beginnend, 4 J. und zwischen denselben einen gewissen Paralellismus mit gleicher Teilung des Jahres erhalte, in dieser Hinsicht ein Vorläufer der Theoretiker (dagegen Holzapfel Beitr. z. gr. Gesch. 59).
Ist die Kriegsepoche ebensoviel wie der natürliche Lenzanfang von dem kalendermäßigen Sommerbeginn entfernt, so zeigt die Schiffahrt noch größere Abweichung. Obwohl das Meer nur von Mai bis Mitte Oktober für sturmfrei galt (Hesiod. op. 618ff. 663ff.), fing diese doch schon an, sobald mit den Vogel- oder Schwalbenwinden eine Milderung des Spätwinters eintrat, d. h. um den 70. (Arist. met. ΙΙ 5. Plin. n. h. II 103) Tag nach der Sonnenwende. Theophr. char. 3 behauptet τὴν θάλατταν ἐκ Διονυσίων πλόιμον εἶναι, d. h. von den ersten Märztagen an, was zu Hesiod. op. 565 stimmt. Diesen hat, obwohl er an dieser Stelle darauf nicht ausdrücklich Bezug nimmt, doch wohl seine besondere Schätzung der Schiffahrt [1168] zu diesem frühen Lenztermin veranlaßt. Derselbe Termin galt in Rom, wo am 5. März das Isidis navigium gefeiert wurde und der zehnte Tag dieses Monats nach Veget. de re milit. IV 19, 19 als natalis navigationis galt (Unger Zeitr. 559. Wissowa Rel. u. Kult. d. Römer² 354). Während die Schiffahrtssaison also drei bis vier Wochen vor der Nachtgleiche anfängt, fällt ihr Ende mit dem kalendermäßigen Sommerausgang ungefähr zusammen. Der Novembertermin steht auch mit dem Klima in bestem Einklang. Von den Folgen der Sommerhitze und Trockenheit erholt sich die Natur in Griechenland in den Regenmonaten September und Oktober und erwacht bei der noch ziemlich großen Wärme zu neuem Leben. Im November jedoch fällt die Temperatur plötzlich stark ab (Philippson Mittelmeergebiet 111ff.), und so ist es recht verständlich, daß dieser klimatische Umschwung als Winteranfang betrachtet wurde. Um dieselbe Zeit wurde das Meer sturmgefährlich (was Hesiod. op. 564 in den September verlegt; vgl. o. und Unger Zeitr. 558) und pflegte man wohl die Kriegführung einzustellen, deren offizielles Ende die Römer schon am 19. Oktober feierten (Armilustrium Wissowa a. O. 144).
Daß die Zweiteilung des Jahres auch außerhalb der Schiffahrt und des Militärwesens sich neben den später aufgekommenen mehrteiligen Systemen behauptete, ist sowohl an sich als aus Parallelen anderer Völker (Schrader a. O. 395) verständlich und wird ausdrücklich bezeugt durch Stellen wie [Aristot.] Problem. 26: ἡ ἰσημερία μεθόριόν ἐστι χειμῶνος καὶ θέρους. Plat. Crat. 410 C: ὧραι γάρ εἰσι διὰ τὸ ὁρίζειν χειμῶνάς τε καὶ θέρη. Theophr. de sign. temp. 6. Der Bauer muß schon sehr früh das Bedürfnis nach Unterteilung der schönen J. gefühlt haben, damit er für die Arbeiten auf dem Acker, im Garten und bei dem so wichtigen Weinbau die geeigneten Zeiten bestimmen konnte (Ideler a. O. 242).
Der Frühling entstammt schon der indogermanischen Vorzeit. Doch ist er nicht als selbständige J. entstanden. Das beweist sein Name. Aus idg. aues ‚aufleuchten‘ ging durch Betonung des ersten Vokals ἤως hervor, während der Betonung der zweiten Silbe ἔαρ - ver und deren Sippe ihren Ursprung verdanken. Der Begriff ‚Anfang‘, den die Reihe ‚aufleuchten - Morgenröte, Tagesbeginn‘ enthält, legt diesen Gedanken auch für die andere Gruppe nahe. Also muß auch ἔαρ einen Anfang bezeichnen: den des Sommers (vgl. Brugmann Kurze vergl. Gramm. § 215. Boisacq Dict. Etym. ἤως 302. Schrader Reallex. 395).
Diese Auffassung wird bestätigt durch die Formeln τοῦ ἐπιγιγνομένου θέρους ἅμα τῷ ἦρι εὐθὺς ἀρχομένῳ, ἅμα τῷ ἦρι τοῦ ἐπιγιγνομένου θέρους (Thuk. IV 117. VI 8. 94. VIII 7. 61; vgl. Busolt Gr. Gesch. III² 887. P. Herrmann De Horarum ap. vet. fig. 7), indem auch die Stellen, welche des Jahres Zweiteilung bekunden (s. o.), durch den unmittelbaren Anschluß des Sommers an den Winter den Frühling dem ersteren zuweisen. Hat sich diese Zugehörigkeit zum Sommer bis tief in historische Zeiten behauptet, so muß daneben schon sehr früh eine Anschauung entstanden sein, die den [1169] Frühling als selbständige J. – als solche finden wir ihn schon bei Homer – zwischen Winter und Sommer einschob, so daß die Dreiteilung des Jahres entstand (P. Herrmann a. O. 9). Zwar ist in der Pleiadenjahresteilung bei der Sommerhälfte für den Frühling kein Platz, aber dieses System ist eine gelehrte Erfindung, die nur kalendarischen, also konventionellen Wert hatte, und von dem das Naturjahr nicht nur in diesem Punkte abweicht (s. d. Art. Kalender).
Hinsichtlich des dritten Teiles der schönen J., der ὀπώρα, gibt es schon bei Homer einen Unterschied der Eigenart. Laertes macht sich sein Ruhelager im Freien: ἐπεί λ’ ἔλθῃσι θέρος τεθαλυΐά τ’ ὀπώρη (Od. X 192), wie das noch jetzt viele im Juli und August in Griechenland zu tun pflegen (Neumann-Partsch 64. Philippson 111). Die Bestimmung ἢ ἐς θέρος ἢ ἐς ὀπώρην (Hom. Od. XIV 384) weist auf jedenfalls sehr wenig verschiedene Zeiten hin, und Od. XII 76 erscheinen θέρος und ὀπώρη) als die sonnigsten Monate des ganzen Jahres. Zu diesem Charakter einer Hochsommerperiode stimmt, daß der in der zweiten Julihälfte aufgehende Sirius ἀστὴρ ὀπωρινός heißt (Il. V 5; vgl. XXII 7. Anth. Pal. X 12, 7), während nach [Aristot.] Probl. XXVI 14 und Theophr. de ventis 414 die ὀπώρα etwa 14 Tage eher, mit Orions Frühaufgang, begann (Ideler I 244). Das Epitheton τεθαλυῖα prägt diese Zeit zu einer der Reife, sie ist die Erntezeit der Baumfrüchte, die der des Getreides unmittelbar folgt (vgl. Finsler Homer I 109). Daß man zwischen beiden so wenig Unterschied machte, mag auch dadurch verursacht sein, daß die Getreideernte, deren eigentliche Zeit mit der Reife des Weizens, dem die Gerste schon um drei Wochen vorangegangen war, auf Mitte Juni fiel, bei den langsamen Arbeitsmethoden des Altertums sich oft bis über den folgenden Monat hinaus, also bis in die ὀπώρα hinein, erstreckt haben muß (Neumann-Partsch 439). Letztere wird von Eustathios, je nachdem er θέρος in weiterem oder engerem Sinn nimmt, τὸ τελευταῖον μέρος τοῦ θέρους oder ἡ μετὰ τὸ θέρος ὥρα oder auch die zwischen θέρος und φθινόπωρον fallende Zeit genannt (zu Hom. Il. V 5 S. 514, 23. XVI 385 S. 1065, 60; Od. XII 76 S. 1714, 8. XIV 384 S. 1764, 62). Die zweite Auffassung sucht Schulze etymologisch zu begründen, indem er (Quaest. Ep. 475) die erste Silbe zu ὄπιθεν stellt, so daß ὀπώρα die hinter der ὀάρα (vgl. Alkm. frg. 71 ὀπάρα Bergk ὀπώρα) kommende Zeit wäre (vgl. Boisacq s. v. 709). Vielleicht ist auch Verwandtschaft mit ἀπό nicht ausgeschlossen, wenn man ὀν = ἀνά (aeol. kret. ark., Thumb Handb. d. gr. Dial. § 245. 255) vergleicht.
Wie wenig noch im 5. Jhdt. der Unterschied zwischen beiden Perioden gefühlt wurde, lehrt die Vergleichung der J.-Aufzählung bei Aesch. Prom. 456 (χεῖμα, ἦρ, θέρος) mit Arist. Av. 709 πρῶτα μὲν ὥρας φαίνομεν ἡμεῖς ἦρος χειμῶνος ὀπώρας. Auch Aristot. hist. an. IX 49 B bezeichnet noch mit letzteren Namen die Erntezeit der Ackerfrüchte, indem er ihn a. O. VIII 28 eben auf die Obsternte bezog. Auch das Obst selbst konnte ὀπώρα heißen; vgl. Plat. legg. VIII 844 D. [Aristot.] Probl. XII 1 ; meteor. I 12. [1170] Theopomp, bei Athen. XII 533 B und die ähnliche Verwendung von autumnus. P. Herrmann a. O. 11. Eine Ausbreitung über den Anfang des späteren μετόπωρον erfuhr die ὀπώρα bereits in homerischer Zeit; denn die Herbstregen und -winde werden, ebenso wie Hesiod. op. 663. 674. 678ff. (vgl. Unger Zeitr. § 8), schon Hom. Il. XVI 384. XXI 346; Od. V 328 mit ὀπωρινός bezeichnet (vgl. jedoch Eustath. Il. XVI 384 S. 1065, 60). Das Substantiv gibt außer bei Alkm. frg. 72 (wo es überdies auf Konjektur beruht) vor Theophrast nie den eigentlichen Herbst an. Dieser fehlt bis ans Ende des 5. Jhdts. überall da, wo auf volkstümliche Anschauung Bezug genommen wird. Noch Orph. frg. 3 (Herm.) werden nur drei J. erwähnt, indem ebenso wie an der zitierten Aristophanesstelle die ὀπώρα für den Sommer genommen wird, wohl weil dieselbe hier als Reifezeit der Reben auftritt, was den Gedanken auf den allerletzten Teil der schönen J. lenken mußte; vgl. Plut. de Is. 378. Schol. Hesiod. Theog. 247. Zoega Bassir. II 222. Der Herbst wird zuerst ausdrücklich als J. an sich bezeichnet von Hippocr. de diaeta. Der Name ist entweder φθινόπωρον (a. O. III 366. 397. 481) oder μετόπωρον (I 544. 545; vgl. Plut. Cam. 3. Strab. IX 3, 78. 420 Πυλαία μετοπωρινή). Doch war die Vierteilung des Jahres gewiß schon viel früher erfunden – sie wird schon Pythagoras zugeschrieben (Gomperz Gr. Denker I² 449 Note zu 230. P. Herrmann a. O. 11) – aber sie kam erst spät über die Gelehrtenstube hinaus. Von Aristoteles’ Zeiten an ist sie dann die gewöhnliche (Belege bei Herrmann 11 und 12). Der Herbst ist ‚seinem Namen nach‘ dadurch entstanden, daß der ὀπώρα letzter Teil oder die ihr (im ursprünglichen engsten Sinne genommen) unmittelbar folgende Zeit abgetrennt und als eine selbständige J., φθινόπωρον oder μετόπωρον, betrachtet wurde. Daß sie volkstümlich wurde, dazu hat gewiß die große Bedeutung des Weinbaus für die antike Volkswirtschaft das übrige getan. Herbstepochen kennen wir nicht viele; die verbreitetste und einzig volkstümliche war Arkturs Frühaufgang etwa 14 Tage vor der Nachtgleiche (Aristot. hist. an. VI 14. 2. V 9, 6. VIII 15. Theophr. h. pl. III 6, 4. VI 2, 2. 4, 2). Das schloß also eine Einschränkung der ὀπώρα ein, welche in römischer Zeit noch ferner zurückgeschoben wurde, bis auf den Frühaufgang der Lyra um Mitte August, was wieder mit Hesiod. op. 663 übereinstimmt (Unger Zeitr. § 8t. Auch bei anderen indogermanischen Völkern ist die Dreiteilung des Jahres lange vorherrschend geblieben. Nach Tac. Germ. 26 kannten die Germanen den Herbst noch zu seiner Zeit nicht, und Schrader (Reallex. 395) weist auf die Termini Martini, Mitte März und Mitte Juli, indem er verweist auf A. Tille Yule and Christmas, London 1899, 34ff.: Martinmas and the tripartition of the year.
Außer den Haupt-J. findet man noch ἄμητος, ἄροτος, σπορητός und φυταλιά erwähnt (Hesiod. op. 384. Schol. Ven. B und AT Hom. Il. XVI 222. Theophr. hist. plant. VIII 1. 2. Plin. n. h. XVIII 24, 201. Cramer Anecd. Ox. III 226). von denen die erstere mit dem Pleiadenaufgange anfängt (Hesiod. a. O.) und die übrigen, von denen die ersten zwei identisch sind, auf den [1171] Winter fallen. Bisweilen geht durch Aufnahme einer davon oder auch aller drei die Vierteilung des Jahres in eine Fünf- oder Siebenteilung über (Hipp. π. ἐβδομάδων. Galen. Comm. in l. 1 epid. IX S. 7. Theophr. d. sign. tempest. 44. 48, 21. Unger Zeitr. § 9. Ideler a. O. 250). Die Namen geben aber deutlich an, daß man es hier mit Landbauperioden zu tun hat, jede für eine einzige Verrichtung geeignet und daher von den Bauern zur Zeitrechnung verwendet innerhalb der kalendarischen J. Daß sie dieselbe Geltung je erhalten haben, ist aus keiner Angabe zu erschließen.
In demselben Sinne ist die ὡραῖα (Polyb. III 41, 4) zu verstehen. ,Dieser Ausdruck bezeichnete‘ nach Unger (Jahrb. f. Philol. 1884, 549) ,die schöne J. in verschiedener Ausdehnung . . . vom Anfang des Frühlings bis zum Ende des Herbstes (Cass. Dio XXXIX 5) oder nur bis zum Ende des Sommers, um Mitte September (Dem. Phil. III 48, 30)‘ oder auch nur ,die Reifezeit der Feld- und Baumfrüchte‘ (Apoll. Rhod. Arg. IV 1390. Paus. IV 10, 7), im engsten Sinn bezieht er sich nach Galenos, welcher dem Ausdruck ?ραῖοι καρποί ein besonderes Kapitel widmet, auf die Reifezeit der früh gegessenen Früchte (Galen. de alim. fac. II 2 = Kühn VI 558).
Als man die J. mythisch zu personifizieren begann, entstand die Verbindung mit den Horen, und seit hellenistischer Zeit gilt jede der letzteren für die Göttin eines Jahrviertels. Das machte ihre Vierzahl notwendig, während man bisher nur drei Horen gekannt hatte. Diese Dreizahl ist auch als Beweis für die Dreiteilung des Jahres angeführt worden (Ideler a. O. 248), doch unten wird sich zeigen, daß zwischen beiden Zahlen kein direkter Zusammenhang anzunehmen ist. Die Verbindung mit den J. ist auch nicht ursprünglich in dem Sinne, daß die Horen, welche allerdings den Namen mit jenen gemein haben, durch Verpersönlichung des Zeitbegriffes entstanden wären; vielmehr weist alles, was sich besonders aus ihrem Kult über ihre ursprüngliche Eigenart ermitteln läßt, auf Göttinnen der Erde und des Erdsegens. Mit Recht weist Jolles (s.o. Bd. VIII S. 2300ff), zu dessen Artikel in diesem Abschnitt nur Zusätze und weitere Ausführungen gegeben werden, auf den unbestimmten Charakter der (homerischen) Horen als Plural- und Umgebungsgötter. Weder ihre Zahl noch ihre Namen sind alt. Erst Hesiod. Theog. 901 gibt hierüber Auskunft, aber bei ihm ist in den Themistöchtern Dike, Eirene und Eunomia zugleich eine Deutung gegeben, die von den homerischen Horen, welche die Rosse der Hera und des Helios versorgen (Hom. Il. V 749. VIII 433. XXI 450) und den Olymp mit einer Wolke verschließen (Il. V 749), weit entfernt ist. Also einerseits als Dienerinnen der großen Götter, andererseits als Herrscherinnen über die Wolken erscheinen die Horen uns in der ältesten litterarischen Überlieferung. Mit Recht hat Rapp (Roscher Myth. Lex. II 2712ff.; vgl. auch Wide Lakonische Kulte 214. Gruppe 583, 1. 1063,3) ihre Naturseite stark betont und auf diese Wolkenherrschaft großes Gewicht gelegt, aber auch diese Vorstellung ist wohl nicht die älteste. Als Naturgottheiten gehören die Horen einer sehr primitiven [1172] Religionsstufe an, und eben das Unbestimmte ihres Wesens und ihre untergeordnete Stellung deuten darauf, daß wir es mit einer Gruppe zu tun haben, welche, obwohl von der anthropomorphisierenden Tendenz der thessalisch-boiotischen Periode insofern ergriffen, als sie zu himmlischen Jungfrauen gestaltet wurden, doch von der auswählenden, den Götterstaat schaffenden Tätigkeit der damaligen Aufklärung übergangen wurde. So sind die Horen nicht zu großen Göttern erhoben, sondern den Olympiern als Dienerinnen untergeordnet worden, wie dies mit so vielen Dämonen der Vorzeit geschah (vgl. Gruppe Gr. Myth. u. Rel. 754. Wide in Einl. in d. Altertumswiss. II 171ff.). Noch in historischer Zeit lebte hier und da in Griechenland die Erinnerung an eine der Schöpfung individueller Göttergestalten vorausgegangene Periode. Strabon (III 164) erwähnt einen keltischen Stamm, der keine Götter kannte, die thrakischen Θῶες werden von Theophrast (περὶ εὐσεβείας bei Porph. de abstin. II 8) ἄθεοι genannt, was nach Useners einleuchtender Erklärung eben auf das Fehlen persönlicher Götter geht (Göttern. 277). Herodots Mitteilung (II 52), von den Priesterinnen zu Dodona sei ihm erzählt worden, daß die Pelasger zwar Göttern geopfert, aber ihnen noch keine Namen oder Beinamen zu geben vermocht hätten, verrät denselben Zustand; und die Verbindung mit den überall verbreiteten Pelasgern bezieht ihn auf mehrere Teile Griechenlands (vgl. auch Schrader Reallex. 675). Sind nun die Horen in den Zeiten jenes Glaubens an ein unpersönliches Dämonentum, in die sie mit den Nymphen, Chariten u. a. zu verweisen sind (Harrison Prolegomena to the study of Greek Religion 286ff. Gruppe a. O. 755; vgl. Nilsson Gr. Feste 207) ebenfalls Wolken- oder wenigstens Witterungsgeister gewesen? Rapp a. O. 2713f. handelt ausführlich über die Stellen, wo die Horen Spenderinnen des segensreichen (Frühlings)regens sind, und E. H. Meyer (Germ. Myth. 267ff.) hat alle Fruchtbarkeitsgötter auf Wolkengeister zurückgeführt, eine Ansicht, die von A. Dieterich (Mutter Erde 17, 1) widerlegt ist. Gruppe nimmt an, daß in der Periode der chthonischen Kulte auch die Himmelsgötter unter die Gewalt der unterirdischen gekommen seien (a. O. 1063). Diesen Vorgang für die Horen anzunehmen, verbieten zwei Umstände. Erstens ist, wo die Horen über Wolken und Regen verfügen, ihre Zugehörigkeit zum Kreise des Zeus offenbar und ihr Walten nichts als eine Ausbildung homerischer Motive (Stellen bei Rapp a. O.), also nach dem oben Gesagten nicht ursprünglich. Zweitens war es, wie Dieterich (a. O. 38ff.) ausführlich dargetan hat, im ältesten Volksglauben eben ein männlicher Gott, der den Regen spendete und sich dadurch in einem ἱερὸς γάμος mit der Erde vereinigte.
Ältere Züge haben uns ein Bericht des Pausanias und einige volkstümliche und Kunstgebräuche bewahrt. Vielleicht darf man auch in Hesiods Genealogie, die Horen und Chariten zu Töchtern des Zeus und der Themis macht, den Nachklang einer alten Erinnerung finden (Theog. 901), doch ist es auf dieser fortgeschrittenen Entwicklungsstufe, die schon die völlige Individualisierung [1173] der Horen und eine aus den Namen Eirene, Dike, Eunomia hervorgehende Umdeutung auf Göttinnen der gesegneten (politischen) Ordnung (vgl. Lehrs Pop. Aufs. 48) kennt, zweifelhaft, ob man hier ihre Mutter noch als die uralte Erdgöttin betrachten darf (vgl. Preller-Robert Gr. Myth. I⁴ 475. Gruppe Gr. Myth. 101. 1094, 14. 1166, 13). In enger Verbindung mit den Chariten hatten die Horen nach Paus. IX 33 in Orchomenos einen laut alter Sage von Eteokles gegründeten Kult. Die Chariten waren hier chthonischer Natur (Gruppe a. O. 81. Farnell Cults of the Gr. States V 428), was denselben Charakter für die Horen wahrscheinlich macht. Von alters her, erzählt Pausanias weiter, verehren die Athener Χάριτας Αὐξὼ καὶ Ἡγεμόνην. τὸ γὰρ τῆς Καρποῦς ἐστιν οὐ Χάριτος ἀλλ’ Ὥρας ὄνομα. τῇ δὲ ἑτέρᾳ τῶν Ὠρῶν νέμουσιν ὁμοῦ τῇ Πανδρόσῳ τιμὰς οἱ Ἀθηναῖοι, Θαλλὼ τὴν θεὸν ὀνομάζοντες. παρὰ δὲ Ἐτεκλέους τοῦ Ὀρχομενίου μαθόντες τρισὶν ἤδη νομίζουσι Χάρισιν εὔχεσθαι. Der letzte Satz bekundet also boiotischen Kulteinfluß, und aus der Übernahme der Dreizahl von dieser Seite geht eine ältere Anschauung hervor, welche entweder nur zwei attische Chariten (vgl. Harrison Prolog. 286) oder gar keine Zahl derselben kannte. Die Verbindung der Horen und Chariten ist hier eine so enge, daß man allgemeine, die Entwicklungsstufe bestimmende Züge auf beide zu beziehen berechtigt ist. Eine Verwechslung der Mitglieder – Auxo, von Pausanias einer Charis gegeben, ist, wie Usener Göttern. 143 bewiesen hat, eigentlich Name einer Hore – ohne sehr große Wesensgleichheit. Obwohl Pausanias also auch den dritten Namen kennt, bezeugt er die Zweizahl der Horen durch τῇ ἑτέρ?, usw., Älteres und Jüngeres vermischend (vgl. Harrison a. O. Gruppe 1088). Die Beziehung zu den orchomenischen Chariten, die bekanntlich Vegetationsgeister sind (Nilsson Gr. Feste 413), macht es höchst wahrscheinlich, daß auch den Horen sowohl in Boiotien als in dem von dort beeinflußten attischen Kult derselbe (chthonische) Charakter eigen war. Die Kultgemeinschaft mit Pandrosos weist scheinbar auf Feuchtigkeitsdämonen; ebenso Philochoros’ Mitteilung, daß man in Athen bei Dürre die Horen anrufe und das ihnen geopferte Fleisch nicht brate, sondern koche (Athen. XIV 656 A; vgl. Stengel Gr. Kultusaltert. 102), ein Verfahren, in dem Frazer (Golden Bough I³ 310) sympathetische Magie sieht, indem der aufsteigende Dampf die Wolken nachbilden und so Regen herbeiführen solle. Aber diese Ansicht stützt nur ein sehr entlegenes Beispiel, und die Kultgemeinschaft mit Pandrosos kann darum keine Wesensgleichheit einschließen, weil die Agrauliden, obwohl mit den Horen verehrt, doch immer als die eigentlichen attischen Taugöttinnen eine Gruppe für sich gebildet haben, während als Regengott später Zeus Ombrios auf dem Hymettos seinen Altar hatte (Paus. I 32, 2; vgl. Neumann-Partsch Physik. Geogr. v. Gr. 27). Die Anrufung bei Dürre ist der bekannten Sage von Damo und Auxesia vergleichbar (Herod. V 82–87. Usener Göttern. 129ff.). Auch hier ist zwar Trockenheit die Ursache, die zu außerordentlichen Zeremonien veranlaßte, aber die Aufstellung der Bilder beider [1174] Göttinnen übte ihren Einfluß unmittelbar auf die Äcker. Von Regen oder Tau ist nicht die Rede; es sind Fruchtbarkeitsriten, die dem Boden gelten (vgl. Frazer a. O. I³ 39. Nilsson Gr. Feste 413ff. Gruppe 139, 4. 192. 1088, 3. 1182, 4). Auf dergleichen deutet auch das Epitheton ?ναυλακοφοίτιδες, das den Horen von Zonas (Anth. Pal. VI 98, 1) gegeben wird. Trotz seiner späten Quelle stimmt das Schreiten durch die Furchen vorzüglich zur ältesten Eigenart der Horen. Dasselbe gilt auch von ihrem Gehen über die Spitzen der Ähren, ohne diese zu beugen, was nach Philostr. Imag. II 34 eine beliebte Darstellung war. Die Horen galten als Spenderinnen vieler guter Gaben; aber immer sind es gerade der Erde Gaben, für die man ihnen Dank zollte. Man tat das in derselben Weise wie bei Demeter und anderen Göttern des Erdsegens, und es wäre kaum verständlich, wenn man im einen Falle an indirekte Wirkung (feuchte Erde – Frucht), im anderen jedoch an unmittelbare gedacht hätte, ganz abgesehen davon, daß eben das Indirekte primitivem Glauben fremd ist. Es sind volkstümliche Äußerungen, welche der Hοre Lob verkündigten. Mit dem Ausruf Ὧραι φίλαι gab der Athener seine Dankbarkeit für die ersten reifen Feigen kund (Ar. Pax 1168), schönes Obst war ein Zeichen ihrer Gnade (Longin. Erot. 3), wie sie die Blumen des Frühlings und die Ähren im Sommer bringen (Euseb. praep. ev. III 11, 38) usw.; vgl. Rapp a. O. 2717. Jolles o. Bd. VIII S. 2303). Es sei auch hingewiesen auf ihre Beziehung zu Demeter, mit der zusammen sie Opfer von Ähren und Hülsenfrüchten empfingen (vgl. Δημήτηρ ὡρηφόρος, Hom. hymn. II 54. 192. 492. Ὡρία auf einer smyrnäischen Münze, Head HN² 510). Wichtig ist, daß in dem Eide, mit dem die Epheben den vaterländischen Boden zu schützen schwuren (Poll. VIII 106), auch Thallo und Auxo angerufen werden. Auf die Namen der Horen ist kein zu großes Gewicht zu legen, denn sie mögen ebenso wie ihre Zahl jung sein. Doch war die Absicht ihrer Erfindung natürlich, den Charakter der bereits bestehenden Gestalten zum Ausdruck zu bringen, und was sie besagen, trifft vorzüglich auf Erd- und Vegetationsgeister zu. Als solche bezeichnet die Horen zuletzt die Feier der Thargelien und Pyanopsien, an denen den Horen in Vereinigung mit Apollon oder Helios Eiresionen (s. d.) dargebracht wurden (Porphyr. de abstin. II 7 Schol. Ar. Eq. 729. Eustath. Il. XXII 495. Etym. M. s. v. Suid. s. v. A.Mommsen Feste d. St. Athen 278ff. 480ff.). Diese Erntezweige (Mannhardt Ant. Wald- u. Feldkulte 217ff. Harrison Proleg. 81. Dieterich Kl. Schr. 327) hatten bei der aus einer Vermischung von Sühne- und Vegetationsriten bestehenden Thargelienfeier die Bedeutung von Voropfern, durch die man eine gute Ernte zu erhalten hoffte (Nilsson Gr. Feste 112ff.), während die Darbringung am Ende des Sommers bei den Pyanopsien als Dankbarkeitsritus zu betrachten ist Pfuhl (De Atheniensium pompis sacris 86ff.) unterscheidet offizielle Umzüge für Apollon und private, die Helios und den Horen galten, wobei zu beachten ist, daß der volkstümliche Ritus von einem großen Götterfest attrahiert worden sein muß und dann dem großen Gott gilt [1175] (Dieterich Sommertag 15, 2). Das ist natürlich nicht nur auf die gesamte Feier, sondern auch auf den von Pfuhl angenommenen privaten Teil zu beziehen. Demnach muß das Opfer beider Feste ursprünglich allein, später an erster Stelle den Horen gegolten haben, deren Stellung dann auch hier von der Verehrung eines Olympiers überwuchert wurde. Diese Feier, bei der sie Erntegaben empfingen, prägt die Horen auf das deutlichste zu Vegetationsgeistern, die dem Reiche der Erde angehören. Aus nichts geht hervor, daß der Gedanke an Niederschlag irgendwie an den genannten Festen mitspielte; sonst würden doch die Agrauliden oder gar Zeus Ombrios darin miteinbezogen sein. Auf der ersten Stufe ihrer Entwicklung werden diese Wachstumsdämonen wohl ganz namenlos gewesen sein, wie man für alle solche Wesen annehmen muß (Usener Götternamen 213). Als dann mit dem Erkennen des periodischen Wechsels im Naturleben sich Zeitbegriffe zu bilden begannen, wurden die Vegetationsmächte zugleich Götter der Zeit, und so ist es verständlich, daß die Horen einen Namen mit Zeitbedeutung erhalten haben. Aus dieser ihrer zweiten Funktion als Zeitgöttinnen ist dann die politische und moralische Bedeutung abzuleiten, die wir zuerst bei Hesiodos (Theog. 901) durch ihre Genealogie und ihre Namen verkündigt finden. Seit hellenistischer Zeit sind dann die Horen regelmäßig Vertreterinnen der vier Jahreszeiten.
Als Wachstumsgeister, deren eigentliche Macht mit der Vegetation selbst in der Erde wurzelt, müssen die Horen bei der übergroßen Bedeutung des Niederschlages im südlichen Klima schon früh auch die Feuchtigkeit unter ihre Gewalt gezogen haben, oder eigentlich ist diese ihrem Wesen nach bei den Horen zu Hause, aber sie kommt erst in zweiter Linie in Betracht: die Horen als Vegetationsgeister lenken unsere Gedanken zuerst auf die Erde, und nur in Verbindung mit dieser ist das feuchte Element von Wichtigkeit. Das unterscheidet die hier vertretene Auffassung von der Rappschen Wasserfrauentheorie. Diese knüpft erst an Homer an, während die attischen Kulte uns Älteres lehren. In homerischen Zeiten sind dann die Horen von den großen Göttern zurückgedrängt und zu ihren Dienerinnen geworden. Sie erhielten das zu ihrer oben als sekundär gekennzeichneten Funktion wohl stimmende Amt von Pförtnerinnen, die den Olympos mit Wolken zn verschliessen hatten. Diese Vorstellung hat die späteren Dichter beeinflußt, daher uns die Horen seitdem in so mannigfachen Beziehungen zum Wasser begegnen; s. ferner Jolles o. Bd. VIII S. 2300ff. Rapp in Roschers Myth. Lex. I 2712ff.
[Gunning.]
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Jahreszeiten
S III.
[Hans Gärtner.]
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