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85) Demetrios von Phaleron (Δημήτριος ὁ Φαληρεύς), Peripatetiker und athenischer Staatsmann.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Staatsmann
Schriftsteller
Angedichtetes
Nachträge und Berichtigungen
Leben
I. Leben. Litteratur. A. Aus dem Altertum. Von Zeitgenossen haben über D. von Phaleron geschrieben: Philochoros im VII. Buch seiner Ἀτθίς (FHG I 408; vgl. Boeckh Kl. Schrift. V 421ff.); Diyllos (wahrscheinlich in seinen Ἱστορίαι, FHG II 361); Duris von Samos im XVI. Buche seiner Ἱστορίαι (FHG II 475 [stark gegnerisch]); Demochares in seinen Ἱστορίαι (FHG II 448 [ebenfalls gegnerisch]). Zweifelsohne wird auch Hieronymos von Kardia in seinen Ἱστορίαι τῶν διαδόχων auf D. von Phaleron zu sprechen gekommen sein, und es ist überaus wahrscheinlich, dass die wertvollen Notizen über D. bei Diodor XVIII – XX in letzter Linie auf ihn zurückgehen (vgl. Wachsmuth Einleitung in d. Stud. d. alt. Gesch. 102; dagegen denkt an Diyllos – schwerlich mit Recht – Unger S.-Ber. Akad. Münch. 1878, 440). Der Zeit des D. nahestehend und für die ägyptische Periode desselben wohl im Besitze directer Informationen von Zeitgenossen des Phalereers ist Hermippos, ein Schüler des Kallimachos, der in seinen Βίοι (speciell wohl in dem Teile, der die Aufschrift trug βίοι τῶν ἀπὸ φιλοσοφίας εἰς τυραννίδας καὶ δυναστείας μεθεστηκότων, s. Philod. ind. acad. col. XI 4 S. 8 Büch.) eine Lebensbeschreibung des D. von Phaleron gab (FHG IH 47). Zeitlich ferner stehen Karystios, der im III. Buch seiner Ἱστορικὰ ὑπομνήματα von D. von Phaleron handelte (FHG IV 358), und Herakleides Lembos, der Compilator des Sotion und Satyros (Diog. Laert. V 79). Diese und ähnliche Quellen excerpieren und contaminieren dann die späteren Ausschreiber wie Demetrios Magnes, der Verfasser des vielbenützten Werkes περὶ ὁμωνύμων (Diog. Laert. V 79); Didymos, der Sohn des Herakleides, unter Nero, in seinen Συμποσιακά (vgl. Schmidt Didym. Chalc. frg. 380); Favorinus (Diog. Laert. V 76 u. 77) u. a. Ein specielles Buch über D. von Phaleron schrieb Asklepiades, des Areios Sohn, dessen Zeit sich nicht näher bestimmen lässt. Sein Werk wird einmal bei Athenaios erwähnt [2818] (FHG III 306). Auf uns gekommen sind zwei antike βίοι des D., der eine von diesen steht bei Diog. Laert. V 75–85. Der historische Kern desselben – und wohl auch das Schriftenverzeichnis 80ff. (vgl. Susemihl Alex. Litt. I 493, 11) – geht auf Hermippos zurück; vgl. im übrigen über die Zusammensetzung des βίος v. Wilamowitz Philol. Unters. IV 46, 2. Der andere βίος findet sich im Lexikon des Suidas (aus Hesychios III.); sein Wert ist äusserst gering; umfangreiche Interpolationen in demselben weist nach Rohde Rh. Mus. XXXV 209; vgl. auch Daub Jahrb. f. Philol. Suppl. XI 447. B. Von den Neueren haben eingehender über das Leben des D. von Phaleron gehandelt: Bonamy Mém. de l’Acad. d. Inscr. VIII 157ff. Dohrn De vita et rebus Dem. Phal., Kiel 1825 (gänzlich antiquiert). Ostermann De Dem. Phal. vita, reb. gest. et Script, rell., Hersfeld 1847 und Fulda 1857 (grundlegend und heutzutage noch unentbehrlich als zuverlässige Materialsammlung). Legrand et Tychon Sur Dém. de Phal. in den Mém. prés. à l’Acad. de Brux. Bd. XXIV 1852 (wertlos). K. G. Helbig Im neuen Reich II (1872) 255ff. Zeller Philos. d. Gr. II² 2, 897ff. Susemihl Alex. Litt. I 135ff. Niese Gesch. d. gr. u. mak. Staaten I 248ff. 312ff. Papasis Dem. Ph. und die Stadt Athen, Erlanger Diss., Alexandrien 1893 (wenig fördernd).
D., des Phanostratos Sohn, war in der athenischen Hafenstadt Phaleron geboren. Das Jahr seiner Geburt lässt sich approximativ bestimmen aus Diog. Laert. V 85, wo bemerkt wird ἄρξασθαι αὐτὸν τῆς πολιτείας, ὁπότε φυγὼν Ἀλέξανδρον εἰς Ἀθήνας ἧκεν Ἅρπαλος – letzteres geschah 324 v. Chr. Nach dem athenischen Gesetz durfte niemand vor Eintritt in das 20. Lebensjahr sich activ an der Staatsverwaltung beteiligen (vgl. Busolt Gr. Staats- u. Rechtsalt.² 307). Lässt man D. in diesem Alter seine politische Carriere beginnen, so erhält man als das Jahr seiner Geburt 344 v. Chr. Vieles jedoch (z. B. seine bereits im J. 317 erfolgte Bestellung zum Gouverneur von Athen) spricht dafür, dass D. zur Zeit seines politischen Debüts bedeutend älter war, als eben präsumiert wurde, und es wird demnach sein Geburtsjahr etwas weiter hinaufzurücken sein. D. war von unberühmter Abkunft. Sein Vater war noch bei Timotheos Sclave gewesen, später aber wohl freigelassen worden (Ostermann a. O. 5ff.). Nach einer Angabe des Suidas hiess D. ursprünglich Φανός und legte sich erst später den Namen bei, unter dem er berühmt wurde (Ostermann a. O. 6; verkehrt Papasis a. O. 30, der den Relativsatz ὃς τὸ πρῶτον Φανὸς ἐκαλεῖτο bei Suidas von dem vorhergehenden λιμήν abhängig machen will). Als Lehrer des D. wird Theophrastos ausdrücklich genannt (Cic. de fin. V 54; de leg. III 14; de off. I 3; Brut. 37. Strab. IX 398. Diog. Laert. V 39. 75). Indessen kann es keinem Zweifel unterliegen, dass er auch die Vorlesungen des Aristoteles besucht hat, der ja bis in den Spätsommer des J. 323 zu Athen als vielgefeierter Docent wirkte. Dem Theophrastos aber schloss sich D. besonders eng an und blieb demselben auch späterhin, als er dem athenischen Gemeinwesen vorstand, in Freundschaft zugethan. Auf [2819] seine Veranlassung erhielt Theophrastos in der Nähe des Lykeion ein ländliches Grundstück (κῆπος) als Eigentum zugewiesen, welches dann in der Art der Akademie mit einem Musenheiligtum und schattigen Säulengängen ausgestattet wurde (Diog. Laert. V 39. 51; vgl. dazu v. Wilamowitz a. O. 269ff.). Hier bei Theophrastos lernte D. den späteren Komiker Menandros und den Redner Deinarchos kennen, mit denen er sich auf das engste befreundete (vgl. Diog. Laert. V 79 ∼ Dion. Hal. de Dinarcho 2 und [Plut.] vit. X orat. X 2). Als Politiker trat D. (vgl. o.) zum erstenmal 324 v. Chr. auf. Natürlich hatte er als Peripatetiker eine starke Aversion gegen die Demokratie, in der Form, wie sie damals in Athen dominierte, und sah mit Bewunderung auf die kraftvoll emporblühende Monarchie der Makedonier. Demgemäss schloss er sich der Partei des Phokion an. Im J. 322 befand er sich mit diesem und dem Redner Demades unter den Gesandten, welche ins makedonische Hauptquartier abgeschickt wurden, um mit Antipatros wegen der Übergabe der Stadt zu verhandeln (vgl. Schäfer Demosth. III² 387). Wie dieser im J. 319 gestorben und die demokratische Partei in Athen wieder ans Ruder gelangt war, erhob sich eine erbitterte Verfolgung gegen die Anhänger des Phokion. Der greise Staatsmann fiel dem rasenden Pöbel zum Opfer, während es D. gelang, sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Mit einer grossen Anzahl Parteigenossen zog er sich nach dem Peiraieus zurück, welchen Nikanor, ein Anhänger des Kassandros, besetzt hielt. Als letzterer 318 persönlich vor Athen erschien, sah sich die demokratische Regierung der Stadt gezwungen, mit ihm einen Frieden abzuschliessen. Bei den Verhandlungen, die zwischen dem König und den Demokraten stattfanden, leistete D. dem Kassandros wichtige Dienste. Vor allen Dingen gelang es seiner diplomatischen Geschicklichkeit, eine Aussöhnung zwischen der Peiraieus- und der demokratischen Partei herbeizuführen. Und so erklärt es sich auch ganz einfach, wie gerade er zum Gouverneur von Athen ausersehen wurde (vgl. hierüber bes. Koehler zu CIA II 1, 584). Was den Modus seiner Bestellung betrifft, so wurde er – natürlich blos pro forma – von den Athenern gewählt und von Kassandros bestätigt (vgl. CIA II 1, 584 und Toepffer Beitr. z. gr. Altert.-Wissensch. 327). Als Gouverneur von Athen scheint er den officiellen Titel προστάτης oder ἐπιστάτης geführt zu haben (vgl. Köhler a. O. und Spangenberg De Athen, publ. instit. aet. Mac. comm., Halle 1884. 9ff.). Regelmässig scheint er die Strategie bekleidet zu haben (CIA II 3, 1217). Nach Droysen Gesch. d. Hellenism. II² 235 trat er sein Amt als Statthalter noch im November des J. 318 an. Richtiger wohl setzt Niese a. O. I 247 dies Ereignis in die erste Hälfte des J. 317. Feststeht nämlich nur, einerseits dass D. zehn Jahre lang als Prostat fungierte (Diod. XX 45. Diog. Laert. V 75. 80. Strab. IX 398), andererseits dass er im Frühjahr 307 gestürzt wurde (vgl. Niese a. O. 312). Freilich ist es möglich, dass die Zahl zehn nicht ganz genau ist. Auf Juli 317 oder Frühling 316 versuchte Unger Philol. N. F. II 88ff. den Regierungsantritt des D. herabzudrücken. Seine [2820] Ausführungen wurden widerlegt von De Sanctis Stud. di stor. antic. II (1893) 1ff. Im J. 309 war D. Archon eponymos (Diod. XX 27, 1). Als solcher veranstaltete er einen ganz besonders prächtigen Festaufzug an den grossen Dionysien (Näheres hierüber bei Pfuhl De Athen, pomp. sacr., Berlin 1900, 77, 25), bei welcher Gelegenheit ein von Kastorion zu Ehren des Dionysos gedichtetes Festlied vorgetragen wurde, in dem auch dem Phalereer hohes Lob gespendet ward (Duris frg. 27 = Athen. XII 542 e). Ein Decennium hindurch stand D. an der Spitze des athenischen Staatswesens. Er verstand es meisterlich, sich die Sympathien der Mehrheit der Athener zu erwerben, die ihrerseits mit Ehrungen des beliebten Regenten nicht geizten. Nach einer alten Legende, die sich in verschiedenen Brechungen erhalten hat, soll das dankbare Volk dem D. 360 bezw. 300 Ehrenstatuen errichtet haben (Sammlung der einschlägigen Stellen bei Wachsmuth Stadt Athen im Altert. I 611, 1). Beide Zahlen sind selbstredend hyperbolische Ausdrücke. Die Genesis der ersteren ist klar: 360 ist die abgerundete Summe der Tage des Jahres. Einem Fortspinnen in der symbolisierenden Richtung verdankt die weitere Nachricht bei Diog. Laert. V 75 ihre Entstehung, dass die 360 Statuen in einem Zeitraum von nicht ganz einem Jahre gesetzt worden seien. Dass übrigens D. nicht nur in Athen selbst, sondern auch ausserhalb desselben in Attika Bildsäulen erhielt, beweisen einige inschriftliche Funde (vgl. Wachsmuth a. O.). Später als D. gezwungen war, von seinem Posten zurückzutreten, soll das wankelmütige Volk alle ihm errichteten Statuen zertrümmert haben bis auf ein Standbild auf der Akropolis (Diog. Laert. V 77). Es liegt die Vermutung nahe, dass das Porträt, welches Varro in seinen Hebdomades von D. von Phaleron gab (vgl. Non. p. 528 M.) nach dieser Statue angefertigt war.
Die ersten fünf Jahre regierte D. von keiner Seite angefochten. Im Innern herrschte Ruhe, die keinerlei Störung von aussen her erfuhr. Ungünstiger gestalteten sich die Verhältnisse, als im J. 312 Ptolomaios, der Neffe und Feldherr des Antigonos, in Boiotien gelandet war und sich den attischen Grenzen näherte. Jetzt fing die antimakedonische Partei wieder an, rege zu werden; ihrem Drucke nachgebend schickte D. zu förmlichen Friedensverhandlungen mit Antigonos Gesandte nach Asien ab. Aus seiner bedenklichen Lage wurde er jedoch befreit durch den Friedensvertrag vom J. 311, der zwischen Antigonos und seinen Gegnern Kassandros, Lysimachos und Ptolomaios Lagu abgeschlossen wurde, und der u. a. die Bestimmung enthielt, dass Kassandros Strateg in Europa bleiben sollte, bis der junge Alexandros erwachsen sei (vgl. Niese a. O. I 303). Damit war die Position des Phalereers vorläufig wieder befestigt. Es folgten wieder ein paar Jahre der Ruhe, bis im Frühling des J. 307 die Katastrophe eintrat, als Demetrios Poliorketes, der Sohn des Antigonos, unvermutet mit einer starken Flotte vor Attika erschien, den Peiraieus forcierte und durch einen Herold proclamieren liess, dass er gekommen sei, Athen zu befreien und die alte Verfassung wiederherzustellen. D. von Phaleron hatte sich inzwischen nach Verlust des Hafens [2821] in die Stadt zurückgezogen. Allein auch diese war nicht mehr zu halten, da der Anhang seiner politischen Gegner stündlich wuchs. Schon am folgenden Tage beschloss der Demos, dass D. von Phaleron an der Spitze einer Gesandtschaft sich zu Demetrios Poliorketes begeben solle, um die Übergabe Athens zu vermitteln. Poliorketes empfing die Gesandten höchst liebenswürdig, versicherte den Phalereer seiner vollkommensten Hochachtung und versprach ihm, für seine persönliche Sicherheit Sorge tragen zu wollen. D. von Phaleron kannte seine Landsleute und wusste wohl, dass unter den veränderten Verhältnissen seines Bleibens in Athen nicht mehr sei. Unter sicherem Geleit verliess er die Stadt und wendete sich zunächst nach Theben (über die Katastrophe vgl. Plut. Dem. VIII 3–IX 2. Diod. XX 45). Hier fristete er in Armut und Niedrigkeit ein kümmerliches Dasein; hier lernte er auch den Kyniker Krates kennen, mit dem er sich bald befreundete (Plut. de adul. et am. 69 c). Als Kassandros 297 gestorben war, fühlte er sich in Theben nicht mehr sicher und begab sich – vielleicht auf Umwegen (vgl. Polyaen. III 13, 15) – nach Ägypten an den Hof des Ptolomaios Lagu (Diod. XX 45, 4. Hermippos bei Diog. Laert. V 78ff. Strab. VIII 398. Aelian. v. h. III 17). Hier wurde er freundlich aufgenommen, was bei den guten Beziehungen, die zwischen dem König und Kassandros, dem Gönner des D., bestanden hatten, und bei dem regen litterarischen Interesse des Ptolomaios nicht wundernehmen kann. Wenn man jedoch vielfach geneigt ist, auf Grund einiger antiker Zeugnisse (z. B. des Plut. de exil. 602 a) dem D. einen weitgehenden Einfluss auf die Entschliessungen des Königs zuzuschreiben, so bedarf diese Ansicht einer gewissen Einschränkung. Jedenfalls auf dem Gebiete der Politik folgte Ptolomaios nicht dem Rate des D., wie die Thatsachen beweisen. Weder machte er den Ptolomaios Keraunos zu seinem Nachfolger, wie ihm D. geraten, noch liess er sich durch letzteren davon abhalten, schon bei Lebzeiten dem Philadelphos die Zügel der Regierung zu übergeben (vgl. Niese a. O. I 389). Auf litterarischem Gebiet mochte der Einfiuss des D. grösser sein. Möglich, aber keineswegs sicher, ist die Vermutung, dass auf seinen Antrieb der Komiker Menandros und der Peripatetiker Straton einen ehrenvollen Ruf an den Hof des Ptolomaios erhielten (vgl. Susemihl a. O. I 143, 724. 254). Durchaus glaubhaft aber ist die Nachricht, dass D. an der Spitze der von Ptolomaios eingesetzten Gesetzgebungscommission gestanden (Aelian. v. h. III 17). In der That hätte der König für diesen Posten kaum eine qualificiertere Persönlichkeit finden können, als den Phalereer, der die Sache sowohl von ihrer theoretischen als von ihrer praktischen Seite gründlichst kannte. Gestützt wird jene Überlieferung auch durch den Umstand, dass sich unter den Schriften des D., deren Entstehung zum grössten Teil in die ägyptische Lebensperiode unseres Peripatetikers fällt, eine ganze Reihe Specialuntersuchungen über staatsrechtliche Fragen, wie sie namentlich den Gesetzgeber interessieren, befinden (vgl. unter III). Am Hofe selbst fehlte es dem D. nicht an Feinden. Unter diesen war der mächtigste Ptolomaios Philadelphos, der [2822] designierte Thronfolger, dessen höchste Ungnade sich D. durch die oben erwähnten Ratschläge zugezogen hatte. Solange der alte König lebte, wagte indessen Philadelphos nicht, seinen Gefühlen des Hasses offen Ausdruck zu geben. Kaum aber war jener gestorben, da wurde D. aus Alexandrien verwiesen und irgendwo auf dem Lande (ἐν τῇ χώρᾳ Hermippos bei Diog. Laert. V 78) in Gewahrsam gehalten. Dort soll er infolge des Bisses einer giftigen Schlange (ἀσρίς) gestorben sein. Nach Cicero pro Rab. Post. 23 soll diese Todesart von Philadelphos angeordnet worden sein, nach Hermippos hingegen (Diog. Laert. a. O.) war sie eine zufällige (zur Sache vgl. Susemihl a. O. I 139, 695). Bildliche Darstellungen des D. sind nicht auf uns gekommen. Die antiken Zeugen stimmen aber darin überein, dass er ein auffallend schöner Mann war (die Stellen bei Ostermann a. a. O. I 50, 1). Seine körperlichen Vorzüge suchte er noch durch allerhand Kunstmittel und durch ausgesuchte Eleganz zu heben (vgl. Duris FHG II 475 = Athen. XII 542 d und Aelian. v. h. IX 9, wo fälschlich statt von D. von Phaleron von D. Poliorketes die Rede ist). Über sein Privatleben liegen uns zwei wenig günstig lautende Urteile vor; das eine stammt von Duris (a. a. O.), das andere von Karystios (vgl. FHG IV 358). Beide Schriftsteller erzählen mit sichtlichem Behagen von der schier orientalischen Debauche des D., von seinen opulenten Diners und seinen zahllosen Liebschaften (über die letzteren berichten auch Favorin bei Diog. Laert. V 76. Didymos ebd. Diyllos FHG II 361). Sowohl Duris als Karystios haben vornehmlich die Zeit im Auge, wo D. Gouverneur von Athen war. Um ein objectives Urteil in der Sache zu gewinnen, muss man sich vor allem die Tendenz des Duris und des ihm offenbar congenialen Karystios klar machen. Die Schilderung des ersteren macht der an ihm genugsam bekannten Medisance alle Ehre. Wie wenig zuverlässig seine Angaben im einzelnen sind, lässt sich an einem Punkt besonders deutlich darthun. Unter anderem beschuldigt er den D., er habe von den reichen Einkünften der Stadt nur ganz wenig auf die Verwaltung derselben und auf die Haltung von Militär verwendet, das meiste auf Gastereien u. dgl. vergeudet. Eine grobe Unrichtigkeit enthält der Satz, dass D. nur wenig Militär gehalten; im directen Widerspruch hierzu berichtet nämlich der vortrefflich unterrichtete Gewährsmann des Diodor XX 45, 2 (Hieron. von Kardia), dass D. über eine grosse Truppenmacht verfügt habe. Hinsichtlich der Gastmähler und ähnlicher kostspieliger Veranstaltungen darf nicht vergessen werden, dass D. Staatsoberhaupt war und als solches gewisse repräsentative Pflichten hatte. Und bei der Beurteilung der angeblichen Liebesgeschichten des D. wird man gut thun, daran zu denken, welch üppiges Unkraut gerade auf diesem Gebiet die Phantasie gewisser alter Schriftsteller (z. B. Ps.-Aristippos περὶ παλαιᾶς τρυφῆς) hervorgebracht hat. Nach diesen Erwägungen wird man den Angaben des Duris, Karystios und der späteren Liebhaber der chronique scandaleuse recht skeptisch gegenüberstehen. Nach Abzug aller Übertreibungen bleibt vielleicht soviel bestehen, dass D. ein eleganter Lebemann war, der die Gaben der Aphrodite und des Dionysos [2823] gebührend zu schätzen wusste, ohne darum ein ruher Genussmensch oder sinnloser Verschwender zu sein.
Staatsmann
II. Demetrios von Phaleron als Staatsmann. Litteratur. Zu den unter I A genannten historischen Werken, in denen die staatsmännische Thätigkeit des D. gewürdigt war, kommt hinzu noch die Denkschrift des D. über seine zehnjährige Regierung Περὶ τῆς δεκαετίας (Näheres über dieselbe s. u. Abschn. III). Von neuerer Litteratur ist anzuführen: Niebuhr Vortr. über alte Gesch. III 97 ff. Grauert Hist.-philol. Anal. 310ff. Ostermann a. O. I 30ff. Grote Gesch. Griechenl. (deutsche Ausg.) VI² 639ff. Droysen Gesch. des Hellen. II² 2, 106ff. Wachsmuth Stadt Athen im Altertum I 610 (vgl. auch II 1, 390 Anm. 2). v. Wilamowitz Philol. Unters. IV 184ff.; Aristot. u. Athen I 362ff. Spangenberg De Athen, publ. inst, aet. Mac. comm. (Halle 1884) 8ff. Curtius Stadtgesch. von Athen 225ff. Busolt Griech. Staats- und Rechtsalt.² 189ff. Gilbert Griech. Staatsalt.² 177ff. Niese a. O. I 247ff. Holm Griech. Gesch. IV 76ff. Toepffer Beitr. z. gr. Alt.-Wiss. 327ff. Die nur einzelne Regierungsmassnahmen des D. berührenden Arbeiten sind im folgenden Text gehörigen Ortes angegeben. Wie im Altertum, so schwanken auch in der neueren Zeit die Urteile über die Staatsverwaltung des D. Wenig günstig äussern sich über dieselbe die Zeitgenossen des D., Duris (FHG II 475) und Demochares (FHG II 448). Aber beide können nicht als unparteiische Kritiker gelten; über Duris s. S. 2822. Demochares seinerseits war politischer Gegner des D.; der gehässige Ton seiner Darstellung zeigt hinreichend, dass er nicht sine ira et studio schreibt. Hohes Lob wird dem D. von Cicero, Aelian und anderen späteren Schriftstellern gespendet (vgl. Droysen a. a. O. 110, 3). Diese günstigen Beurteilungen scheinen stark beeinflusst zu sein durch die Darlegungen des D. in seinem Werke περὶ τῆς δεκαετίας. Bei den Neueren kommt D. meist zu gut weg, so bei Ostermann und Toepffer. Am wenigsten günstig urteilen über ihn Droysen, Grote und Holm. Um dem Manne gerecht zu werden, muss man sich vor allen Dingen seine politische Stellung klar machen. Das verabsäumen die, welche ihm seine Friedenspolitik nach aussen hin entweder zum Vorwurf oder zum Lobe anrechnen. D. war von Kassandros als Verweser der Stadt Athen eingesetzt worden; als solcher aber hatte er gar nicht die Befugnis, äussere Politik zu treiben. Hätte er sich auf dies Terrain begeben und begonnen, selbständige Politik zu treiben, so wäre er zweifelsohne unverzüglich durch Kassandros von dem Posten entfernt worden, auf den ihn das Vertrauen desselben gestellt hatte. In Erkenntnis dieser Verhältnisse verzichtete D. auf äussere Politik und beschränkte sich auf die innere Verwaltung. Hieraus folgt, dass die staatsmännischen Qualitäten des Phalereers nur nach seinen Leistungen auf dem Gebiete der Communalverwaltung zu bewerten sind. Dass er ein hervorragender Finanzmann war, giebt selbst sein politischer Widersacher Demochares (s. a. O.) zu; vgl. auch Diog. Laert. II 75. Wir wissen, dass unter der Verwaltung des D. die jährlichen Staatseinkünfte die stattliche Summe von 1200 Talenten betrugen (Duris bei Athen. XII 542 c: χιλίων καὶ [2824] διακοσίων ταλάντων κατ’ ἐνιαυτὸν κύριος γενόμενος = Ael. v. h. IX 9 Anf.; vgl. über diese Stelle Köhler Rh. Mus. LIII 492, 1). Diese Gelder wurden nicht, wie Duris a. O. flunkert, in unsinniger Weise vergeudet, sondern zu notwendigen Ausgaben (wie zur Besoldung der starken Söldnertruppe [Diod. XX 45] u. ähnl.) oder zu nützlichen Unternehmungen verwendet. Die Überschüsse wurden in der Staatscasse zurückbehalten. Dass sich unter D.s Prostasie ganz bedeutende Bestände in derselben ansammelten, lehren die Inschriften (vgl. Köhler Athen Mitt. V 280 [CIA II 317 u. Add.] und Rh. Mus. a. O. Toepffer a. O. 328ff.). Nach all diesem werden wir D. nicht nur als einen ausserordentlich fähigen, sondern auch als einen eminent gewissenhaften und vorsichtigen Finanzmann ansehen dürfen. Dabei war er aber weder pedantisch noch knauserig. Denn da, wo es das Ansehen der Stadt oder das Prestige seiner Regierung zu erfordern schien, scheute er vor grösseren Ausgaben nicht zurück. Für repräsentative Zwecke scheint er bedeutende Summen ausgegeben zu haben (vgl. S. 2822). Aber auch für die Verschönerung der Stadt hat er viel gethan. Man hat früher aus einer Stelle des Cicero (de off. II 60), wo erzählt wird, D. habe den Perikles getadelt, weil er so enorme Summen auf die Herstellung der Propylaeen verwendet habe, folgern zu müssen geglaubt, dass der Phalereer für bauliche Unternehmungen weder Geld noch Sinn besessen. Mit dieser Ansicht steht im Widerspruch das ausdrückliche Zeugnis des Favorinus (?) bei Diog. Laert. V 75, wonach D. κατασκευαῖς ηὔξησε τὴν πόλιν. Und dass der Gewährsmann des Diogenes Laertios recht hat, zeigen die bei den eleusinischen Ausgrabungen zum Vorschein gekommenen detaillierten Baurechnungen für die grosse Säulenhalle, die während der Verwaltung des D. von dem Architekten Philon vor dem Tempel der Demeter und Kore errichtet wurde (s. CIA II 834 e; vgl. dazu Larfeld Handb. d. gr. Epigr. II 1, 173). Aber auch die graphischen Künste protegierte D. So erhielt z. B. der Maler Protogenes einen Auftrag von ihm (vgl. Wachsmuth a. O. 610).
Verhältnismässig gut unterrichtet sind wir über die sog. Luxusgesetzgebung des D., die darauf abzielte, durch Eindämmung alles übertriebenen Aufwandes den allgemeinen Volkswohlstand zu kräftigen. Tiefeinschneidend war das Gesetz, welches sich gegen den Gräberluxus richtete. Soviel wir wissen, war Solon der erste, der demselben gewisse Schranken setzte. Aber sein hierauf bezügliches Gesetz war bald in Vergessenheit geraten. Es wurde zwar gelegentlich erneuert, aber um die Mitte des 5. Jhdts. v. Chr. war es schon wieder total eingeschlafen. Von dieser Zeit an bis gegen Ausgang des 4. Jhdts. erfreut sich der bildnerische Trieb an der Herstellung luxuriöser Grabdenkmäler im grossen Stil. Dem zum Teil unsinnigen Aufwand, der hier getrieben wurde, machte D. ein jähes Ende (vgl. Cic. de leg. II 64). Er beschränkte den Grabschmuck auf drei einfache Formen: die Rundsäule, den liegenden Grabstein und die Gefässform. Die Gynaikonomoi (vgl. u.) waren angewiesen, streng über die Innehaltung dieser Verordnung zu wachen. Es lässt sich nicht leugnen, dass das Gesetz, welches nebenher bis in die Römerzeit hinein seine volle Geltung behielt, [2825] vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet seine Berechtigung hatte; der Entwicklung der attischen Kunst hat es aber ungeheuer geschadet, insofern mit demselben der attischen Gräberplastik die Lebensader unterbunden wurde (vgl. Brückner Archäol. Anz. 1892, 23). In den Bereich der Luxusgesetzgebung fällt ferner die Bestimmung des D., dass nur bis zu 30 Personen an Hochzeiten, Gastmählern und sonstigen privaten Festivitäten teilnehmen durften (vgl. Spangenberg a. O. 12). Weiterhin schränkte er die Bestattungsfeierlichkeiten, die mit viel Pomp begangen zu werden pflegten, bedeutend ein und ordnete an, dass sie vor Tagesanbruch stattzufinden hätten (vgl. Spangenberg a. a. O. 13). Schliesslich gehört in den Rahmen der auf Hebung des Volkswohlstandes abzielenden Bestrebungen des D., wie das neuerdings richtig betont worden ist (vgl. Köhler Rh. Mus. LIII 492ff.), die Umgestaltung der alten Choregie zur Choregie des Demos verbunden mit der Agonothesie. Dass diese Reform der Choregie auf D. zurückzuführen ist, hat Köhler Athen. Mitt. III 240 mit Hülfe der Steine schlagend erwiesen. Und zwar fällt dieselbe aller Wahrscheinlichkeit nach in das J. 309, wo D. Archon war und mit grosser Glanzentfaltung die Dionysien feierte (Duris FHG II 475). Näheres über die Einrichtung der Agonothesie und Choregie des Demos im Art. Agonothetes Bd. I S. 874ff. und besonders bei Holm a. O. IV 77. Hier braucht nur die Intention, die D. bei seiner Reform leitete, in Kürze hervorgehoben zu werden. Der Hauptunterschied zwischen der alten Choregie und der von D. geschaffenen Einrichtung bestand darin, dass bei jener einzelne (später Consortien) vermögender Bürger für die Ausstattung der dionysischen Agone zu sorgen hatten; bei der neuen Einrichtung hingegen übernahm der Demos selbst die Kostendeckung und ernannte einen besonderen Beamten (Ἀγωνοθέτης), der die Agone vorzubereiten und zu leiten hatte. Über die gesetzgeberische Idee dieser Bestimmung hatte sich D. in seiner Schrift περὶ τῆς δεκαετίας verbreitet (vgl. Plut. bellone an pac. clar. f. Athen. 349 b; dass der hier genannte D. der Phalereer sei, hat zuerst erkannt Wyttenbach in seinem Commentar zu Plut. mor., nicht Toepffer, wie Köhler Rh. Mus. LIII 492 meint). Seine Absicht war, die bedeutende pecuniäre Last, welche die Choregie mit sich brachte, auf eine grössere Menge zu verteilen und so der allzu starken Inanspruchnahme einzelner Vermögen vorzubeugen. Übrigens hat D. auch die Rhapsodenwettkämpfe an den Panathenaeen umgestaltet (Athen. XIV 620 b τοὺς δὲ νῦν Ὁμηριστὰς ὀνομαζομένους πρῶτος εἰς τὰ θέατρα παρήγαγε Δημήτριος ὁ Φαληρεύς [Eustath. Il. p. 1479]. Vgl. hierzu Susemihl Alex. Litt. I 137, 68). Wenn Ostermann a. O. I 43 recht hat. so hängt auch diese Änderung mit der Luxusgesetzgebung zusammen.
Von den übrigen organisatorischen Massnahmen des D. ist am bemerkenswertesten die Einsetzung zweier neuer Behörden: der Νομοφύλακες und der der Γυναικονόμοι. Obwohl nirgends ausdrücklich überliefert wird, dass D. die beiden Behörden geschaffen habe, so weist doch alles darauf hin, dass sie ihm ihren Ursprung verdanken. Bezüglich der Nomophylakes vgl. Boeckh Kl. [2826] Schrift. V 424ff. Strenge Quaest. Philoch. (Gött. 1868) 5ff. Starker De nomoph. Athen. (Breslau 1880). Bernays Phokion 136ff. Meier-Schömann-Lipsius Att. Proc. I 81ff. Spangenberg a. O. 13ff. Wie der Name besagt, hatten die Gesetzeswächter auf die pünktliche Befolgung der Gesetze zu achten. Speciell hatten sie darauf zu sehen, dass die Beamten gesetzmässig verfuhren, und in der Ekklesie die Abstimmung zu inhibieren, wenn ein schädlicher oder gesetzwidriger Beschluss gefasst werden sollte. Ein Collegium mit polizeilichen Competenzen waren die Gynaikonomoi. Über dieselben vgl. Boeckh a. O. 421ff. Philippi Areop. u. Eph. 308. Meier-Schömann-Lipsius a. O. I 108ff. Spangenberg a. O. 11ff. Im Gegensatz zu den eben genannten Forschern vertritt Stojentin De Poll. Athen, ant. (Breslau 1875) 5ff., dem Wachsmuth Stadt Athen II 1, 390, 2 beipflichtet, die Ansicht, dass die Gynaikonomoi schon vor D. in Athen bestanden haben. Meines Erachtens sind die von Stojentin vorgebrachten Gründe nicht stichhaltig und genügend widerlegt worden durch R. Schoell Jen. Lit.-Zeitg. 1876 nr. 38 und Lipsius a. O. I 109, 204. Der Amtskreis der Gynaikonomoi war erheblich umfangreicher, als ihr Name ahnen lässt, insofern sie eine Sittenpolizei im weitesten Sinne des Wortes waren. Sie hatten nicht nur über die Sittsamkeit der Frauen zu wachen, sondern auch vor allem darauf zu achten, dass die Luxusgesetze genau beobachtet wurden. Wenn der Komiker Menandros bei Athen. VI 245 b c sagt, dass die Gynaikonomoi zur besseren Controlle des Publicums sich gelegentlich der Hülfe der Garköche bedienten, so ist das ein fauler Komikerwitz, aus dem nicht etwa geschlossen werden darf, dass unter D.s Prostasie ein weitverzweigtes Spionagewesen Platz gegriffen hätte. Weiterhin wird berichtet, dass D. die Zahl der Richter im Eisangelieverfahren von 1000 auf 1500 erhöhte (Näheres hierüber bei Spangenberg a. O. 17f.). Ausserdem hat man noch eine ganze Reihe von Veränderungen im attischen Verwaltungs- und Gerichtswesen vermutungsweise auf D. zurückgeführt. So glaubte man, dass die Umwandlung des athenischen Ephebeninstituts in eine staatliche Erziehungsanstalt in die Verwaltungsperiode des Phalereers falle (s. v. Wilamowitz Philol. Unters. IV 184. Toepffer a. a. O. 330. Niese a. O. 248). Allein diese Annahme lässt sich angesichts des XLII. Cap. der aristotelischen Ἀθ. πολ. nicht mehr aufrecht erhalten. Aus demselben ersieht man, dass die Verstaatlichung der Ephebie bereits vor 322 vollzogen war (vgl. Holm a. O. IV 77). Ferner hatte Bergk (Ztschr. f. d. Alt.-Wiss. 1849, 207 = Kl. Schr. II 614, 2), ausgehend von Lex. Cant. s. μὴ οὖσα δίκη], zu erweisen gesucht, dass das Gesetz, welches die Privatprocesse zunächst vor die Diaiteten zu bringen gebot, von D. erlassen worden sei. Mit guten Gründen trat der ganz willkürlichen Interpretation Bergks entgegen Lipsius Att. Proc. II 1009ff., welcher an der Hand des von Bergk missverstandenen und übel vexierten Artikels des Lex. Cant. den Nachweis führte, dass jenes Gesetz lange Zeit vor D. in Wirksamkeit gewesen sein müsse. Zudritt muss noch das Experiment Ungers (Jahrb. f. Philol. CXXXV 755ff., vgl. dazu Zeller [2827] Arch. f. Philos. II 298ff.) erwähnt werden, das unter D. Poliorketes erlassene, berüchtigte Gesetz des Sophokles, welches die athenischen Philosophenschulen einer staatlichen Controllo unterstellte (s. Sauppe Or. Att. II 341), in die Regierungszeit des D. von Phaleron hinaufzurücken. Indessen es ist schlechterdings unmöglich, sich den letzteren als Protector jenes Machwerkes vorzustellen. Und mit Recht bemerkt Susemihl (Alex. Litt. I 553, 168), dass die Ausführungen Ungers schon vor ihrer Publication widerlegt gewesen seien durch die treffliche Behandlung des Gegenstandes bei v. Wilamowitz Philol. Unters. IV 194ff.
Schliesslich muss noch, um die Aufzählung der Einzelheiten, die uns von der Communalverwaltung des D. bekannt sind, vollständig zu machen, der von ihm veranstalteten Volkszählung (ἐξετασμὸς τῶν κατοικούντων τὴν Ἀττικήν) gedacht werden. Es ist das erste Beispiel einer solchen im classischen Altertum. Alles, was wir von derselben wissen, geht auf Ktesikles bei Athen. VI 272 c (FHG IV 375) zurück, einen Historiker, welcher, wie frg. 2 M. lehrt, frühestens am Ausgang des dritten vorchristlichen Jahrhunderts gelebt haben kann. Die Volkszählung des D. umfasste alle Classen der Bevölkerung, Bürger, Schutzverwandte und Sclaven; doch beschränkte man sich darauf, die Zahl der erwachsenen Männer festzustellen. Weiter darf wohl mit Sicherheit angenommen werden, dass die rechtlich zugehörige und nicht blos die factisch anwesende Bevölkerung aufgenommen wurde. Die Zählung soll ergeben haben: 21 000 Bürger, 10 000 Metoeken, 400 000 Sclaven (die letzte Zahl wohl sicher falsch). In welchem Jahre die Volkszählung des D. stattgefunden, lässt sich nicht ausmachen, da das Datum bei Athen, a. a. O. verstümmelt ist. Schweighäuser hat sie in die 115. Ol. verlegen wollen, Casaubonus in die 116., St. Croix, dem Beloch sich anschliesst, in die 117., Scaliger endlich in die 118. Für die Festsetzung der Zählung auf Ol. 117 macht man geltend, dass D. Ol. 117, 4 (= 309) Archon war – natürlich taugt dies Argument nichts. Zur Sache vgl. Ostermann a. O. I 32ff. Boeckh Staatshaush. d. Ath. I³ 47ff. Büchsenschütz Bes. u. Erw. im gr. Alt. 141ff. Spangenberg a. O. 21ff. und besonders Beloch Bevölk. d. gr.-röm. Welt 4ff. und 57ff.
Die legislatorische Thätigkeit des D. lässt sich nur dann völlig begreifen, wenn man sie von dem Gesichtspunkt der Abhängigkeit von den politischen Theorien des Aristoteles betrachtet. Das Ideal, welches dem Phalereer bei seiner Organisation des athenischen Gemeinwesens vorschwebte, war nichts anderes als die aristotelische πολιτεία par excellence, jene Staatsform, die sich als eine Krasis von Oligarchie und Demokratie darstellt, in der weder die Reichen noch die Unvermögenden den Ausschlag geben, sondern der bürgerliche Mittelstand (vgl. Arist. Pol. IV 8 p. 1293 b 33). Das war nach seinem Dafürhalten das beste unter den gegebenen Verhältnissen erreichbare Staatswesen. Durch Einführung eines verhältnismässig niedrigen Census (1000 Drachmen, Diod. XVIII 74, vgl. Bergk Kl. Schrift. II 588ff.), der zum activen Bürgerrecht berechtigte, erreichte D., dass der bürgerliche Mittelstand die entscheidende Majorität im Staate bildete. Diesen Mittelstand galt [2828] es nun kräftig und gesund zu erhalten, wenn anders die πολιτεία Bestand haben sollte. D. hoffte dies Ziel durch seine Luxusgesetzgebung zu erreichen, welche die Bürger zur Sparsamkeit erziehen und der durch unnützen Aufwand veranlassten Verarmung der Bevölkerung entgegenarbeiten sollte. Ausser den Grundlinien seiner Verfassung entlehnte aber D. noch manche Einzelheit der Staatslehre des Aristoteles. Eine freie Nachbildung der aristotelischen Nomophylakes (s. Pol. IV 11, 9. 12, 8. VI 5, 13) ist die gleichnamige Behörde, die D. ins Leben rief. Ähnlich steht es mit den Gynaikonomoi (s. Pol. IV 12, 9. VI 5, 13). Selbst die Volkszählung des D. scheint durch die Erörterungen über die richtige Bürgerzahl (Pol. IV 4) angeregt zu sein. – Wenn ,einige Schriftsteller‘ (vgl. Unger Jahrb. f. Philol. CXXXV 758) bei Strab. VIII 398 die Behauptung aufstellen, Δημήτριος οὐ μόνον οὐ κατέλυσε τὴν δημοκρατίαν ἀλλὰ καὶ ἐπηνώρθωσεν, so ist dies Urteil wohl das Resultat einer Vergleichung der Verfassung des D. mit der unter Antipatros herrschenden Staatsform. Von einer Retablierung der alten Demokratie durch D. kann nach dem oben Gesagten natürlich nicht die Rede sein. Ganz im Gegensatz zu den Gewährsmännern des Strabon charakterisiert Plut. Dem. Pol. 10 die Herrschaft des D. als λόγῳ μὲν ὀλιγαρχική, ἔργῳ δὲ μοναρχική. An diesem Ausspruch ist soviel zutreffend, als D. in seiner Eigenschaft als Prostat thatsächlich über der von ihm eingerichteten Politeia stand und als solcher die Macht hatte, jederzeit über die Schranken der Verfassung hinweg seinen persönlichen Willen zur Geltung zu bringen. Nach diesen Darlegungen wird es möglich sein, ein sicheres Urteil über die staatsmännischen Fähigkeiten des D. abzugeben. Ein genialer Politiker war D. sicherlich nicht; dazu fehlte es ihm an schöpferischer Kraft. Er begnügte sich im wesentlichen damit, die politischen Theorien des Peripatos in Praxis umzusetzen. Aber auch dieser Aufgabe war er nicht ganz gewachsen. Denn wenn auch eine grosse Anzahl seiner Reformen von hoher praktischer Brauchbarkeit war, so waren andere hinwiederum die Äusserung eines ganz merkwürdigen Doctrinarismus (das gilt z. B. von einigen der Luxusgesetze; vgl. übrigens v. Wilamowitz Arist. und Athen I 362). Hervorragend tüchtig war D. nur als Finanzmann. Aber ehrliches Streben, die in jeder Beziehung verrotteten Zustände in Athen zu bessern, wird man ihm nicht absprechen dürfen. Seine Verwaltung war trotz mancher Missgriffe segensreich für die Stadt.
Schriftsteller
III. Demetrios Bedeutung für die Litteratur. D. war als Schriftsteller von einer ausserordentlichen Productivität (Diog. Laert. V 80. Suid.). Es ist eigentlich selbstverständlich, wird aber zum Überfluss auch noch direct bezeugt (Cic. de fin. V 19), dass die Periode seines rüstigsten litterarischen Schaffens in die Zeit seines Aufenthaltes in Ägypten fiel. Von seinen zahlreichen Schriften sind nur kümmerliche Reste auf uns gekommen. Ein wohl sicher auf Hermippos von Smyrna zurückgehendes Schriftenverzeichnis bietet Diog. Laert. V 80ff. Dasselbe zeigt Spuren starker Zerrüttung (einzelne Werke, z. B. περὶ νόμων, werden zweimal erwähnt: andrerseits fehlt manches: z. B. die ἀρχόντων ἀναγραφή, die doch [2829] Laertios selbst an zwei Stellen [I 1 und II 3] citiert). Die starke Schadhaftigkeit des Index zeigt sich übrigens auch in der planlosen Anordnung der Schriften. Wir besitzen zwei Vollständigkeit erstrebende Fragmentsammlungen des D.:Herwig Über Dem. Phal. Schrift. (Progr. Rinteln 1850) und Ostermann De Dem. Phal. vit. reb. g. et script. rell. II (Progr. Fulda 1857) 19ff. (sehr sorgfältig hergestellte und nahezu vollständige Sylloge; man vermisst das Fragment des D. bei Plut. bellone etc. 349 b, einige Citate aus D. in Philodemos Rhet. [vgl. III a] u. e. a.; wir führen die Bruchstücke des D. mit den Ostermannschen Nummern an). Die Fragmente der Reden des D. publicierte ausserdem Sauppe Orat. Att. II 344 (manches Ungehörige hier aufgeführt), die der historischen Werke Müller FHG II 362ff.
a) Die Reden und rhetorischen Schriften des D. Litteratur: Westermann Gesch. d. Bereds. I 159ff. Herwig a. O. 1ff. Ostermann a. O. II 15ff. Blass Griech. Bereds. 16ff.Norden Ant. Kunstpr. I 127ff. Da die erhaltenen Bruchstücke der Reden des D. zu dürftig sind, um die oratorische Eigenart des Mannes erkennen zu lassen, so sind wir ganz auf die Urteile der alten Kunstrichter angewiesen. Am wertvollsten und reichlichsten sind die Angaben des Cicero. Ihm lagen noch die Reden des D. vor und er las sie mit Vergnügen. Auf sein Urteil darf man sich verlassen, da er ja hier als Fachmann redet. Dasselbe gilt von Quintilianus. Merkwürdigerweise schweigen sich die griechischen Techniker völlig über D. aus. – Auf die Periode der grossen attischen Redner war eine Zeit der Décadence gefolgt. An die Stelle der kräftigen, herben Rede, die packte und zündete, war die weiche und süssliche getreten, die darauf ausging, zu ergötzen. Als hervorragendsten Vertreter dieses Genres bezeichnet Cicero (de orat. II 95) D. von Phaleron. Nach einer anderen Stelle (Brut. 36; vgl. Quint. X 1, 80) soll er sogar die neue Art der Beredsamkeit inauguriert haben. Ziemlich scharf charakterisiert Cicero die Eloquenz des D. orat. 92ff. Hier weist er sie dem μέσον γένος zu, welches mit Bewusstsein an die von den Sophisten cultivierte Axt anknüpfe und dessen charakteristisches Merkmal der reiche, erlesene Schmuck der Rede sei. Speciell an D. wird hervorgehoben, dass er sich gern der Metaphern und der übrigen Tropen bediente, auch verschmähte er nicht die Redefiguren und was sonst geeignet war, der Rede Eleganz und Grazie zu verleihen. Hiermit stimmt Quint. X 1, 33 überein, der den Stil der Reden des D. mit einem blumenreichen, buntgestickten Hetaerengewand vergleicht (Norden a. O. 128). Cicero (Brut. 285) rühmt den Reden des D. nach, dass sie echt attische χάρις atmen, und Quint. X 1, 80 steht nicht an, D. den letzten attischen Redner zu nennen. Es ist interessant zu sehen, wie sich in der Beredsamkeit des D. die ganze Eigenart seiner Persönlichkeit widerspiegelt. Dem Streben nach Eleganz in der äusseren Erscheinung, das weder Schminktopf noch Parfüm verschmähte (vgl. S. 2822), entspricht aufs höchste die scharfe Accentuierung des Anmutigen und Wohlgefälligen in der Rede, das ängstliche Vermeiden alles Schroffen, Rauhen, Passionierten. Das Genre des Demosthenes tadelte er (Plut. Dem. 11. Philod. Rhet. I 197, 24 Sudh.). Bei Diog. Laert. V [2830] 80 wird eine Sammlung von Volks- und Gesandtschaftsreden des D. erwähnt (δημηγοριῶν τε καὶ πρεσβειῶν συναγωγή: für πρεσβειῶν dürfte wohl πρεσβευτικῶν zu schreiben sein). Ausserdem wird § 81 ein πρεσβευτικός ᾶ angeführt. Zu diesem Adjectiv kann kaum etwas anderes als λόγος ergänzt werden und bedeutet πρεσβευτικὸς λόγος ,Gesandtschaftsrede‘. Offenbar haben wir es hier mit einer Nummer der grossen Redencollection zu thun. Neben diesen Reden müssen aber auch noch Gerichtsreden des D. im Altertum vorhanden gewesen sein. Jedenfalls bezieht sich auf solche, was der Anon. Seg. in seiner Τέχνη ῥητορική über die διήγησις in den Reden des D. anmerkt (vgl. Spengel Rhet. Gr. I 442, 22ff). Nur zwei nichtssagende Bruchstücke aus – wie es scheint – wirklich gehaltenen Reden des Phalereers sind erhalten (und dazu noch blos in lateinischer Übersetzung) bei Rut. Lup. I 1 p. 4, 7 H. u. II 16 p. 20, 6 H. (vgl. dazu Susemihl Alex. Litt. II 501). Dagegen sind die bei Dem. π. ἑρμ. 289 angeführten, bei Sauppe unter II rangierten Worte des D. kein Fragment einer Rede, sondern ein einfaches ἀπόφθεγμα.
Quint. II 4, 41 berichtet, dass zur Zeit des D. in Griechenland der Usus aufgekommen sei, fictas ad imitationem fori consiliorumque materias dicere. Doch bemerkt er ausdrücklich hierzu: an ab ipso id genus exercitationis sit inventum parum comperi. Sollte D. selbst wirklich – woran ich nicht glaube – derartige Schuldeclamationen verfasst haben, so hat sich auf alle Fälle nichts davon erhalten. Denn sicher keine solche Declamation war die Σωκράτους ἀπολογία (s. u. c), und das Stück Diatribe, das uns Stob. Flor. VIII 20 (III 345, 10ff. Hense) aufbewahrt hat, dürfte schwerlich vom Phalereer herrühren, wie Norden a. O. I 130 meint, sondern gehört dem Kyniker D. Nr. 91 zu, einem Zeitgenossen des Seneca, wie Ruhkopf (zu Senec. de Prov. III 3) und Hense (zu Stob. a. O.) richtig gesehen haben.
Ausser Reden hatten die Alten noch eine ganze Reihe rhetorischer Schriften von D. In dem hermippischen Verzeichnis (Diog. Laert. V 80 g. E.) wird ein Werk ,Über Rhetorik‘ in zwei Büchern (περὶ ῥητορικής ᾱ β) erwähnt. Dasselbe findet sich nur an zwei Stellen des Philodem mit vollem Titel angeführt (Rhet. I 272, 4 Sudh.: Δ. ὁ Φ. ἐν τοῖς περὶ τῆς ῥητορικής [hier nur der Titel erhalten] und I 346, 41. S. Δ. ὁ Φ. ἐν τῷ περὶ τῆς ῥητορικής [mit einer Äusserung des D. über den Architekten Philon]). Ob die übrigen bei Philodem vorhandenen Citate aus D., bei denen eine genauere Ursprungsangabe fehlt, aus περὶ ῥητορικής entnommen sind, ist zum Teil sehr fraglich. Wahrscheinlich ist es für I 222. 2ff. S., wo über das von D. introducierte γένος ἐντευκτικόν ἅπασιν gehandelt wird; sehr unwahrscheinlich dagegen für I 197, 24ff. S. (frg. XLVIII), wo über die Art des demosthenischen Vortrags abfällig geurteilt wird. Die letztere Stelle scheint vielmehr auf die Monographie des D. über Demosthenes zurückzugehen, die Dion. Hal. ἡ τῆς Δημ. λέξ. 53 (S. 244, 20ff. Us.-Rad.) erwähnt (Δ. τε ὁ Φ. φησι καὶ οἱ ἄλλοι πάντες οἱ τὸν βίον αὐτοῦ συγγραψάντες) und die Plutarch, wie ein Vergleich von Vit. Demosth. 11 (frg. XLVI) mit der eben angeführten Stelle aus Dionysios lehrt, in seiner Lebensbeschreibung [2831] des Demosthenes benützt hat. Nun ist es wohl mehr als blos wahrscheinlich, dass Plutarch alle in dieser Schrift eingelegten Citate aus D. aus dessen Monographie über Demosthenes entnommen hat. Unter jenen Citaten befindet sich aber ein solches (c. 11 = frg. XLVII), das fast wörtlich mit Philod. I 197, 24ff. S. übereinstimmt. Daher halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass Philodem an der letzteren Stelle aus D.s βίος Δημ. geschöpft hat. Wohin die übrigen rhetorischen Fragmente des D. (frg. XLIII über Platons Stil; XLIX über die Perioden des Isokrates; LII über Aischines [verstümmelt]; LIII über Isaios; wozu noch kommt das Bruchstück des D. bei Westermann Biogr. Gr. 258, 45 über Isokrates) gehören, ist nicht auszumachen. Zum Teil, soweit sie biographisches Material enthalten, stammen sie wohl aus βίοι, die D. über die betreffenden Redner geschrieben.
b) Die historischen und staatswissenschaftlichen Schriften des D. 1. Περὶ τῆς δεκαετίας ᾶ (Diog. Laert. V 31), Memoiren über seine zehnjährige Thätigkeit als Gouverneur von Athen. Vielleicht waren sie veranlasst durch Invectiven seiner politischen Gegner und fällt ihre Abfassung noch in die Zeit seines thebanischen Aufenthaltes (s. v. Scala Stud. des Polyb. I 153, 2). Ausdrücklich citiert wird die Schrift nirgends. Doch stammt sicher aus ihr eine Anzahl von Stellen, wo D. schlechthin ohne nähere Angabe des benützten Werkes angeführt wird: Cic. de offic. II 17 (D.s Urteil über Perikles); Plut. bellone an etc. 349 b (über die Nachteile der alten Choregie; vgl. Koehler Rh. Mus. LIII 489); schliesslich dürfte auch die Äusserung des D., die Demochares FHG II 448 bekämpft, in unserer Schrift gestanden haben. Hingegen ist bei Strab. VIII 398 eine Bezugnahme auf D.s Memoiren nicht anzunehmen (vgl. Unger Jahrb. f. Philol. CXXXV 758). 2. Ἀρχόντων ἀναγραφή (fehlt im Index des Hermippos; von Diog. Laert. I 1 und II 3 mit vollem Titel citiert). Sechs Bruchstücke daraus erhalten (frg. XVIII – XXIII), aus denen ersichtlich ist, dass D. neben der politischen Geschichte auch die Literaturgeschichte eingehend berücksichtigte. Benutzt wurde die ἀρχόντων ἀναγραφή von Apollodoros in seinen Χρονικά (vgl. Diels Rh. Mus. XXXI 29. 37). S. Wachsmuth Einl. in d. alt. Gesch. 130 und v. Gutschmid Kl. Schrift. IV 293. 3. Περὶ τῶν Ἰώνων ᾱ (Diog. Laert. V 81). 4. Προοίμιον ἱστορικόν ᾱ (Diog. Laert. V 81). Unsichere Vermutung über dasselbe bei Scala a. O. 157ff. 5. Περὶ τῆς Ἀθήνησι νομοθεσίας in fünf Büchern (Diog. Laert. V 80). Eine historisch-antiquarische Untersuchung über die Gesetzgebung Athens mit besonderer Rücksichtnahme auf das solonische Gesetzgebungswerk. Vollständig unbegründet ist die Annahme von Bernays Phokion 138 und Toepffer a. O. 330, dass D. in unserer Schrift eine Rechtfertigung seiner eigenen legislatorischen Thätigkeit gegeben. Weder aus dem Titel noch aus den erhaltenen Resten lässt sich dies entnehmen. Zu den sieben Fragmenten, die Ostermann der Schrift zuweist (frg. XXIV – XXX), kommt noch hinzu erstens frg. XXXII. das Ostermann, einer Vermutung Bergks folgend (Ztschr. f. d. Alt.-Wiss. 1849, 207 Anm. = Kl. Schr. II 614, 2) für ein Bruchstück der δεκαετία [2832] hielt; vgl. dagegen die treffenden Ausführungen von Lipsius Att. Proc. II 1010. Zweitens gehört noch in die athenische Nomothesie die Anführung aus D. bei Cic. de leg. II 64 (und Plut. Sol. 21: s. Leop. Schmidt Ethik d. Gr. I 114). Mit Recht bemerkt Lipsius a. O., dass D.s Nomothesie bei den Späteren als Autorität für die athenischen Staatseinrichtungen galt und fleissig benutzt wurde. Durch rationelle Analyse der einschlägigen Autoren wird man wohl noch manches für jenes Werk zurückgewinnen können. 6. Περὶ τῶν Ἀθήνησι πολιτειῶν ᾱ β (so herzustellen auf Grund der Lesart von L; πολιτῶν, was unpassend, scheinen zu haben BVD bei Diog. Laert. V 80). Über die Verfassungen, die bei den Athenern eingeführt gewesen. 7. Ἐκκλησία ἔνορκος ᾱ (Diog. Laert. V 81; Titel unsicher: ἐκκλησία ἔνορχος ᾱ LVD, ἐκκληένορχα B). 8. Ὑπὲρ τῆς πολιτείας ᾱ (Diog. Laert. V 81). Wahrscheinlich eine Empfehlung der aristotelischen πολιτεία κατ’ ἐξοχήν (vgl. S. 2827f.). 9. Περὶ πολιτικῶν ᾱ β (Diog. Laert. V 80). 10. Περὶ νόμων (zweimal aufgeführt Diog. Laert. V 80 u. 81 ; Ostermann a. O. II 35, 3 möchte für das zweite νόμων lesen ἀνόμων; allein auch der Ἀριστόμαχος findet sich in der massgebenden Überlieferung des Laertios zweimal vermerkt). 11. Περὶ δημαγωγίας ᾱ β (Diog. Laert. V 80). 12. Δίκαια ᾱ (Diog. Laert. V 81), Versuch einer Codificierung des Völkerrechtes in der Art der aristotelischen δικαιώματα τῶν πόλεων (Diog. Laert. V 26). Ein Fragment erhalten bei Polyb. XXXVI 2, 3 1 (= frg. XXXIX; von Ostermann fälschlich den στρατηγικά des D. zugewiesen, s. v. Scala a. O. 156). Von grossem Einfluss scheinen die δίκαια des D. auf die völkerrechtlichen Anschauungen des Polybios gewesen zu sein, vgl. v. Scala a. O. 158. 319ff. Ganz problematisch ist aber die von dem letzteren vorgenommene Vereinigung der Schriften προοίμιον ἱστορικόν, δίκαια, περὶ εἰρήνης, περὶ πολέμου (so schreibt er Diog. Laert. V 81 für das überlieferte δοκοῦ) und πρεσβευτικός zu einem grossen Werke, in dem D. alle Teile des Völkerrechts behandelt habe (s. v. Scala a. O. 156ff. und dagegen Susemihl a. O. I 187). 13. Περὶ εἰρήνης ᾱ(Diog. Laert. V 81). Vielleicht bezieht Ostermann a. O. II 35 mit Recht auf dies Werk den Satz des D. bei Plut. Lyk. 23 (= frg. XLI). 14. Στρατηγικά ᾱ β (Diog. Laert. V 80). Über die Pflichten oder Geschäfte des Feldherrn. Hieraus wohl Polyb. X 24 (= frg. XXXVIII) und exc. l. XXXVI 2 (= frg. XXXIX). Unsicher ist der Inhalt der 15. Ἀθηναίων καταδρομή ᾱ) (Diog. Laert. V 81). Die Aufschrift kann doch wohl nur bedeuten ,Tadel der Athener‘. Welcher Art derselbe war, steht dahin. Vielleicht war die Schrift ein politisches Pamphlet.
c) Die philosophischen Schriften des D. (Herwig a. O. 18ff. Ostermann a. O. II 21ff.) Als Dialoge dürfen mit ziemlicher Sicherheit angesprochen werden folgende acht im hermippischen Verzeichnis (Diog. Laert. V 81) aufgeführte Schriften (vgl. Hirzel Dialog I 318): 1. Πτολομαῖος ᾱ), ohne Zweifel nach Ptolemaios Lagu genannt (Sujet περὶ βασιλείας ?). 2. Φαιδώνδας ᾱ; darunter wird wohl der Thebaner dieses Namens, ein Schüler des Sokrates (vgl. Plat. Phaid. 59 c), zu verstehen sein (s. Ruhnken zu Xen. Mem. I 2, 48). [2833] 3. Μαίδων ᾱ; der Name ist offenbar corrupt. Herwig a. O. 18 will Μέδων herstellen; Hirzel a. O. 318, 1 bessert sehr schön Μίδων; so hiess nämlich auch ein ps.-platonischer Dialog (Diog. Laert. III 62) und waren Komoedien des Antiphanes und Alexis betitelt (Meineke Hist. crit. com. Gr. 401). 4. Κλέων ᾱ; benannt nach dem bei Diog. Laert. V 76 erwähnten Kleon? 5. Ἀρταξέρξης ᾱ; über seine Tendenz eine Vermutung bei Hirzel a. O. I 337, 2. 6. Ἀριστείδης ᾱ; oder über die Gerechtigkeit? 7. Ἀριστόμαχος ᾱ; der von Herwig a. O. 19 zuerst ausgesprochenen, von Ostermann a. O. II 21 und Hirzel a. O. I 318, 1 wiederholten Vermutung, nach welcher unser Aristomachos identisch sein soll mit dem von Diog. Laert. V 70 erwähnten Schüler des Lykon, stehen ernstliche chronologische Bedenken entgegen. Aristomachos wird im Testament des Lykon genannt; dieser starb ca. 226 v. Chr. Nehmen wir nun auch an, dass A. ein sehr alter Schüler des Lykon war, also etwa 50 Jahre zählte, als jener starb, so erhalten wir immerhin als Jahr seiner Geburt 276 ; mit anderen Worten eine Zeit, wo D. längst nicht mehr unter den Lebenden weilte (vgl. Abschn. I). 8. Διονύσιος ᾱ (ἡ περὶ τρυφῆς?). Bei den folgenden elf von Hermippos (Diog. Laert. V 81) angeführten Schriften ist es unentschieden, ob sie die dialogische Form hatten : 1. Προτρεπτικός ᾱ (vgl. Hartlieb Leipz. Stud. XI 326 und Hirzel a. O. I 345). 2. Ἐρωτικός ᾱ (vgl. Hirzel a. O. 345, 1). 3. Περὶ γήρως ᾱ (vgl. Hirzel a. O. I 350). Zwei Bruchstücke daraus erhalten (frg. XVI und XVII). Aus denselben ist soviel ersichtlich, dass die Disputation des D. sehr pessimistisch gehalten war und er die Nachteile des Alters stark betonte. Über die Stellung der Schrift innerhalb der Litteratur über das Alter s. Hirzel a. O. I 331, 2ff. 4. Περὶ πίστεως ᾱ. 5. Περὶ χάριτος ᾱ. (vgl. Hirzel a. O. I 350). 6. Περὶ μεγαλοψυχίας ᾱ. 7. Περὶ γάμου ᾱ. (vgl. Hirzel a. O. I 350 und Schmidt Ethik der Gr. II 188). 8. Περὶ τοῦ δόκου ᾱ; dieser Titel ist wohl verderbt. Lucas Holstein wollte bessern περὶ τοῦ τόκου; sehr unwahrscheinlich ist die Conjectur v. Scalas Stud. des Polyb. I 156, nach welcher δόκου aus πολέμου verderbt wäre. 9. Περὶ καιροῦ ᾱ. 10. Περὶ ἐπιτηδευμάτων ᾱ; de variis hominum studiis‘. 11. Περὶ τύχης ᾱ (vgl. Hirzel a. O. I 350). Daraus ein längeres Fragment erhalten, das über den Umschwung in den Verhältnissen der Perser und Makedonier handelt (Polvb. XXIX 21 und Diod. XXXI 10 = frg. XIV). Wahrscheinlich stammt aus unserer Schrift auch der Ausspruch des D. bei Plut. cons. ad Apollon. 394 (= frg. XIII) und Diog. Laert. V 82 (= frg. XII). Näheres über die Sache bei L. Schmidt Ethik d. Gr. II 68. Rohde Gr. Rom.² 299ff. Roesiger Die Bed. d. Tyche bei d. spät. gr. Hist., besonders bei D. von Phaleron (Progr. Konstanz 1880). Schenkl Bursians Jahresbericht XXXVIII 229ff. v. Scala a. O. I 159ff. Norden Rh. Mus. XLVIII 541. Susemihl Alex. Litt. I 592. 12. Χαλκιδικός ᾱ (vgl. Hirzel a. O. 311, 2).
Mitten unter den Dialogen des D. steht im hermippischen Katalog (Diog. Laert. V 81) der Σωκράτης ᾱ]; ä. Die Schrift wird unter diesem Titel zweimal bei Plutarch citiert (frg. III u. V). Mit ihr identificiert man wohl mit Recht die von Diog. [2834] Laert. dreimal angezogene Σωκράτους ἀπολογία (IX 15. 37. 57). Aus diesem Titel kann man zunächst die Tendenz der Schrift entnehmen. Weiter aber folgt aus ihm, dass der Σωκράτης nicht zu den Dialogen gehört (was übrigens auch aus dem Charakter der sechs vorhandenen Fragmente geschlossen werden müsste). Man könnte nun denken, dass man es mit einer Declamation zu thun habe (so Susemihl a. O. I 139ff.). Dem widerspricht aber auf das entschiedenste der ganze Ton der Darstellung, von dem wir aus frg. III u. V eine vorzügliche Vorstellung gewinnen, und nicht weniger die Fülle des Inhalts. Wie wir aus frg. II ersehen, handelte D. von den Unbilligkeiten, welche die Philosophen von den Athenern erfahren. Ferner hatte D. zu zeigen gesucht, dass sowohl der berühmte Aristeides als auch Sokrates nicht arm gewesen seien (frg. III u. IV). Für Aristeides hatte er sich auf folgende drei Thatsachen berufen: auf seine Verwaltung des Archontats, seine Verbannung durch den Ostrakismos und auf Weihgeschenke, die er wegen seines Sieges in der Choregie aufgestellt und mit der Inschrift versehen hatte: Ἀντιοχὶς ἐνίκα • Ἀριστείδης ἐχορήγει • Ἀρχέστρατος ἐδίδασκεν. Gegen das letzte Argument erhob Panaitios in seiner Schrift über Sokrates Einspruch, der den Nachweis führte, dass die mit dem Namen Aristeides versehenen Weihgeschenke nicht vom Sohne des Lysimachos, sondern von einem anderen Träger jenes Namens herrührten (vgl. Schmekel Philos. der mittl. Stoa 231ff.). Weiter hatte D. in seinem Sokrates erzählt, dass dieser mit der Nichte des Aristeides Myrto in Bigamie gelebt habe (Plut. Arist. 27. Athen. XIII 556 a und Schol. Arist. Ran. 1539). Auch gegen diese Angabe polemisierte Panaitios, der auch hier das Missverständnis aus der Verwechslung von Namensvettern herzuleiten suchte (vgl. Schol. Arist. a. O. und Schmekel a. O. 232). Frg. I handelt über Demokritos; Diog. Laert. IX 15 (fehlt bei Ostermann) zeigt, dass D. in seinem Sokrates auch auf Herakleitos zu sprechen kam. Offenbar war die Apol. Socr. des D. eine breitangelegte, von gelehrten, aber meist verkehrten Parekbasen wimmelnde Verteidigungsschrift des grossen Philosophen.
Ein umfangreicheres Werk war die Schrift περὶ ὀνείγων in fünf Büchern. Im hermippischen Verzeichnis fehlt sie; wir haben Kunde von ihr nur durch Artemidor. Oneir. II 44, wo es heisst: ὀνείρους ἀποβεβηκότας καὶ τὰς ἀποβάσεις αὐτῶν οὐκ ἐνεδέχετο γράφειν ἐν τέχνῃ ὀνειροκριτικῇ οὐδέ μοι πιθανὰ ἐδόκει ταῦτα καίτοι Γεμινοῦ τοῦ Τυρίου καὶ Δημητρίου τοῦ Φαληρέως καὶ Ἀρτέμωνος τοῦ Μιλησίου τοῦ μὲν ἐν τρισὶ βιβλίοις, τοῦ δὲ ἐν πέντε, τοῦ δὲ ἐν εἰκοσιδύο πολλοὺς ὀνείρους ἀναγραψαμένων καὶ μάλιστα συνταγὰς καὶ θεραπείας τὰς ἀπὸ Σαράπιδος δοθείσας. Dass die letztere Aussage wohl in erster Linie auf D.s Werk geht, ist aus Diog. Laert. V 76 ersichtlich: λέγεται δὲ ἀποβαλόντα αὐτὸν (sc. Δημ.) τὰς ὄψεις ἐν Ἀλεξανδρείᾳ κομίσασθαι αὖθις παρὰ τοῦ Σαράπιδος, ὅθεν καὶ τοὺς παιᾶνας ποιήσαι τοὺς μέχρι νῦν ᾀδομένους. D.s Buch über die Träume war demnach nicht sowohl eine Theorie der Traumdeutung als vielmehr eine Apologie der Oneirokritik, deren Berechtigung durch eine Masse in Erfüllung gegangener Träume dargethan wurde. Mit Susemihl [2835] a. O. I 875 hier eine Fälschung zu wittern, liegt absolut kein Grund vor. Vgl. übrigens Büchsenschütz Traum und Traumdeutung im Altert. (Berlin 1868) 48 und Reinhardt Comm. phil. Jen. V 132.
d) Litterarhistorisch-philologische Schriften des D. (vgl. Herwig a. O. 25ff. und Ostermann a. O. II 40ff.). Von seiner Beschäftigung mit Homer legen drei Werke Zeugnis ab (vgl. Sengebusch Hom. diss. I 89ff.): 1. Περὶ Ἰλιάδος in zwei Büchern (Diog Laert. V 81). Drei sichere Fragmente. Frg. LXIII lehrt, dass D. auch Textkritik trieb; er athetiert Il. II 409 als abgeschmackt und unpassend. Frg. LXV und LXVI sind exegetischer Natur. 2. Περὶ Ὀδυσσείας in vier Büchern (Diog. Laert. V 81). Zwei exegetische Bruchstücke: frg. LXVII und LXVIII An einer Reihe von Stellen der Scholiasten zu Homer, wo D. citiert wird (vgl. Ostermann a. O. II 40f.), ist es zweifelhaft, ob der Phalereer gemeint ist oder D. Ixion (s. Nr. 101). 3. Ὁμηρικός in einem Buch (Diog. Laert, V 81). Nichts daraus erhalten. Die homerischen Forschungen des D., die übrigens reich waren an Fabeleien der leichtfertigsten Art, waren stark benützt von dem Urheber des peripatetischen Corpus, das Dioskorides in seinem Buche περὶ τῶν παρ’ Ὁμήρῳ νόμων ausschrieb; vgl. Weber Leipz. Stud. XI 146ff. Eine Biographie des Antiphanes war wohl die Schrift περὶ Ἀντιφάνους in einem Buch (Diog. Laert. V 81), von der sich nichts als der Titel gerettet hat; s. Meineke Hist. crit. com. Gr. 308. Ferner hatte man von D. zwei gelehrte Sammelwerke: 1. eine Collection aesopischer Fabeln (λόγων Αἰσωπείων συναγωγή, Diog. Laert. V 80 und Αἰσωπείων ᾱ, ebd. V 81), von der wir aber nichts Näheres wissen. Nicht unwahrscheinlich ist jedoch die Vermutung Kellers (Jahrb. f. Philol. Suppl. IV 384), dass sie vom rein praktischen rhetorischen Gesichtspunkt aus unternommen und prosaisch abgefasst war. Dagegen ist die von Korais zuerst ausgesprochene, von Schneidewin, Wagener und Keller (vgl. a. O. 385) gebilligte Hypothese, dass Babrios als Hauptgrundlage seiner Gedichte eben die Synagoge des D. gebraucht habe, hinreichend widerlegt worden durch Crusius De Babrii aetate, Leipz. Stud. II 225 u. Rh. Mus. XXXIX 605. Vgl. übrigens auch Bergk Kl. Schrift, II 550 und Schmidt Ethik d. Gr. I 38. Eine Sammelarbeit waren 2. die Χρεῖαι ‚nützliche Aussprüche‘ (Diog. Laert. V 81). Einen Teil derselben scheinen gebildet zu haben die von Stob. flor. III 79 Mein., I 172 p. 111 Hense erwähnten ἀποφθέγματα τῶν ἑπτὰ σοφῶν (Vgl. Brunco De dict. sept. sap. a Dem. Phal. coll., Acta sem. philol. Erlang. III 310ff.). Die Vermutung von Legrand und Tychon Mém. sur Dém. de Phal. 136. nach welcher die Χρεῖαι identisch wären mit den ἀποφθέγματα τῶν ἑπτὰ σοφῶν, findet schon dadurch ihre Widerlegung, dass die Sammlung der Sprüche der sieben Weisen bei weitem nicht dazu ausreichte, ein selbständiges Buch zu bilden (Brunco a. O. 302. 3). Der über die sieben Weisen handelnde Teil des Werkes wurde von den Späteren viel benutzt, und wir besitzen eine ganze Reihe Excerpte sowohl wie poetische und prosaische Bearbeitungen desselben. Von welch autoritativer Bedeutung unsere Schrift [2836] für das von ihr behandelte Gebiet war, ergiebt sich schlagend aus der einfachen Thatsache, dass, während vor D. die grösste Uneinigkeit über die zu den sieben Weisen zu rechnenden Männer herrschte, in der auf ihn folgenden Zeit sein Verzeichnis (Kleobulos, Solon, Cheilon, Thales, Pittakos, Bias, Periander) unbedingte Geltung hatte (s. Bohren De sept. sapt. [Diss. Bonn. 1867] 25ff.). Für die Reconstruction der Chrien des D. kommen folgende Auszüge bezw. Bearbeitungen in erster Linie in Betracht: 1. Stob. flor. I 172 p. 111–125 Hense. Dieser Passus trägt die Überschrift Δημητρίου Φαληρέως τῶν ἑπτὰ σοφῶν ἀποφθέγματα. Dass Stobaios nicht das Originalwerk des D. in Händen gehabt, ist selbstverständlich. Vielleicht ist Didymos, des Herakleides Sohn (vgl. o. S. 2817), hier Mittelsmann (vgl. M. Schmidt Did. Chalc. frg. 373. 379ff Brunco a. O. 307ff.); 2. die Χρεῖαι in den Lebensbeschreibungen der sieben Weisen bei Diog. Laert. I (vgl. Brunco a. O. 20ff. und Stanjek Quaest. de sent. VII sap. coli. I [Diss. Breslau 1891] 1). Auch Laertios hat natürlich nicht das Werk des D. direct benutzt. Vermutungen über den Vermittler (Apollodor. d. Epic.) bei Brunco a. O. 20; 3. die γνῶμαι τῶν ἑπτὰ σοφῶν, die Boissonade in den Anecd. Gr. I 135ff. aus dem Cod. Paris, gr. 1630 publiciert hat (vgl. Brunco a. O. 23ff. und Stanjek a. O. 1); 4. die aus 243 jambischen Trimetern bestehenden ἀποφθέγματα τῶν ἑπτὰ σοφῶν des Cod. Par. gr. 2720 (Copie davon Cod. Paris, gr. 1773), die zuerst Wölfflin in den S.-Ber. Akad. Münch. 1886, 287ff. veröffentlicht hat. Vgl. dazu Studemund Wochenschr. f. kl. Philol. 1886, 1584ff. Neue treffliche Bearbeitung der Sammlung durch Stanjek a. O. 18ff.; 5. die ἀποφθέγματα τῶν ἑπτὰ σοφῶν in der Wiener Apophthegmensammlung (vgl. Wachsmuth Festschr. z. Begrüssung d. 36. Philol.-Vers. [Freiburg 1882] 27ff. und Rh. Mus. XXXIX 468ff.). Über andere Sammlungen der Aussprüche der sieben Weisen, die zum Teil noch nicht publiciert sind, vgl. Brunco a. O. 299ff. Stanjek a. O. 2 und Sternbach Gnom. Vatic. 268. Fleissiger, aber in kritischer Hinsicht nicht genügender Reconstructionsversuch der ἀποφθέγματα τῶν ἑπτὰ σοφῶν des D. von Brunco a. O. 325-397 (s. Hense Rh. Mus. XLI 55; übrigens hat Brunco die ἀποφθέγματα der Wiener Collection nicht verwertet). Welche Quellen D. für seine Χρεῖαι benutzte, lässt sich nicht mehr feststellen. Soviel ist aber noch erkennbar, dass er bei seiner Sammelarbeit weder besonders kritisch noch gewissenhaft verfuhr (vgl. Brunco a. O. 304ff.).
e) Briefe des D. Erwähnt werden im hermippischen Verzeichnisse (Diog. Laert. V 81) ἐπιστολαί ᾱ. Davon ist aber nichts erhalten; denn der Brief des D., welcher sich in der Aristeasepistel 29–32 eingelegt findet, s. p. 11ff. Wendl. (Hercher Epistol. Gr. 218), ist eine dreiste Fälschung.
f) Poesien des D. Diog. Laert. V 76 erwähnt Paiane, die D. nach Wiedererlangung seines verlorenen Augenlichtes an den Sarapis gedichtet habe. Wenn hier gesagt wird, παιᾶνας ποιῆσαι (sc. Δημ.) τοὺς μέχρι νῦν ᾀδομένους, so geht das natürlich auf die Zeit des Gewährsmannes des Laertios (Hermippos?), nicht auf die des Compilators. [2837] Auf uns gekommen ist nichts von den poetischen Productionen des D.
Was die Schriftstellerei des D. betrifft, so kann es nicht wundernehmen, dass bei ihrem wesentlich expansiven Charakter die Intensität der Production nicht bedeutend war. Auf gründlicheren Studien basierten wohl blos die Arbeiten über die staatlichen Einrichtungen der Athener. Dagegen waren seine litterarhistorisch-grammatischen Arbeiten (z. B. die Ἀπολογία Σωκράτους und seine Homerica) leichtfertig zusammengeschrieben und recht oberflächlich, wie die erhaltenen Reste deutlich erkennen lassen. Originell war D. als Schriftsteller so wenig wie als Staatsmann. Fast alle seine Arbeiten scheinen durch Theophrastos angeregt zu sein; wie das Verzeichnis der Schriften des Theophrastos (bei Diog. Laert. V 42ff.) zeigt, hatte dieser über die meisten Gegenstände gehandelt, über die später sein Schüler D. schrieb. Wie sehr sich der letztere seinem verehrten Meister anschloss und von ihm abhängig war, lässt sich noch an einzelnen Punkten nachweisen; so ist z. B. Grundidee der Schrift περὶ τύχης ganz dem Theophrastos entlehnt (vgl. Susemihl Alex. Litt. II 592). Wie sein Lehrer, so legte auch D. grossen Wert auf die schöne Form der Darstellung. Bei Diog. Laert. V 82 wird seine Schreibart charakterisiert mit den Worten: χαρακτὴρ δὲ φιλόσοφος εὐτονίᾳ ῥητορικῇ καὶ δυνάμει κεκραμένος (vgl. S. 2829).
Angedichtetes
IV. Angedichtetes und Untergeschobenes.
A. Während seines ägyptischen Aufenthaltes soll D. die Anregung zu verschiedenen bedeutsamen Unternehmungen gegeben haben. Ps.-Plut. apophth. 189 d berichtet, D. habe dem Ptolomaios Lagu den Rat gegeben, sich Werke über die Königsherrschaft anzuschaffen und zu lesen; denn – so motivierte er seinen Vorschlag – was die Freunde den Königen zu sagen sich nicht getrauten, das stände in den Büchern geschrieben. Diese Erzählung, die durchaus nichts Unglaubhaftes enthält, darf für wahr hingenommen werden. Freilich ist es nicht erlaubt, auf Grund derselben D. zum geistigen Vater der grossen alexandrinischen Bibliothek zu stempeln. Heutzutage darf es als ausgemacht gelten, dass die Gründung derselben mit den Litteratur und Wissenschaft fördernden Bestrebungen des Ptolomaios Philadelphos in Verbindung steht. Dem von ihm gegründeten Museion fügte Philadelphos die grosse Bücherei als organischen Teil ein. Und so wird man ihn als den eigentlichen Schöpfer und Stifter der alexandrinischen Büchersammlung anzusehen haben (vgl. Art. Bibliotheken Bd. III S. 409ff.). Nun existiert eine Überlieferung, nach welcher Philadelphos sich bei der Einrichtung der Bibliothek vornehmlich der Hülfe des D. bedient hätte. Diese Tradition tritt uns zuerst entgegen in dem Aristeasbrief, der aus der späteren Makkabäerzeit stammt (vgl. die Vorrede Wendlands zu seiner Ausgabe XXVII). Hier figuriert D. geradezu als dienstbeflissener Oberbibliothekar des Philadelphos κατασταθεὶς ἐπὶ τῆς τοῦ βασιλέως [d. i. Φιλαδέλφου] βιβλιοθήκης Δ. ὁ Φ. p. 3, 9 ff. Wendl.). Weiterhin findet sich die Überlieferung – um von den wörtlichen Abschreibern des Aristeas abzusehen – in dem bekannten Scholion des Tzetzes, dessen Angaben über D. wohl auch in letzter Linie auf den Brief des Aristeas zurückgehen (vgl. Ritschl [2838] Opusc. I 124, 12ff. 206, 5ff.). Der legendare Charakter der Überlieferung ist längst erkannt worden; ihre factische Unmöglichkeit wird erwiesen durch die geschichtlichen Thatsachen, die uns über das Verhältnis des D. zu dem Nachfolger des ersten Ptolomaeers bekannt sind (vgl. S. 2821). Ein anderes Unternehmen, zu dem D. den Anstoss gegeben haben soll, ist die Übersetzung der heiligen Bücher der Juden durch die (ursprünglich) 72 Dolmetscher. Die Sache selbst wird ausführlich beschrieben in dem ebenerwähnten Aristeasbrief, aus dem die späteren jüdischen und die christlichen Schriftsteller ihre Angaben über die Entstehung der Septuaginta geschöpft haben (vgl. die Stellensammlung in der Ausgabe von Wendland 90ff.). Indessen die Erzählung des Aristeas ist eine plumpe, tendenziöse Erfindung, das Product eines frechen, mit der politischen und litterären Geschichte der Hellenen nur oberflächlich bekannten Juden (vgl. Wendlands Vorrede XXVI). Eingehende Discussion der ganzen Frage bei Schürer Gesch. des jüd. Volk. im Zeitalt. Jes. Chr. III³ 309ff.
B. α) Als Historiker des Orients erscheint D. von Phaleron bei Tertullian apolog. 19: Reserenda antiquissimarum etiam gentium archiva, Aegyptiorum, Chaldaeorum, Phoenicum, advocandi municipes eorum, per quos notitia subministrata est, aliqui Manethon Aegyptius, Berosus Chaldaeus, sed et Iromus Phoenix, Tyri rex, sectatores quoque eorum Mendesius Ptolomaeus et Menander Ephesius et Demetrius Phalereus et rex Iuba et Apion et Thallus. Wahrscheinlich hat Tertullian hier das Buch περὶ τῶν κατ’ Αἴγυπτον im Sinne, das Athen. XV 680 a (FHG IV 383) einem nicht näher gekennzeichneten D. zuschreibt (s. u. Nr. 120). Es scheint indessen nicht geraten, allein auf das Zeugnis des Tertullian hin den Ägyptologen D. mit dem Phalereer zu identificieren. Wahrscheinlich liegt ein Irrtum des gelehrten Kirchenvaters vor. Übrigens spricht gegen die Gleichsetzung beider Männer auch die Stellung des Ägyptologen D. in dem Verzeichnis der einschlägigen Schriftsteller bei Plinius a. O. (vgl. Susemihl Alex. Litt. I 486, 145).
β) Zu den Geschichtschreibern der Juden, die οὐ πολὺ τῆς ἀληθείας διήμαρτον, wird D. von Phaleron gerechnet von Josephus contra Ap. 218; diese Stelle hat abgeschrieben Euseb. praep. evang. IX 42, 2. Die Angabe des Josephus beruht auf einer Verwechslung des Phalereers mit dem jüdischen Historiker D. Nr. 79, der unter Ptolomaios Philopator, (222–205) lebte, und ein Werk περὶ τῶν ἐν Ἰουδαίᾳ βασιλέῳς verfasste. Vgl. hierüber Schürer a. O. II³ 730ff. und Susemihl a. O. II 647ff.
γ) Der Cod. Laur. LX 16 enthält u. a. eine Sammlung von Musterbriefen, die die Aufschrift trägt: Δημητρίου Φαληρέος (so!) τύποι ἐπιστολικοί. Nach einer kurzen Widmung des Büchleins an einen nicht näher bestimmten Herakleides werden 21 Brieftypen (τύποι ἐπιστολικοί) aufgezählt und im Anschluss daran von jedem Typus ein oder ein paar Musterbeispiele mitgeteilt. Ich kann über dies Machwerk hier blos einige provisorische Bemerkungen machen. Dass es zu Unrecht mit dem klingenden Namen des Phalereers geschmückt ist, folgt einerseits aus der unsäglichen Öde und Armseligkeit des Inhalts, andererseits – und hierauf [2839] ist der Hauptaccent zu legen – aus der schulmässig trockenen, jeglichen Schmuckes entbehrenden Form der Darstellung. Aber überhaupt scheint es mit der urkundlichen Beglaubigung der Autorschaft des D. von Phaleron übel bestellt zu sein. In der Editio princeps (Aldinische Briefsammlung [Vened. 1499] II 2b) hat nämlich das Schriftchen den Titel: ἀνωνύμου τινὸς πρὸς Ἡηρακλείδην ἐπιστολικοὶ τύποι; daraus muss man schliessen, dass es Hss. gegeben hat (oder giebt), in welchen unser Tractat als das Werk eines unbekannten Verfassers bezeichnet war, und es liegt nahe, zu vermuten, dass die Aufschrift des Laurentianus von irgend einem Humanisten herrührt, der vielleicht aus der Widmung an Herakleides, den er für den Pontiker hielt, und aus der Erwähnung Alexandriens im 18. Brief die Urheberschaft des D. v. Ph. – natürlich fälschlich – erschloss. In welche Sphäre etwa die Schrift gehört, lehrt die auffallende Verwandtschaft derselben mit den ebenfalls anonymen, in den Hss. oft dem Libanios oder Proklos zugeschriebenen, aus den Zeiten des ausgehenden Altertums stammenden ἐπιστολιμαῖοι χαρακτῆρες (vgl. über diese Hinck Jahrb. f. Philol. XCIX 552ff. und Hercher Epistol. Graec. 6ff.). Neueste kritische Bearbeitung der τύποι ἐπιστολικοί von Hercher a. O. 1–6. Im übrigen vgl. Krumbacher Byz. Litt.² 452 und Peter Der Brief i. d. röm. Litt. (= Abh. d. sächs. Ges. d. Wiss. XX 3) 21. Kritische Beiträge liefert Zielinski Philol. LX 8ff.
δ) Mit dem berühmten Namen des D. von Phaleron schmückt sich ferner ein rhetorisches Lehrbuch, das den Titel trägt περὶ ἑρμηνείας (über den rednerischen Ausdruck). Erhalten ist uns dasselbe nur durch eine Hs., den berühmten Pariser Rhetorencodex gr. 1741 saec. XI (beschrieben von Usener De Dion. Hal. libr. mss. [Bonn 1878] 4; über die περὶ ἑρμηνείας enthaltende Partie der Hs. vgl. K. Schenkl Wien. Stud. IV 55ff. und Hammer Dem. π. ἑ. [Progr. Landshut 1883] 65ff.). Denn die jüngeren Hss., die den Tractat enthalten, sind sämtlich Copien vom P(arisinus) und haben mithin keine selbständige Bedeutung. Was den Inhalt der Schrift betrifft, so hebt sie mit einer Definition der Begriffe κῶλον, κόμμα, περίοδος an ; hierauf wird das Wesen des παρόμοιον, ὁμοιοτέλευτον und ἐνθύμημα erläutert. Nach diesen präliminaren Bemerkungen wendet sich der Verfasser seinem eigentlichen Thema zu, der Besprechung und Charakterisierung der Arten der rednerischen Darstellung. Er unterscheidet vier Stilarten (χαρακτῆρες) : den ἰσχνός, μεγαλοπρεπής, γλαφυρός und δεινός, deren Wesenseigentümlichkeiten sorgfältig erörtert und durch zahlreiche Beispiele aus Rednern, Historikern und Dichtern erläutert werden (gute sachliche Analysen der Schrift von Liers Jahrb. f. Philol. CXXXV 684ff. Hammer a. O. 8ff. Volkmann Rhet. d. Griech.² 538ff. Walter Gesch. d. Aesth. im Altert. 809ff.). Die Schrift ist in peripatetischen Kreisen entstanden; unverkennbar ist die starke Anlehnung an die Forschungen der Meister dieser Schule (vgl. Hammer a. O. 8–45). Nach der von vielen Gelehrten namentlich der früheren Zeit geglaubten Tradition war D. von Phaleron Verfasser unseres Tractates. Die neuere Forschung hat mit aller nur wünschenswerten Evidenz die Unmöglichkeit dieser [2840] Annahme dargethan. Das stärkste und zugleich einleuchtendste Argument gegen die Autorschaft des Phalereers ist, dass er selbst (Δημ. ὁ Φαληρ.) im § 289 – eine Stelle, die sicher nicht interpoliert ist, sondern zu dem ursprünglichen Bestande der Schrift gehört – angeführt wird. Aber wie steht es überhaupt mit der diplomatischen Bezeugung der Verfasserschaft des D. von Phaleron? Von den hsl. Zeugen kommt hier natürlich blos der Codex P in Betracht. Dieser hat zwar die Aufschrift Δημητρίου Φαληρέως περὶ ἑρμηνείας, ὅ ἐστι περὶ φράσεως, aber die ihrer Natur nach zuverlässigere Subscriptio lautet: Δημητρίου περὶ ἑρμηνείας. Darnach scheint das Wort Φαληρέως in der Überschrift vermutungsweise von irgend einem gelehrten Leser oder Abschreiber hinzugefügt zu sein. Wenn der Bischof von Bulgarien Theophylaktos (11. Jhdt.) an einer Stelle seines Briefes an Romaios (vgl. Liers De aet. et script. libr. q. fert. Dem. Phal. π. ἑ. [Breslau 1880] 5) D. von Phaleron als Verfasser des Buches περὶ ἑρμηνείας nennt, so folgt daraus blos, dass in seinem Exemplar dieses Werkes bereits die Conjectur des Anonymos in den Titel eingedrungen war. In den übrigen antiken Citaten aus περὶ ἑρμηνείας ist der Verfasser der Schrift entweder einfach D. genannt oder nicht näher bezeichnet (vgl. Liers a. O. 3ff.). Die Verfasserrechte des Phalereers sind also urkundlich sehr schwach beglaubigt. Die ersten, welche an der Autorschaft des Phalereers Zweifel äusserten, waren Politianus und Musurus, welche, düpiert durch eine Flause des Schol. Arist. Nub. 400, Dionys von Halikarnass für den Verfasser der Schrift hielten. Mehr für sich hatte die Vermutung des Muretus, nach welcher der Sophist D. von Alexandreia, der im 2. Jhdt. n. Chr. gelebt zu haben scheint (Nr. 100, vgl. 96), als Urheber des Tractats anzusehen wäre. In der neueren Zeit hat H. Liers in der bereits angeführten Breslauer Dissertation vom J. 1880 das fragwürdige Experiment gewagt, die Verfasserschaft des Phalereers wieder zu verfechten. Natürlich fand er mit seinen Darlegungen keinen Glauben. Eine bedeutende Förderung des Gegenstandes brachte das auch schon oben genannte Landshuter Programm Hammers vom J. 1883. der zu dem Ergebnis gelangte, dass die Schrift etwa um 100 v. Chr. abgefasst sei und zwar vielleicht von dem Syrer D., einem Lehrer des Cicero (Nr. 98), oder auch von D. aus Alexandreia, der aber nicht erst im zweiten nachchristlichen Jahrhundert, sondern schon zu Beginn des letzten Jahrhunderts v. Chr. gelebt habe (s. Nr. 96). Die Hammerschen Ausführungen fanden den Beifall einer Anzahl competenter Beurteiler, z. B. Volkmanns Rhetorik d. Gr. u. Römer² 538. Es folgt ein Aufsatz von Liers Zur Gesch. der Gr. Stilarten, Jahrb. f. Philol. CXXXV 681ff., in welchem er jedoch nicht mehr wagt, die unbedingte Richtigkeit seiner früheren Positionen zu behaupten. Dann erschienen fast gleichzeitig zwei Dissertationen (Altschul De Dem. rhet. aet. [Leipz. 1889] u. Beheim-Schwarzbach Lib. π. ἑρμ. q. Dem. nom. inscr. quo temp. comp. sit [Kiel 1890]), die beinahe zu demselben Resultate gelangten, dass nämlich die Schrift περὶ ἑρμηνείας um 100 n. Chr. entstanden sei. Den Ausführungen Altschuls und Beheim-Schwarzbachs schloss sich voll [2841] und ganz an Schmid Rh. Mus. XLIX 144. Allein es fehlte beiden auch nicht an Gegnern, welche die von ihnen vorgebrachten sachlichen Argumente für unzureichend hielten (vor allem ist zu nennen Hammer in Bursians Jahresb. LXII 72ff.). Das J. 1894 brachte die überaus fleissige Dissertation von Dahl Dem. π. ἑ. (Zweibr.), welche auf Grund genauer Untersuchung der Sprache des Tractats die Lebenszeit des Verfassers zu ermitteln sucht. Er fand, dass derselbe in der von Altschul und Beheim-Schwarzbach ermittelten Zeit geschrieben haben müsse. So überraschend und bestechend das Zusammentreffen der drei von verschiedenen Punkten aus geführten Untersuchungen in demselben Resultate sein mag, so kann ich mich trotzdem mit dem letzteren nicht zufrieden geben. Ich kann meine Ansicht, dass die Schrift noch in die hellenistische Zeit gehört, hier nicht näher begründen. Im wesentlichen stimme ich mit dem überein, was Ammon Blätt. f. d. bayr. Gymn.-Wes. 1898, 729ff. gegen Dahl geltend gemacht hat. Genaueres über die Geschichte des Problems bei Durassier Dém. de Phal. de l’élocution (Paris 1875) IIIff. und Dahl a. O. 1ff. Über die älteren Ausgaben s. Durassier XVIIIff. Die letzte, übrigens wenig genügende Bearbeitung des Textes von Spengel Rhet. Gr. III 259ff. Eine modernen Ansprüchen genügende Edition erwartet man von L. Radermacher. Gute Übersetzung ins Französische von Durassier (vgl. o.). Beiträge zur Kritik und Erklärung der Schrift lieferten: Finckh Obs. crit. in Dem. rhet, Progr. Heilbronn 1841 ; In Long. rhet. et in Dem. lib. de eloc. ann. crit., Progr. ebd. 1847; Philol. XV 153ff. A. Nauck Philol. VI 176. Weil Jahrb. f. Philol. LXXIII 704ff. Cobet Mnem. N. S. X 42. Hammer Philol. XXXV 711ff. XXXVI 355ff. Maass Herm. XXII 576, 2. Hahne Genethl. Gott. 97ff. Roshdestwenski in d. Χαριστήρια f. Korsch (Moskau 1896) Sect. I 2. v. Wilamowitz Hermes XXIV 629.
[Martini.]
Nachträge und Berichtigungen
S. 2817 zum Art. Demetrios von Phaleron:
Antike Quellen: Diog. Laert. V 75–85; Suda s. v. Δημήτριος (kontaminiert mit D. Poliorketes). Von älteren Biographen werden Hermippos und Sotion (fr. 69)) sowie ein zeitlich nicht bestimmbarer Asklepiades (fr. 40) zitiert. etc. etc.
[Fritz Wehrli.]
[85]) D. von Phaleron, Peripatetiker und athen. Staatsmann im 4./3. Jh. v. Chr. S XI.
[Hans Gärtner.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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