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Diogenes Laertius (Διογένης Λαέρτιος griech. Form Laertios) war ein spätantiker Philosophiehistoriker, der um 220 n. Chr. eine Geschichte der griechischen Philosophie in 10 Büchern (nicht Bänden!) schrieb.
Zur Person
Über Leben und Person des Diogenes ist praktisch nichts bekannt, auch seine Datierung (laut Dörrie um 220 n. Chr., jedenfalls Mitte des 3. Jahrhunderts) kann lediglich indirekt aus seinem Stil sowie den Lebensdaten der von ihm behandelten Personen erschlossen werden: der späteste von ihm genannte (IX 116) Philosoph ist ein Schüler des Sextus Empiricus, Diogenes führt sonst kaum Philosophen der römischen Kaiserzeit auf und übergeht erstaunlicherweise den Mittel- und Neuplatonismus ganz.
Aus seinem Beinamen Laertios hat man Rückschlüsse auf seine Herkunft ziehen wollen; so wurde er von dem Ort Laerte in Karien bzw. Kilikien oder von dem römischen Familiennamen Laertii abgeleitet. In der heutigen Forschung wird der Name aber meist auf Laertes, den Vater des Odysseus bezogen, nach dem schon Homer Odysseus diogenes Laertide nennt. Der Beiname ist mithin lediglich als literarisch verspieltes Unterscheidungsmerkmal gegenüber anderen Griechen namens Diogenes zu deuten, so dass man aus ihm keine Informationen ableiten kann.
Aus einer Stelle mit dem Wortlaut „bei uns“ (IX 109) hat man darauf geschlossen, dass Diogenes aus Bithynien stammen könnte, doch bleibt dies unsicher. Für eine Herkunft aus der 'Provinz' spräche immerhin, dass seine Gelehrsamkeit etwas altmodisch wirkt und er in einer gewissen 'antiquarischen Tendenz' besonders gern ältere und entlegene Quellen benutzt. Das Werk selbst bestätigt, dass Diogenes zwar eine gewisse Bildung und Belesenheit besaß, aber selbst kein eigenständiger oder kritischer Denker war, also wohl auch kein 'Fachphilosoph', der in Athen o.ä. studiert oder weite Bildungsreisen ausführt hätte.
Das Werk
Allgemeine Charakteristik
Das Werk wird meist unter dem Titel Über Leben und Lehrmeinungen der berühmten Philosophen (griech. ***) zitiert, der bereits den kompendienhaften Charakter des Werkes andeutet, das Biographie und Doxographie verbindet. Diese Zusammenstellung ist typisch für eine in der römischen Kaiserzeit weit verbreitete Literaturgattung: solche Kompendien waren in weiten Leserkreisen als Unterhaltungslektüre beliebt. Diogenes beabsichtigte also nicht, ein 'wissenschaftliches Werk' im heutigen Sinne zu schreiben. Ihm kam es vielmehr darauf an, seine umfangreich, aber unkritisch gesammelten biographischen Nachrichten, anekdotenhaften Geschichten und sentenzenartigen Meinungsäußerungen unterhaltsam darzustellen.
Das Werk besteht hauptsächlich aus Exzerpten und Zitaten aus dritter oder vierter Hand, Diogenes scheint die Originaltexte kaum selbst gelesen zu haben. Diogenes stützt sich vermutlich auf Werke von Favorinus und Diokles, doch kann man im einzelnen nicht sicher nachweisen, wer seine Gewährsmänner waren. Wahrscheinlich hat er auch Sammlungen von Aussprüchen und Apophthegsammlungen verwendet. Deshalb sind seine biographischen Details zum Leben der antiken Philosophen auch selten authentisch: in erster Linie handelt es sich (von Buch 10 abgesehen) um Anekdoten, Klatsch oder Spott. Aufgrund seiner unkritischen Machart ist Diogenes' Werk nur mit größter Vorsicht zu benutzen. Da es jedoch die umfangreichste erhaltene doxographische Quelle zur Philosophie der griechischen Antike darstellt, ist man mangels besserer Quellen dennoch auf Diogenes angewiesen.
Der Aufbau (siehe Tabelle) ist weder systematisch noch durchgängig nach den Lebenszeiten der behandelten Personen geordnet, sondern nach den philosophischen Schulen, denen Diogenes gemäß antiker, aber oft ziemlich willkürlicher Sitte die Philosophen zuordnet. Laut Diogenes (Buch 1) gab es nämlich nur zwei philosophische Richtungen, eine 'ionische' und eine 'italische'. Diesen ordnet er (z.T. wenig sinnvoll) die einzelnen Philosophen unter. Im letzten Buch finden sich ausnahmesweise Texte aus erster Hand, nämlich Briefe und das Testament Epikurs, für die Diogenes daher ausnahmsweise eine hervorragende Quelle darstellt.
Inhaltsübersicht
- 1. Buch : Die Sieben Weisen und die Philosophietheorie des Autors (ionische und italische Schule)
- 2. Buch : Anaximander, Anaxagoras, Sokrates und die sog. kleineren Sokratiker
- 3. Buch : Platon
- 4. Buch : Die Schüler Platons
- 5. Buch : Aristoteles und seine Schüler (der Peripatos)
- 6. Buch : Antisthenes und die Kyniker
- 7. Buch : Zenon, Kleanthes und Chrysippos. Teile dieses Buches sind jedoch verloren
- 8. Buch : Pythagoras, Empedokles und andere Pythagoreer
- 9. Buch : Heraklit, Xenophanes, Parmenides, Zenon von Elea, Leukippos, Demokrit, Protagoras, Pyrrhon von Elis und Timon
- 10. Buch : Epikur
Exkurs: Bedeutung als Quelle zur antiken Logik
Joseph Maria Bochenski hat in seiner Darstellung der Geschichte der Logik auf den Wert des Werkes für die Geschichte der antiken Logik aufmerksam gemacht.
So geht nach Bochenski aus dem Werk eindeutig hervor, dass die megarische Schule älter ist als die stoische. Die Begründer der Stoa, Zenon und Chrysippos, haben bei den Megarikern, nämlich bei Diodoros, Stilpon, Philon u.a. die Logik gelernt. Ein Studium des Werkes von Diogenes führt zu dem Schluss, dass man sich von der Auffassung trennen muss, dass es zwar eine stoische, aber keine megarische Logik gegeben habe.
Bei den Megarikern finden sich wenigstens drei für die Geschichte der Logik sehr wichtige Denker – Eubulides, Diodoros und Philon –, wogegen man nur einen solchen aus der Schule der Stoa nennen kann, nämlich Chrysippos. Während man bei jedem der drei Megariker eine bestimmte bahnbrechende Idee erkennen kann, lässt sich Chrysippos fast keine grundlegend originelle logische Lehre zuschreiben. Nach Bochenski scheint die megarische Schule schon am Ende des [[3. Jahrhundert v. Chr.|3. Jh.s v. Chr.] erloschen zu sein, wogegen die Stoa sich weiterentwicklete. Ihre Anhänger konnten die Logik in vielen guten Handbüchern verbreiten, und deshalb wird später – etwa zur Zeit Galens – nur noch von der stoischen Logik gesprochen. Bochenski zufolge wäre es dagegen richtiger, von einer megarisch-stoischen Logik zu sprechen, deren Grundgerüst megarisch, deren technische Ausarbeitung dagegen stoisch zu nennen ist.
Bei Diogenes findet man bereits eine konsequente Lehre von den „unbeweisbaren“ Argumenten, das sind die Axiome der stoischen Aussagenlogik. Die Zurückführung der beweisbaren Argumente auf unbeweisbare kam in der stoischen Logik vermittels gewisser metasprachlicher Regeln zustande, die Bochenski gemäß modernem Sprachgebrauch „Metatheoreme“ nennt. Auch für die Trugschlüsse, mit denen sich Stoiker und vor allem Megariker sehr ausführlich beschäftigt haben, ist das Werk von Diogenes eine wichtige Quelle. Die Erfindung der Antinomie des 'Lügners', der ersten uns bekannten echten semantischen Antinomie, wird durch Diogenes ausführlich beschrieben (Stelle).
Literatur
- J. M. Bochenski: Formale Logik. Freiburg 1966
- Heinrich Dörrie: Art. Diogenes Laertios. In: Der kleine Pauly Bd. 2, München 1972, Sp. 45f.
- M. Gigante u.a.: Diogene Laerzio storico del pensiero antico. Sonderheft Elenchos 7, 1986 (versch. Beiträge).
- J. Mejer: Diogenes Laertius and the transmission of Greek philosophy. In: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt (ANRW) Reihe II Bd. 36.4-5 (1990–92), 3556–4307.
- David T. Runia: Art. Diogenes [17] Laertios. In: Der neue Pauly. Enzyklopädie der Antike Bd. 3, Stuttgart/Weimar 1997, Sp. 601–603.
Weblinks
- http://classicpersuasion.org/pw/diogenes/ Laertios Biographien, bis auf Epikur. (englisch)
- http://www.epicurus.net/en/lives.html Epikurs Biographie. (englisch)
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