Lucius Vitellius (* nicht später als 10 v. Chr.; † nach 51 n. Chr.) war ein römischer Senator und Konsul im 1. Jahrhundert n. Chr. Er war Statthalter von Syrien und einer der einflussreichsten Senatoren unter den Kaisern Caligula und Claudius, die ihn mit der außergewöhnlichen Ehre von drei Konsulaten auszeichneten. Sein Sohn Aulus Vitellius war im Vierkaiserjahr 69 n. Chr. römischer Kaiser.
Leben
Aufstieg
Lucius Vitellius war der Sohn des italischen Ritters Publius Vitellius, der aus Luceria in Apulien stammte. Verheiratet war Lucius Vitellius mit Sextilia, mit der er zwei Söhne hatte. Er war ein enger Freund und Verehrer der jüngeren Antonia, der Witwe des Drusus, des jüngeren Bruders des Kaisers Tiberius.[1] Dieser ernannte Vitellius, der eine Villa auf Capri besaß, wo der Kaiser seit 27 residierte, 28 zum Frater Arvalis und 34 zum ersten Mal zum Konsul.
Da Lucius Vitellius schon mindestens 44 Jahre alt war, ist seine folgende Karriere umso überraschender. Im darauffolgenden Jahr übernahm er als Statthalter die wichtige Provinz Syrien an der Grenze zum Partherreich, in der zu dieser Zeit vier Legionen stationiert waren (III Gallica, VI Ferrata, X Fretensis und XII Fulminata). Neben der Statthalterschaft sollte Vitellius auch die Oberaufsicht über den gesamten Osten des Reiches ausüben.
Statthalter von Syrien
Mit der Unterstützung des Vitellius gelangte der König von Iberien, Mithridates, auf den armenischen Thron. Der Partherkönig Artabanos II. musste angesichts der römischen Militärmacht den Herrscherwechsel in Armenien zähneknirschend akzeptieren. Anfang 36 schickte Tiberius den parthischen Prinzen Tiridates, der seit 10 v. Chr. in Rom im Exil gelebt hatte, nach Syrien. Vitellius eskortierte den Parther über den Euphrat, konnte ihm aber zunächst keine weitere Unterstützung gewähren, da er in Kilikien einen Aufstand gegen römische Steuerpächter niederschlagen musste. Tiridates gewann dennoch rasch die Unterstützung einflussreicher parthischer Adliger, die sich nach dem Verlust Armeniens von Artabanos abwandten. Während Vitellius in Kilikien die Aufständischen in zwei Bergfestungen einschließen und zur Aufgabe zwingen konnte, gelangte Tiridates in die parthische Hauptstadt Seleukia-Ktesiphon, wo er zum König gekrönt wurde. Artabanos II. vertrieb ihn allerdings mit Hilfe skythischer Söldner bald wieder. Tiridates blieb keine andere Wahl, als zu Vitellius zurückzukehren.
Im Sommer 36 trafen sich Vitellius und der parthische König Artabanos auf einer eigens zu diesem Zweck errichteten Schiffsbrücke über den Euphrat. Artabanos erkannte die römische Überlegenheit an und gestand den Römern die Oberhoheit über Armenien zu. Dieses Treffen war einer der größten Erfolge in der Geschichte der römischen Ostpolitik.
Vitellius hatte sich in der Zwischenzeit mit einer Klage der Samariter zu befassen, die dem Prokurator von Judäa, dem aus dem Neuen Testament bekannten Pontius Pilatus, vorwarfen, er habe die Unterstützer einer angeblichen Reinkarnation des Moses übertrieben grausam bestraft. Vitellius schickte Pilatus nach Italien zurück
Zu Passah 37 ersetzte Vitellius den jüdischen Hohepriester Kaiphas durch dessen Schwager Jonathan. Wohl noch mit Erlaubnis des Tiberius gewährte er dem Hohepriester nach 40 Jahren wieder die Verfügung über die heiligen Gewänder.
Im darauffolgenden Jahr wurde der Tetrarch von Galiläa, Herodes Antipas, von Aretas IV., dem König der Nabatäer, angegriffen. Vitellius marschierte zur Unterstützung des Antipas mit zwei Legionen nach Galiläa, als ihn in Jerusalem die Nachricht vom Tod seines Förderers Tiberius und dem Regierungsantritt Caligulas erreichte. Er zog seine Truppen wieder zurück, da er nicht Krieg führen durfte, bevor Anweisungen vom neuen Kaiser eingetroffen waren.
Rückkehr nach Italien
39 kehrte Vitellius nach der Rückberufung durch Caligula nach Italien zurück, wohin er nebenbei mehrere neue Feigensorten einführte. Er stand in Rom in hohem Ansehen und war als einer der ersten bereit, Kaiser Caligula göttliche Ehren zu erweisen. Dennoch verstanden sich Vitellius und der Kaiser nicht sehr gut und Vitellius überlebte wohl nur dank seiner unterwürfig-schmeichelnden Haltung (adulatio). Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass er 41 an der Ermordung Caligulas und der Machtergreifung des Claudius, des Sohnes seiner verstorbenen Freundin Antonia, beteiligt war. Er wurde jedenfalls 43 gemeinsam mit dem neuen Kaiser, dem er sehr nahe stand, zum zweiten Mal Konsul.
Während Claudius die Eroberung Britanniens in die Wege leitete, überließ er Vitellius in Rom die Regierungsverantwortung (cura imperii). 47 ernannte er ihn zum dritten Mal zum Konsul – eine außergewöhnliche Ehre für jemanden, der nicht Mitglied der Kaiserfamilie war – und übernahm mit ihm 47/48 das Amt des Zensors. Die Nähe zum Kaiserhaus war nicht nur auf den Kaiser selbst beschränkt, auch mit der Kaisergattin Messalina und vielen Freigelassenen des Kaisers verbanden ihn Freundschaften, weshalb er in den späteren Geschichtswerken negativ beurteilt wurde. Trotzdem hielt sich Vitellius beim Sturz der Messalina überraschenderweise sehr im Hintergrund, was die Vorwürfe, er wäre nur ihr willfähriges Werkzeug gewesen, wohl widerlegt.
Schnell schloss er sich Agrippina an, der neuen Macht im Kaiserhaus. Als Claudius 49 seine Nichte Agrippina heiraten wollte, war es Vitellius, der im Senat dafür sorgte, dass das althergebrachte Eheverbot zwischen Onkel und Nichte in diesem Fall keine Anwendung fand. Außerdem strich er in seiner Eigenschaft als Zensor Lucius Iunius Silanus aus der Senatsliste, der zu diesem Zeitpunkt mit Claudius’ Tochter Octavia verlobt war. Damit konnte Agrippinas Sohn Nero Octavia heiraten, womit sein Weg zur Kaiserschaft geebnet war. Die neue Kaiserin zeigte sich dankbar: Als Vitellius 51 vom Senator Iunius Lupus des Hochverrats beschuldigt wurde, sorgte sie dafür, dass Lupus von Claudius verbannt wurde. Vitellius, dessen Söhne Lucius und Aulus 48 das Konsulat erreicht hatten, starb wenig später überraschend an einem Schlaganfall. Er wurde mit einem funus censorium (einem Staatsbegräbnis) und einem Standbild an der Rednertribüne des Forums geehrt, das die Inschrift „Von unverrückbarem Pflichtgefühl gegenüber dem Kaiser“ trug.[2]
Quellen
- Josephus, Jüdische Altertümer 15,11,4; 18,4,2–5; 18,5,1; 18,5,3; 18,8,2
- Plinius, Naturgeschichte 15,83; 15,91
- Sueton, Leben des Vitellius 2,2; 2,4–5; 3
- Tacitus, Annalen 6,28; 6,32; 6,36–37; 6,41–43; 6,47; 11,2–4; 11,33–35; 12,4–6; 12,9; 12,42; 14,56
Literatur
- Karl Christ: Geschichte der römischen Kaiserzeit. 4. Auflage, Beck, München 2002, S. 191, 206.
- Werner Eck: Die iulisch-claudische Familie: Frauen neben Caligula, Claudius und Nero. In: Hildegard Temporini-Gräfin Vitzthum (Hrsg.): Die Kaiserinnen Roms. Von Livia bis Theodora. Beck, München 2002, S. 129, 142.
- Gerhard Winkler: Vitellius. In: Der Kleine Pauly. Lexikon der Antike in fünf Bänden. Band 5, Spalte 1306.
Weblinks
Anmerkungen
- ↑ Winkler bemerkt hierzu im KlP: „Als Verehrer der Antonia (II 15; Tac. ann. 11,3,3), der Nichte des Augustus, war er schon früh mit dem Kaiserhaus verbunden. Trotzdem begann seine senatorische Karriere sehr spät und er wurde erst in mittleren Jahren von Tiberius gefördert.“
- ↑ pietatis immobilis erga principem (Sueton Vitellius 3,4)
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