Julia Mamaea
Julia Avita Mamaea († wohl 19. März 235 in Mainz-Bretzenheim) war die Mutter des römischen Kaisers Severus Alexander (222235). Sie war wegen seines jugendlichen Alters zunächst faktisch Regentin und blieb dann bis zum Ende seiner Regierungszeit die dominierende Gestalt am Hof. Schließlich wurden beide bei einem Soldatenaufstand ermordet.
Herkunft
Mamaea stammte mütterlicherseits aus der syrischen Stadt Emesa (heute Homs). Ihre Familie war dort sehr angesehen; es waren wohl Nachkommen des arabischen Fürstengeschlechts, das die Stadt noch im 1. Jahrhundert n. Chr. beherrscht hatte, bevor Emesa in die römische Provinz Syria eingegliedert wurde. Mamaeas Mutter Julia Maesa war mit dem Konsular Julius Avitus Alexianus verheiratet; die beiden hatten noch eine ältere Töchter, Julia Soaemias.
Jugend und Leben als Ehefrau
Überregionale Bedeutung erlangte die Familie durch die wohl 187 geschlossene Ehe von Mamaeas Tante Julia Domna, der Schwester Julia Maesas, mit dem künftigen Kaiser Septimius Severus (193211). Wohl schon bald nach seiner Machtübernahme sorgte Septimius Severus dafür, dass Mamaeas Vater Avitus, der Gatte seiner Schwägerin, in den Senatorenstand aufgenommen wurde. Um 198/200 war Avitus Konsul. 208211 nahm er am Britannienfeldzug des Kaisers teil. Unter dem Sohn und Nachfolger des Septimius Severus, Mamaeas Vetter Kaiser Caracalla (211217), war Avitus erst Statthalter der Provinz Dalmatia, dann 215216 Proconsul der Provinz Asia. Mamaea heiratete erst einen Konsular, dessen Namen wir nicht kennen, dann den Procurator Gessius Marcianus, der auch aus Syrien stammte, nämlich aus der Stadt Arca (Caesarea im Libanon). Dort gebar sie am 1. Oktober 208 ihren einzigen Sohn Gessius Alexianus Bassianus, den künftigen Kaiser Severus Alexander. Damals hatte sie bereits eine Tochter; Angaben über eine weitere Tochter sind unglaubwürdig.
Krisenzeiten
Am 8. April 217 wurde Caracalla ermordet. Nachfolger wurde sein Prätorianerpräfekt Macrinus, der an dem Mordkomplott beteiligt war. Dies bedeutete einen Dynastiewechsel und für Mamaeas Familie die Vertreibung aus dem Machtzentrum. 217/218 starb Mamaeas Vater Avitus. Ihre ehrgeizige Mutter Maesa musste sich auf Befehl des Macrinus in ihre Heimatstadt Emesa zurückziehen, wo sie über ein großes Vermögen und Einfluss verfügte. Da die männliche Nachkommenschaft des Kaisers Septimius Severus nun ausgestorben war, wollte Maesa ihren eigenen Nachkommen die Kaiserwürde verschaffen, obwohl sie mit Septimius Severus nicht blutsverwandt, sondern nur verschwägert war. Der vierzehnjährige Sohn von Mamaeas älterer Schwester Julia Soaemias, Varius Avitus (Elagabal), wurde im Jahre 218 von rebellierenden Soldaten zum Kaiser ausgerufen. Dies wurde der Tochter und dem Schwiegersohn Mamaeas, die sich im Machtbereich des Macrinus aufhielten, zum Verhängnis; sie wurden ermordet. Diese Verzweiflungstat war nutzlos, Macrinus wurde besiegt und getötet. So konnte Maesa mit ihren Töchtern und Enkelkindern nach Rom zurückkehren und für ihren unmündigen Enkel Elagabal die Regierung führen.
Bald erwies sich der jugendliche Kaiser Elagabal als eigenwillig und beratungsresistent und machte sich allgemein verhasst. Dadurch entstand eine sehr gefährliche Krise, die sich 220/221 zuspitzte. Daher begann Maesa zusammen mit Mamaea, Severus Alexander als Nachfolger Elagabals aufzubauen. Der neue Hoffnungsträger wurde als unehelicher Sohn Caracallas ausgegeben und erhielt 221 die Caesarwürde. Elagabal erkannte die Gefahr, die ihm von seinem Vetter Alexander drohte, und versuchte wiederholt, ihn umzubringen. So entwickelte sich zwischen den beiden Rivalen und ihren Müttern ein Existenzkampf, in dem Maesa auf der Seite Mamaeas stand. Meuternde Soldaten, die von Mamaea gesteuert wurden, ermordeten am 11. März 222 Julia Soaemias und Elagabal. Der dreizehnjährige Alexander übernahm die Kaiserwürde.
Rolle in der Regierungszeit des Severus Alexander
Im Unterschied zu Elagabal erwies sich Alexander als einsichtig und gehorsam. Seine Großmutter Maesa war damals schon sehr betagt und ist wohl im Jahre 224 gestorben. Damit war die machtbewusste und durchsetzungsfähige Mamaea am Ziel ihrer Wünsche. Sie trug den Titel Augusta und konnte nun allein die Regierung führen. Auch nach Erreichung des Mannesalters blieb ihr Sohn in hohem Maße von ihrem Einfluss abhängig. Ihre fortdauernde, für eine Kaiserinmutter einzigartige Machtstellung wird von Inschriften und Münzen eindrucksvoll dokumentiert. Eine spanische Inschrift nennt sie Mutter des Senats, des Vaterlands und des ganzen Menschengeschlechts, eine thrakische Herrin der Welt. In dem Machtkampf, der schon bald nach dem Regierungsantritt ihres Sohnes zwischen den Prätorianerpräfekten Julius Flavianus und Geminius Chrestus und dem bedeutenden Juristen Ulpian entbrannte, stand sie auf Ulpians Seite, konnte aber nicht verhindern, dass er in ihrer Anwesenheit im Palast von Prätorianern umgebracht wurde. Sie suchte für ihren Sohn die Patrizierin Orbiana als Ehefrau aus, geriet dann aber in einen Konflikt mit ihrer Schwiegertochter und deren Vater Seius Sallustius. Orbiana wurde nach Afrika verbannt, ihr Vater, der versucht hatte, die Prätorianer gegen Mamaea aufzuwiegeln, wurde hingerichtet.
Der Weg in die Katastrophe
Alexander sah sich zu großen Feldzügen gezwungen. Erst musste er 231233 einen gefährlichen Angriff des Sassanidenkönigs Ardaschir I. abwehren, dann an die Rheingrenze eilen, um einen Germaneneinfall zurückzuschlagen. Mamaea war stets dabei und spielte wie immer eine maßgebliche Rolle. Für die Wünsche der von Septimius Severus und Caracalla verwöhnten Soldaten nach Geldgeschenken brachte sie kein Verständnis auf. Lieber wollte sie auf dem Feldzug gegen die Germanen im Jahr 235 vorhandene Geldmittel dazu verwenden, den Frieden durch Tributzahlung zu erkaufen. Bei den Soldaten führte diese Aussicht zu Erbitterung. Sie hassten Mamaea, da sie sie als knauserig betrachteten, und konnten bei einem Regierungswechsel mit finanzieller Großzügigkeit des neuen Herrschers rechnen. Daher erhoben sie den Offizier Maximinus Thrax zum neuen Kaiser. Auf seinen Befehl töteten sie wohl am 19. März 235 Mamaea und Alexander. Über beide wurde die damnatio memoriae verhängt.
Religionspolitik
Gegenüber den Christen, die schon unter Elagabal nicht verfolgt worden waren, war die Regierung Alexanders bzw. seiner Mutter tolerant. Der prominente Christ Origenes soll Mamaea auf ihren Wunsch in Antiocheia aufgesucht haben; Hippolyt von Rom widmete ihr einen (in Bruchstücken erhaltenen) Traktat über die Auferstehung. Daher berichten Quellen des 4. und des 5. Jahrhunderts von einer Nähe Mamaeas zum Christentum; Orosius behauptet sogar, sie sei Christin gewesen. Das ist aber jedenfalls im Sinne eines konsequenten Bekenntnisses zum Christentum nicht als zutreffend anzusehen. Wahrscheinlich neigten Mamaea und Alexander zum Synkretismus, zur Vermischung verschiedener Religionen, zu denen auch das Christentum gehörte. Mit dem Exklusivitätsanspruch des Christentums war eine solche Haltung unvereinbar.
Quellen und Rezeption
Der zuverlässige Zeitgenosse Cassius Dio bietet wenig Information über Mamaea. Die Hauptquellen sind der ebenfalls zeitgenössische Herodian und die mehr als ein Jahrhundert nach den Ereignissen entstandene Historia Augusta. Sie loben die sorgfältige Erziehung Alexanders, bezeichnen aber Mamaea als habgierig. Herodian kritisiert sie als herrschsüchtig. Damit waren die Grundzüge der Beurteilung in der Neuzeit (einschließlich der modernen Forschung) vorgegeben: Mamaeas Machtwille gilt als eine der Hauptursachen für das Scheitern Alexanders.
Im Mittelalter stand ein ganz anderer Aspekt im Vordergrund: Man betrachtete Orosius folgend Mamaea als Christin, und da man von ihrem gewaltsamen Tod wusste, entstand im Spätmittelalter die vom Anonymus Leobiensis und von Thomas Ebendorfer überlieferte Legende, sie sei als Märtyrerin für ihren Glauben gestorben.
Literatur
Bruno Bleckmann: Die severische Familie und die Soldatenkaiser. In: Hildegard Temporini-Gräfin Vitzthum (Hrsg.): Die Kaiserinnen Roms. Beck, München 2002, S. 265339, insbes. S. 277, 282284, 289295, 297f., ISBN 3-406-49513-3.
Robert Lee Cleve: Severus Alexander and the Severan Women. Los Angeles 1982 (Diss. University of California).
Erich Kettenhofen: Die syrischen Augustae in der historischen Überlieferung. Bonn 1979, ISBN 3-7749-1466-4.
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