Konstantinos Simonides (Κωνσταντίνος Σιμωνίδης, * 1820 auf Symi; † 1890 (?)) war ein griechischer Hochstapler und Fälscher vornehmlich antiker Textdokumente und Papyri.
Leben
Nach der biographischen Skizze, die Alexandros Lykourgos für sein Buch Enthüllungen über den Simonides-Dindorfschen Uranios auf Basis von Aussagen von Simonides selbst erstellte, arbeitete Simonides 1837 in der Druckerei eines bekannten Buchhändlers und gelangte später zu seinem Onkel Benedictos, der Vorsteher des Klosters gewesen sein soll, in dem Konstantinos Simonides mit alten Handschriften in Kontakt gekommen war. Diesem Onkel mütterlicherseits verdankte er angeblich einige Schriften, mit denen er 1846 in Athen reüssierte und die einer Kommission des griechischen Kultusministeriums zur Prüfung vorgelegt wurden. 1850 publizierte er eine Beschreibung der Insel Kefalonia, die aus dem 4. Jahrhundert nach Christus stammen sollte. Nach Prüfung von Stil und Inhalt wurde der Text als Fälschung entlarvt. 1850 siedelte er nach Konstantinopel über, wo er einige Diplomaten und Würdenträger für sich gewinnen konnte, die ihm Ausgrabungen am dortigen Hippodrom ermöglichten. 1853 handelte er in England mit echten und gefälschten Manuskripten und gelangte 1855 nach Leipzig. Dort suchte er eine angebliche ägyptische Königsgeschichte des Uranios zu verkaufen, die von Lykourgos und Konstantin von Tischendorf als Fälschung identifiziert wurde.[1] Er kam dafür ins Gefängnis. Einige Jahre später wollte sich Simonides an Tischendorf rächen und behauptete, er habe den Codex Sinaiticus (diese griechische Bibelhandschrift stammt aus dem 4. Jh. n. Chr., ist die älteste komplett erhaltene Handschrift des Neuen Testaments und wurde 1844 und 1859 von Tischendorf im St. Katharinenkloster auf dem Sinai entdeckt) auf dem Athos selber angefertigt. Englische Zeitungen griffen diese Beschuldigungen unkritisch auf. Konstantin von Tischendorf widerlegte diese wahnwitzigen Behauptungen in seinen beiden Schriften Die Anfechtungen der Sinai-Bibel und Waffen der Finsternis wider die Sinaibibel (beide erschienen 1863 in Leipzig). Später flüchtete Simonides nach Ägypten.
Fälschungen
Zu seinen bekannten Falsifikaten gehörte die sogenannte Symais, eine Geschichte der Hohen Schule von Symi, die diese Universität als Wirkungsstätte antiker Meister darstellt, denen unter anderem die Erfindung des Papiers, des Teleskops oder dampfkraftbetriebener Schnellboote gelungen sein soll.
Methode
Simonides machte sich die Tatsache zunutze, dass echte antike Texte gelegentlich als sogenannte Palimpseste überliefert sind und somit manche Handschriften Spuren noch älterer Originaltexte enthalten können, die in späteren Zeiten mit anderen Inhalten überschrieben wurden, um teures Schreibmaterial zu sparen. Für seine Fälschungen ergänzte er auf echten, alten Papyrusfragmenten mit philologischem Scharfsinn und blasser Tinte teils sensationelle Berichte, die auf die Gelehrten seiner Zeit den Eindruck machen sollten, als seien sie chronologisch vor dem originalen und zweifelsfrei echten Text einzuordnen.
Neuere Entwicklungen
Der italienische Philologe Luciano Canfora mutmaßte, dass auch der 2008 erstmals vollständig wissenschaftlich aufgearbeitete Artemidor-Papyrus eine Fälschung von Simonides sei. Dieser Vorwurf konnte durch die wissenschaftliche Fachwelt zurückgewiesen werden.[2] Auf einem 2009 von Canfora mitorganisierten Kolloquium warf daraufhin ein italienischer Polizeibeamter den Wissenschaftlern vor, auf eine digitale Dokumentenfälschung hereingefallen zu sein. Auch dieser Vorwurf wurde unter anderem durch eine Präsentation an der Universität zu Köln 2010 entkräftet.[3]
Literatur
Alexander Lykurgos: Enthüllungen über den Simonides-Dindorfschen Uranios. Fritzsche, Leipzig 1856. (online)
Rüdiger Schaper: Die Odyssee des Fälschers. Die abenteuerliche Geschichte des Konstantin Simonides, der Europa zum Narren hielt und nebenbei die Antike erfand.[4] Siedler, Berlin 2011, ISBN 978-3-88680-966-0.
Alexander Schick: Tischendorf und die älteste Bibel der Welt. Die Entdeckung des Codex Sinaiticus im Katharinenkloster. Jota Verlag, Muldenhammer 2015, ISBN 978-3-935707-80-0 (Biografie zum 200. Geburtstag Tischendorfs, der Simonides’ Fälschungen gleich zweimal entlarvte; zu Simonides ab S. 142).
Georgios Makris: Simonides, Konstantinos. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 10, Bautz, Herzberg 1995, ISBN 3-88309-062-X, Sp. 430–432.
Weblinks
Beschreibung von Simonides’ Tätigkeit für eine Ausstellung des Papyrusmuseums der Österreichischen Nationalbibliothek
Einzelnachweise
Uranĭos. In: Heinrich August Pierer, Julius Löbe (Hrsg.): Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit. 4. Auflage. Band 18. Altenburg 1864, S. 275 (zeno.org).
Ragnar K. Kinzelbach: Der Artemidor-Papyrus. Tierbilder aus dem ersten Jahrhundert. Ein zoologischer Kommentar zum Artemidor-Papyrus. In: Archiv für Papyrusforschung und verwandte Gebiete. Beiheft 28. Verlag Walter de Gruyter, Berlin/ New York 2009, ISBN 978-3-11-022580-8. S. 1.
Universität zu Köln: Experte widerlegt Fälschungsvorwurf. (Memento vom 12. September 2014 im Internet Archive) 8. September 2010, abgerufen am 22. August 2012.
Die Geschichte eines hochbegabten Hochstaplers. In: Tages-Anzeiger. 26. Juli 2011.
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