.
4) Aus Athen, Tragiker. [A. Leben. B. Neuerungen, Kunstart. C. Dramen. D. Urteil der Zeitgenossen, Nachleben. E. Literatur]
A. Leben.
P. war der Sohn des Polyphrasmon (Paus. X 31, 4. Schol. Aristoph. Av. 750. Suid. ⟨Πολυ⟩φράδμονος an, περὶ κωμ. II 9). Daß dieses wirklich der Name des Vaters war, wird, abgesehen von dem Lautstande (Bechtel Die hist. Personenn. d. Gr. 457), dadurch gesichert, daß der Sohn des P. ebenso hieß und dessen Name durch IG II 977, 3 als Polyphrasmon beglaubigt ist. Suidas stellt noch Μινύρου οἱ δὲ Χοροκλέους zur Auswahl. Über letzteren s. Nr. 6, Μινύρου dagegen ist komischer Übername: so nennt der Komiker Phrynichos den Lampros (Athen. II 44 d = I 388 K), und Aristophanes sagt Vesp. 220: μινυρίζοντες μέλη ἀρχαῖα μελεσιδωνοφρυνιχήρατα (s. Marx Rh. Mus. LXXVII 339). Sein Geburtsjahr ist nur annäherungsweise bestimmbar. Nach Suidas siegt er – doch wohl zuerst – ἐπὶ τῆς ξζ’ ὀλυμπιάδος (511–508), muß demnach vor 530 geboren sein. Er war also jünger als Thespis, dessen Schüler er bei Suidas heißt, und als Choirilos, der nach Suidas in der 67. Olympiade (523–520) zuerst auftrat, aber älter als Aischylos (Schol. Aristoph. Ran. 910). 476 führte er mit Themistokles als Choregen (Plut. Them. 5, 5, u. C 11) – wahrscheinlich die Phönizierinnen – auf. Vielleicht darf man aus der Tatsache, daß 467 gegen die thebanische Tetralogie des Aischylos nicht er, sondern sein Sohn unterlag (arg, Aisch. Sept.)‚ schließen, daß er damals tot war; nach dem anon. π. κωμ. II 9 starb er gleich Aischylos in Sizilien – eine nicht kontrollierbare Nachricht. Sein Leben fällt also etwa in die J. 540–470, der Ansatz des Eusebius zu ol. 74, 2 = 483 Χοιρίλος καὶ Φ. ἐγνωρίζοντο ist erheblich zu tief. Über seine Strategie s. u. D.
B. Neuerungen, Kunstart.
Zweifellos hat P. an der Entfaltung der Tragödie einen [912] starken Anteil gehabt, und deshalb könnte an der Notiz des Suidas πρῶτος γυναικεῖον πρόσωπον εἰσήγαγεν etwas Wahres sein, wären nicht alle solche εὑρήματα der Konstruktion verdächtig, zumal Suidas fortfährt: καὶ εὑρετὴς τοῦ τετραμέτρου ἐγένετο. Da die frühe Tragödie nach Aristot. poet. 4. 1449 a 21 sich überhaupt des Tetrameters bediente, hat die Bemerkung des Suidas wenig Bedeutung, wenn man sie nicht auf den katalektischen ionischen Tetrameter beziehen will‚ vgl. Hephaist. 38, 6 C (daraus Tricha 395, 32 Cons): τῶν ... ἐν τῷ μέτρῳ μεγεθῶν τὸ μὲν ἐπισημότατόν ἐστι τὸ τετράμετρον καταληκτικόν οἷόν ἐστι τὸ Φ.-ὄυ τοῦ τραγικοῦ τουτί (folgt frg. 14). Aus Aristot. a. O. Αἰσχυλος ... τὸν λόγον πρωταγωνιστὴν παρεσκεύασεν ... μάλιστα γὰρ λεκτικὸν τῶν μέτρων τὸ ἰαμβεῖόν ἐστι könnte man schließen, daß Aischylos erst den Gebrauch des Trimeters eingeführt habe. Dann wären alle Dramen des P.‚ aus denen Trimeter erhalten sind – Tetrameter kommen nur in den Phainissai vor –, schon ins 5. Jhdt. zu setzen. In diesen Dramen hätten wir also auch mit zwei Schauspielern zu rechnen, deren Einführung Aristot. a. O. ebenfalls Aischylos zuschreibt.
Aristoph. Vesp. 220; Av. 750 rühmt P. wegen der Süße seiner μέλη, die auch von den Scholien immer wieder bezeugt ist (zu Ran. 910. 1298/99; Vesp. 220), sie überwogen bei ihm die noch sehr vorläufigen (Aristoph. Ran. 910ff.) dialogischen Teile um ein Vielfaches (Ps-Aristot. Probl. XIX 31. 920 a 11), μέλη aber sind ‚Gesänge mit vollständiger Tonsetzung‘ (Rohde Afterphilologie 20), also bezieht sich Lob wie Tadel zugleich auf Worte, Rhythmen und Musik. – Von der Musik des P. wissen wir nur, daß er, wie alle Tragödiendichter, von den drei Tongeschlechtern, dem diatonischen, chromatischen und enharmonischen, das Chroma ausgeschlossen habe (Plut. de mus. 190 WR, aus Aristoxenos). – Rhythmisch fällt in unseren wenigen Fragmenten der stichische Gebrauch des katalektischen ionischen Tetrameters (frg. 14) und des großen Asklepiadeus auf (frg. 6), dazu die Caesurverschiebung im archilochischen Dikolon (frg. 13). Seines Reichtumes an Tanzfiguren rühmt er sich selber in einem Distichon (Anth. lyr. I 65 D, bestätigt von Aristokles Athen. I 22 a). Nimmt man dazu die Verwendung ionischer Dialektformen im Tetrameter, so versteht man, was Aristoph. Thesm. 160ff. meint, wenn er P. zusammen mit Ibykos Anakreon Alkaios zu den ionisch-weichen Dichtern zählt, ohne ihn damit tadeln zu wollen (Ran. 1298ff.; Thesm. 166). Dadurch wird vielmehr bestätigt, daß er seine Bildung noch der peisistratischen Zeit verdankt. Der gegen die Zeitgenossen gerichtete Tadel des Doriers Pratinas (Anth. lyr. II 124 D.) wegen des Vordrängens der Flötenmusik ist auf P. gemünzt (v. Blumenthal Aischylos 47, Howald Griech. Trag. 43, manche denken allerdings eher an Lasos: Pickard-Cambridge Dithyramb Tragedy und Comedy 29ff.).
C. Dramen.
Der ursprünglich alphabetische Schriftenkatalog des Suidas ist am Schlusse verstümmelt, d. h. es fehlen u. a. die beiden berühmtesten Werke: τραγῳδίαι δὲ αὐτοῦ ἐννέα (? v. Wilamowitz αὗται· Πλευρώνιαι (⟨Ἀλθαία [913] ἢ⟩ Πλ. ergänzt Marx Rh. Mus. LXXVII 340 gegen die strikte alphabetische Folge), Αἰγύπτιοι, Ἀκταίων, Ἄλκηστις, Ἀνταῖος ἢ Λίβυες, Δίκαιοι ἢ Πέρσαι ἢ Σύνθωκοι, Δαναΐδες. Dazu kommen aus anderen Quellen Μιλήτου ἅλωσις, Τάνταλος, Τρώιλος (?), Φοίνισσαι.
1. Αἰγύπτιοι. Der Titel ist belegt durch Suidas Φ. und Hesych. ἱαίνεται, den Inhalt erraten läßt Schol. Eurip. Or. 872: Φ.... ὁ τραγικός φησι σὺν Αἰγυπτίοις τὸν ἴγυπτον ἥκειν εἰς Ἄργος. Weiter ist nichts bekannt, als daß die Ägypter oder Aigyptossöhne den Chor bildeten, wie aus dem Titel hervorgeht. Vgl. Robert Gr. Heldens. I 267, 1.
2. Ἀκταίων. Nur der Titel bei Suidas erhalten. Denselben Mythos behandelte Aischylos in den Τοξότιδες.
3. Ἄλκηστις (Suid. Φ. Hesych. ἀθαμβές). Aus dem Drama ist folgendes bekannt: 1. Apollon macht bei der Hochzeit des Admetos, dem er die Alkestis gewinnen half, die Moiren trunken, damit sie ihm das Leben des Schützlings gegen ein anderes schenken. Dieser Zug ist aber nicht ausdrücklich überliefert, sondern daraus erschlossen, daß er von Aischylos Eum. 723. Eurip. Alk. 12. 32 vorausgesetzt wird. 2. Wie bei Euripides kam der Tod auf die Bühne, um mit einem Schwerte an Alkestis die Lockenweihe zu vollziehen: Serv. Aen. IV 694 = frg. 3. 3. Siegreicher Ringkampf des Herakles mit Thanatos um Alkestis, erschlossen aus dem einzig wörtlichen frg. 2. Da. dieses anapästisch ist, kann es nicht aus einem Botenberichte, wie behauptet worden ist, stammen. – Ob das Drama trotz der burlesken Züge, die auch in den Hiketides des Aischylos nicht fehlen, ein Satyrspiel war, ist ungewiß. Literatur: v. Wilamowitz Isyllos 66; Einl. in die gr. Trag. 92. Preller-Robert Gr. M. 533. Robert Gr. Heldens. I 31. Schmid-Stählin II 172, 1. L. Weber Rh. Mus. LXXIX 35ff.
4. Ἀνταῖος ἢ Λίβυες (Suid). Der Titel und die einzige erhaltene Nachricht Schol. Aristoph. Ran. 688: ὁ τραγικὸς Φ. ἐν Ἀνταίῳ δράματι περὶ παλαισμάτων πολλὰ διῆλθεν zeigen, daß es sich um des bekannte Heraklesabenteuer gehandelt hat. Der Chor bestand aus Libyern.
5. Δίκαιοι ἢ Πέρσαι ἢ Σύνθωκοι (Suid.). Es ist festzustellen, daß der Katalog bei Αἰγύπτιοι, Ἀκταίων, Ἄλκηστις, Ἀνταῖος strenge alphabetische Ordnung einhält, mithin Δίκαιοι vor Δαναΐδες verderbt sein dürfte und die drei Namen dasselbe Stück bezeichnen Darum ist die paläographisch einfache Korrektur Δίκτυς ἢ Περσεύς (Howald Gr. Trag. 45) weniger wahrscheinlich als etwa Δανάη ἢ Περσεὺς ἢ Σύντωκοι. Σύντωκοι könnte auf die Teilnehmer an dem ἔρανος (Pind. P XII 14) gehen und von θῶσθαι ‚schmausen‘ abzuleiten sein. Da aber nichts als der Titel erhalten ist, empfiehlt es sich, nicht herumzuraten. Sehr unsichere Vermutungen bei Marx 350. Literatur: Schmid-Stählin II 17l, 10.
6. Δαναΐδες (Suid. Φ. Hesych. ἔγκαρτα). Der Titel zeigt, daß die Danaiden den Chor bildeten, sonst ist nichts bekannt. Sollten sie wie bei Aischylos mit den Αἰγύπτιοι eine Einheit gebildet haben? Phantasieen bei Marx 340.
[914] 7. Μιλήτου ἅλωσις. Die einzige Quelle für den Inhalt ist die Erzählung des Herodot. VI 21: Ἀθηναῖοι μὲν γὰρ δῆλον ἐποίησαν ὑπεραχθέντες τῇ Μιλήτου ἁλώσει τῇ τε ἄλλῃ πολλαχῇ καὶ δὴ καὶ ποιήσαντι Φρυνίχῳ δρᾶμα Μιλήτου ἅλωσιν καὶ διδάξαντι ἐς δάκρυά τε ἐπεσε τὸ θέητρον καὶ ἐζημίωσάν μιν ὡς ἀναμνήσαντα οἰκήϊα κακὰ χιλίῃσι δραχμῇσι καὶ ἐπέταξαν μηκέτι μηδένα χρᾶσθαι τῷ δράματι. Marx 346 hat erkannt, daß die Schlußformel nicht, wie man früher glaubte (Haigh The attic Theatre 93. Schmid-Stählin II 173), die Aufführung in den Dementheatern verbietet, sondern die damnatio memoriae des Werkes ausspricht, (Wie der Prozeßverlauf zu denken ist s. Marx 344. v. Wilamowitz Einl. in d. gr. Trag. 91). Es ist also unwahrscheinlich, daß es noch irgend jemand in der Antike hat lesen können, auch gibt es – was allein nichts beweist - kein einziges Zitat. Daß Herodot für das Altertum wie für uns die einzige Quelle war, zeigt deutlich Kallisthenes bei Strab. XIV 635 = FGrH II 650, 30: ἠτύχησε δ’ ἡ πόλις (Milet) ἀποκλείσασα Ἀλέξανδρον καὶ βίᾳ ληφθεῖσα, καθάπερ καὶ Ἁλικαρνασσός· ἔτι δὲ πρότερον ὑπὸ Περσῶν· καὶ φησί γε Καλλισθένης ὑπ’ Ἀθηναίων χιλίαις δραχμαῖς ζημιωθῆναι τὸν τραγικόν, διότι δρᾶμα ἐποίξσε Μιλήτου ἅλωσιν ὑπὸ Δαρείου. Offenbar hat Kallisthenes (wie auch bei Gelegenheit der Eroberung von Sardes) die früheren Mißgeschicke der Stadt erzählt und mit literarischen Reminisoenzen geschmückt. Darauf wird (vermittelt durch Curtius) die geschwollene (περὶ ὕψους 3, 2) und nur den Herodotbericht ausschmückende Erzählung des Ammian. Marc. XXVIII 1, 3ff. zurückgehen, auf die Marx 343 sich nicht kritiklos hätte verlassen dürfen, ebensowenig wie auf das Aition des Paroimiographen Schol. Aristoph. Vesp. 1490 = Ailian. var. hist. XIII 16. Wie Nauck (frg. 17) gesehen hat, wird der von Plutarch mehrmals ohne Namen zitierte Vers: ἔπτηξ’ ἀλέκτωρ δοῦλον ὣς κλίνας πτερόν für P. beglaubigt durch Aristoph. Vesp. 1490:πτήσσει Φρύνικος ὥς τις ἀλέκτωρ (s. Nr. 3), den der genannte Scholiast so erklärt: παροιμία ἐπὶ τῶν κακῶς τι πασχόντων· ὑποκρινομένου γὰρ Φ.-ου τοῦ τραγικοῦ τὴν μιλήτου ἅλωσιν οἱ Ἀθηναῖοι δακρύσαντες ἐξέβαλον δεδοικότα καὶ ὑποπτήσσοντα. Das Autoschediasma ist mit Händen zu greifen, woher frg. 17 stammt, ist nicht zu erraten. Die Aufführung des Stückes ist wohl bald nach 494 zu denken, vielleicht im Archontat des Themistokles 493/92: Schmid-Stählin II 173.
8. Πλευρώνιαι (Πλευρωνία Suid., Πλευρωνιες [Dat] Paus. X 31, 4, Πλευρωνίαις Tzetz. Lykophr. 433). Wir kennen aus dem Drama nur einen einzelnen Sagenzug durch Paus. a. O.: Althaia erhält von den Moiren das Scheit, an welches das Leben des Meleagros geknüpft ist, und verbrennt es im Zorne. Seinen Tod schildert das von Pausanias zitierte Chorfrg. 6 – die Meleagersage war also nicht Gegenstand des Dramas, sondern war nur beiläufig erwähnt (v. Wilamowitz Berl. Kl.–T. V 1, 26) -, der hinzufügt: οὐ μὴν φαίνεται γε ὁ Φ. προαγαγὼν τὸν λόγον ἐς πλέον ὡς εὕρημα ἄν τις οἰκεῖον, προσαψάμενος δὲ αὐτοῦ μόνον ἅτε ἐς ἅπαν ἤδη διαβεβοημένον τὸ Ἑλληνικόν. Dies verrät, daß Pausanias aus einer Hypothesis (παρὰ τίνι κεῖται [915] (ἡ μυθοποιία;), vermutlich der des euripideischen Meleagros geschöpft hat. Bakchyl. V spiegelt dieselbe Brechung der reich ausgebildeten Sage. Pleuronische Frauen, vielleicht gefangene (Howald 45), bildeten den Chor, das von Tzetzes aus Pindarscholien zu Lykophr. 433 für die Ὕαντες zitierte frg. 3 führt in unbekannte Sagenzusammenhänge: ‚In dieses Land (also Aitolien) drang einmal ein Volk ein, wo einst die Hyanten wohnten, und alles war niedergebrannt‘ (v. Wilamowitz a. O.). Auch aus diesem Grunde ist die Ergänzung von Marx (Ἀλθαία ἢ) hinfällig; man könnte an Ἀγκαῖος denken (vgl. Robert Heldens. I 96, l). Robert Herm. XXXIV 153ff. möchte im Anschluß an Welcker die Belagerung von Pleuron als Inhalt ansetzen, was ihm Bakchylides bestätigt, also eine ähnliche Situation wie in den Sieben des Aischylos. Das ist nach der Bemerkung von v. Wilamowitz nicht mehr aufrechtzuerhalten. Literatur: Robert Heldens. I 92; Herm. a. O.
9. Τάνταλος, nur bekannt aus einer Worterklärung bei Hesych ἐφέδρανα.
10. Τρώιλος. Von Droysen Des Aischylos Werke übers.² 549 aus frg. 13 N. erschlossen; doch könnten die Troilos betreffenden Chorworte etwa auch aus einem Troerkatalog stammen, vgl. den Anfang der Perser und den - archaisierenden – Griechenkatalog der aulischen Iphigenie.
11. Φοίνισσαι. Auf die Identifizierung dieses Dramas mit den bei Suidas genannten Δίκαιοι ἢ Πέρσαι ἢ Σύνθωκοι (s. o. nr. 5) wurden seit Welcker und Droysen die abenteuerlichsten Konstruktionen aufgebaut. Unser tatsächliches Wissen besteht in folgendem. Die Hypothes. Aisch. Pers. gibt an: Γλαῦκος ἐν τοῖς περὶ Αἰσχύλου μύθων ἐκ τῶν Φοινισσῶν Φρυνίχου φησὶ τοὺς Πέρσας παραπεποιῆσθαι. ἐκτίθησι καὶ τὴν ἀρχὴν τοῦ δράματος ταύτην· τάδ’ ἐστὶ Περσῶν τῶν πάλαι βεβηκότων. πλὴν ἐκεῖ εὐνοῦχός ἐστιν ἀγγέλλων ἐν ἀρχῇ τὴν Ξέρξου ἦ τταν ,στορνύς τε θρόνους‘ τινὰς ,τοῖς τῆς ἀρχῆς παρέδροις‘, ἐνταῦθα δὲ προλογίζει χορὸς πρεσβυτῶν. (Die in Anführungszeichen gesetzten Worte erweisen sich durch den anapästischen Rhythmus und das poetische Kolorit als Zitat aus der Parodos.) Vielleicht bezieht sich auf diesen Eunuchen das neue Fragment bei Reitzenstein Der Anf. d. Lex. d. Phot. 154, 7: ἀπαγγελτῆρα· Φρύνιχος· ἐσθλῶν ἀπαγγελτῆρα μᾶλλον ἢ κακῶν. Daß in der Perserhypothesis Glaukos von Rhegion περὶ τῶν ἀρχαίων ποιητῶν τε καὶ μουσικῶν gemeint ist, kann nicht zweifelhaft sein: dieses Zeugnis des 5. Jhdts. über die Priorität des P. mit Marx 349 beiseite zu schieben, geht nicht an, mithin ist das Aufführungsjahr der Perser 472 nach wie vor terminus ante quem. Da von Plut. Perikl. 5 ein berühmter Sieg des P. unter der Choregie des Themistokles für 476 bezeugt ist, wird dies, wie Bentley Phalaris 286 Rib. kombiniert hat, das Aufführungsjahr sein. Über den Gang des Dramas wissen wir 1. durch Glaukos, daß es einen Prolog hatte, den ein Eunuch sprach, während er die Sitze für den Rat der Alten bereitete (vgl. Bethe Proleg. z. Gesch. d. Theaters 188f.). 2. Diese waren, wenn sie überhaupt auftraten, κωφὰ πρόσωπα, da der Chor aus Phönizierinnen (Titel, frg. 9. l0) bestand, wahrscheinlicher (frg. 10) Hierodulen [916] (Marx 354) oder aus Haremsfrauen ((Schmid-Stählin II 175) oder Witwen der gefallenen Seesoldaten (v. Wilamowitz Interpretationen 49). Sind oben die anapästischen Worte mit Recht der Parodos zugeteilt, so zog der Chor ein, bevor der Eunuch seine Tätigkeit beendet hatte, also vor den πάρεδροι τῆς ἀρχῆς. 3. Die Niederlage des Xerxes bei Salamis ist den Persern bei Beginn des Dramas schon bekannt. 4. Im Ammoniosschol. Pap. Oxy. II 221 col. 3 zu Hom. Il. XXI haben sich zwei Tetrameter des P. gefunden, zu deren Lesung und Wiederherstellung Diels Rh. Mus. LVI 29ff. den Grund gelegt hat; Marx 358 hat dann das Problem weiter gefördert. Für gesichert kann folgende Lesung gelten:
— ◡ πρ]ωΐην δεείλην πλείο[νες ◡ — ]ίων
ἄνδρες ἐκτείνοντο[ — ◡ ὀψί]ην ἐς δειέλην.
Marx 357 hat aus Herodot. IX 101, 2: τὸ μὲν γὰρ ἐν Πλαταιῇσι πρωὶ ἔτι τῆς ἡμέρης ἐγίνετο, τὸ δὲ ἐν Μυκάλῃ περὶ δείλην mit Recht geschlossen, daß sich die Verse des P. nur auf letztere Schlacht beziehen können, die sich auch in der Beschreibung Herodot. IX 102 deutlich in zwei Abschnitte (Kampf im Felde und um das Schiffslager) gliedert. Deshalb ist zwischen den zwei Hälften des Fragments ein Gegensatz herzustellen und mit Benutzung von Marx 357 τῶν μυρίων etwa so zu ergänzen:
τήν γε πρ]ωΐην δεείλην πλείο[νες τῶν μυρ]ίων ἄνδρες ἐκτείνοντο, [πάντες δ’ ὀψί]ην ἐς δειέλην
Aufgefallen sind jedem seit Diels die ionischen Formen in diesem Schlachtbericht. Es ist mit unserem Material nicht zu entscheiden, ob hier ein Archaismus des auch sonst ionisierenden P. vorliegt (Diels a. O. v. Blumenthal Aischylos 47), oder ob als Bote ein persertreuer Ionier auftrat, der dem Unheil bei Mykale entronnen war (Marx 358). Marx hätte für diese seine These weniger an die fremden Mundarten bei Aristophanes als an den ertrinkenden Perser bei Timotheos erinnern sollen. – Zu irgendwelchen Kombinationen über die politischen Motive des P., wie sie etwa. Schmid-Stählin II 174 macht, reicht, so betont v. Wilamowitz Interpr. 50, 1 mit Recht, unser Material ebensowenig aus wie für weitergehende Rekonstruktionen nach dem Vorbilde von Marx 359ff. Daß die am gleichen Tage wie bei Mykale geschlagene Schlacht von Plataiai ebenfalls berichtet wurde, ist zum mindesten sehr möglich.
D. Urteil der Zeitgenossen, Nachleben.
Bei der geringen Zahl der wörtlichen Bruchstücke muß die Schätzung der Mit- und Nachwelt helfen, ein Bild von der Bedeutung des P. für die Entwicklung der Tragödie zu gewinnen. Wenn bei ihm auch die chorischen Teile noch den Dialog bei weitem überwogen (so o. B), so zählte man ihn doch zusammen mit Aischylos unter die Begründer der klassischen Tragödie (Plut. qu. conv. I 5, 615 a). Nicht immer war er gleich erfolgreich. Der Verurteilung seiner Μιλήτου ἅλωσις steht der frühe Sieg von 511/8 und der späte von 476 gegenüber, vor allem aber eine Nachricht, die uns Ailian. var. hist. III 8 erhalten hat: Φρύνιχον Ἀθηναῖοι στρατηγὸν εἴλοντο οὐτε κατὰ σπουδὰς οὔτε κατὰ τὴν τοῦ γένους ἀξίαν οὔτε μὴν ὅτι ἦν πλούσιος: ... ἀλλ’ ἐπεὶ τοῖς πυρριχισταῖς [917] ἔν τινι τραγῳδίᾳ ἐπιτήδεια μέλη καὶ πολεμικὰ ἐξεπόνησεν (vgl. Aristoxenos/Athen. XIV 631 a), οὕτως ἄρα κατεκτήσατο τὸ θέατρον καὶ ἐκράτησε τῶν παρόντων, ὥστε παραχρῆμα αὐτὸν εἵλοντο στρατηγεῖν, πιστεύσαντες ὅτι τῶν πολεμικῶν ἔργων ἡγήσεται καλῶς καὶ ἐς δέον, ὅπου μὴ ἀπᾴδοντα τοῖς ἐνόπλοις ἀνδράσιν εἰργάσατο τὰ ἐν τῷ δράματι μέλη τε καὶ ποιήματα. Daraus ergibt sich außerdem, daß die Notiz der Suidasvita ἐποίησε καὶ πυρρίχας auf unseren P.‚ nicht auf Nr. 5, zu beziehen jst. Natürlich ist der Bericht für uns nicht überprüfbar (Quelle die ἐπιδημίαι des Ion von Chios?), aber er stimmt zu dem Verhalten der Athener gegen Sophokles (s. u. Bd. III A S. 1043). Ob das Lob, welches ihm Aischylos bei Aristoph. Ran, 1298ff. erteilt, auf einer Tradition über das Verhältnis beider Dichter zu einander beruht, wissen wir nicht, ist aber wahrscheinlich, ebenso darf man glauben, daß Sophokles ihn geschätzt hat (Ion von Chios/Ath. XIII 603f.), und Aristophanes liebt den Repräsentanten des ionisch gerichteten, vorpersischen Athen ganz offensichtlich sowohl als Dichter wie als Menschen (Thesm. 160ff.).
Nach der klassischen Zeit wurde P. rasch vergessen. Platon und Aristoteles erwähnen ihn nicht. Die Musiktheoretiker (Plut. de mus. 190 W. R. aus Aristoxenos, Ps.-Aristot. probl. XIX 31. 920 a 11) beziehen ihn noch ein, verdanken aber ihr Wissen vielleicht schon Glaukos von Rhegion, aus dem auch die Perserhypothesis, also Aristophanes von Byzanz, schöpft. Nach Alexandreia sind neun Dramen gekommen, wenn man der Zahl bei Suidas trauen darf. Sie sind für die Klassikerausgaben noch durchgearbeitet worden: daher die Zitate in den Scholien zu Homer, Pindar (frg. 5 s. o. C. 8), Euripides (frg. 6 s. o. C. 8), Aristophanes (aus ihnen Hesych)‚ den Metrikern (wenn aus erster Hand), dem Antiatticisten (v. Wilamowitz Interpret. 49, 1), selbst Didymos kennt ihn kaum direkt (frg. 11, wohl aus Aristoxenos, s. v. Wilamowitz a. O.). Kein Späterer hat ihn mehr gelesen. Wenn Marx 340 auf Grund der verstümmelten Suidasliste behauptet: ‚Klar ist, daß aus P. gleichermaßen wie aus Aischylos und Sophokles eine Auslese von sieben Dramen in einer Sonderausgabe im Altertume im Umlauf gewesen ist‘, so widerspricht das allem, was wir seit v. Wilamowitz von der Überlieferungsgeschichte der griechischen Literatur zu wismn glauben.
E. Literatur.
Fragmentsammlung FTG 720-725, seither hinzugekommen Pap. Oxy. II 221 col. 3 (s. o. C 11), Reitzenstein Anfang d. Lex. d. Phot. 154. 7. 152, 16. 88, 6. Zu streichen ist frg. 15. Lebensdaten: Prosop. Att. II 15008. Hauptdarstellungen: Droysen Des Aischylos Werke übers.² 542ff. W. Ridgeway The origin of Tragedy (Cambr. 1910) 64ff. v. Blumenthal Aischylos 46ff. Pickard-Cambridge Dithyramb Tragedy and Comedy (Oxford 1927) 90ff. Schmid-Staehlin II 170-177.
[v. Blumenthal.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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