Inhaltsverzeichnis
I. Quellen und Literatur
1. Hauptquellen.
2. Literatur.
3. Die Verbreitung der Illyrier.
4. Rassenzugehörigkeit.
5. Geschichte.
a) Vor dem Kelteneinfalle.
b) Vom Kelteneinfalle bis zum Eingreifen der Römer.
c) Die allmähliche Einbeziehung des Gebietes der I. in das römische Reich.
6. Romanisierung
7. Religiöse Verhältnisse.
8. Militärische Verhältnisse.
9. Politische Verhältnisse.
a) In vorrömischer Zeit.
b) In römischer Zeit
10. Das Leben der Illyrier.
a.) Wohnweise.
b) Familienleben
c) Sitten und Gebräuche.
d) Beschäftigung,
Nachträge und Berichtigungen
Anmerkungen (Wikisource)
Illyrioi, ein Zweig der indogermanischen Völkerfamilie, in historischer Zeit Sammelname für eine Reihe von Stämmen auf der südosteuropäischen Halbinsel.
I. Quellen und Literatur[1].
1. Hauptquellen sind die Berichte der antiken Schriftsteller und die Ergebnisse der archäologischen Forschung. Von griechisch schreibenden Autoren kommen namentlich Skylax, Skymnus, Thukydides, Polybius, Strabon, Diodor, Appian., Pausanias und Ptolemaios in Betracht, von lateinischen Pomponius Mela und der ältere Plinius. Die Ergebnisse der archäologischen Forschung sind für die ältere Zeit bei Evans Antiquarian researches in Illyricum Archaeologia XLVIII (1884) und Il. (1885), für die neuere in verschiedenen Aufsätzen in den beiden Zeitschriften Glasnik und den Wissenschaftl. Mitt. aus Bosnien und der Herzegowina und in der Reihe der Schriften der Balkankommission', Antiquarische Abteilung (Akad. d. Wiss. in Wien) niedergelegt. –
2. Literatur: Mommsen Unteritalische Dialekte. Helbig Studien über die älteste italische Gesch. (Herm. XI 257ff.)- Zippel D. röm. Herrschaft in Illyrien. Meyer Albanische Studien. Bezzenberger Essays und Studien zur Sprache, Gesch. u. Volksk. Oberhummer Akarnanien. Groeber Grundriß der roman. Philol. I 804ff. Pauli Altitalische Forschungen. Schulze Zur Gesch. lat. Eigennamen. Kretschmer Einleitung in d. Gesch. d. griech. Sprache 245ff. Tomaschek D. alten Thraker. Pedersen Kuhns Ztschr. f. vergl. Sprachwissensch. XXXVI. Gutscher Vor- und frühgesch. Beziehungen Istriens u. Dalmatiens zu Italien u. Griechenland (Progr. d. 2. Staatsgymn. Graz 1903). Ghirardini Atti d. congr. internaz. d. sc. stor. 1903, 5. 1904, 109ff. Hirt Indogermanen I 150ff. Schütt Unters. zur Gesch. [312] d. alten Illyrier (Diss. Bresl. 1910). Patsch Arch.-epig. Unters. zur Gesch. d. röm. Provinz Dalmatien in den Wissensch. Mitt. aus Bosnien (im folgenden nur mit Angabe des Bandes und der Seite zitiert, z. B. VI 171); ders. Bosnien u. Herzegowina in röm. Zeit (Zur Kunde der Balkanhalbinsel, Heft 15). Niese Gesch. d. griech. u. maked. Staat, seit der Schlacht bei Chaironeia. v. Scala Umrisse der ältesten Geschichte Europas. Kossinna D. deutsche Vorgeschichte, eine hervorragend nationale Wissensch., 1. und 2. Aufl.; ders. Versch. Aufsätze in der Mannus-Ztschr. (im folgenden nur mit Angabe des Bandes und der Seite zitiert). Thalloczy Illyr.-Alban. Forsch. Menghin Korr.-Bl. d. Wien, anthropol. Gesellsch. XLVII 83ff. Jokl Eberts Reallexikon der Vorgesch. VI 33ff. Krahe Die alten balkan-illyr. geographischen Namen (Indogerm. Bibl. III. Abt. 7. Heft); ders. Lexikon altillyr. Personennamen (Indogerm. Bibl. III. Abt. 9. Heft). Kahrstedt Studien zur Sozial- u. Wirtschaftsgesch. der Ost- u. Zentralalpen vor Augustus (Gött. Gel. Nachr. 1927, 1ff.). Weiss Geogr. Jahrb. XLII 172.
II. 1. Name. Ihren Namen führen die I. von Illyrios, dem in Illyrien geborenen, als Schlange gedachten Sohne des Kadmos und der Harmonia (s. o. Bd. IX S. 1088). Zusammenstellung der Namensformen bei Krahe 26. Vgl. auch Georges Lex. d. lat. Wortformen 336.
2. Der Begriff ,Illyrier‘. Der Begriff I. ist von Haus aus ganz unbestimmt (Jokl 33; vgl. die Vieldeutigkeil der Bezeichnung Illyricum, z. B. als römische Provinz vor Diocletian die Landschaften zwischen Arsia und Mathis, vorübergehend auch Pannonien umfassend, zur diocletianischen Praefectur Illyricum nahezu die ganze Balkanhalbinsel mit Ausnahme des östlichen Thrakien gehörig, der illyrische Zollsprengel [s. u.), der sich über die Provinzen Rätien, Noricum, Mösien, Dalmatien, seit Traian auch über Dacien erstreckt). Aus Plinius, der n. h. III 144 von Illyrii proprie dicti südlich des Naron spricht (ähnlich Mela II 3 s. u.), ergibt sich, daß schon die Alten den Namen I. keineswegs in einheitlicher Form verwendet haben. Zippel 10 sieht in dem Ausdruck Illyrii proprie dicti die Bezeichnung für die im mittleren Teile der adriatischen Küste etwas nördlich des Drilon wohnenden, den griechischen Schriftstellern schon bekannten I., auf die der zuerst nur für die im südlichen Abschnitt wohnenden gebrauchte Gesamtname übertragen wurde (auch bei Liv. XL 42, 1 Genthius als rex Illyriorum bezeichnet), während für die Nordillyrier auch weiterhin noch die Bezeichnung mit ihren Stammesnamen verwendet wurde. Bei den Griechen ist spätestens zur Zeit Herodots (IV 49 ἐξ Ἰλλυριῶν δὲ ῥέων πρὸς βορῆν ἄνεμον Ἄγγρος ποταμὸς ἐσβάλλει εἰς πεδον τὸ Τριβαλλικὸν καὶ ἐς ποταμὸν Βρόγγον) die Bezeichnung I. als Sammelname für eine Gruppe von Stämmen gebräuchlich, mit denen sie bei weiterem Vordringen nach Norden und Nordwesten bekannt wurden (Kretschmer 245).
3. Die Verbreitung der Illyrier. Für die Feststellung des Verbreitungsgebietes der I. haben wir zwei Möglichkeiten, die Berichte der alten Schriftsteller und die Ergebnisse der [313] sprachwissenschaftlichen und archäologischen Forschung. Wir wollen zuerst die Ansichten der Schriftsteller in dieser Beziehung kennen lernen. Wie wenig die Griechen, jedenfalls infolge der Unwegsamkeit des Siedlungsgebietes der I. (Schütt 7), noch im 4. Jhdt. v. Chr. über diese wußten, beweist Theopomp, dem Strab. VII 317 vorwirft, daß er οὐ πιστὰ λέγει. Der erste griechische Schriftsteller, dem wir genauere Mitteilungen über die I. verdanken, ist Skylax (um 350); er läßt cap. 21 das Verbreitungsgebiet der I. südwärts von den Liburnern beginnen und bis Chaonien reichen (μετὰ δὲ Λιβυρνούς εἰσιν Ἰλλυριοὶ ἔθνος καὶ παροικοῦσιν οἱ Ἰλλυριοὶ παρὰ θάλατταν μέχρι Χαονίας τῆς κατὰ Κέρκυραν τὴν Ἀλκινόου νῆσον). Nach Skymnos erstreckt es sich von den Hyllern südwärts bis zu dem Gebiete der Brygen (415ff. ἡ δ’ Ἰλλυρὶς μετὰ ταῦτα [Gebiet der Hyller] παρατείνουσα γῆ ἔθνη περιέχει πολλά· πλήθη γὰρ συχνὰ τῶν Ἰλλυριῶν λέγουσιν εἶναι καὶ τὰ μὲν αὐτῶν κατοικεῖν τὴν μεσόγειον νεμόμενα. 451 ὑπὲρ δὲ τούτοις εἰσὶ Βρῦγοι). Strabon VI 248 läßt es schon bei den Istrern beginnen, die Skymnos 391 noch für Thraker hält, und bezeichnet VI 253 als Südgrenze die Umgebung der Einmündung des Adriabusens in das Ionische Meer (ἐκ τῶν περὶ τὴν Ἐπίδαμνον καὶ τὴν Ἀπολλωνίαν τόπων λοῦσιν, ἐν δεξιᾷ μέν ἐστι τὰ Ἠπειρωτικὰ ἔθνη … ἑν ἀριστερᾷ δὲ τὰ ὄρη τὰ τῶν Ἰλλυριῶν …) VII 326 ἀναμέμικται δὲ τούτοις (Ἠπειρώταις) τὰ Ἰλλυρικὰ ἔθνη τὰ πρὸς τῷ νοτίῳ μέρει τῆς ὀρεινῆς καὶ τὰ ὑπὲρ τοῦ Ἰονίου κόλπου (ähnlich Paus. IV 35) τῆς γὰρ Ἐπιδάμνου καὶ τῆς Ἀπολλωνίας μέχρι τῶν Κεραυνίων ὑπεροικοῦσι, Βυλλίονές τε καὶ Ταυλάντιοι καὶ Παρθῖνοι καὶ Βρῦγοι. Appian Ill. 1 faßt die Ansicht der Griechen in dieser Frage mit den Worten zusammen: Ἰλλυριοὺς Ἕλληνες ἡγοῦνται τοὺς ὑπέρ τε Μακεδονίαν καὶ Θράλην ἀπὸ Χαόνων καὶ Θεσπροτῶν ἐπὶ ποταμὸν Ἴστρον καὶ τοῦτ’ ἐστι τῆς χώρας τὸ μῆκος· εὔρος δὲ ἐκ Μακεδόνων τε καὶ Θρᾳκῶν τῶν ὀρείων, ἐπὶ Παίονας καὶ τὸν Ἰόνιον καὶ τὰ πρόποδα τῶν Ἄλπεων· καὶ ἔστι τὸ μὲν εὔρος ἡμερῶν [εντε, τὸ δὲ μῆκος τριάκοντα (ähnlich Theopomp bei Strab. VII 317). Die Griechen verstanden also unter Illyrien das Land, welches im Süden von den keraunischen Bergen, im Westen vom Adriatischen Meere und den Ostalpen, im Norden von der Donau, im Osten vom Schar Dagh begrenzt wurde; die Grenzlinie zwischen Donau und Schar Dagh konnten sie mangels entsprechender Kenntnisse nicht anführen (Zippel 5). Was die Ansicht der Römer in diesem Belange war, wissen wir nicht; denn was Appian Ill. 6 hiefür angibt (Ῥωμαῖοι καὶ τούσδε, καὶ Παίονας ἐπ αὐτοῖς, καὶ Ῥαιτοὺς καὶ Νωρικοὺς καὶ Μυσοὺς τοὺς ἐν Εὐρώπῃ, καί ὅσα ἄλλα ὁμορα τούτοις ἐν δεξιᾷ τοῦ Ἴστρου καταπλέοντι ᾤκηται, διαιροῦσι μὲν ὁμοίως τοῖς Ἑλλησιν ἀπὸ Ἑλλήνων, καὶ καλοῦσι τοῖς ἰδίοις ἑκάστους ὀνόμασι· κοινῇ δὲ πάντας Ἰλλυρίδαἡγοῦνται … ὅπου καὶ τὸ τέλος τῶνδε τῶν ἐθνῶν ἀπὸ ἀνίσχοντος Ἴστρου μέχρι τῆς Ποντικῆς θαλάσσης, ὑφ’ ἓν ἐκμισθοῦσι, καὶ Ἰλλυρικὸν τέλος προσαγορεύουσιν; ähnlich scr. hist. Claud. 15 (Claudius) dux factus est et dux totius Illyrici, habet in potestate Thracios, Moesos, Dalmatas, Pannonios, Dacos exercitus) ist das Gebiet des illyrischen Zollsprengels (Bartoli D. Dalmatische 174). [314] Pomponius Mela II 3 aber, der offenbar ältere Quellen als Vorlage benützt hat, schränkt das Gebiet der I. noch mehr als Plin. n. h. III 144 (s. o.) ein: Partheni et Dassaretae prima tenent: sequentia Taulantii, Encheleae, Phaeaces. Deinde sunt, quos proprie Illyrios vocant: tum Pyraei et Liburni et Istria. Suet Tib. 16 gibt mit den Worten toto Illyrico, quod inter Italiam regnumque Noricum et Thraciam et Macedoniam interque Danubium flumen et sinum maris Adriatici patet, perdomito über die Ausdehnung der römischen Provinz Illyricum Aufschluß.
Immerhin erlauben sprachliche Untersuchungen, die bei der Spärlichkeit und semiasiologischen Unsicherheit des überlieferten Materials (neben ganz wenigen Glossen hauptsächlich Personen- und Ortsnamen; Sammlungen dieser durch Krahe Indogerm. Bibl. III. Abt. Heft 7. 9) vor allem formale Eigentümlichkeiten berücksichtigen müssen (Jokl 34), einigermaßen die Feststellung des Siedlungsgebietes der I. Namensippen, wie Tatto, Platon u. a. sind Belege nicht mehr für Einzelwanderungen, die nie so stark sein können, sondern für Volkswanderungen (v. Scala Mitt. d. anthrop. Ges. Wien XLII 55).
Bei der erwähnten Unzulänglichkeit des Materials ist die Frage noch nicht völlig eindeutig entschieden, ob das I. eine Kentum- oder Satemsprache sei. Die Feststellung seines Charakters wird eben dadurch erschwert, daß in den für die Verbreitung der I. in Betracht kommenden Gebieten aus dem Altertum nur zwei ausgestorbene Sprachen, das Venetische und das Messapische, in äußerst fragmentarischer Überlieferung und aus der neueren Zeit eine lebende Sprache, das Albanische, bekannt ist. Da sich diese Sprachen an der Peripherie des wahrscheinlichen Verbreitungsgebietes der I. finden, ist es immerhin möglich, ihnen die Zugehörigkeit zum I. abzusprechen (Pedersen Gnomon III 291). Das Albanische ist zweifellos eine Satemsprache, die mit dem Baltisch-Slavischen und dem Armenischen den westlichen Flügel der östlichen Hälfte des indogermanischen Sprachstammes bildet, das Venetische und das Messapische gelten, wenn auch nicht bedenkenlos) als Kentumsprachen (Pedersen a. O.). Tomaschek, Kretschmer und Hirt suchen ihre Ansicht, im I. eine Kentumsprache zu sehen, unter anderem durch den Hinweis auf den Namen Vescleves zu stützen, dessen zweiten Bestandteil sie mit dem griech. κλέϝος in Beziehung bringen; die Beweiskraft dieses Wortes wird allerdings mit Unrecht (Menghin 35) von anderen im Hinblick auf lit. klausiti (= hören) bestritten. Gegenüber dieser Anschauung (Ergänzungen Much Korr.-Bl. d. anthrop. Ges. Wien XLVII 40) gewinnt die Auffassung, das I. als Satemsprache zu bezeichnen, an Verbreitung (zuletzt Jokl 38, der seine Ansicht durch einige Beispiele aus der Toponomastik [dazu Skok Ztschr. f. Ortsnamenforschg. IV 208] und durch den Hinweis auf Übereinstimmungen des Albanischen mit dem I. [Eberts Reallexik. der Vorgesch. I 86] stützt). Das illyrische Satemidiom ist durch Labiovelare gekennzeichnet. In den Reflexen ist bei indogerm. k, g auch noch ein Verschlußlaut hörbar (Hermann Kuhns Ztschr. XLI 42. 44). Die Mediaaspirata (bh, dh) [315] wurde zur Zeit der älteren illyrisch-griechischen Berührung noch als solche gesprochen (vgl. Φαίακες, Βαιάκη Stadt im Innern Chaoniens [Kretschmer 281], γράβιον [Holz einer Eichenart zu Fackeln verwendet, Athen. XV 699 e, γράφιον Fackel [Kretschmer Festschr. f. Bezzenberger 90. 93]). Später wurde das indogerm. bh auch im I. zu b (Catarbates, Basterbini Plin. n. h. III 105, im Venetischen allerdings zu f (Sommer Indogerm. Forschung. XIII 124f. vhraterei, idg.: brather Bruder]).
Der Vokalismus darf bei der Betrachtung der Sprache der I. nicht viel beachtet werden, da die Überlieferung auch innerhalb derselben Wörter sowohl im Norden wie im Süden Schwankungen zeigt (z. B. Strab. VII 315 Ἀρουπῖνοι. Appian. Ill. 16 Αὐρουπῖνοι; Ptolem. II 15, 4 Σαλούα, Not. dign. or. XXXIII 3 Solva; vgl. auch Skok Ztschr. f. Ortsnamenforschg. IV 208).
Jüngst hat Krahe Indogerm. Bibl. III. Abt. 7. Heft 78ff. und 9. Heft 140ff. eine Zusammenstellung sämtlicher Grundelemente des I. aus den geographischen Namen und den der Personen versucht, wobei er ausdrücklich betont, daß ihre Herausschälung zum guten Teil hypothetisch bleiben muß, solange wir die Bedeutung der Namen nicht kennen (bisher nur Versuche, die von den alten griechischen und römischen Schriftstellern nach dem Gehör überlieferten illyrischen Elemente mit Hilfe der albanischen Sprache zu deuten; denn unter 5140 illyrischen Wörtern nur 400 indoeuropäische Urwörter, vgl. G. Meyer Etymolog. Wörterbuch d. albanischen Sprache, Ztschr. f. vergl. Sprachforschung IX 132. 206). Kretschmer 246f., Jokl 34ff. und zuletzt Krahe 41ff. haben auch eine Zusammenstellung der Bildungsmittel der illyrischen Namen (Krahe vor allem der geographischen bezw. der Personennamen mit Verzeichnung der wichtigsten Literatur) in dem zweifellos von I. bewohnten ostadriatischen Gebiete (Liburnien, Dalmatien, Epirus, Dardanien und Paionien) und überdies eine reichhaltige Sammlung aller entsprechender Beispiele geliefert. Krahe unterscheidet in geographischen Namen folgende Elemente: Das n-Element (S. 41ff., z. B. Loranum, Παρθηνοί, Narona), das nt-Element (S. 51ff., z. B. Amantia, Dalluntum), -ns (S. 55, z. B. Καρήνσιοι), -nk (S. 56 Καρουάγκας ὄρος, Αὐσανκαλεί), -amno (S. 57 Ἱεραστάμναι, gegen die Richtigkeit dieses Elementes Jokl Ztschr. f. Ortsnamenforsch. II 242), -r (S. 58ff. Scirtari, Jader, Ἄψωρος, Μουίκουρον), -l (S. 61 Δρίλων, Metulum), t (S. 62ff. Αὐταριᾶται, Lamatis), -d (S. 66 Speridium), -s (S. 66 Marusio), st (S. 68ff. Tergeste), -k (S. 72 Λόψικα), -kl (S. 72 Siclis), -g (Σίδραγα), -op (S. 73 Δερρίοπες), -opl (S. 74 Ὄρτοπλα), -u (S. 74 Bistue), -i (S. 75ff., übrigens in allen indogermanischen Sprachen sehr häufig, z. B. Arupio). In einer neuen Untersuchung, dem Lexikon altillyrischer Personennamen, weist Krahe 139ff. nicht nur wiederholte Übereinstimmungen der Grundelemente und Suffixe der Personennamen mit den Ortsnamen nach (z. B. Βάρδυλις, Barduli; Burnio, Burnum), sondern zeigt 145ff. auch durch Zusammenstellung von 48 Personen- und Ortsnamen gemeinsamen Bildungstypen die Zugehörigkeit beider Arten von Namen zu derselben Sprache (z. B. [316] Personennamen Arizinos, Volksname Βουλῖνοι, Ortsname Νήδινον). Die Mehrzahl der illyrischen Personennamen ist scheinbar einstämmig, in Wirklichkeit sind sie Kurzformen von Composita, bezw. suffixale Erweiterungen solcher Kurzformen (z. B. Scenas, Sceno, Scenobarbus; Levo, Etleva), die restlichen S. 152ff. sind, soweit sie überhaupt illyrisch sind und nicht, wie z. B. die für das illyrische Gebiet geradezu eigentümlichen Namen wie Bato, Dases, dem Sprachgute der vorindogermanischen Bevölkerungsschichte angehören (anders v. Scala Mitteil. d. anthrop. Ges. Wien XLII 55), entsprechend der indogermanischen Namengebung Composita einstämmiger, bezw. daraus zu begreifender Kurzformen.
Die Sprache der I. war von der makedonisch-griechischen wesentlich verschieden, so daß I. und Makedoner sich ohne Dolmetsch nicht verständigen konnten (Polyb. XXVIII 8, 9). Auffallende Übereinstimmungen mit dem I. weist das Thrakische auf, z. B. die Verwendung der Bildungssilben -st, -ant, -op, -bh (z. B. Ῥήσιστον an der Küste der Propontis, Βριάνται ein bei Herodot genannter Volksstamm, Ἀξίοπα in der Nähe des Schwarzen Meeres, Ἐντριβαί ein von Hekataios erwähnter Volksstamm), manchmal gar Parallelen in Stamm- und Bildungsart (Λάγγαρος Fürst der Päonier, Longarus König der Dardaner, der thrakische Name Δίτας und der illyrische Frauennamc Dito). Zahlreiche Parallelen in Orts- und Stammesnamen im thrakischen und illyrischen Gebiet, auf die Fick Hattiden und Danubier 27. 29. 31 hingewiesen hat (z. B. Τραλλία in Illyrien, Τράλλεις, Τράλλιον im Lande der bithynischen Thraker, Βαντία in Illyrien und in Apulien, Βάντιοι Volk in Thrakien) erklären vielleicht auch die verschiedenen Angaben in der Überlieferung bezüglich der nationalen Zugehörigkeit mancher Volksstämme (Jokl 45, z. B. die Bezeichnung der Istrer als I. bei Appian. Ill. 8 und Strab. VII 314, als Thraker bei Apollod. frg. 119. Ps.-Skymn. 391; die dalmatischen Δάρσιοι nach Appian. Ill. 2 und Plin. n. h. III 143 J., nach Hekat. bei Steph. Byz. 226 ed. Meineke Thraker) und die von Hehn Kulturpflanzen und Haust.⁸ 551. D’Arbois de Jubainville Les prem. habits de l’Europe I 300 und zuletzt von Fick Hattiden 31 ausgesprochene Vermutung von der Verwandtschaft der I. und Thraker verdient Beachtung (Jokl 45, ebd. XIII 295ff.). Noch weitergehende lautgeschichtlich gemeinsame Züge verknüpfen das Baltische mit dem I. (vgl. z. B. die Verwendung der Bildungssilben -st, -ur, z. B. Tilurius, Fluß in Dalmatien, litauischer Fluß Indura; vgl. Buga Rocznik slaw. 6, 38. Nar, Fluß zwischen Pyraeern und Liburnern, altpreußischer Flußname Narus. Σιδρῶνα, Ort in Dalmatien, Sidra, linker Nebenfluß der Bober). Diesen Beziehungen des Illyrischen zum indogermanischen Osten stehen nicht minder bedeutungsvolle Übereinstimmungen mit dem Westen, mit dem Griechischen, Italischen und Keltischen gegenüber (Kretschmer 256ff. 274; z. B. mit dem Griechischen Ortsnamen auf -on, -ona, Μηκώνη, Ethnika auf -to, Βοιωτοί). Dagegen läßt sich die Übereinstimmung des Ligurischen mit dem Illyrischen (D’Arbois de Jubainville II 154. Much Korresp.-Bl. d. deutschen Ges. f. Anthrop. XXXVI 103f., z. B. [317] Draon Nebenfluß der Isère, Dravus Nebenfluß der Donau, Mura Name verschiedener Dörfer in Südfrankreich, Mur Nebenfluß der Drau), da die Ligurer keine Indogermanen waren, nur aus einem Vorstoß indogermanischer Siedler, die mit den I. irgendwie verwandt waren, in deren Gebiet erklären.
Die I. haben bei ihrer Verbreitung über so ausgedehnte Gebiete verhältnismäßig viele fremde Elemente in ihre Sprache aufgenommen, wobei manche Übereinstimmung mit der vorindogermanischen Bevölkerung, auf die sie namentlich im Süden stießen, in der Verwendung einiger Ableitungssilben eigentümlich ist. Für Griechenland haben Kretschmer und Fick einwandfrei die vorindogermanische Schicht erwiesen, aber auch im Norden, Nordosten und Nordwesten der Adria war der vorindogermanische (kleinasiatische und etruskische) Einfluß von Bedeutung (z. B. die in den geographischen Namen Liburnia und Teurnia [Plin. n. h. III 141 bezw. 146] vorkommende Ableitungssilbe -urn auch im Etruskischen [z. B. Calpurnius Schulze Lat. Eigennamen 138. 523, 5); Parallelen illyrischer Namen zu kleinasiatischen bei Scala, Umrisse 76; (vollständige Sammlung bei Jokl 47 und Krahe 9f.). Bezüglich der weiten Verbreitung der vorindogermanischen Toponomastik nach Norden vgl. den Ortsnamen Mutenum in Pannonia superior und Mutena in Italia, und dazu den etruskischen Personennamen muteni (CIE 3082). Auch die lautliche Eigenheit des Etruskischen, der Wechsel von Tenuis und Tenuis aspirata (Schulze 177f.) ist dem I. nicht unbekannt (z. B. Liv. XLIV 31 Gentius und Γένθιος Bechtel-Collitz GDI 2356 Magnesia; vgl. Jokl 47ff.).
Trotz des eigentümlichen Gepräges der Orts- und Personennamen (s. o.) fehlt also dem Illyrischen ein entscheidendes, leicht greifbares Merkmal; denn die morphologische Rolle des st-Elementes, seines auffallendsten Kennzeichens, ist nicht bestimmbar und in suffixalen Silben auch in anderen indogermanischen Sprachen gebräuchlich (Pedersen 294), die Verwendung des Suffixes -ino (s. o.) aber bringt das I. möglicherweise in ein näheres Verwandtschaftsverhältnis zum italischen Sprachzweige (Saussure Recueil des publications scientifiques 567. 572), worauf auch Übereinstimmungen in den geographischen Bezeichnungen hinzuweisen scheinen (Krahe 47; s. u.).
Dem Hinweise Muchs Ztschr. f. d. deutsche Altertum XLI 97, daß mehrere Ortsnamen wie Λευκάριστος, Νομιστήριον, Στραγόνα in der ptolemäischen Karte von Germania magna die für die Balkanillyrier eigentümlichen Stamm- und Bildungssilben oder beide aufweisen, trug Kossinna IV 183. 287f. Rechnung; hat nämlich dieser Forscher bisher den ostdeutschen Kulturkreis, den er von der zweiten Periode der Bronzezeit an unterscheidet, den Karpodaken zugeschrieben und ihn somit mit dem ostungarischen in Verbindung gebracht, so sucht er, da überdies verschiedene Bronzetypen (bandförmige Beinspiralen, Fuß-, Knöchel-, Armringe, Endspiralscheiben) sich an der mittleren Donau ebenso finden wie in Norddeutschland, ihre Anknüpfung an die prähistorische Kultur West- und Nordungarns, Niederösterreichs und Mährens und bezeichnet als [318] seine Träger die Nordillyrier (Much in Hoops Reallex. III 893f.). Diese wandern seines Erachtens (Kossinna Die deutsche Vorgesch.² 44. 62. 64) im Laufe der zweiten Periode der Bronzezeit zum Teil von Böhmen, Mähren und Nordwestungarn, das zu dieser Zeit (Kossinna IV 176), vielleicht auch in der ersten Periode (Szombathy Mitt. d. Wien, anthr. Ges. XLVII 137) ihr Bereich war, in das damals menschenleere Ostdeutschland, Schlesien, Posen, Hinterpommern und Westpreußen ein (Kossinna Die deutsche Vorgesch.² 44. 62. 64); ihr Gebiet, dessen nordöstliche Ecke mit der Mündung der Oder zusammenfiel, griff über diesen Fluß nach Westen hinaus und umfaßte die Kreise Oberbarnim, Angermünd, Prenzlau, Randow, Uckermünd, Anklam und die Insel Wollin (Kossinna IX 116), erstreckte sich ostwärts über die Weichsel (Reinecke Der bairische Vorgeschichtsfreund VI 31) und grenzte an der unteren Oder unmittelbar an die Germanen, welche in der frühen Bronzezeit das Gebiet zwischen Ems und Oder inne hatten (Kossinna D. deutsche Vorgesch.² 44. 62. 64). Der Name Veneti, den sie bei den Germanen zu Augustus’ Zeiten (Tac. Germ. 46) und sicherlich schon mehrere Jahrzehnte früher führten, ist nach Much Reallex. IV 509 später auf die hinter ihnen sitzenden Slaven übergegangen, denen nach dem Abzug der I. nach Süden deren Rolle, Ostnachbarn der Germanen zu sein, zufiel (Kossinna IV 293f. Much Reallex. IV 509; ähnlich, nur etwas zurückhaltender über die ostdeutschen Veneter Hirt Indogerm. 152; vgl. auch Oberhummer Korr.-Bl. d. Wien. anthrop. Ges. XLVII 41. Much ebd. 42). Die Verbreitung der Brillenspiralfibel spricht nach Szombathy 141 dafür, daß die I. aus diesen Gebieten Nord- und Ostdeutschlands erst vor den Ostgermanen, die sich seit etwa 800 von der Weichselmündung südwärts allmählich bis nach Oberschlesien vorschoben (Kossinna D. deutsche Vorgesch.² 95), und etwas später während des 6. und 5. Jhdts. vor den nach dem westlichen Ostdeutschland vordrängenden Westgermanen zurückgewichen sind (anders Kossinna D. deutsche Vorgesch. 42. IV 291, der schwankt, ob die Zurückdrängung der I. erst zu dieser Zeit erfolgte oder schon während der dritten Periode im 13. und 12. Jhdt. v. Chr.). Die I. besiedelten nun das Gebiet von Böhmen bis einschließlich Nordostungarn (Kossinna IV 184); durch die von Süden her über Siebenbürgen sich ausbreitenden Thraker wurden sie in der vierten Bronzeperiode über das rechte Theißufer zurückgeworfen, behaupteten aber das Banat (KossinnaIV 179).
Von hier stießen sie südostwärts vor. Die Ausbreitung der I. über die südosteuropäische Halbinsel erfolgte im Osten und Süden früher als im Westen (Kretschmer 255. 257). Hier ist sie nach Meyer Gesch. d. Altert I³ 2, 805 vermutlich ins 13. Jhdt. (s. o.) zu setzen und hat, die Richtigkeit des Zeitansatzes vorausgesetzt (s. o.), das Vordringen der thrakischen Stämme der Phryger und Myser nach Kleinasien (Meyer 805) [ob mit (Hirt Indogerm. I 136) oder ohne einzelne Teile der auf der Balkanhalbinsel am weitesten vorgedrungenen Stämme (Thraemer o. Bd. IV S. 2177), unentschieden (Patsch IOA X174. Menghin 36)] und das der Griechen [319] nach Süden (Kretschmer 255f. 280) ausgelöst (Patsch IOA X 174).
Die Gebiete, in denen die I. an Griechen und Thraker grenzten, sind begreiflicherweise nicht frei von Übergängen und Vermischungen (Kossinna IV 290). So weist die Bevölkerung von Thessalien und Epirus in ihrer Gesamtheit einen griechischen und einen illyrischen Einschlag auf (Strab. VII 326. Kretschmer 255. Fick Vorgriech. Ortsnamen 142f. 148. Treidler Archiv f. Anthropologie IL 98f., vgl. z. B. die griechische Enklave um Dodona, Kretschmer 255. 257). Doch die für diese Tatsache wiederholt, so auch von Kretschmer 255 angeführte Stelle Eurip. Phoen. 138, in der der Aitoler Tydeus als ἀλλόχρως μιξοβάρβαρος bezeichnet wird, ist nicht stichhaltig, da sie sich nach Hohmann Aitolien und die Aitoler bis zum lamischen Kriege, Halle Diss. 1908, 41, dem auch Treidler 119 folgt, nicht auf die Nationalität des Mannes, sondern nur auf seine eigenartige Bewaffnung bezieht.
Wie weit der Vorstoß der I. in Epirus gegangen ist, ergibt sich aus der Tatsache, daß die Stadt Aiginion in der Landschaft Tymphaia im Nordwesten Thessaliens für illyrisch galt (Steph. Byz. 641 ed. M.) und das Gebiet der Athamanen, deren ursprüngliche Sitze unweit von Apollonia zu suchen sind, als χώρα Ἰλλυρίας bezeichnet wurde (Steph. Byz. 33 ed. M. Treidler 103). Zusammenstellung der illyrischen Ortsnamen für Thessalien Krahe 115, der illyrischen Personennamen v. Scala Umrisse 51. 71ff., für Makedonien bei Krahe 112; vgl. auch Hirt Festschrift f. Kiepert 186; Indogermanen 155. Hoffmann Die Makedonen 160ff. Krahe 115 ist im Irrtum, wenn er zweifelt, ob I. über Thessalien hinaus nach Süden und Südosten vorgedrungen seien, wie z. B. Fick Vorgriech. Ortsnamen 87 und Hirt Festschrift f. Kiepert 186 und jüngst Jokl 36 annehmen; denn die archäologischen Forschungen Weeges Athen. Mitt. XXXVI 184ff. über die Anfänge der prähistorischen Ansiedlung an Stelle des späteren Olympia beweisen, daß diese durch ein von Norden her eingedrungenes Volk angelegt ist, das Spuren seiner Kultur längs der Ostküste der Adria, z. B. in Bosnien, hinterlassen hat und vielleicht ein Zweig jenes Volksstammes gewesen ist, der kurz vor dem Ende der äneologischen Zeit die ganze italische Halbinsel durchzogen hat. Aetolien und Akarnanien ist zwar arm an illyrischen Namen (Oberhummer Akarnanien 42), doch Thukydides betont mehrfach den barbarischen Charakter ihrer Bewohner, und von der Sprache der ätolischen Eurytanen bemerkt er III 94, daß sie völlig unverständlich sei (ἀγνώστατοι γλῶσσαν). Daß wir Nestaier am Flusse Nestos bei den Städten Scardona und Promona (Skyl. 23) und in den Keraunien südlich von Apollonia,, Buliner als Nachbarn der Liburner (Skyl. 22) und in Makedonien in der Nachbarschaft der Oresten treffen (Plin. n. h. IV 35) oder den Namen der nordillyrischen Hylleer (Skyl. 22) im Ὑλλαικὸς λιμὴν auf der Insel Kerkyra (Thuk. III 72, 3. 81, 2) wieder finden (vgl. auch das Vorkommen des Namens der Insel Kerkyra in der Adria z. B. Skyl. 23 und die Tatsache, daß Strab. VI 269 für Korkyra Liburner bezeugt), sind Beweise für das Bestreben [320] der I., sich nach Süden auszudehnen (Treidler 114f. 118). Oberhummer Akarnanien 65 weist allerdings mit Recht darauf hin, daß vom 6. Jhdt. an die illyrischen Barbarenstämme der überragenden griechischen Nachbarkultur ihr Volkstum opfern mußten. Auch die Bewohner der restlichen Randgebiete Makedoniens stellen ein Mischvolk dar, das gleichfalls unter der Hellenisierung immer mehr und mehr den illyrischen Einschlag verlor (vgl. das für illyrische Namen eigentümliche st-Suffix, z. B. Oresten, Lynkestes).
Als Mischvolk der I. und Thraker erscheinen auch die Paeonen (nach Tomaschek Die alten Thraker I 13ff., Kretschmer 246, und Kazarovv Klio XVIII 20ff. illyrischer Abkunft, vgl. z. B. den Namen des paeonischen Stammes Παιόπλαι Herod. V 15. VII 113 mit dem z. B. bei Ptolemaios II 16, 2 genannten Orte Ὀρτόπλα in Liburnien, die Bildung der paeonischen Personennamen Πάτραος CIA II 312, 37 im Vergleich mit Licaus miles c(ohortis) VII Dalmatorum Dess. II 2577).
Auch in Italien treten uns frühzeitig I. entgegen. Dorthin wandten sich große Teile dieses Volkes (Kretschmer 259) auf dem Land- (Hehn Kulturpflanzen und Haustiere⁸ 58) und Seewege, als sie an einer weiteren Ausbreitung auf der südosteuropäischen Halbinsel durch die dichte Bevölkerung dieser Landstriche und die unwegsamen Gebirge gehindert worden sind (Meyer Gesch. d. Altertums I³ 2, 884. Pais Stud. Ital. I 358 Anm. Kretschmer 257f. Plin. n. h. III 102 Brundisio conterminus Poediculorum ager, novem adulescentes totidemque virgines ab Illyriis XII populos genuere). Sie stellten also nicht den letzten Rest einer autochthonen Bevölkerungsschichte Italiens dar, wie Mommsen Ünteritalische Dialekte früher angenommen hat. Die Funde von Este sind den Venetern zuzuschreiben, deren allerdings etwas entferntere Zugehörigkeit zu dem illyrischen Stamme zwar ziemlich allgemein angenommen (zuletzt Fleischer Mannus Ztschr. XIII/XIV 60f.), aber nicht ganz unbestritten geblieben ist (Menghin 37). (Auch die Schriftsteller der Alten sind darüber nicht einig, vgl. Strab. V 212 περὶ … τῶν Ἐνετῶν διττός ἐστι λόγος). Als Zeitpunkt für die Einwanderung der Veneter ergäbt die Archäologie das Ende des 2. Jahrtausends v. Chr. (Montelius Die vorklassische Chronologie Italiens 176). Die Ansicht Kossinnas IV 287ff., I. nicht nur für Venetien in der zweiten und dritten Bronzezeitperiode, sondern auch für die südlich des Po gelegenen oberitalische Terramarekultur archäologischer Funde wegen (z. B. die ansae lunatae als Nachfolger der steinzeitlichen Mondhenkelkrüge, zweiteilige Fibeln, Bronzeschwerter) anzunehmen, weist Szombathy 138 zurück, indem er bemerkt, daß alle von ihm ins [Treffen geführten Gründe nicht zwingend genug erscheinen, die seit Helbig bestehende Anschauung zu erschüttern, die Terramare den Italikern zuzuschreiben. Die zuletzt von Szombathy 134 im Anschluß an Pauli geäußerte Meinung, daß die Einwanderung der I. zuerst in Mittelitalien erfolgt sei, bestreitet Menghin 44. Auch die Ansicht Paulis, daß die I. erst von den Italikern verdrängt worden seien, [321] ist unhaltbar. Immerhin sind Spuren der I., die nach Mittelitalien wahrscheinlich auf dem Seewege von der gegenüberliegenden Küste eingewandert sind, noch in historischer Zeit nachweisbar. Außer der Nachricht bei Plin. n. h. III 112 (Siculi et Liburni plurima eius tractus [Umbriae] tenuere) über Liburner in Umbrien und Picenum (Plin. n. h. III 110) Truentum solum Liburnorum in Italia relicum erinnert das Iapuzkum numen auf den iguvinischen Tafeln an I.; auch der Name der Tadinaten und Narten (der Anwohner des Narflusses, vgl. Narona), die mit den Iapuden in einer alten Fluchformel wie auch in einer Opfervorschrift als Peregrine bezeichnet werden, dürfte illyrisch sein. Durch diese illyrischen Elemente Umbriens erklärt sich auch die Entlehnung und Verwendung des illyrischen Götterbeinamens Grabovius (Eichengott) für Iuppiter (Kretschmer Festschrift f. Bezzenberger 93). Am stärksten treten I. an der Ostküste, vor allem in der Landschaft Picenum und Umbria entgegen, dem entsprechend finden wir im ganzen Küstengebiet des alten Picenum, in Numana bis ins 3. Jhdt. v. Chr. anstelle der sonst weitum üblichen Leichenverbrennung Skelettbestattung (Gutscher 15). Das Alphabet dieser I., aus den früher für sabellisch gehaltenen Inschriften bekannt (Pauli 429) und in mancher Beziehung dem korinthisoh-kerkyräischen verwandt, kennt noch nicht die Aspiraten φ und χ. Aber auch in Latium finden sich Spuren zersprengter illyrischer Kolonisten. Ohne jeden Zusammenhang mit den Venetern in Oberitalien halten verschiedene Namen die Erinnerung an die I. wach, z. B. die eingegangene Gemeinde der Venetulani (Plin. n. h. III 69), die Epeer (Dionys. II 1), Ardea (bei Verg. Aen. X 688. XII 22. 934, als Stadt der Daunier bezeichnet), Praeneste und Laurentum mit den dem Illyrischen eigentümlichen Bildungssilben (Szombathy 134).
Die von Helbig Herm. XI 258f. im Widerspruch zu Mommsen Unterital. Dialekte aufgestellte und durch zahlreiche Zeugnisse über den Seeverkehr zwischen Griechen und Unteritalien bestätigte Ansicht, daß die Japuden nicht auf dem Landwege in Italien eingewandert und von den Italikern zurückgedrängt, sondern über die Meerenge von Otranto vorgedrungen sind, hat den Beifall zahlreicher Forscher gefunden (Oberhummer Akarnanien 56. Nissen Ital. Landeskunde I 543. Busolt Griech. Gesch. I 239. Deecke Burs. Jahresber. XLIV 273f., zuletzt Philipp o. Bd. IX S. 735). Die illyrische Einwanderung folgt hier auf die altsabellische (Philipp 737); sie fällt in die Zeit der dorischen Wanderung, mit der, wie schon bemerkt, eine umwälzende Verschiebung der Stämme im Norden der südosteuropäischen Halbinsel verknüpft war. Die römische Bezeichnung Graeci für die Griechen ist durch Berührung illyrischer Elemente mit dem hellenistischen Stamme der Γρᾶες um Dodona (s. o.) und die Vermittlung seines Namens an die Römer durch sie nach ihrer Einwanderung in Italien bedingt (v. Wilamowitz Herm. XXI 114ff.), was vor Beginn der griechischen Kolonisation in Italien, also vor dem 8. Jhdt., erfolgt sein muß, da sonst der von den Griechen für sich gebrauchte Name Hellenen in die lateinische [322] Sprache eingedrungen wäre (Menghin 44. Treidler 102). Die sprachliche Zuteilung der Iapuden und Messapier zu den I. wird durch die Nachrichten des Altertums über die Einwanderung illyrischer Stämme in Italien, durch Übereinstimmung der Stammes- und Ortsnamen auf beiden Seiten der Adria und die Wiederkehr zahlreicher illyrischer Personennamen an der Ostküste Italiens bestätigt (Genaueres bei Philipp 731S.). Über die linguistische Stellung der messapischen Sprache vgl. Deecke Rh. Mus. XXXVI 577ff.
Die geographischen Namen illyrischen Ursprungs gesammelt bei Krahe 103ff. für Unteritalien, 106ff. für Mittelitalien, 108ff. für Oberitalien. Einige Beispiele s. nächste Seite.
Vielleicht schon während des Zuges nach Oberitalien oder von diesem aus stießen die Veneter in das Ostalpengebiet vor. Für diese Gebiete hat bereits Pauli 166 ziemlich sichere illyrische Personennamen festgestellt, die ostwärts bis Trigisamum (Traismauer, Niederösterreich), Iuvavum (Salzburg) und Bedaium (am Nordende des Chiemsees) und westwärts bis an den Lacus Venetus (Bodensee) reichen. Menghin 36 hält auf Grund der Forschungen Paulis Altital. Forsch. III und der Arbeiten von Stolz Urbevölkerung Tirols 45ff., Walde Mitteil d. Wien. geogr. Ges. XLI 486B., Much Korr.-Bl. d. deutsch. Ges. f. Anthrop. XXXVI 105. Mitteil. d. Wien. anthrop. Ges. XXXVI 103f. die Tatsache für gesichert, daß die Unterschicht der Bevölkerung dieser Gebiete venetisch, die Oberschicht keltisch, in Tirol stellenweise auch etruskisch gewesen sei; nicht überall freilich; hätten die Kelten das illyrische Element aufzusaugen, in tiefere Bergtäler überhaupt nicht vorzudringen vermocht. So sind namentlich die Stämme im nördlichen und mittleren Tirol vom keltischen Einschlag freigeblieben. Strab. V 206 bezeichnet die Breuni und Genauni ausdrücklich als I., für die Isarci, Focunates, Venostes ist diese Annahme einigermaßen berechtigt, vielleicht auch noch für die Vennonetes in Graubünden und trotz ihres keltischen Namens auch für die Ambidravi und Ambilici im Draugebiet. Aber auch im Namen des Flusses Licus und in den Namen der Städte Scarbia (Scharnitz) und Parthanum (Partenkirchen) im Norden des Inn liegen unverkennbare Zeichen des Illyriertums vor. Auch eine Reihe Inschriften im venetischen Alphabet bei Würmlach nördlich des Plöckenpasses und in Gurina (Pauli Altital. Forsch. I nr. 91ff. der Liste. A. B. Meyer Gurina im oberen Gailtal 39ff. 91), die zum Teil in die Zeit der Herrschaft der römischen Republik gehören (Kahrstedt 7, 1. 14), zum Teil älter sein können (Kahrstedt 14), und allerlei Kritzeleien in derselben Schrift, die bis an die römische Kaiserzeit heranreichen (Kahrstedt 7, 1), beweisen zur Genüge die Nationalität der einstigen Bewohner des Gailtales in Kärnten.
In den Gebieten an der Donau wurden die I. um 400 v. Chr. von der gewaltig vorstürzenden keltischen Völkerwelle erfaßt, überflutet und zersetzt (Truhelka Wiss. Mitteil. aus Bosnien VIII 41. Kossinna IV 290). Der Keil der keltischen Karner, der sich südwärts bis Aquileia und Tergeste [323] vortrieb (jedenfalls unmittelbar nach der Abfassung des Periplus des Skylax, der sie noch nicht kennt, vgl. Kahrstedt 7, 1. 11), spaltete die nördliche Gruppe der I. in drei Teile, in die I. im eigentlichen Illyrien von Istrien südostwärts, in die Veneter und in die illyrische Sprachinsel am Brenner und in Nordtirol (Kahrstedt 29).
Die allerdings lautlich unwahrscheinliche (Kretschmer 252, 2) Identifizierung der Pannonier mit den Paionen (Appian. Ill. 14) sucht die enge Verwandtschaft beider Völker zu erweisen und den ursprünglichen Unterschied der Sprache der Pannonier von der gallischen hebt Tac. Germ. 43 hervor (vgl. nur das unkeltische ζ in den pannonischen Völkernamen Ἄζαλοι, Μαζαῖοι, Ἀνδιζήτιοι, ebenso das q in Aquincum). Der Vorstoß der keltischen Scordisker nach Süden bis zu den thrakischen Triballern und ihre Festsetzung mitten im illyrisch-thrakischen Gebiete (Strab. VII 313) erklärt das Vorkommen illyrischer und keltischer Personennamen nebeneinander in der pannonischen Nomenklatur selbst im äußersten Norden der Provinz, in Aquincum, Arrabona und Carnuntum (Belegstellen bei Kretschmer 252), wobei allerdings in einzelnen Fällen an Auswanderung zu denken ist (vgl. in Dakien ein Vicus Pirustarum, Jung Die Romanen 380). Nördlich der Donau treffen wir die Osen und in Nieder-Österreich die Azaler (Tomaschek o. Bd. II S. 2638), deren Unterlage mindestens illyrisch ist, im nördlichen Pannonien die keltischen Boier und Latoviker, die gleichfalls das ältere illyrische Volkstum nur zum Teil bewahrt haben, im südlichen dagegen treten in den Breuci (Patsch o. Bd. III S. 831), Andizetier (Tomaschek o. Bd. I S. 2124), Ditiones (Patsch o. Bd. IV S. 1230), Pirusten, Maezaeer (Fluss o. Bd. XIV S. 283)[WS 1], Daesitiaten (Patsch o. Bd. IV S. 1982) jedenfalls noch reine I. entgegen.
Diese I. traten mit ihren Stammesbrüdern auf der Balkanhalbinsel in Verbindung. Doch die Erhaltung der älteren thrakischen Ansiedler (wenn auch in abhängiger Stellung), was Patsch IOA X 169ff. aus zahlreichen Namen zu erschließen glaubt (z. B. Βρῦγοι neben den Taulantiern, Strab. VII 326. Skymn. 434. Appian. bell. civ. II 39. Apoll. Rhod. IV 330. 470; vgl. auch das Vorkommen illyrischer und thrakischer Personennamen im Municipium Riditarum noch in der Kaiserzeit, CIL III 2786. 2788. 2775), beweist den allmählich von Nordwesten her gerichteten Vorstoß der I. in diese Gegenden und deren politische Zersplitterung (Patsch IOA X 172) und auch die Forschungsergebnisse der praehistorischen Archäologie ermöglichen durch Auffindung von Übereinstimmungen zwischen dem Osten und dem Westen der großen Halbinsel (Hoernes Jahrb. d. Zentralk. 1905, 17f. 26. 41. Schmidt Ztschr. f. Ethnologie 1905, 110ff.) dieselbe Feststellung (Patsch IOA X 173). Die Ausgrabungen und die Schriftsteller des Altertums geben über die ethnographischen Verhältnisse an der Adria und in deren Hinterlande in den letzten Jahrhunderten vor und in den ersten nach Christi Geburt Aufschluß. Die Zahl der Stämme war sehr groß (schon Skymn. 416ff. ἔθνη περιέχει [324]
Calabrien
Volksname: Calabri
„ Γαλάβριοι (Dardanien)
Ortsname:
„
Aletium
Ἄλητα (Dalmatien, Sizilien)
Sizilien
Inselname: Sicilia
Siculi (Ortsname in Illyrien)
Σικουλῶται (Volksname in Illyrien)
Ortsname: Σολοῦς
Inselname: Solenta (Dalmatien)
Umbrien
Volksname: Sentinates
Ortsname: Senta (Dalmatien)
Flußname: Nar
Ortsname: Narona (Dalmatien)
Apulien
Ortsname: Barduli
Häufiger Personenname Βαρδυλις
Ortsname: Siculi (Dalmatien)
Ortsname: Sipontum
„ Σιπαροῦντον
Campanien
Ortsname: Picentia
Volksname: Πικηνοί (Picenum)
„ Πικήνσιοι (Moesia superior)
Bruttien
Lacinium promunturium
Ethnikon Lacinienses (Dalmatien)
vgl. Monte Lacina (Istrien)
Samnium
Ortsname: Venusia
Volksname: Veneti
Lucanien
Λίβυρνον ὄρος
Volksname: Liburni (Illyrien)
Ortsname: Σιρις (am gleichnamigen Flusse)
„ Σιρις (Pannonien)
Latium
Ortsname: Ardea
Volksname: Ἀρδιαῖοι (Dalmatien)
Ortsname: Loretum
Häufiger Ortsname: Lorano (Istrien)
Etrurien
Volsinius lacus
Heutiger Ortsname: Livorno.
Picenum
vgl. das unter Campanien angeführte Beispiel
Ortsname: Asculum (vgl. das häufig verwendete Suffix, z. B. Apulum in Dacien, Brundulum in Venetien, die Rutuli in Latium)
[325] πολλά· πλήθη γὰρ συχνὰ τῶν Ἰλλυριῶν λέγουσιν εἶναι καὶ τὰ μὲν αὐτῶν κατοικεῖν τὴν μεσόχειον νεμόμενα, ἃ δὲ παρπαλίαν ἐντὸς ἐπέχειν Ἀδρίου, ähnlich Appian Ill. 3 γένη … πολλὰ καὶ περιώνυμα ἔτι νῦν χώραν νεμόμενα πολλήν) und bei weitem nicht mit den Namen der Söhne und Töchter des Illyrios, die Appian. Ill. 2 anführt (Söhne: Encheleus, Autarieus, Dardanios, Maidos, Taalas und Perrhaibos; Sohn des Autarieus Pannonios oder Paion, dessen Söhne Skordiskos und Triballos; Töchter: Dassaro, Daortho, Partho erschöpft, eine ,ewig unruhige, schiebende und geschobene Masse kleiner Bergstämme‘, die besonders seit dem Keltensturme bemüht waren, ihre alten Wohnsitze mit besseren zu vertauschen (vgl. z. B. die Verbreitung des Namens Encheleer, Philippson o. Bd. V S. 2549), und daher fortwährend in Bewegung waren. Gar manche Stämme, die bei den älteren Schriftstellern genannt sind, fehlen in der Liste des Plinius und des Ptolemaios; sie scheinen früher ausgestorben oder in größere Civitates aufgegangen zu sein. Die Namen dieser Stämme sind in der folgenden alphabetischen Liste, in der auch etwa bekannte Unterabteilungen der einzelnen Stämme in eckigen Klammern verzeichnet sind, in runde Klammern gesetzt.
Abrer
Adriopen
Albanoi (o. Bd. I S. 1306)
Amantes (o. Bd. I S. 1724)
Ardiaeer (o. Bd. II S. 615)
Arinistae
(Autariaten) o. Bd. II S. 2593
Bathiatai (o. Bd. III S. 123)
Breuci (o. Bd. III S. 831)
Bulimeis, mit den Bulinern identisch
Buliner (o. Bd. III S. 1046)
Cavi (o. Bd. XI S. 57)
Chelidonier
Daesitiaten (o. Bd. IV S. 1982)
Daorser (o. Bd. IV S. 2231)
Dardaner [Galabrioi, Thunatae] (o. Bd. IV S. 2155)
Dassareten [Pirusten? Penesten] (o. Bd. IV S.2222)
Delmaten (o. Bd. IV S. 2448)
Deraemestae (o. Bd. V S. 236)
(Derbanoi) o. Bd. V S. 237
Derrioper (o. Bd. V S. 244)
Deurier (o. Bd. V S. 280)
Dindarier (o. Bd. V S. 650)
Ditiones (o. Bd. V S. 1230)
Dokleaten (o. Bd. V S. 1252)
Encheleer (o. Bd. V S. 2549)
Enedi
Glinditiones (o. Bd. VII S. 1425)
Grabaei
Haemasi (o. Bd. VIII S. 2878)
Hemionoi (o. Bd. VIII S. 253)
Himani (o. Suppl.-Bd. V)
Hylli s. Liburner
Hythmitai (o. S. 311)
Interphrurinoi (o. SuppL-Bd. V)
Ismenoi (o. Suppl.-Bd. V)
Iapuden (o. Bd. IX S. 724ff.)
Kaloikinoi
Kambaioi (u. S. 452)
Kaulikoi (o. Bd. III S. 1409) [326]
Keraunioi (o. Bd. XI S. 267)
Kinambroi (o. Suppl.-Bd. V)
Labeaten (o. Bd. XII S. 245)
Liburner [Hylli, Mentores] (o. Suppl.-Bd. V)
Maezaei (o. Bd. XIV S. 283)
Manii (o. Bd. XIV S. 1114)
Masthitae (o. Bd. XIV S. 2168)
Melkomani
Mentores s. Liburner
Meromennoi, wahrscheinlich mit den Melkomani identisch
Naresier
Nestoi
Oxyaioi
Paionen
(Parthiner)
Penesten s. Dassareten
Partheneatai, wahrscheinlich mit den Pleraiern identisch
Pirusten (s. Dassareten)
Pleraier
Pyrissaioi
Sardiotes
Scirtones (u. Bd. II A S. 825)
Selepitani
Separi
Sessarether s. Dassareten
Sikuloten (u. Bd. II A S. 2207)
Syopioi
Taulantii.
Vardaei, wahrscheinlich mit den Ardiaeern identisch.
Aber auch in Moesia superior lassen sich illyrische Spuren nachweisen (vgl. Völkernamen: Πικήνσιοι, Τρικορνήσιοι, Ortsnamen: Ραιτιαρία, Βράτζιστα; Sammlung bei Krahe 112). Auch Dakien weist ,einige auffallende Anklänge an I.‘ (Krahe 113) auf (z. B. Apulum, Regio Scodrensis, Γένουκλα, Τρίφουλον, darüber auch im Abachn. 10 dδ). Dagegen schreibt Pokorny Korr.-Bl. d. Wien, anthrop. Ges. XLVII 43 eine Reihe von Namensgleichungen in Südeuropa und Kleinasien (z. B. die schon bei Homer genannten Dardaner; vgl. die Verbreitung des Stammes taur = Berg, Taurus in Vorderasien, Tauern in den Alpen, Taurisci, Völker in Noricum und Thrakien, Taurisci montes in der Krim, Vorgebirge Tauri am arabischen Meerbusen usw.) ebensowenig den I. wie den Thrakern zu, sondern führt sie auf die vorindogermanische Bevölkerung des östlichen Mittelmeerbeckens zurück (von der Sammlung Fischer Anthropos VIII 775, Korr.-Bl. der deutsch. Ges. f. Anthrop., Ethnol. u. Gesch. 1914, 4. 13. Nopcsa Anthropos VIII 138ff. ein Teil unhaltbar, z. B. die der griechischen Kolonisation zugeschriebene Übertragung des Namens Olbia vom Schwarzen Meere nach Gallien und Sardinien).
4. Rassenzugehörigkeit. Die Unrichtigkeit der Behauptung älterer Forscher (z. B. Tomaschek, Hoernes), die I. als kleine Leute von dunkler Komplexion und kurzer Schädelform anzusehen, haben anthropometrische Erhebungen ergeben (Zupanić S.-Ber. d. Wien. anthropol. Ges. XXXVII 21). Die ihrer Zugehörigkeit zur nordischen Rasse fremde dunkle Komplexion ist jedenfalls den Bevölkerungsschichten zuzuschreiben, auf welche die I. bei ihrem Vorstoße nach [327] Süden trafen (Hueppe Arch. f. Rassen- und Gesellschaftsbiologie VI 512ff.); noch heute treten in den Adriagebieten zwei Rassentypen entgegen (Oberhummer Korr.-Bl. d. Wien, anthropol. Ges. XLVII 41f.). Giuffrida-Ruggeri Arch. per l’Antrop. e l’Etnol. XXXVIII 26 stellen auf Grund ausgedehnter Untersuchungen fest, daß die I. dolichomesokephal gewesen seien (von den Schädeln im prähistorischen Gräberfelde in Glasinać 29 % dolichokephal, 37 % mesokephal, 13 % brachykephal, vgl. Weisbach Wissensch. Mitt. aus Bosnien X 549ff. 585).
5. Geschichte.[2])
a) Vor dem Kelteneinfalle. Die erste Kunde von den Balkanillyriern enthält der Bericht vom Besuche der Insel Kerkyra durch Chersikrates von Korinth, der auf ihr Liburner fand (Strab. VI 269. Treidler 98). Die beiden nächstältesten geschichtlichen Nachrichten über die I. wissen von stark ausgeschmückten Streifzügen der Taulantier nach Makedonien zu erzählen (aus dem Ende des 7. bezw. dem Anfange des 6. Jhdts. Polyain. IV 1. Iustin. VII 2, 6. Abel Makedonien vor König Philipp 140. 142. Schütt 29f.). Seit der zweiten Hälfte des 5. Jhdts. sind die I. wiederholt in Kriege mit Epidamnos und Apollonia verwickelt. Parteihader in Epidamnus hatte die Flucht der Aristokraten im J. 437 zu den umwohnenden Taulantiern und Parthinern, mit denen sie seit jeher rege Handelsbeziehungen verknüpften, zur Folge. Die Unterstützung dieser im Kampfe gegen ihre Vaterstadt (Diodor. XII 30, 2) sicherten sie sich wahrscheinlich durch Gewährung des Niederlassungsrechtes (Schütt 31), das aus dem eben erwähnten Grunde für die I. wertvoll war. Dagegen scheint ein vermutlich zu derselben Zeit (Schütt 32) unternommener Versuch der I., auch in Apollonia Einfluß zu gewinnen, von keinem Erfolge begleitet gewesen zu sein (Aelian. XIII 15), ja Val. Max. VIII 3, 2 berichtet sogar von einem Siege der Apolloniaten über die I. In dem Kriege des Makedonerkönigs Perdikkas gegen die Lynkesten im J. 423 spielten die I. eine merkwürdige Rolle. Angehörige wahrscheinlich der illyrischen Stämme der Encheleer oder Dassareten ließen sich von ihm als Soldaten anwerben, gingen aber nach seinem Siege über die Feinde zu diesen über und brachten seinem Heere beim Rückzuge schwere Verluste bei (Thuk. VI 124ff. Schütt 32f.). Der Unterstützung der I. erfreuten sich die Lynkesten auch im Kampfe gegen den Makedonerkönig Amyntas (nach Diod. XIV 92 im J. 393, richtiger nach Beloch Griech. Gesch. II 224 der Zeitansatz Synkell. p. 263 im J. 385) und erreichten die Übernahme der Regierung in Makedonien durch Argaios. Doch zwei Jahre darauf eroberte Amyntas mit Hilfe der Thessaler das Land zurück und schloß mit den Lynkesten und I. Frieden (Diod. XVI 2, 2) und heiratete Eurydike, die [328] Tochter des illyrischen Fürsten Sirras (Schütt 33f.).
Seit dem 4. Jhdt. v. Chr. zeigen sich Expansionsbestrebungen der I. auch nach Süden den Epiroten gegenüber; ob sich die Unterstützung, die ihnen der ältere Dionysios von Syrakus bot, auf diesen Kampf bezieht, wissen wir nicht. Sicher ist, daß Dionys ihre glänzenden Siege über die Epiroten dazu benützte, seinen Schützling Alketas wieder auf den Thron der Molosser zu bringen.
Etwa in dieselbe Zeit (80er Jahre des 4. Jhdts.) gehören die Kämpfe nordillyrischer Stämme gegen Pharus. Die auf der Insel wohnenden I. empfanden die neu gegründete griechische Kolonie als schwere Schädigung und richteten mit den Bewohnern des gegenüberliegenden Festlandes (Eratosth. γεωγραφούμ. frg. 3 b = Schol. Apoll. Rhod. IV 1215. Zippel 24), die sie zu Hilfe gerufen hatten, ein Blutbad unter der griechischen Bevölkerung an. Doch der von Dionysios in Issa eingesetzte Flottenkommandant eilte auf ein Hilfegesuch der Griechen rasch herbei und schlug die I. (Diod. XV 14, 2. Schütt 36f.). Auch in den nächsten Jahrzehnten hören wir von verschiedenen kriegerischen Verwicklungen mit den I. Gegen die Vermutung Abels 206 (wahrscheinlich auf Grund der undatierten Nachricht bei Strab. VII 318), daß I. den Anstoß zu einem Einfall in das Gebiet von Abdera gegeben hätten (Diod. XV 36), spricht sich allerdings Contzen Wanderungen der Kelten 63 aus, der hiefür die Kelten verantwortlich macht. Dafür berichtet Iustin. VII 5, 1 von einem verlustreichen Kriege der Makedonen gegen die I. während der Regierung des Königs Amyntas II. (369-365). Einer seiner Nachfolger, Perdikkas, fiel in einem Kampfe gegen die I. (Diod. XVI 2, 4. Suid. s. Κάρανος Liban. de vit. Demosth. 5; Näheres bei Schütt 37f.). Die Notiz des Suidas zu Antipater κατέλιπεν ἱστορίαν τὰς Περδίκκου πράξεις Ἰλλυρικάς (offenbar als Teilnehmer) zeigt, daß die illyrischen Kriege des Perdikkas bedeutungsvoller gewesen sind, als wir aus der Überlieferung zu schließen imstande sind. Doch mitten in ihren Erfolgen wurden die I. unter ihrem Fürsten Bardylis (Schütt 38) von Philipp, dem jüngsten Sohne des Königs Amyntas II., aufgehalten, der nach der Unterwerfung der Paionier mit einem Heere von 10 000 Fußsoldaten und 600 Reitern (Diod. XVI 4, 3) gegen sie zog. Der durch einen Flankenangriff seiner Reiter mühsam errungene Sieg (Schütt 40) bestimmte Philipp zur Annahme des Friedensangebots des Bardylis, demzufolge der See von Lychnidos die Grenze zwischen Makedoniern und I. bilden sollte (Diod. XVI 8, 1; vgl. Dio Chrysost. II 9; bei Schütt 40 auch eine kritische Würdigung der Berichte Iustins VII 6, 7 und Frontins. II 3, 2).
Wenige Jahre später (356) kam es zu einem neuen Kriege zwischen I. und Makedonern, wahrscheinlich durch die Koalition des Thrakers Ketriporis, des Paionen Lykpeios und des Dardaners Grabos (Schäfer Demosth. II 24. Droysen Gesch. Alex. 90) verursacht, welche die Athener gegen Philipp zustande gebracht hatten (CIA II add. 66 b. Syll.² 114. Beloch Griech. Gesch. II 308). Parmenio, der gegen die I. geschickt wurde, [329] siegte über sie (Plut. Alex. 3. Iustin. XII 16, 6; vgl. auch Iustin. VIII 6, 3; auf die Notiz Isokr. Phil. 21 τοῦ δ’ Ἰλλυριῶν πλήθους πλὴν τῶν παρὰ τὸν Ἀδρίαν οἰκούντων ἐγκρατὴς καὶ κύριος γέγονεν ist nicht viel Wert zu legen [Schütt 42]). Foucart Rev. Arch. N. S. XXXV 231f. setzt Parmenios Sieg über die I. vor Abschluß der oben erwähnten Koalition; mit Recht weist Swoboda IOA VI 210, 40 darauf hin, daß auf den Synchronismus bei Plut. Alex. 3 nicht viel zu geben sei. Philipp hielt sich bis zum J. 355 in Illyrien auf und suchte die zurückgewonnenen Landschaften durch Anlage von Burgen zu befestigen (Dem. Phil. I 48, wodurch auch die unbestimmte Notiz bei Iustin. VIII 3, 8 etwas mehr Bedeutung gewinnt; Schütt 43 bringt die gewaltsame Verpflanzung der Bewohner der illyrischen Stadt Sarnus durch Philipp mit diesen Ereignissen in Zusammenhang Steph. Byz. s. Σαρνοῦς. Polyain. IV 2, 12; vgl. Iustin. VIII 6, 1. Kaerst 181]; vgl. auch Dem. Ol. I 13. Deecke Rh. Mus. XXXVI 163ff.). Ob die Anregung des Demosthenes, mit Hilfe der Illyrier und Paioner Philipp entgegenzutreten (Dem. Ol. 121ff.), befolgt worden ist, ist unbekannt (Swoboda IOA VI 211, 50. Schütt 43). Soviel wir wissen, ging Philipp erst nach Beendigung des phokischen Krieges (wahrscheinlich 345 oder 344, Swoboda IOA 211, 51) gegen die Illyrier vor (Diod. XVI 69, 7. Trog. proleg. 8. Iustin. VIII 6, 3), um seine Grenzen gegen fernere Einfälle zu schützen (Zippel 26). Erfolge Philipps hiebei in Südillyrien zu suchen (Zippel 29), wie es Schäfer III 58, 4 tut, hält Schütt 43f. für unberechtigt, da hiefür kein Anhaltspunkt vorhanden ist, im Gegenteil Arrian. anab. I 5, 1 von der Unabhängigkeit des Reiches der Taulantier in Südillyrien berichtet; auch die Angabe Iustins VIII 6, 3, in den Dardanern dieses Mal die Angegriffenen zu sehen, ist schwerlich richtig (Schütt 43). Auf diesen Krieg bezieht Meyer S.-Ber. Akad. Berl. 1909, 758 den Bericht Diod. XVI 93, 6 von einem Kampfe Philipps im J. 337 (Schäfer III 63. Droysen Gesch. d. Hellenismus 194. Swoboda IOA VI 211) gegen den Illyrier Pleurias, der vielleicht Fürst der Taulantier war (Schütt 44; anders Meyer 761 und Schäfer Dem. II 345, 4. Theopomps frg. 203 aus Buch 38 Οἰδάντιον πόλις Ἰλλυρίας; vgl. Hecat. frg. 66). Ob Philipp nach Parmenios Sieg sich noch eines Sieges über die I. rühmen konnte, wie Schäfer II² 27 mit Rücksicht auf Diod. XVI 22, 3 annimmt, hält Swoboda IOA VI 210, 49 für zweifelhaft. Wenige Jahre später (342) erreichte Demosthenes auf einer Reise durch Illyrien, um dort Feinde gegen Makedonien zu werben. (Dem. περὶ στεφάνου § 244), die Zurückweisung der Vorschläge der makedonischen Gesandten durch sie, vielleicht gar eine Erhebung einiger Stämme im Südwesten, worauf sich die Worte Curt. VII 1, 25 beziehen könnten (Schütt 45). Meyer 761, 1 hält allerdings den Bericht von diesem Krieg für ,wertloses Gefasel der späteren Vulgata über Alexander‘. Athen. XIΙΙ 557. Plut. Alex. 9. Curt. VIII 8, 7 berichten, daß Alexander nach dem Streite mit seinem Vater bei dessen Hochzeit mit Kleopatra (337) zu den I. floh, um sie [329] zu einem Kriege gegen Philipp zu bestimmen (Koehler S.-Ber. Akad. Berl. 1892 I 501). Unmittelbar nach seinem Regierungsantritt (336) erhoben sich aber die I., Thraker und Triballer gegen ihre alten Feinde, die Makedonen (Arrian. I 1, 4. Plut. de Alex. fort, aut virt. 3). Alexanders Heimzug gegen Westmakedonien nach seinem Siege über die Thraker, Triballer und Geten (335) wurde durch die Nachricht vom Abfall der Illyrier des Kleitos (bemerkenswerter Name, der makedonischen Kultureinfluß bei den I. beweist), der seinem Vater Bardylis wahrscheinlich in der Herrschaft über die Encheleer gefolgt war, beschleunigt (Zippel 27. Schütt 51). Ihre Koalition mit Taulantiern und Autariaten, dem früher größten und mächtigsten Stamme der I. (Strab. VII 312), brachte das makedonische Heer in große Gefahr, die trotz des Einfalles des Agrianenfürsten Langaros ins Land der Autariaten nicht wesentlich vermindert wurde. Kleitos hatte mit der makedonischen (Zippel 28. Droysen 128) Festung Pelion einen strategisch wichtigen Punkt in Händen (Droysen 126f. Arrian. a. O. Κλεῖτος κατειλήφει Πήλιον ὡς ὀχυρωτάτην πόλις τῆς χώρας). Der Versuch Alexanders, Pelion zu erobern, scheiterte infolge der Besetzung der die Stadt beherrschenden Höhen durch die Taulantier. Er fügte ihnen aber später durch einen plötzlichen Angriff und bei der Verfolgung bis zu ihren Bergen (Zippel 28. Schütt 52) schwere Verluste zu und machte große Beute an Waffen. Auf einen der Kämpfe dieser oder der vorausgehenden Jahre bezieht sich das Epigramm Anth. Pal. IX 743 = Overbeck Schriftquellen nr. 1018, das sich auf dem Weihegeschenk der Thessaler, den zwölf ehernen Kühen, aus der Beute eines Sieges über die I. befindet (Swoboda IOA VI 201ff.). Ohne durch die Friedensverhandlungen mit den Encheleern, die immerhin in der Folge Alexanders Oberhoheit anerkannt haben (Schütt 52), Zeit zu verlieren (Arrian berichtet von einem Friedensschlθsse nichts und daher sind, wie Schütt 52 richtig hervorhebt, Droysens 132 und Zippels 29 Vermutungen darüber unhaltbar), marschierte Alexander nach Süden. Von Unruhen der I. auch während des Aufenthaltes Alexanders in Asien etwa zur Zeit des Aufstandes der Spartaner (331/30) berichtet ganz oberflächlich Curt. V 1, 1. In der Notiz Diodors XVII 113, 2, daß die I. Gesandte nach Babylon geschickt hätten, sieht Schütt 52 die I. nur zufällig erwähnt. Nach dem Tode Alexanders erhoben sich wahrscheinlich auch die Encheleer, auf welche Diod. XVLII 11, 1 τῶν τ’ Ἰλλυριῶν καὶ Θρᾳκῶν ὀλίγοι συνέθεντο συμμαχίαν διὰ τὸ πρὸς τοὺς Μακεδόνας μῖσος und Polyains Notiz VIII 60 bezieht (Schütt 52f.).
In der Diadochenzeit wird das Taulantierreich der mächtigste Staat Südillyriens. Sein König Glaukias erwartete von seiner Freundschaft mit Pyrrhos, dem er nach der Verjagung seines Vaters Aiakides durch die makedonische Partei Aufnahme an seinem Hofe gewährt hatte, Unterstützung in seinen Bestrebungen, die griechischen Küstenstädte an der Adria, insbesondere Epidamnus und Apollonia, in seine Gewalt zu bringen (Schütt 54). Doch der Makedonerkönig Kassander sprengte die ihm sehr unangenehme Verbindung des Glaukias [331] mit den griechischen Kolonien an der Küste, mußte aber nach Überrumpelung von Apollonia (Diod. XIX 67, 6) und Epidamnus (Polyb. IV 11, 4) mitten in seinem Vormarsche nach dem illyrischen Binnenlande (Patsch IOA X 170) infolge Unruhen in Griechenland mit Glaukias einen Vertrag schließen, in dem er seine Bundesgenossen vor einem Angriff durch diesen sicherte (Diod. XIX 67, 7. Polyb. IV 11, 4. Schütt 55f.). Doch Glaukias hielt den Vertrag nur kurze Zeit. Bereits im J. 312 schüttelten Apollonia und Epidamnus mit Hilfe der Kerkyräer die makedonische Herrschaft ab und erkannten seine Oberhoheit wieder an (Beloch Gr. Gesch. III 1, 318. Schütt 56). Der Versuch Kassanders, wenigstens Apollonia dem Glaukias wieder zu entreißen, endete mit einem derartigen Mißerfolge (Diod. XIX 89, 1ff.), daß er fürderhin darauf verzichtete, seinen Einfluß in Südillyrien zur Geltung zu bringen (Beloch Gr. Gesch. III 1, 318 Anm. Schütt 57). Dafür trug er gegen die Autariaten, die von ihren ursprünglichen Sitzen im südlichen Bosnien und der Herzegowina durch die Kelten ostwärts geschoben und im J. 310 zum Teil zur Überschreitung der Grenzen Päoniens gezwungen worden waren, einen Sieg davon (Diod. XX 19, 1. Iustin. 15, 2 läßt unrichtigerweise Kassander bei seinem Zuge von Apollonia auf die Autariaten stoßen, indem er beide Ereignisse ins J. 310 setzt (Schütt 58f., anders: Droysen II 2, 79. Niese I 305, 1; zur Kritik der Quellen vgl. Schütt 59) und siedelte gegen 20 000 von ihnen am Ὄρβηλον ὄρος an, nicht aus Furcht vor einer Besetzung des Landes durch die I. (Iustin. 15, 2), sondern um die verödeten Landstriche zu bevölkern (Schütt 59), während die übrigen in ihren Sitzen an der bulgarischen Morava blieben (Strab. VII 5, 1. VII frg. 4. Zippel 38f.). Wenige Jahre später (307) kehrte Pyrrhos mit Hilfe des Glaukias nach Epirus zurück (Plut. Pyrrh. 3. 4. Schütt 59), konnte sich aber erst seit 296 im Besitze seines väterlichen Throns behaupten (Schütt 60). In dem in seinen Einzelheiten ganz unbekannten Kriege des Pyrrhos gegen die I. (Iustin. XXV 5, 5. Frontin. III 6, 3) sieht Schütt 60f. ein Eingreifen des Epirotenkönigs in die Thronstreitigkeiten unter den Söhnen des Glaukias nach dessen Tode. Der Erfolg des Epirotenkönigs, der in der Unterwerfung zumindest des äußersten Südens Illyriens bestand, geht aus der von Niese II 6 unrichtigerweise angefochtenen Stelle Appian. Ill. 7 Ἄγρων ἦν βασιλεὺς Ἰλλυριῶν μέρους ἀμφὶ τὸν κόλπον τῆς θαλάσσης τὸν Ἰόνιον ὃν δὴ καὶ Πύῤῥος ¨ο τῆς Ἠπειρου βασιλεὺς κατεῖχε καὶ οἱ τὰ Πύρρου διαδεξάμενοι und aus dem Plane des Pyrrhos, von Apollonia eine Brücke nach Italien zu schlagen (Plin.n. h. III 101), hervor (Schubert Gesch. d. Pyrrhos 127. Droysen III 101 Anm. Schütt 61).
b) Vom Kelteneinfalle bis zum Eingreifen der Römer. 15 Jahre später wurde namentlich Südillyrien von den Kelten bedroht (Paus. X 19, 6); nach Ιustin. XXV 4, 9 soll der Makedonerkönig Ptolemaios Keraunos bei seinem Zuge gegen sie (Diod. XXII 3) im Vertrauen auf seine kriegserfahrenen Soldaten und seine Elefanten die Hilfe von 20 000 Dardanern höhnend [332] zurückgewiesen haben. Durch Sosthenes aus Makedonien verdrängt, kamen die Kelten im J. 279 ins Land der Dardaner. Der Vermutung Zippels 42, daß die Kelten östlich vom Dardanerreiche nach Süden gezogen seien, widerspricht, wie Schütt 63, 1 mit Recht bemerkt, die Angabe des Polyb. I 6, 5 und Liv. XXXVIII 16; sie erlitten später bei ihrem Rückzuge aus Griechenland hier eine entscheidende Niederlage (Diod. XXII 9, 3. Polyb. IV 451). In die Zeit der Abwesenheit des Pyrrhos und der durch den Kelteneinfall in Südillyrien geschaffenen Wirren gehören die von Erfolg gekrönten Bemühungen des auf einer Münze von Dyrrhachium (Cat. of Gr. coins Thess. 80) genannten Monunios, der vielleicht ein Nachfolger des Glaukias war (so Niese II 10, 4. Beloch III1, 260, neuestens Schütt 64f., anders Droysen Kl. Schr. I 87ff., der ihn für einen Dardanerfürsten hält und aus der Erwähnung seines Namens auf einer Münze in Dyrrhachium auf eine gewaltige Ausdehnung der dardanischen Macht bis an die Adria schließt), das Taulantierreich von Epirus wieder unabhängig zu machen.
Nach dem Tode des Pyrrhos scheint sein Sohn Alexander die Herrschaft über einen Teil der südillyrischen Landschaften zurückgewonnen zu haben (Appian. Ill. 7. Trog. proleg. 25. Frontin. II 5, 10. Schütt 66); doch Apollonia und Epidamnus dürften auch in der Folge beim Taulantierreiche geblieben sein (Beloch Gesch. d. Hellenismus III 1, 317f. Niese II 6 Anm.). Die Dardaner, seit jeher abgesagte Gegner der Makedonen (Liv. XL 57 Dardani gens semper infestissima Macedoniae. Iustin. XXIX 1, 10), benützten die endgültige Einverleibung in das Makedonenreich unter Antigonos Gonatas (Beloch III 1, 586) zu wiederholten erfolgreichen Plünderungszügen nach Süden. Der Nachfolger des Antigonos, Demetrios, verlor gegen sie im J. 229, wie aus Polyb. II 44, 2 περὶ τὴν πρώτην διάβασιν εἰς τὴν Ἰλλυρίδα Ῥωμαίων hervorgeht, große Schlachten (Trog. proleg. 28. Liv. XXXI 28. Iustin. XXVIII 3, 14). Während der Wirren in Makedonien unter Antigonos Doson, dem Nachfolger des Demetrios, besetzten die Dardaner fast ganz Paionien, darunter auch die den Eingang nach Makedonien beherrschende Stadt Bylazora am Azios. Erst Philipp V. entriß ihnen im J. 217 diese Stadt (Polyb. V 97,1; vgl.Niese II 456. 457, 1. Beloch III 1, 661) und siedelte, wahrscheinlich um dem durch so viele Kriege entvölkerten Lande neue Bewohner zu geben, Teile von ihnen um Pella, Edessa und Beroia an (Liv. XLV 30, 5). Doch Paionien litt auch fernerhin unter Plünderungszügen der Dardaner (Liv. XLV 29, 12).
Ein scharfer Gegner der Dardaner war neben Makedonien auch das neue illyrische Reich, dessen Machtgrundlage zweifellos die Ardiaeer bildeten, obwohl die Quellen außer Dio frg. XLIX 2, 3 und Zonar. VIII 19, 20 nichts darüber sagen (Schütt 70). Bald nach seiner Gründung um das J. 250 hatte es sein erster Fürst Pleuratos und dessen Sohn und Nachfolger Agron nach Norden und Süden und, obwohl ursprünglich Herr eines Seevolkes, auch in das Binnenland erweitert (Appian. Ill. 7). Sie nahmen den Epiroten [333] spätestens zur Zeit des Sturzes ihrer Dynastie die Landstriche Illyriens ab, die seit dem J. 270 in deren Händen waren (s. o.). Die Ardiaeer erschütterten auch endgültig die Herrschaft der Taulantier. (Zippel 35 meint, daß Appian. bell. civ. II 39 unter den Liburnern, die nach den Taulantiern das Gebiet von Dyrrhachium besessen hätten, Ardiaeer zu verstehen seien, und Schütt 70 schließt sich dieser Ansicht an). Im Norden gehörten weite Gebiete Dalmatiens zum Ardiaeerreiche. Vor ihren Plünderungszügen waren auch die griechischen Küsten nicht sicher (Plut. Kleomen. 10 Lakonien eine Beute der J.). Als Akarnanien, das sich von Epirus losgesagt hatte, Anschluß an Makedonien suchte und deshalb vom Ätolischen Bunde hart bedrängt wurde, erkaufte Demetrios von Makedonien im J. 231 von Agron Hilfe für die akarnanische Stadt Medion, die so unmittelbar vor dem Falle von der ätolischen Umklammerung befreit wurde (Schütt 71). Unter Agrons Nachfolgerin Teuta wurden Plünderungszüge bis an die Küste von Elis und Messenien unternommen und auch die Epiroten, vor deren Stadt Phoinike sie im J. 229 erschienen (Polyb. II 5, 7f.), richteten trotz aller Verstärkungen, die sie herangezogen hatten, nichts aus und mußten sich selbst, als die Dardaner einige von den unter der Herrschaft der Ardiaeer stehenden Völkerschaften zum Abfall veranlaßt hatten (Polyb. II 6, 4), zu einem Vertrage bequemen, in dem sie zwar Phoinike zurückerhielten, aber die ganze Beute den Ardiaeern ließen (Polyb. II 6, 6). Beim Zuge des Skerdilaidas (wahrscheinlich eines Bruders des Agron) von Phoinike nach Illyrien muß, wie aus Polyb. II 5, 8 hervorgeht, von den Epiroten auch Atintanien an die Ardiaeer abgetreten worden sein (Appian. Ill. 7.Beloch III 1, 660. III 2, 316. Schütt 73). Besorgt um ihre Zukunft, verbanden sich schließlich die Epiroten und Akarnaner mit Teuta (Polyb. II 6, 9). Wiederholte Klagen, die über die Raubzüge der I. beim Senate in Rom eintrafen, veranlaßten diesen, bei der Königin Teuta vorstellig zu werden (Zippel 47. Bauer AEM XVIII 128ff.), allerdings erfolglos; denn im folgenden Jahre (228) erhielt Kerkyra eine illyrische Besatzung unter Demetrios von Pharos (Polyb. II 10, 8) und beinahe wäre auch Epidamnus zu Fall gebracht worden (Polyb. II 9, 2. 10, 9). Doch die Ankunft einer römischen Flotte veranlaßte Demetrios von Pharos zur Übergabe Kerkyras und zum Abzuge von Epidamnus (Polyb. II 11, 9).
Nach Teutas Tode bemächtigte sich Demetrios von Pharos des größten Teils des Ardiaeerreiches und brachte, wenn der Bericht Appian. Ill. 8 richtig ist, mit der Unterwerfung der Atintanen ganz Südillyrien unter seine Herrschaft. Antigonos Doson von Makedonien verdankte seinem Bunde mit ihm den Sieg bei Sellassia im J. 221 (Polyb. II 65, 4). Im nächsten Jahre fuhr Demetrios unter Verletzung des mit den Römern geschlossenen Vertrages im Verein mit seinem Bundesgenossen Skerdilaidas mit 90 Lemben über Lissos hinaus an die Westküste des Peloponnes (Polyb. IV 16, 6), mußte sich aber nach manchen Plünderungszügen vor der überlegenen Macht der Rhodier, welche die Seepolizei übten, in den [334] Hafen von Korinth zurückziehen (Polyb. IV 16. Schütt 74).
c) Die allmähliche Einbeziehung des Gebietes der I. in das römische Reich. Die Bemühungen der Griechen, welche die ergiebigen dalmatischen Inseln besetzt und von hier aus nach dem Festlande übergegriffen hatten, schon wegen ihrer Handelsinteressen mit den I. der Küstengegenden und des Hinterlandes gute Beziehungen zu unterhalten, waren von keinem Erfolge begleitet. Denn gerade ihr Wohlstand stellte den an Seeraub gewohnten Stämmen reiche Beute in Aussicht. Schließlich veranlaßten die fortwährenden Angriffe die Griechen, sich mit der Bitte um Hilfe an Rom zu wenden. Im J. 229 erschienen römische Kriegsschiffe zum erstenmale in den dalmatischen Gewässern vor der hartbedrängten Insel Issa. In den beiden illyrischen Kriegen der I. 229, 228 und 219 wurde das südillyrische Reich auf seine nördliche Hälfte beschränkt. Auf dem Festlande faßten die Römer noch nicht Fuß, sondern fanden sich anfangs mit Verträgen und Bündnissen ab. Erst der Krieg mit Makedonien, das sich der Unterstützung der I. erfreute, veranlaßte Rom, seine Macht auf festere Grundlagen zu stellen. Die Völkerschaft der Delmaten, in früherer Zeit in loser Abhängigkeit von Scodra, hatte sich von diesem Herrschaftsgebilde beim Regierungsantritte des Königs Genthius losgesagt und infolgedessen nicht wie Südillyrien beim Sturz des makedonischen Reiches seine Selbständigkeit verloren (Mommsen R. G. I 773). Die Römer kümmerten sich um die Landschaften an der Adria wenig. Die Angriffe der Delmaten auf die Ardiaeer (Zippel 84. 130. 132), auf die Issaeer und Daorser veranlaßten die beiden letzteren, sich mit der Bitte um Hilfe an Rom zu wenden, unter dessen Botmäßigkeit sie seit 229 bezw. 167 standen. Nach wiederholtem Drängen schickte der Senat, zumal auch Aquileia von Istrern und Illyriern (nach Patsch VI 166 wahrscheinlich Japoden) hart bedrängt wurde (Liv. XLIII 1. Mommsen CIL V p. 83), eine Gesandtschaft ab, welche über die Zustände in I. Erkundigungen einziehen sollte. Ihre rücksichtslose Behandlung (Polyb. XXXII 18. 19. Appian. Ill. 11. Liv. ep. 47. Mommsen R. G. II7 165. Zippel 130. Patsch o. Bd. IV S. 2448) benutzte der Senat als Vorwand zur Einmischung. Nach anfänglichen Mißerfolgen unter dem Consul C. Marcius Figulus im J. 156 gelang es den Römern unter seinem Nachfolger Scipio Nasica, Delminium zu Fall zu bringen, worauf die Eidgenossenschaft der Delmaten Roms Oberhoheit anerkannte. Die Verwaltung ihres Gebietes unmittelbar von Rom erhielt sich auch nach der Einrichtung der Provinz Makedonien, deren nordöstliche Grenze nördlich von Scodra lief (Mommsen R. G. I 166). Ungefähr 10 Jahre später (135) zogen die Römer gegen die Ardiaeer und Pleräer, deren Raubzüge schon lange die Küstengegenden und das Meer beunruhigt hatten, und gegen die Scordisker, die jenen offenbar zu Hilfe geeilt waren. Besiegt verlegten die Ardiaeer auf Geheiß der Römer ihre Sitze ins Binnenland. Bald darauf (129) demütigte der Consul C. Sempronius Tuditanus (u. Bd. II A S. 1441 Nr. 92) im Verein mit Dec. Brutus die [335] Japoden. Dennoch kam es 10 Jahre später zu einem neuen Aufstande der Delmaten im Bunde mit den Scordiskern. Im Kampfe gegen diese drang der Consul L. Cotta offenbar bis Segestica vor. Sein Kollege L. Caecilius Metellus überwand die Delmaten und blieb bis zum J. 117 in Dalmatien. Wahrscheinlich seit Sulla wurde das illyrische Gebiet bald mit Gallia Cisalpina, bald mit Makedonien gereinigt (Hirt. bell. Alex. 42). Im J. 78 erhoben sich die Delmaten von neuem. Mit der Unterdrückung dieses Aufstandes betraute der Senat Cosconius, der während seines zweijährigen Aufenthaltes in Dalmatien auch Salona zu Fall brachte. Wegen eines neuen Angriffes der Delmaten auf die Liburner wurde gegen sie im J. 50 wieder ein römisches Heer beordert. Im zweiten Bürgerkriege standen die Delmaten auf seiten des Pompeius. Im Winter 48/47 fügten sie A. Gabinius (s. o. Bd. VII S. 430) eine schwere Niederlage zu, streckten aber im J. 46 vor Caesar, zu dessen Amtssprengel Illyricum gehörte, die Waffen; aber auch in der Folgezeit mußten die Römer wiederholt mit den Delmaten kämpfen. Erst Octavian hielt ein energisches Eingreifen am Gestade der Adria für geboten, aber auch nach seinen erfolgreichen illyrischen Kriegen in den J. 35–33 v. Chr. versuchten die Delmaten nochmals, sich von Rom zu befreien (vgl. Patsch o. Bd. VI S. 2448f.)[3]. Infolge der Erhebung neuer Steuern und der Durchführung der Rekrutierung brach im J. 6 n. Chr. eine gewaltige Erhebung aus, die im Süden bei den Daesitiaten aufflammte und binnen kurzem fast sämtliche Stämme bis zur Donau ergriff (Rau Klio XIX 318ff). Aus der Ernennung eines römischen Ritters, dessen Namen wir nicht kennen, zum Praefekten für Japudia und Liburnia im J. 9 n. Chr. (CIL V 3346 Verona) zieht Rau 342 den Schluß, daß diese beiden Stämme am Aufstande nicht beteiligt gewesen seien (gegen Patsch VI 171). Nur mit äußerster Kraftanstrengung gelang es Tiberius nach vier Jahren, der Bewegung Herr zu werden.
Nach dieser letzten, aber gefährlichsten Erhebung setzte eine planmäßige Befriedung ein (s. u.), so daß Dalmatien schon ein Menschenalter später als provincia inermis bezeichnet werden konnte. Von dem fünftägigen Pronunciamento der Garnisonen am herzegowinisch-dalmatischen Limes unter Claudius abgesehen, gehörte Illyrien zu den friedfertigsten Teilen des römischen Reiches. Über die weitere Geschichte der I. bis zur Reichsteilung unter Theodosius vgl. den Art. Illyricum (o. Bd. IX S. 1087). Die nahezu ununterbrochene Reihe der Münzen, darunter auch mancher aus Gold, bis auf Honorius und Arcadius zeigt, daß diese Landstriche von den kriegerischen Verwicklungen im Hinterlande fast unberührt geblieben sind (Patsch Bosnien 35). Am Ende des 5. und in den ersten Jahrzehnten des 6. Jhdts. erstreckte sich der Machtbereich der Ostgoten auch über die I.; erst die Oströmer machten im J. 537 dieser Herrschaft ein Ende. Vor der slavischen Völkerflut, die sich seit der Mitte des 6. Jhdts. über diese Gebiete ergoß (Procop. bell. Goth. III 40. Men. Prot, bei Müller FHG IV p. 233), flüchtete die alte Bevölkerung, soweit sie nicht der Heimat den [336] Rücken kehrte, ins Gebirge, bemüht, ihre Eigenart, so gut es ging, zu erhalten (Patsch Bosnien 36. Jirecek Romanen in den Städten Dalmatiens I 24).
6. Romanisierung. Unmittelbar nach der Eroberung der illyrischen Gebiete durch die Römer setzt ihre Romanisierung ein. Allerdings hält die Bevölkerung, wie z. B. auch die vielen einheimischen Namen (Bato, Ditas; vgl. Abschnitt 3) bezeugen (Patsch XI 138) noch lange an den alten Lebensformen fest (Radimsky Wissensch. Mitteil, aus Bosnien III 81. Patsch IV 259. VI 232. VII 123. IX 215), andererseits zeigt das Bruchstück eines Ehrendenkmals des Octavian aus Tasovcici anläßlich der Eroberung Siziliens im J. 36 v. Chr. nicht nur den Bestand einer Kolonie im Binnenlande, sondern auch die Parteinahme und das lebhafte Interesse ihrer Bewohner, mit dem sie die politischen Ereignisse der Zeit verfolgten (Patsch Bosnien 12f.). Die lateinische Sprache und Schrift auch auf Votiv-, Ehren- und Grabsteinen samt den üblichen Formeln und Kürzungen fand in selbst nicht offiziellen Kreisen sogar bei Leuten der niedrigen Volksschichten (Patsch V 235) Eingang (Patsch VI 182), wie die vermutlich bis Traian benutzte Nekropole von Iezerina (Radimsky Wissensch. Mitteil, aus Bosnien III 218) oder die Bindusheiligtümer (Patsch VI 182) zeigen. Die Leichenbestattung verschwand fast ganz und an ihre Stelle traten Brandgräber (Radimsky 187). Bald organisierten sich nach römischem Vorbilde die Siedlungen, in denen eine lebhafte Bautätigkeit schon seit Tiberius von öffentlicher Hand (z. B. in Iader, Aenona) oder privater (z. B. in Salona, Ossero u. a.) entfaltet wird (Patsch VIII 89), und wurden durch Straßen verbunden, auf denen der römische Kaufmann, in diesen Gebieten schon lange bekannt, als eifriger Pionier der Romanisierung (s. u.) den Weg ins Innere fand (Patsch Bosnien 12). Aber auch der Ziegelbau verrät deutlich italischen Einfluß (Radimsky Wissenschaftl. Mitteil. aus Bosnien I 203f. II 68ff. III 49ff.), wie überhaupt diese Gebiete die Vervollkommnung der technischen Seite der gewerblichen Produktion, z. B. der Keramik vielleicht durch Einführung der Töpferscheibe (Radimsky III 195), den Römern verdankten (Patsch VI 183).
Schon seit dem 1. Jhdt. n. Chr. haben I. hohe Verwaltungsposten im römischen Reiche inne (Dessau Herm. XLV 13); vielleicht aus Nedinum (Hirschfeld zu CIL III 2864 = 9960. Patsch IX 300) stammt der als Jurist bekannte Proconsul von Afrika C. Octavius Tidius Tossianus L. Iavolinus Priscus, ein Zeitgenosse Domitians, der Bezwinger des jüdischen Aufstandes unter Hadrian Sex. Minicius Faustinus Cn. Iulius Severus, der Feldherr des Kaisers Verus im parthischen Kriege Cn. Iulius Verus, der Praefectus praetorio des Commodus Atilius Aebutianus. Seit dem 3. Jhdt. haben wiederholt illyrische Kaiser die Geschicke des Reiches bestimmt, z. B. Claudius II, Aurelian, Diocletian und Maximian, Constantius, Constantin I., Iulianus, Iustinian.
7. Religiöse Verhältnisse. So wenig wir auch über die Religion der I. wissen, die Tatsache steht fest, daß sie im Laufe der Zeit [337] namentlich unter dem Einflusse der römischen Eroberung Veränderungen erfahren hat (Treimer Arch. za Arbanstarinu I 33). Scymn. 422 rühmt ihnen nach θεοσεβεῖς αὐτοὺς ἄγαν. Von illyrischen Göttern kennen wir Latra (Keune o. Bd. XII S. 977), den Gewittergott Senjt Surd (sein Name nach Nopcsa Aus Sala und Klementi 21 in der nordalbanischen Trümmerstadt Surda erhalten), den Feuergott Enji, den auf einer römischen Inschrift in Narona (CIL III 8429) genannten Windgott Frombos (Steuding Myth. Lex. I 2, 1558), welchen die illyrischen Seeräuber verehrt haben (Treimer 32), den aus einer Inschrift auf einem römischen Altar in Bosnien bekannten Gott Bindus, der vielleicht mit Neptun identifiziert werden kann (eines seiner bedeutendsten Heiligtümer wohl das an der Privilicaquelle in der Nähe des heutigen Bihác Patsch VI 155ff., Lika in römischer Zeit 27), jedenfalls ein Quellgott, unter dessen Schutz vermutlich auch Bäche, Flüsse und Seen standen (Patsch VI 163), die Göttin der Zeugung und Fruchtbarkeit Prema, an die zahlreiche Ortsnamen erinnern (Treimer 32). Für die illyrische Vertreterin der Iuno hält Truhelka Compte rendu du congrès internat. d’arch. 1900, 6 die auf einer römischen Inschrift in Pola genannte Göttin Uridua; Tomaschek Bezzenbergers Beiträge z. Kunde der indogerm. Sprache IX 97 sieht in dem in Inschriften öfter genannten Medaurus den illyrischen Vertreters des Asklepios (Patsch IOA VI 71ff. Beiblatt), in dem in Istrien verehrten Melesocus (CIL V 8127) Apollo, in Iria den liburnischen Namen der Venus. Ein alter epichorer Gott, dessen Verehrung alle Kreise umfaßt (Peter Myth. Lex. III 2, 869), war Silvanus, mit dem trotz des römischen Namens und des griechischen Panbildes (Schneider AEM IX 35ff.) die Vorstellung des Landgottes verknüpft blieb (sein Kultus selbst in Afrika spätestens in der zweiten Hälfte des 3. Jhdts. n. Chr. nachweisbar (CIL VIII 2642. 2581, nach Patsch IV 250 vielleicht durch illyrische Offiziere übertragen); erst mit der Zeit spalteten die I. unter römischem Einfluß einzelne Eigenschaften von ihm ab und daher führte er nur selten Beinamen wie silvester (sicher nur CIL III 10 035, vielleicht auch CIL III 13 198. 13 208 [Patsch Festschrift f. Hirschfeld 202]), domesticus (CIL III 14 985) u. a. (Patsch VII 118, Festschr. f. Hirschfeld 201; Sammlung aller Belegstellen und Verzeichnung der einschlägigen Literatur Peter Myth. Lex. III 2, 869). Vielleicht birgt sich auch unter dem römischen Namen Diana eine alte epichore Gottheit (Schneider AEM IX 63. v. Domaszewski Religion des röm. Heeres 52), zumal Strab. V 215 von einem der Artemis Aitolis geweihten Haine am Timavus, also auf illyrischem Boden spricht (Patsch IV 250), worin ebenso wie im Dianaheiligtum in Spalato ein noch in vorrömische Zeit zurückgehender Kultusort zu sehen wäre (Patsch IV 251) [ganz in ihrer typisch römischen Darstellungsweise Silvanus und Diana Vertreter Myriens auf dem Traiansbogen in Benevent (v. Domaszewski IOA II 184 mit Figur 92. Peter Myth. Lex. III 2, 870)].
Priester der einheimischen Götter sind bei den I. nicht nachweisbar (Patsch VTI 125). [338]
Von den bei den I. gebräuchlichen Menschenopfern berichtet Arrian. anab. I 5, 7.
Nach der Eroberung ihres Gebietes durch die Römer finden bei den I. die allenthalben im römischen Reiche gefeierten Gottheiten Verehrung (Patsch VI 181), z. B. Iuppiter optimus maximus (CIL III 10 033 Golubic, 10 045 Arupium, 10 050 Avendo, 10 060 Munjava), Genius loci (CIL III 3021. 10 060 Munjava), auch orientalische, z. B. Iuppiter Dolichenus (CIL III 3020 = 10 057 Munjaya, 10 034 Golubic), dessen Kultus voraussichtlich seinen Weg über die in Narona bestehende orientalische Kolonie nahm und sich hier bis ins 4. Jhdt. n. Chr. erhielt (Patsch IX 266f.).
Aber im allgemeinen hielten die I. ziemlich zähe an alten religiösen Gebräuchen fest (vgl. z. B. die zahlreichen Kultstätten des Silvanus, Patsch VII 125), da das Militär hier – in Dalmatien z. B. gab es seit den Flaviern nur Auxiliartruppen, die sich größtenteils aus Landeskindern rekrutierten – im Gegensatze zu anderen Gebieten nur wenig zur Zersetzung der alten Religion beitrug (Patsch IV 253).
In den von I. bewohnten Küstenstrichen fand das Christentum im 2. Jhdt. n. Chr. Eingang; die großen christlichen Gemeinden begegnen erst seit dem 3. Jhdt. n. Chr. (Abramić Forschungen in Salona I 7; anders Bartoli 171 ; vgl. Farlati Illyr. sacr. II 173).
8. Militärische Verhältnisse. Über Bewaffnung und Kampfesweise der I. in alter Zeit geben die Schriftsteller einigen Aufschluß. Angriffs- und Schutzwaffen der I. waren wenig vollkommen (Diod. XV 13 berichtet, daß Dionysios den I. zum Kampfe gegen die Molosser 500 vollständige griechische Rüstungen geschickt habe). An Angriffswaffen verwendeten sie Schwerter (Plut. Pyrrh. 34) und Lanzen (Aristot. περὶ ποιητικῆς 26, 14), aber auch Keulen und Schleudersteine (Plut. de fortuna Alexandri I 2). Die Ausgrabungen bestätigen die Angaben der Quellen über die Bewaffnung der I. und zeigen, daß zu diesen schon in der Eisenzeit auch Helme und Backenschilde gehörten (Truhelka Wissensch. Mitteil. aus Bosnien VIII 7f.). Im wuchtigen Angriffe lag ihre Hauptstärke (Polyb. II 3, 5 τῷ βάρει τῆς συντάξεως). Sie fochten meist in dichtgedrängter quadratischer oder keilförmiger Schlachtordnung (Diod. XVI 4. Polyb. II 3, 2 χρησάμενοι τῇ παρ’ αὐτοῖς εἰθισμένῃ τάξει προῆγον κατὰ σπείρας) und stellten die Tüchtigsten in die Front (Frontin. II 3, 2 frons stipata Illyriorum; über die Kampfweise der Dardaner Liv. XXXI 43, 3). Die Reiter der I. erwähnt Lukian. Demosth. enkom. 34 (nach Diod. XVI 4, 3 verfügte Bardylis im Kampfe mit Philipp von Makedonien über 500 Reiter; nach Kretschmer 248 das Wort ἵππος päonischen Ursprungs). Schon der Anblick ihrer Menge, ihr Kriegsgeschrei und das Schwenken der Waffen erweckten in jedem, der sie nicht kannte, bei ihrem Anrücken Schrecken. Thukydides IV 124f. meint allerdings, daß sie einem Feinde, der sich dadurch nicht einschüchtern lasse, nicht standhielten, denn sie wüßten nichts von einer Kampfordnung und schämten sich nicht, ihren Platz zu verlassen, wenn sie dazu gezwungen würden; Flucht beweise [339] bei ihnen weder Tapferkeit noch Feigheit. Hauptstütze der I. in den Kämpfen zur See waren die Liburnen (Appian. Ill. 3; bell. civ. II 39. Grosse o. Bd. XII 143ff.); diese Seeräuberschiffe findet Zosim. V 20, 3 ebenso schnell wie die Fünfzigruderer und hebt ihre allgemeine Verbreitung neben dem Verschwinden der Trieren hervor; über ihre Bauart herrscht keine volle Klarheit (Grosse 145).
Die I. traten als Söldner häufig auch in fremde Dienste (z. B. in die des Perdikkas gegen die Lynkesten [s. o.] oder in die Alexanders d. Gr. [genaue Übersicht über die ältere Zeit mit Anführung der entsprechenden Quellenstellen bei Schütt 76f.]).
Seit der Berührung mit den Römern änderten sich die militärischen Verhältnisse der I. Schon bei der Verteidigung Metulums (s. d.) gegen die Römer (35 v. Chr.) verwendeten die Japoden römische Geschütze (Appian. Ill. 19 μηχαναῖς ... ἃς ἐσχήκεσαν ἐκ τοῦ πολέμου ὃν Δέκμος Βροῦτος ἐνταῦθα ἐπολέμησεν Ἀντωνίῳ τε καὶ τῷ Σεβαστῷ).
Vor der Entstehung von Städten nach römischem Muster im Gebiete der I., also vor Claudius (Patsch VIII 85), wurde die Rekrutierung für die seit Augustus (Mommsen Herm. XXV 45, 3. 48; Ρ. G. V 35, 1) bestehenden sieben Cohortes Delmatarum, allenfalls für die Cohors I Pannoniorum et Delmatarum equitata civium Romanorum (Mommsen Ephem. epigr. V 183. CIL III p. 2026) vorgenommen (Mommsen Herm. XIX 210. Patsch VI 180, 12). Wenn auch keine dalmatischen Alen bekannt sind, so sind doch auch hier Reiter ausgehoben worden (Mommsen Herm. XXV 47, 1); sie wurden fremden Alen zugeteilt (vgl. ein Mann aus Aequom in der ala [Flavia] Pannoniorum CIL III 4376. Cichorius o. Bd. I S. 1255), wie auch in den ersten Jahrzehnten nach dem großen Delmatenaufstande I. in Garnisonen nur fremder Provinzen Verwendung fanden (Mommsen Herm. XIX 216; R. G. V³ 183). Auch für die Flotte haben die I. der Küste und des Binnenlandes, z. B. die Ditiones, die Mazaei, die Daesitiaten (Mommsen Ephem. epigr. V 184. CIL III 8385, S. 2033) ihr Kontingent gestellt (Patsch VI 171). Tac. hist. II 60. 83 spricht schon von Illyrici exercitus und II 74 von Illyrici legiones.
9. Politische Verhältnisse,
a) In vorrömischer Zeit. Für bürgerliche Entwicklung hatten die I. als kriegerisches Volk wenig übrig. Sie zerfielen in viele kleine Gaue, die, wie die zahlreichen das ganze Gebiet planmäßig sichernden Wallburgen zeigen, fortwährend miteinander in Streit lagen (Patsch Bosnien 10). Die durch tief eingeschnittene Senken begünstigte Zersplitterung, die noch größer gewesen zu sein scheint, als sich aus den überlieferten Stammesnamen ergibt (Patsch XI 137), hinderte die Zusammenfassung in politischer Beziehung. Im Süden kam es allerdings seit der Mitte des 3. Jhdts. v. Chr. zur Entstehung größerer staatlicher Gebilde, wie des Reiches des Agron und der Teuta oder später des Ballaios. Der Verfassung nach haben wir es z. T. mit erblichen Fürstentümern zu tun, in denen – wenigstens bei den Liburnern – mangels männlicher Sprossen auch die weibliche Thronfolge vorgesehen war (so wohl nach Schütt 14 [340]
Scyl. 21 αὖτοι [sc. οἱ Λιβυρνοὶ] γυναικοκρατοῦνται zu verstehen), z. T. mit Republiken (Skymn. 42ff. καί τινα μὲν αὐτῶν [sc. τῶν Ἰλλυριῶν] βασιλικαῖς ἐξουσίαις ὑπήκα’ εἶναι, τινὰ δὲ καὶ μοναρχίαις, ἃ δὲ αὐτονομεῖσθαι). Griechischer Einfluß machte sich besonders im Clan der Daorser bemerkbar (Patsch Bosnien 10); er prägte als einziger unter den dalmatischen Stämmen Kupfermünzen nach griechischem Fuß (nach Brunsmid Die Inschriften und Münzen der griech. Städte Dalmatiens 75f. nach dem J. 168 v. Chr.) mit dem Kopfe des Hermes auf dem Avers und der griechischen Aufschrift ΔΑΟΡΣΩΝ nebst einer Lembe auf dem Revers). Unter den Gebäuden Metulums wird von Appian. Ill. 21 das βουλευτήριον erwähnt, auch hierin jedenfalls griechisches Vorbild maßgebend (Patsch III 179).
b) In römischer Zeit. Die planmäßige Romanisierung der von I. bewohnten Landstriche zeigt sich auch in der Änderung der Verfassungs- und Verwaltungszustände dieser Gebiete. Sie werden in Bezirke zerlegt, die von den als Municipien oder Kolonien konstituierten städtischen Mittelpunkten aus verwaltet wurden; nur die Orte, in denen die Bedingungen für die Verleihung des Stadtrechtes noch nicht gegeben waren, blieben als Gaugemeinden bestehen; in ihnen waltete ein Gauhauptmann, dem ein Gaurat beigegeben war, seines Amtes (Patsch Bosnien 24, z. B. ist CIL IX 2564 in Bovianum Undecimanorum von einem praefectus civitatis Maexe[iorum, praef(ectus) civitatis Daesit]iatium die Rede, vgl. Patsch VI 171. CIL III 2776 Grabstein eines erst 22jährigen princeps Dalmatarum aus Salona; auch die Ditionen noch zu Beginn des 2. Jhdts. n. Chr. eine Gaugemeinde, da Ptolem. II 16, 5 sie unter den Stämmen anführt, vgl. Patsch o. Bd. IV S. 1230).
10. Das Leben der Illyrier.
a) Wohnweise. Für die Wohnweise der I. vor der Berührung mit den Römern sind die zum Teil aus vorgeschichtlicher Zeit stammenden Wallburgen eigentümlich (Radimsky Wissensch. Mitt. aus Bosnien V 73f.), das sind hochgelegene, dauernd oder nur vorübergehend in Gefahr benützte Siedlungen (Gnirs Istria Praeromana 140) mit Holzbauten (vgl. Delminium, Appian. Ill. 21) (zu ihnen auch die Castelliere Istriens gehörig, vgl. Gnirs 134). Die Lage der Siedlungen zeigt, daß die Sicherheitszustände vor dem Eingreifen der Römer ungünstig gewesen sind (Flor. II 25. Strab. VII 5, 5), beweist aber auch, daß die Höhen bewaldet waren (Patsch VII 187. VIII 10; Festschr. f. Hirschfeld 200), wofür auch die Seltenheit von Zisternen in den Ruinenplätzen spricht (Patsch Festschr. f. Hirschfeld 201).
Seit der Besetzung des Landes durch die Römer zogen die Bewohner mit den größeren Ortschaften – Bergwerksorte natürlich ausgenommen – von der Höhe in die Talsohle, die alten Siedlungen schrumpften vielfach zu Gehöften zusammen, welche die Bewirtschaftung hochgelegener Äcker und Weiden erleichterten (Patsch XI 137). Nur besonders wichtige Punkte blieben weiterhin als Sicherheitsposten bestehen (Patsch IX 172); einige waren allerdings auch in römischer Zeit noch bewohnt, so die Gradina über Gokovci, die Vidoska Gradina (Radimsky Wissensch. [341] Mitteil. aus Bosnien III 293. IV 190) oder die Gradisce St. Michael bei Adelsberg (Pick-Schmid IOA XXI/XXII Beibl. 290) und der Vinacicaberg mit seiner Höhe St. Katherina bei Josephsthal (Veith Akad. d. Wien. Wiss., Schr. d. Balkankommiss. Antiquar. Abt. VII 31. 47ff.). In den Orten der Niederung findet römische Bauweise ein weites Betätigungsfeld (vgl. den Abschnitt ,Romamsierung’).
.b) Familienleben Über das Familienleben der I. sind nur einzelne Züge überliefert. Die Liburner hatten alle Frauen gemeinsam; die Kinder wurden bis zum 5. Lebensjahr zusammen aufgezogen; im 6. brachten sie alle Kinder zusammen und teilten sie den Männern nach Maßgabe der Ähnlichkeit zu; die so empfangenen Kleinen betrachtete jeder als seine Kinder (Nicol. v. Damasc. bei Stob. s. Λιβυρνοί. FHG III 458 nr. 111; gegen die Richtigkeit der Fassung dieser Notiz Schütt 14). .c) Sitten und Gebräuche. Auf Sauberkeit scheinen die I. nicht zu viel Wert gelegt zu haben, am wenigsten wohl die Dardaner, deren Körper nur dreimal mit Wasser in Berührung kam ὅταν γεννῶνται καὶ ἐπὶ γάμοις καὶ τελευτῶντες (Nicol. v. Damasc. bei Stob. FHG III 458 nr. 110; vgl. dazu das antike Sprichwort für einen schmutzigen Menschen τρὶς τοῦ βίου λέλουται ὥσπερ Δαρδανεύς). Zu dem geringen Reinlichkeitssinn der Dardaner paßt gut, was Strab. VII 316 über ihre Wohnungen sagt: ὑπὸ ταῖς κοπρίας ὀρύξαντες σπήλαια ἐνταῦθα διαίτας ποεῖσθαι). Häufig tätowierten sie ihren Körper (Strab. VII 315 οἱ Ἰάποδες ... κατάστικτοι ὁμοίως τοῖς ἄλλοις Ἰλλυριοῖς καὶ Θράξι).
Besser als über alle anderen Gewohnheiten der I. sind wir über ihre Trinksitten unterrichtet. Theopomp frg. 43 bei Athen. X 443 hebt die Maßlosigkeit der Ardiaeer im Essen und Trinken hervor; vor den täglich veranstalteten Gelagen, bei denen sie saßen, schnürten die Männer ihre Leiber mit breiten Gürteln, und zwar um so mehr, je mehr sie tranken. Die Frauen wurden zu den Zechgelagen mitgenommen und ihnen zugetrunken (Theopomp. frg. 43. Aelian. var. hist. ΙΙΙ 15); nach der Kneipe hatten sie ihre Gatten nachhause zu bringen (Theopomp. frg. 43). In der Bereitung von Honigwein waren die Taulantier so erfahrene Meister, daß selbst die Griechen ihn nicht von echtem alten Weine unterscheiden konnten (Aristot. περὶ θαυμασίων 22. Schütt 16). Als beliebtes Getränk galt auch das sabaium, das ex frugibus aquaque bei den I. hergestellt wurde (Ammian. Marc. XXVI 8, 2), nach Hieron. comm. in Isaium VII 19 aber vulgo in Dalmatiae Pannoniaeque provinciis (s. u. Bd. I A S. 1521).
Von ihren seelischen Eigenschaften hebt Skymn. 423f. hervor καὶ σφόδρα δικαίους εἶναί φασι φιλοξένους, κοινωνικὴν διάθεσιν ἠγαπηκότας εἶναιο βὶον ζηλοῦν τε κοσμιώτατον.
Die Behandlung alter oder durch Wunden und Strapazen geschwächter Krieger war wenigstens bei den Autariaten im allgemeinen recht grausam (Nicol. v. Damasc. bei Stob. Αὐταριάται FHG III 458 nr. 112) und die besondere Härte der Dardaner hebt Strab. VII 316 (von der ἀγριότης der Küstenbewohner ganz allgemein Strab. [342] VII 317), ihre Widerstandsfähigkeit Amm. Marc. XXIX 5, 22 (Dardanorum ferociam in modum Lernaeae serpentis aliquotiens renascentem) hervor.
Geistigen Regungen standen die I. nicht ganz teilnahmslos gegenüber; von den Dardanern sagt Strab. VII 316, daß sie die Musik liebten und Flöte und Saiteninstrumente trefflich zu handhaben verstehen. Der. Schmuck der Grabstelen mit schönen Flechtbandumrahmungen und verhältnismäßig großen Einzelfiguren, in mancher Beziehung an die venetische Situlenkunst erinnernd (Hoernes Wissensch. Mitteil. aus Bosnien III 516. V 337), zeigt den hochentwickelten Kunstsinn der I. (Gutscher 18). Die Arbeitsamkeit der päonischen Frauen lobt Herodot. V 12f.
Einige illyrische Stämme, so die Dardaner und Ardiaeer, verfügten über viele Sklaven, die zweifellos Reste der Urbevölkerung darstellen (Schütt 10. Patsch IOA X 169). Athen. VI 272 d (aus dem 38. Buche der Εὐρωπιακά des Agatharchides von Knidos) berichtet, daß bei den Dardanern die Sklaven, deren mancher 1000 und noch mehr besessen hat, im Frieden zur Bestellung der Äcker, in Kriegszeiten aber als Soldaten verwendet worden seien; im Felde habe jeder vornehme Dardaner sein Sklavenaufgebot befehligt, die Ardiaeer sollen nach Theop. frg. 41 bei Athen. X 443 300 000 προσπελάται gehabt haben, eine Zahl, die sicherlich übertrieben ist (Schütt 16).
d) Beschäftigung, a) Landwirtschaft. Ein Zweig der Beschäftigung der I. war die Landwirtschaft (schon Skymn. 378f. hebt die Fruchtbarkeit der Inseln in der Adria rühmend hervor τὴν χώραν ἀρίστην νεμόμενα καὶ καρπίμην· διδυμητοκεῖν γάρ φασι καὶ τὰ θρέμματα; ähnlich sagt Strab. VII 317 von den illyrischen Inseln χρηστόκαρποι, ἐλαιόφυτοι und εὐάμπελοι, Arist. περὶ θαυμ. 128, freilich nicht ohne starke Übertreibung; die Güte der Irispflanze in den südillyrischen Küstengebieten von Athen. XV 681 und Plin. n. h. XXI 19, 40. 41 hervorgehoben). Aber auch Waide- und Almwirtschaft war ihnen bekannt (Expositio tot. mundi 53 hebt als die tres species, die Illyricum habundans emittit, den caseum Dalmatenum, tigna tectis utilia, similiter et ferrum). Die illyrischen Seen ermöglichen ergiebige Fischerei (z. B. Strab. VII 327 λίμναι αἱ περὶ Λυχνιδὸν ταριχείας ἰχθύων αὐτάρκεις ἔχουσαι; vgl. den Namen Encheleer-Aalleute). Eines guten Namens erfreuten sich die catuli Melitaei und die Ziegen von Brattia (Plin. h. n. III 152). Die zunehmende Besiedlung des Gebietes und die starke Holzausbeute (vgl. expos. tot. mundi 53, die aus Holz gebauten und von Octavian niedergebrannten Städte der Japoden und Dalmaten Appian. Ill. 21. 25. 27, Inschrift eines Holzhändlers in Salona CIL III 12 924) erklären den Rückgang des Waldbestandes bereits in römischer Zeit gegenüber der vorgeschichtlichen (vgl. auch den Abschnitt über die ,Wohnweise’). Immerhin waren auch damals noch stattliche Waldungen in heute verkarstetem Gebiete vorhanden (Patsch VII 77. CIL III 13 250): so überrascht in den Ansiedlungen die Auffindung vieler Reste von Tieren, denen der Wald Lebensbedingung ist (Jagdszene mit Rehen in einem hochstämmigen Wald auf einem Relief aus Lisičići
[343] bei Konjica im mittleren Bosnien Patsch IV 269, Darstellung eines Hochwaldes und von Jagdhunden auf einem in Zenica-Bistue gefundenen Relief Glasnik 1902, 3 Fig. 4. Patsch Festschr. f. Hirschfeld 201).
ß) Bergbau. Die I. verfügten auch über ansehnliche Bergschätze, Gold, Silber, Kupfer und Eisen, nach denen zum Teil von alters her (Patsch IX 241) geschürft wurde (in Dalmatien allerdings erst von der Mitte des 2. Jhdts. n. Chr. v. Domaszewski AEM XIII 133. CIL III 6675 die älteste Inschrift eines procurator der argentaria Pannonia et Dalmatia aus den Tagen des Kaisers Commodus; vgl. Hirschfeld AEM VII 41). Plin. n. h. XXXIII 40 erwähnt den Dardanium genannten Goldschmuck. Das Land der Pirusten war reich an Silber (vgl. den Namen des Ortes Argentaria in Mittelbosnien Tab. Peut. VII 1; Tomaschek Mitt. d. geogr. Ges. Wien 1880, 551. Jirecek Handelsstraßen 42). Den Eisenbergbau erwähnt die Expos. tot. mundi c. 53 (vgl. Radimsky Wissensch. Mitt. aus Bosnien I 217. CIL III 13 239. 13 240). Vgl. die Bergwerksmünzen Traians und Hadrians mit dem ℞ Dardanici Cohen Traian 338; Hadrian 1166 und die ausgebildete Berg- und Hüttenverwaltung (vgl. die Laufbahn des T. Claudius Xenophon CIL III 6575 = 7127), die procuratores metallorum inter Macedoniam, Daciam mediterraneam, Moesiam seu Dardaniam, über Reste alten Bergbaues im Dardanerland Jirecek Handelsstraßen 43f. 53ff. und AEM X 79). Berühmt waren auch die Marmorbrüche von Tragurium. (Plin. n. h. III 171; vgl. u. Bd. III A S. 2268). Das salzreiche Gebiet in der Nähe des heutigen Slana voda bei Orahovica, durch das der Naron fließt (Strab. VII 317), bildete immer einen Zankapfel zwischen Autariaten und Ardiaeern (Aristot. περὶ θαυμασίων 138. Appian. Ill. 3); sein Besitz war namentlich für erstere als Bewohner des Binnenlandes, die jeden Handelsverkehrs entbehrten, von Wichtigkeit (Schütt 16). Von einem ergiebigen Erdharzlager um Apollonia berichtet Aristot. περὶ θαυμασίων 127 und auch Aelian. var. hist. XIII 15 τῇ πλησίον κειμένῃ τῆς τῶν Ἀνλαντίνων (wohl richtiger nach Schütt 9 Ἀτιντάνων) χώρας ἄσφαλτος ὀρυκτὴ καὶ πίσσα; auch Ovid. ars amat. II 658 spricht von illyrischem Peche.
Über eigenartige Quellen in Illyrien berichtet Plin. n. h. II 228 in Illyricis supra fontem trigidum expansae vestes accenduntur.
γ) Gewerbe. Von einigen Gewerben (Erzeugung von Honigwein, Sabaium, Käse, Kunstgewerbe) war bereits oben die Rede. Die I. betrieben aber auch andere gewerbliche Arbeiten. So leisteten sie in der Keramik bereits in vorgeschichtlicher Zeit Bedeutendes (Gutscher 18ff. Kossinna Mannus Bibl. IX 52). Schon zu dieser Zeit beeinflußten die I., die das Schmieden des Drahtes dem Gusse vorzogen, die hauptsächlich durch Guß hergestellte germanische Fibel (Kossinna IV 174; Die deutsche Vorgesch.² 136).
δ) Handel. Die geographische Lage der von den I. besiedelten Landstriche zwischen der gerade im nördlichen Teile so hafenreichen Adria und den nördlichen Balkanländern erklärt die lebhaften [344] Handelsbeziehungen bereits in vorrömischer Zeit weniger in der Form des eigenen Außenhandels als in der des Transitverkehrs vom und zum Meere (Patsch IV 262). Als seine Träger erscheinen Einheimische, namentlich aber Griechen (vgl. die Münzen der Daorser; Zippel 2. Müllenhoff Deutsche Altertumsk. I 433. Schneider AEM IX 34, 5. Gutscher 23. Patsch Gesch. u. Topogr. v. Narona 101), von denen als erste die Kerkyraeer sich ins unbekannte Innere des adriatischen Meeres wagten (390 Besiedlung von Lissus, vg. Jirecek Handelsstraßen 25. Gutscher 23). Von den ältesten Handelsbeziehungen der I. zu diesen Gebieten, von seiner Einträglichkeit allerdings nicht ohne Gefahr um die Wende des 5. Jhdts. spricht Lys. κατὰ Διογείτονος 25, um die Wende des 4. Jhdts. Theopomp bei Strab. VII 319. Skyl. 24 und die pseudoaristotelische Notizensammlung 104 (111), ohne daß sich über den Handelsort (Bullet. Dalm. I 153. 157. XXII 16. 46. 62. 97. 144. Patsch IV 129) und die Waren volle Klarheit gewinnen ließe (auf Waffen und Schmuckgegenstände weisen die Ausgrabungen [vgl. Patsch VI 151 Taf. VII. Truhelka Wissensch. Mitteil. aus Bosnien VIII 6f. 102], auf wertvolle Erzeugnisse der Keramik die durch Funde griechischer Münzen im Binnenlande an Glaubwürdigkeit gewinnende Nachricht Theopomps bei Strab. VII 319 καὶ ἄλλα δ’ οὐ πιστὰ λέγει[Θεόπομπος] τότε συντετρῆσθαι τὰ πελάγη .. ἀπὸ τοῦ εὐρίσκεσθαι κέραμόν τε Χίον καὶ Θάσιον ἐν τῷ Νάρωνι [vgl. Curčić Wissensch. Mitteil. aus Bosnien XI 81]). Wahrscheinlich schon seit dem 5. Jhdt. v. Chr. erschienen bei den I. auch römische Kaufleute (Patsch VIII 70; vgl. die Funde consularischer Münzen z. B. auf der Hochebene von Rakitno, vgl. Radimsky Wissensch. Mitt. aus Bosnien I 171. Patsch VIII 70; über Münzfunde in Dalmatien vgl. Kahrstedt 13, 1). Als Stützpunkte des Handels kommen später Scodra, Salona, Tragurium, Epetion und Aquileia in Betracht, Orte, die als Ausgangspunkte von Verkehrswegen ins Hinterland von Wichtigkeit waren (über die Bedeutung Aquileias vgl. Kahrstedt 12). Die Handelsbeziehungen reichten bis Dacien (vgl. Münzfunde der adriatischen Handelsstädte Apollonia, Dyrrhachium und Kerkyra in Dacien, wohin sie von Lissus über Ulpiana, Naissus, Viminacium und Ratiaria oder das Narentatal aufwärts gelangt sind [Patsch VI 262ff.]) und Auftreten von Kaufleuten aus verschiedenen dakischen Städten in Dalmatien z. B. CIL III 2086 Kaufmann aus Potaissa in Salona, CIL III 2679 aus dem 3. Jhdt. ein decurio aus Dobreta, CIL III 2866 unbestimmter Zeit aus Porolissum in Nedinum) und erfuhren seit der Einbeziehung Daciens in das römische Reich eine wesentliche Verstärkung (jetzt auch Ansiedlung von Dalmaten in Dacien wabrscheinlich zur Ausbeutung der Bergschätze [Alburnus maior wird geradezu als Vicus Pirustarum bezeichnet, Patsch VI 264], darunter auch von solchen, die bereits in der Heimat Amt und Würde inne hatten [CIL III 1322 Ampelum ein princeps adsignatus] ex m(unicipio) Splono], vielleicht auch, da Dalmatien und Dacien zu dem großen illyrischen Zollsprengel gehörten (Patsch Röm. [345] Mitteil. 1893, 196. v. Domaszewski AEM XIII 136. Patsch VI 267).
Von etwas anderer Beschaffenheit ist der Tauschhandel zwischen den Bewohnern der Hochgebirgstäler, welche an allen Bodenprodukten Mangel hatten, und der fruchtbaren Niederungen; jene geben Harz, Pech, Krummholz, Wachs, Honig und Käse, woran sie Überfluß hatten, für Dinge, die sie benötigten.
Neben dem rechtmäßigen Handelsbetriebe spielte auch der Seeraub bei einigen Stämmen der I. eine große Rolle (Strab. VII 317 ὠλιγωρεῖτο πρότερον ἡ Ἰλλυρικὴ παραλία, τάχα μὲν καὶ κατ’ ἄγνοιαν τῆς ἀρετῆς, τὸ μέντοι πλέον διὰ τὴν ἀγριότητα τῶν ἀνθρώπων καὶ τὸ λῃστρικὸν ἔθος); berüchtigt waren hiedurch die Liburner (Appian. bell. civ. II 39) und Ardiaeer; (Appian. Ill. 10 τὰ θαλάσσια ὄντες ἄριστοι; vgl. Schütt 16f. Wirth D. Balkan 239).
[Fluss.]
Nachträge und Berichtigungen
Vorlage: Band XIII S. 283
Folgende Übersicht berücksichtigt nur das Allerwichtigste.
In diesem Kapitel und in den folgenden erfährt der Begriff I. eine Beschränkung auf jene Volksstämme, die von den Schriftstellern des Altertums ausdrücklich als I. bezeichnet werden (vgl. die Tabelle S. 325f.), für die anderen wird auf die einschlägigen Artikel in der R.E. verwiesen.
korrekt Band IV S. 2448
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