ART

Ichthys. 1) Bei verschiedenen Völkern des Orients wurde der Fisch für heilig bezw. für göttlich gehalten. In der indischen Sintflutsage erscheint ein wunderbarer Fisch als Erretter des Stammvaters der Menschen, und in anderen Legenden spielt er ebenfalls die Rolle des Erretters irgend eines Königs usw. Es ist die Vermutung ausgesprochen worden, daß das Symbol des Ἰησοῦς σωτήρ daraus entlehnt wurde (vgl. Usener Sintflutsagen 1899, 223f. Pischl S.-Ber. Akad. Berl. 1905, 506ff.), was heute wohl keiner Widerlegung mehr bedarf. Es liegt jedenfalls viel näher, an die Sage von Hierapolis zu denken, wo Fische die syrische Göttin retten (s. u.).

In Ägypten sind wir schon auf festerem Boden. Wir wissen, daß verschiedene Arten von Fischen in diesem klassischen Lande des Tierdienstes als tabu betrachtet wurden. Die Syeniten aßen nicht den Phagros, noch die Bewohner von Elephantine den Maiotes, und die Oxyrhynchiten mieden ängstlich nicht nur den Oxyrhynchos, sondern selbst den Angelhaken, den er berührt haben konnte (Plut. de Isid. 7, vgl. 72. Clem. Alex. Protr. II 39, 5; vgl. Arist. apolog. XII, 7). Der Lepidotos, der Phagros und der Oxyrhynchos sollen ja den ins Wasser geworfenen Phallus des Osiris verschlungen haben, weshalb sie verpönt waren (Plut. de Is. 18). Die Priester enthielten sich aller Fische überhaupt (Herod. II 37. Clem. Alex. Strom. VII 6. Plut. de Is. 7; quaest. conv. VIII 3, 2. Porph. de abst. IV 7. Horapollo Hier. I 44). Selbst wenn, am neunten Tage des ersten Monates, jeder Ägypter vor seiner Hoftür einen gebratenen Fisch aß, genossen die Priester nicht davon, sondern verbrannten das Opfertier gänzlich (Plut. de Is. 7). Besonders galt der riesige Lates niloticus (ägypt. Ant) als heilig. Bei Esneh, dem alten Latopolis, sind von ihm zahlreiche Mumien entdeckt worden, und nach dem Totenbuch, glaubte man, daß er der Führer der Sonnenbarke auf ihrer Bahn durch den himmlischen Ozean sei (Wiedemann Der Fisch Ant, Sphinx XIV 232ff.). Der Fisch, der die Frommen zum Reiche der Seligen führte, ist sodann als Symbol der Unsterblichkeit aufgefaßt und dargestellt worden (Mahler Actes du IVe Congrès hist. des relig., Leiden 1913, 98). Dieser ägyptische Glaube ist vielleicht nicht ohne Einfluß auf die Entwicklung des christlichen Symbols geblieben, aber dieses ist sicher nicht daraus entsprungen.

Viel wichtiger ist die Fischverehrung bei den semitischen Völkern. Nach Berosus FHG II 496 frg. 1, 3 hatte der Fisch Oannes, der aus dem Erythräischen Meer tauchte, um das rohe und unwissende Volk Babyloniens zu unterweisen, einen Fischleib, aber unter dem Fischkopf ein menschliches Haupt und menschliche Füße, die aus dem Schwanze hervorwuchsen. Ähnliche Mischgestalten werden auch anderswo erwähnt, und Oannes ist wohl kein anderer als Ea, der Gott des Ozeane. In der Tat erscheinen auf den babylonischen bezw. assyrischen Denkmälern Priester mit einer großen Fischhaut bekleidet, wohl um ihre Verwandtschaft mit dem Meeresgott auszudrücken, mit dem sie auf diese Weise in Gemeinschaft traten (vgl. Jeremias in Roschers [845] Mythol. Lex. s. Oannes. Jastrow Bildermappe zur Relig. Babyloniens 1913, nr. 95. 100). Man sieht auch auf gewissen Zylindern den Fisch geopfert oder in heiligen Prozessionen getragen, und die Keilschrifttafeln reden von Fischopfern, die der Nina oder Ishtar dargebracht wurden. Diesem Fischkultus der Babylonier verdanken wir Fische und auch Steinbock (Ziegenfisch), die noch heute auf unseren astronomischen Sphären den Himmel verzieren (vgl. Boll Sphaera 406ff. usw.).

Besonders zahl- und belangreich sind die Zeugnisse für den sakralen Charakter des Fisches in Syrien. Σύροι τοὺς ἰχθῦς οὕτω σέβουσι περιττῶς ὡς Ἡλεῖοι τὸν Δία, sagt Clemens Alex. Protr. II 39, 8; vgl. Cic. nat. deor. III 39. Bei den Philistern wurde Dagon als Fischmensch dargestellt (s. o. Bd. IV S. 1985), und die alte Sage, welche man von Derketo in Askalon erzählte, berichtete, daß sie in einen Fisch verwandelt worden war. Nach einer anderen Legende verdankte Atargatis ihr Leben Fischen, die später zur Belohnung in den Himmel versetzt wurden (s. den Art. Dea Syria o. Bd. IV S. 2241). Von diesen Fischen, welche die Göttin gerettet hatten, machten die Syrer kleine Bildnisse aus Gold und Silber und verehrten sie als Beschützer ihrer Häuser (Erat. catast. 38. Hygin astr. II 41: piscium simulacra inaurata pro diis penatibus colunt, vgl. Nigidius Figulus rel. S. 127 Swoboda). Es sind vieleicht manche dieser Schutztierchen, ohne erkannt zu werden, in unsere Museen gelangt (Reinach Repertoire de la statuaire II 778, 10. III 225, 4. IV 547). Sicher wurde eine Fülle von heiligen Fischen nahe bei den Tempeln der Atargatis in Teichen gehalten, so in Askalon (Diod. II 4, 2. Luc. de dea Syr. 14), in Hierapolis, wo sie herbeischwammen, wenn man sie bei ihrem Namen rief (Luc. de dea Syr. 45. Ael. hist. an. XII 2. Plin. n. h. XXXII 17), in Edessa (Sachau Reise in Nord-Syrien 196. Duval Hist. d’Édesse 78), vielleicht selbst in Besechana in Mesopotamien (Charax Geogr. gr. I 149 mit Müllers Anm.). Nach Xenoph. anab. I 4, 9 (vgl. Plin. n. h. XXXII 16) war der Fluß Chalus bei Aleppo voll von zahmen Fischen, οὓς οἱ Σύροι θεοὺς ἐνόμιζον; und Scharen derselben tummelten sich in der heiligen Quelle des Aborras in Mesopotamien herum (Ael. nat an. XII 30. Plin. XXXII 16). Die Göttin, die in einer Inschrift von Smyrna (Dittenberger Syll.² 584 = Michel Recueil 728) in diesem Zusammenhang erwähnt wird, ist wohl die syrische, obwohl heilige Fische auch sonst in Kleinasien bekannt sind, z. B. zu Myra in Lykien in der Quelle des Apollon Kurios, wo sie Vorzeichen erteilten (Plin. n. h. XXXII 17, vgl u.), bei dem Tempel des Zeus Labrandeus in Karien, wo zahme Aale goldene Ohrringe und Armbänder trugen (Ael. nat. an. XII 30. Plin. n. h. XXXII 16). Ähnliche Aale befanden sich auch in der Quelle Arethusa bei Chalkis (Athen. VIII 331 e. f), und sonst in Griechenland (s. den Art. Aal o. Bd. I S. 4). Noch heute in Kleinasien und besonders in Syrien lebt das alte Tabu fort: bei Moscheen und in heiligen Brunnen findet man Fische, welche nicht gefangen werden dürfen (s. Cumont [846] Orientalische Religionen 264. Hogarth Journ. hell. stud. XIV 187. Calder Journ. Roman stud. II 1912, 246ff.). Ebenso durften im Altertum die Fische nicht verletzt oder auch nur angefaßt werden (Dittenberger a. a. O.: Ἰχθῦς ἱεροὺς μὴ ἀδικεῖν. Xenoph. a. a. O. Hygin. astron. II 30, vgl. Nöldeke ZDMG XXXV 220). Um so viel mehr war es verboten, sie zu essen. Die Syrer enthielten sich des Fisches ebenso ängstlich wie die Juden des Schweinefleisches (Ovid. fast. II 473: Inde nefas ducunt genus hoc imponere mensis | nec violant timidi piscibus ora Syri; Mnaseas Patarensis FHG ni 155 frg. 32. Cornutus 6. Nigidius Figulus rel. 127 Swoboda. Hygin. astr. II 30, 41. Anth. Pal. VI 24. Artemid. oneir. I 8). Abergläubische Furcht verwehrte das untersagte Gericht anzurühren, denn die Göttin bestrafte dieses Sakrileg mit Beulen und Geschwüren, die den Körper des Missetäters bedeckten, und konnte nur durch harte Büßungen wieder versöhnt werden (Menander bei Porph. de abstin. IV 15. Plut. de superst. 10, vgl. 7. Martial. IV 43; vgl. Persius V 187). Die Verehrer der phrygischen Kybele enthielten sich ebenfalls aller Fischnahrung (Iulian. or. V 176f. Cornutus 6, vgl. Hepding Attis 156). Heute noch ißt die Bevölkerung in der Türkei kaum irgend einen Fisch, und gewisse Arten scheinen wirklich ungesund oder sogar gefährlich zu sein. Das religiöse Verbot ist also wohl durch eine hygienische Erfahrung verursacht oder unterstützt worden. Die Geschwülste, welche die syrische Göttin schickte, waren das durch die Vergiftung verursachte Ödem (vgl. Cumont Orientalische Religionen 284).

Nur die Priester hatten das Recht, Fische beim Opfermahl zu verzehren (Mnaseas a. a. O.: τοὺς ἱερεῖς πᾶσαν ἡμέραν τῇ θεῷ, d. h. der Atargatis, ἰχθῦς ἐπὶ τὴν τράπεζαν ὀψοποιησαμένους παρατιθέναι, ἑφθούς τε ὁμοίως καὶ ὀπτούς, οὓς δὴ αὐτοὶ καταναλίσκουσιν οἱ τῆς θεοῦ ἱερεῖς; vgl. Dittenberger a. a. O.: ἐἂν δέ τις τῶν ἰχθύων ἀποθάνῃ καρπούσθω αὐθημερὸν ἐπὶ τοῦ βωμοῦ. Diog. Laert. VIII 34). Iulian or. V 176 D bemerkt auch, daß der Fisch zwar nicht zu Ehren der Götter ἐν ταῖς τιμητηρίοις, wohl aber in Mysterienkulten ἐν τελεστικαῖς θυσίαις geopfert wurde. Es ist kaum der Schluß abzuweisen, daß in den syrischen Mysterien diese göttliche Speise genossen wurde und die Gläubigen durch diese Kommunion sich mit ihrer Göttin zu vereinigen glaubten. Heilige Mahle waren in den syrischen Tempeln ebenso wie in den Speisen des Mithras, selbst im Abendlande, üblich (Cumont Oriental. Religionen 284, 37); vgl. u. Thrakien.

Die wichtige Rolle, welche der Fisch in der phönizischen Religion spielte, wird auch durch die punischen Denkmäler bewiesen. Ein solcher Kult erklärt sich übrigens natürlich bei einem Seefahrervolk. Der Fisch ist auf den der Tanit oder dem Baal Hammon gewidmeten Stelen öfters dargestellt zum Teil in oder neben der Opferschüssel und mit dem Brote, das ebenfalls verzehrt wurde. Noch heute wird der Fisch so wie die erhobene Hand in Nordafrika als Schutzzeichen über Türen und sonst häufig angebracht (Dölger 432ff.).

Vorstellungen und Gebräuche ähnlich denen, [847] die bei ihren heidnischen Nachbarn allgemein verbreitet waren, sind selbst den Juden nicht fremd (reiches Material von Scheftelowitz Arch. f. Rel. XIV 1911, 1ff. gesammelt). Der Fisch im Wasser ist das Sinnbild des gläubigen Israeliten. Aus dem Fleische des messianischen Riesenfisches Leviatan wird dem Frommen ein Mahl hergerichtet werden, und durch den Fisch wird die ganze Welt ein Mittel der Heilung finden. Die Seligen im Messianischen Reiche werden sich von Fischen ernähren und deshalb werden Fische neben Brot in den Malereien der jüdischen Katakomben dargestellt (vgl. jedoch Dölger 121f.). Darauf beruht wohl der altjüdische Brauch, der heute noch im Orient besteht, am Sabbat und an Feiertagen Fische zu essen (Pers. V 184; vgl. Plin. n. h. XXXI 95).

In den Balkan- und Donauländern sind zahlreiche Täfelchen aus Blei oder seltener aus Stein gefunden worden, die gewöhnlich als Denkmäler des ,Thrakischen Reiters‘ bezeichnet werden, und deren vollkommene Erklärung noch nicht gelungen ist (gesammelt: Antonescu Cultul Cabirilor in Dacia, Bukarest 1889. Hampel Archaeologiai Ertesitö XXIII 1903, 305ff.; vgl. dazu Ziehen Arch. Jahrb. XIX 1904, Anzeiger 11. Kazarow Arch. f. Rel. XV 1912, 153ff. Rostowzew Predstablenie o monarchitsheskoi wlasti, Petersburg 1913). Daß sie von den Anhängern einer Mysterienreligion gestiftet wurden, scheint unzweifelhaft, und ihr Fundort deutet schon darauf hin, daß diese Religion die thrakische war, welche allerdings durch orientalische Kulte (Mithras: Mon. myst. de Mithra II 526; vielleicht Atargatis: Dölger 143ff.) und früher schon durch die Kabirenmysterien in Samothrake beeinflußt worden ist. Nun erscheint öfters in der Mitte dieser Täfelchen ein dreifüßiger Opfertisch, auf dem ein Fisch liegt, und dieser ist sogar in einer Speiseszene auf dem Tisch vor den Essenden dargestellt (Hampel 349 nr. 52 = Dölger 147 nr. 8). Es geht daraus hervor, daß in diesem Mysterienkult der Fisch die heilige Speise war, die von den Eingeweihten genossen wurde. Man hat damit wohl mit Recht eine Notiz bei Aelian. in Zusammenhang gebracht (nat. an. XV 23): Τὸν ἰχθὺν τὸν πομπίλον … τῶν ἐν Σαμοθράξῃ θεῶν φίλον.

In Griechenland begegnet man hie und da dem Verbot, diese oder jene Fischart zu essen (Eleusis: Porphyr. de abst. IV 16, vgl. Paus. I 38, 1. Ael. nat. an. IX 51. Arethusaquelle: s. o. S. 845, 62; Hera in Argos: Ael. nat. an. IX 65. Priester des Poseidon: Plut. quaest. conv. VIII 8, 4). Andrerseits, obwohl Plutarch (quaest. conv. VIII 8, 3) versichert, daß der Fisch überhaupt nicht opferbar gewesen sei, hat man einige Beispiele von Fischopfern nachweisen können (Stengel Herm. XXII 97ff.). Aber im allgemeinen darf man sagen, daß in Gegensatz zu den Syrern, die den Fisch opferten, aber nicht aßen, die Griechen ihn überall aßen, aber nicht opferten.

Man muß natürlich diese Antecedente in Rechnung bringen, am den christlichen Symbolismus des I. richtig zu beurteilen. Soviel ist jedenfalls klar, daß ein griechischer Einfluß hier ausgeschlossen ist. Es fragt sich aber, ob [848] und in welchem Maße die kirchliche Auffassung durch die orientalische Fischverehrung bedingt worden ist. Besonders kommt der Atargatiskult in Betracht, denn das Sinnbild des I. ist wohl sicher in Syrien entstanden (Dölger 443), wo seine Denkmäler zahlreicher sind als in irgend einer andren römischen Provinz. In diesem Lexikon können wir die vielen christlichen Texte und Darstellung, die sich auf den Fisch beziehen, nicht aufzuzählen und aufzuklären versuchen. Wir wollen nur einige Hauptergebnisse bezw. Anschauungen der neuesten Forschung kurz und bündig darlegen, indem wir besonders die Beziehungen des I. zum Heidentum berücksichtigen. Es steht fest, daß um die Wende des 2. Jhdts. Christus unter dem Bilde des Fisches verstanden und dargestellt wurde, und zwar schon in der ganzen römischen Welt. Dies wird für Phrygien erwiesen durch die meines Erachtens unzweifelhaft christliche Aberkiosinschrift (Grégoire Inscr. chr. d’Asie Mineure 415: lἰχθὺν ἀπὸ πηγῆς οαννεγεθῆ καθαρὸν ὃν ἐδράξατο παρθέβις ἄγνη), für Gallien durch die Inschrift des Pektorios von Autun (Kaibel Epigr. 725 = IG XIV 2525), für Afrika durch Tertullian (de baptismo 1), für Ägypten durch Origenes in seinen um 246 geschriebenen Tomoi über das Matthäusevangelium (XIII 10. Migne G. XIII 1120). In Rom gehen auch die ältesten Malereien der Katakomben bis auf das 2. Jhdt. zurück (s. z. B. Wilpert Pitture delle Catacombe I 243, vgl. 172. 267. 354ff. Becker Die Darstellung Jesu Christi unter dem Bilde des Fisches, Gera 1876).

Schon in diesen ältesten Zeugnissen wird der Fisch in Beziehung zu der Eucharistie gesetzt; so in der Aberkiosinschrift (τοῦτον [ἰχθὺν] ἐπέδωκε φίλοις ἐσθίειν διὰ παντός) und in der Inschrift des Pektorios (v. 5ff.), und spätere Texte beweisen, daß dieser herkömmliche Zusammenhang als allgemein bekannt vorausgesetzt wurde (Aug. conf. XIII 21: piscem levatum de profundo in ea mensa quam parasti in conspectu credentium; 23: piscis quem levatum de profundo terra pia comedit Chrysolog. Sermo 55, Migne L. LII 354. Ps.-Prosper de promiss. II 89, Migne L. LI 816. Ἐξην. τῶν ἐν Περσίδι πραχθέντων ed. Bratke Texte und Unters. N. F. IV 12: πηγὴ ἰχθὺν ἔχουσα τῷ τῆς θεότητος ἀγκίστρῳ λαμβανόμενον τὸν πάντα κόσμον … τῇ ἰδίᾳ σαρκὶ τρέφων. Vgl. Morey a. a. O. cap. III.

Also ist für die Urkirche Christus der Fisch, der in der Eucharistie genossen wurde, und zwar in Ländern, wo der Fisch auch in den heidnischen Mysterien als heilbringende Speise verzehrt wurde. Die natürlichste Erklärung dieses seltsamen Zusammentreffens ist, daß die Christen im Gegensatz zu dem orientalischen bezw. syrischen I.-Mysterium Jesus als den ,reinen ganz großen Fisch‘ bezeichnet haben, dessen Fleisch alle die Gläubigen nähren, heiligen und erretten sollte (vgl. Dölger 189ff.).

Aber der Fisch ist nicht nur mit dem Abendmahl, sondern auch mit der Taufe in Verbindung gebracht. Kurz nach 200 sagt schon Tertullian de baptismo 1: sed nos pisciculi secundum ΙΧΘΥΝ nostrum Iesum Christum in aqua nascimur nec [849] aliter quam in aqua permanendo salvi sumus. Die Segnung des Wassers, die der Taufe voranging, war in ihrer ältesten Form eine Epiklese an den Logos, daß er in dieses Wasser herabsteige und es mit seinem Geist erfülle. ,Christus est piscis, qui in baptismate per invocationem fontalibus undis inseritur, ut quae aqua fuerat a pisce etiam piscina vocitetur (Optat. Milev. de Donat. III 2 p. 68 ed. Ziwsa). Christus ist geistig in dem Taufwasser gegenwärtig; die Seele des Neophyten, der in dieses Wasser eingetaucht wird, ist nackt und zieht den Christus an, nach dem Paulinischen Wort (Gal. 3, 27: ὅσοι εἰς Χριστὸν ἐβαπτίσθητε, Χριστὸν ἐνεδύσασθε). Sie werden pisciculi, wie Tertullian sich ausdrückt. Man erinnerte sich auch dabei, daß nach den Evangelien (Matth. 4, 19. 13, 47; Marc. 1, 16; Luc. 5, 10) die Missionstätigkeit einem Fischfang verglichen wurde und die neuen Bekehrten ganz gewöhnlich als Fische bezeichnet wurden (Clem. Alex. paedag. III 12. Tertull. de resurr. 52 usw.; vgl. Dölger 5ff.). So sind die symbolischen Ausdrücke der Pektoriosinschrift (Ἰχθύος οὐρανίου θεῖον γένος) und der Ἰχθὺς ἀπὸ πηγῆς, d. h. Christus in dem Taufwasser, der Aberkiosinschrift zu verstehen.

Ob in der Entwicklung dieses merkwürdigen Gedankenkomplexes heidnische Vorstellungen mitgespielt haben, muß dahingestellt bleiben. Wir wissen, daß in semitischen Kulten die Priester in Fischgewand eingehüllt wurden, um die engste Vereinigung mit ihrem Gott zu bewirken (s. o.). Aber welche mystische Anschauungen mit den Waschungen und Lustrationen verbunden wurden, die in verschiedenen orientalischen Sekten üblich waren, bleibt uns fast unbekannt.

Der Symbolismus des Fisches würde kaum außerhalb Syriens eine große Verbreitung erlangt haben, wenn man nicht entdeckt hätte, daß in dem Worte ΙΧΘΥΣ ein Glaubensbekenntnis enthalten war, da es sich aus den Anfangsbuchstaben der Worte Ἱησοῦς Χριστὸς θεοῦ υἱὸς σωτήρ zusammensetzt. Diese Beobachtung versicherte dem geheimnisvollen Namen eine ganz besondere Bedeutung. Vielleicht hat man diese Formel in Gegensatz zu der Titulatur des Kaisers ausgedacht, der ja auch θεοῦ υἱός und σωτήρ heißen konnte. Mowat hat dabei besonders auf die Abkürzungen der in Alexandrien geprägten Münzen Domitians aufmerksam gemacht (vgl. Dölger 852). Wahrscheinlicher ist diese Abbreviatur der heiligsten und wichtigsten Beinamen Jesu einfach durch die gewöhnliche Praxis der alten christlichen Paläographie zu erklären. Jedenfalls ist der geheime Sinn des I. um das J. 200 von Tertullian a. a. O. als allgemein bekannt vorausgesetzt. Die religiöse Formel wird auch als Akrostichis verwendet in einer Stelle der Sibyllinischen Orakel (VIII 217ff.), die nach Geffcken in die zweite Hälfte des 2. Jhdts. zu datieren ist, nach anderen allerdings erst dem 3. oder 4. Jhdt. angehört (Dölger 52ff. Morey cap. II). Es steht fest, daß ΙΧΘΥΣ schon auf den ältesten christlichen Denkmälern häufig vorkommt (zusammengestellt von Dölger 153–350), nicht nur auf Grabmälern, sondern auf Phylakterien, Haustüren, Kirchen, Stempeln, Gemmen und Enkolpien.

[850] Die Vermutung, daß die Kürzung I. älter sei als das Fischsymbol und zu diesem Anlaß gegeben hätte, ist meines Erachtens unannehmbar. Man wäre nie auf den sonderbaren, ja anstößigen Vergleich des Heilandes mit einem Fische geraten, wäre nicht der Fisch seit alter Zeit in Syrien als göttlich verehrt worden. Die Buchstabenspielerei ist die Folge, nicht die Ursache des Sinnbildes, aber sie hat seine ursprüngliche Bedeutung bald in den Hintergrund gedrängt und vergessen lassen. Im 4. und 5. Jhdt. geben die Schriftsteller gewöhnlich als Erklärung des I. an, daß es eine Zusammenfassung der Namen Christi sei (August. civ. Dei XVIII 23. Opt. Milev. de Donat. III 2. Maximus Taur. Or. IV. Migne L. LVII 789. Ps.-Prosper. Aquit. de promiss. II 39). Bald nach dieser Zeit geriet das urchristliche Symbol in Vergessenheit.

Die frühere Literatur ist aufgezählt und besprochen von C. B. Morey The Princeton theological Review VIII 1910, 94ff.; vgl. ebd. 231ff. 401ff. IX 1911, 278ff. – Grundlegend ist das umfassende Werk von Dölger ΙΧΘΥΣ Das Fischsymbol in frühchristlicher Zeit I, Rom 1910 (Bd. II ist noch nicht erschienen).
[Cumont.]

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