ART

Hyampolis, Stadt in Phokis. Eustathios 275, 6 ist nur durch die verderbte Lesung seiner Strabon-Hs. zu der Annahme von drei Städten des Namens gekommen, s. Kramer zu Strab. IX 424 (II S. 281, 9ff.). Ὑάμπολιν Hom. Il. II 521. Dazu Herod. in Schol. A = II 35, 5 Lentz οὕτως ἀνεγνώσθη ὡς φιλόπολις· ἓν γάρ ἐστιν. Er kannte also die Lesung Ὕαν πόλιν, der wohl auch die seltsame Bemerkung Strab. IX 424 (Apollodoros) Ὕα μετὰ ταῦτα ἐκλήθη ὑπό τινων gilt, O. Müller Orchomenos² 485. A. Ludwich zu Hom. Il. II 521. Der Akkusativ Ὕαν πόλιν findet sich bei Strab. IX 401 (Apollod.). Diod. XVI 56. Schol. Eur. Or. 1094. Eine epichorische Namensform bezeugt Herodianos a. a. O., daraus Eustath. 275, 8, ἱστοροῦσι δὲ τοὺς ἐγχωρίους καὶ σὺν τῷ σ λέγειν Ὑσάμπολιν. Der Genetiv Ὑαμπόλιδος bei Plut. mul. virt. 244D = II 202, 19 Bern.; der Dativ Ὑαμπόλιδι ebd. 244C = 202, 23; dagegen ἐν Ὑαμπόλει IG IX 1, 86, 1. Das Ethnikon Ὑαμπόλιος IG VII 3055, 39 (4. Jhdt.). [18] IX 1, 226, 17f. SGDI 1747, 1 = Syll.² 859. 1877, 1. 2581, 286 (Ὑανπόλιος) = Syll.² 268 (alle 2. Jhdt.); vgl. Dittenberger Syll.² 268 nr. 42 und Hermes XLI 166, 1. Ὑαμπολίτης Xen. hell. VI 4, 27. Schol. Eur. Or. 1094. Steph. Byz.

H. nimmt zusammen mit dem ganz nahe gelegenen Abai den östlichsten Teil von Phokis ein, der keilförmig zwischen Boiotien und Lokris vorspringt. Nach Osten gegen Opus bildet die breite Kalkmasse des Chlomos (1081 m) die Grenze (Strab. IX 416 τούτοις δ' ὁμορεῖ Ὀποῦς); ebenso sind es im Westen Kalkberge, die das Gebiet von H. von Elateia trennen: Varva, Sattel von Sphaka, Palaionoros (H. Ilias 695 m). Dazwischen dringt in einer Bucht von Norden her das Gebiet der alttertiären Ablagerungen bis an den Nordfuß des Palaionoros herein (Bittner 10f. und Übersichtskarte). Dies Neogengebiet bildet das Fruchtland von H. Die nördliche Grenze hat Kiepert FOA XIV über die Wasserscheide zwischen Euripos und Kephisos geführt; das Relief und die geologische Beschaffenheit des Bodens empfehlen es, sie etwas weiter nach Nordosten ausholen zu lassen, so daß sie das Dorf Zeli mit umschließt. Dieses und Kalapódi, mit 697 und 599 Einwohnern nach der Volkszählung von 1907, bilden heute die einzigen Siedlungen im Gebiet von H. Daß aber der Boden eine beträchtlich größere Einwohnerzahl ernähren könnte, beweisen die Angaben der Reisenden (Meletios II 323. Leake II 166ff.) und die Ruinen verlassener Dörfer. Der kleinere, nördliche Teil dieses Gebietes entwässert nach Norden und Osten zum Euripos, der größere, südliche, durch ein schmales, von Südwesten nach Westen umbiegendes Tal zum Kephisos (Leake 166f.). Der Bach, der dies Tal durchfließt, heißt bei Plut. Sull. 16 Assos. Er nimmt von Südosten her den Bach von Exarchos auf, der die Gewässer am Südabhang des Chlomos sammelt. Wie im Südwesten die Grenze gegen Parapotamioi verlief, ist ungewiß (Strab. IX 424 πλησίον Παραποταμίων).

Durch das Gebiet von H. führt die bequemste Verbindung zwischen Nord- und Mittelgriechenland, die einzige, die für Reiterei und schweren Troß in Betracht kommt (Grundy The Great Persian War 346). Nachdem die Straße von den Thermopylen bis zur Ebene von Opus der Küste gefolgt ist, überschreitet sie ohne wesentliche Schwierigkeiten in südwestlicher Richtung das Gebirge und betritt das Hochtal von Kalapódi. Von hier leitet eine Abzweigung nach Westen in die Ebene von Drachmani wie die heutige Chaussee über den Sattel von Sphaka; diesen Übergang benutzt die Route des Pausanias X 35, 1. Der andere Zweig der Straße folgt dem Tal des Assos nach Parapotamioi. An der Stelle, wo dies Tal nach Westen umbiegt, trennt sich eine direkte Straße nach Chaironeia und Lebadeia ab, die das Hadylion überschreitet (s. o. Bd. VII S. 2180, 64ff.). Eine vierte Route endlich biegt in das Tal von Exarchos ein, erreicht in südöstlicher Richtung dicht an Abai vorbei den Saum der Kopais und endet in Orchomenos. Dieser Route folgt Pausanias in umgekehrter Richtung von Orchomenos nach Opus X 1, 2. 35, 1. 5. IX 38, 9f. Heberdey Reisen des Paus. 107. Robert Pausan. als Schriftsteller 256. Durch Pausanias’ [19] Angaben ist die Lage von H. vollkommen gesichert; sie ist schon von Meletios 323 richtig erkannt, von Leake 167f. und Yorke 303 genauer bestimmt und beschrieben. Außerdem sind innerhalb des Mauerrings zwei Inschriften mit ΥΑΜ gefunden (Yorke 303, 2). Die Ruinen liegen auf einem langgestreckten, etwa 30 m hohen Kalkhügel (Stat. Theb. VII 345 acri subnixam [20] scopulo) in dem spitzen Winkel zwischen dem Bach von Exarchos und dem Flüßchen Assos (s. die Karte). Die Ringmauer von etwa 1200 m Länge ist in regelmäßigen Schichten aus Quadern erbaut und an der Nordostecke noch 3 m hoch erhalten. An der Nordwest-, Nord- und Nordostseite ist sie durch je einen viereckigen Turm verstärkt. Die erhaltenen Reste dürften aus dem

Abai und Hyampolis

[19] Ende des 4. Jhdts. stammen wie die von Abai und den von Tillard (Ann. Brit. School Ath. XVII 75) untersuchten phokischen Stätten. Innerhalb wie außerhalb des Mauerrings finden sich zahlreiche Mauerzüge, erstere nach Yorke aus byzantinischer oder mittelalterlicher Zeit, aber von den von Pausanias erwähnten Anlagen und Bauwerken (X 35, 6), der Agora und dem Buleuterion, dem Theater und der von Hadrianus erbauten Halle, dem Tempel der Artemis haben [20] auch Yorkes Grabungen nichts zutage gebracht. Nur das φρέαρ hat schon Leake 169f. in der großen Zisterne hellenischer Zeit wiedergefunden. Reiche Quellen lagen übrigens in geringer Entfernung bei Bogdános und Smixi (Leake 169). Die außerhalb des Mauerrings vorhandenen Reste werden zu dem von Xen. hell. VI 4, 27 erwähnten προάστειον gehören (Leake 168). Das Dorf Kleonai, bei dem die Niederlage der Thessaler stattfand, wird in der Hochebene von Kalapódi [21] zu suchen sein; vielleicht lag es auf dem Hügel Vardia in der Nordostecke, wo der Weg von Atalandi in die Ebene herabsteigt; auf der Westseite des Hügels sah Lolling einige alte Mauerzüge (Urbaedeker 318).

H. wird von Apollodor bei Strab. IX 401. 424. Schol. B zu Il. II 521. Paus. X 35, 5 als Gründung der aus Boiotien vertriebenen Hyanten (s. d.) bezeichnet, vermutlich mit Recht. Dagegen findet sich die Angabe, Hyamos, der Sohn des Lykoros, habe H. gegründet, nur in einem auch sonst durch willkürliche Konstruktionen charakterisierten Abschnitt (Schol. Eur. Or. 1094) und ist offenbar aus einer verfehlten Etymologie herausgesponnen. In demselben Scholion findet sich die Notiz, die Schol. B zu Il. II 517 wiederkehrt, Ornytos, der Sohn des Sisyphos aus Korinth (s. Roscher Myth. Lex. III 1050), sei den Bewohnern von H. zu Hilfe gekommen in ihrem Kampf gegen die Opuntier um den Besitz von Daphnus. Damit dürfte ein späterer geschichtlicher Krieg in mythische Zeit zurückgeschoben sein, so O. Müller Orchomenos² 124.Vischer Kl. Schr. II 223. Beloch Klio XI 439ff. Die geschichtlichen Ereignisse, die H. berühren, hängen zumeist mit seiner Lage an der bequemsten Einfallsstelle von Nord- nach Mittelgriechenland zusammen (Herod. VIII 28. Paus. X 1, 3). Im Gebiet von H. erleiden die Thessaler eine große Niederlage: Plut. mul. virt. 244 D = II 202, 19 Bern., vgl. Busolt Griech. Gesch. I² 700, 1. Hiller von Gaertringen o. Bd. IV S. 2012, 57ff. Beloch Griech. Gesch. I² 1, 340, 2. I 2, 205f. 480 v. Chr. wird H. von Xerxes niedergebrannt (Herod. VIII 33. Paus. X 35, 6), 395 vergeblich von den Boiotern berannt, Hell. Oxy. XIII 5. E. Meyer Theopomps Hellenika 90f. 371 erobert Iason von Pherai den unbefestigten Teil der Stadt und verwüstet das Gebiet, Xen. hell. VI 4, 27. 347 erfechten die Boioter bei H. einen Sieg, Diod. XVI 56. 346 wird H. von Philipp zerstört, Paus. X 35, 6. Im zweiten makedonischen Kriege steht H. auf seiten Philipps und wird 198 von Flamininus genommen, Liv. XXXII 18, 6. Hermann-Swoboda Staatsaltertümer III 343, 5. Eine Zeit bescheidener Blüte, die mit Caesar oder Augustus zu beginnen scheint (Dittenberger zu IG IX 1, 90), folgt unter den römischen Kaisern; Hadrianus schmückt die Stadt mit einer Säulenhalle (Paus. X 35, 6), eine Ehrenbasis gilt vielleicht noch Septimius Severus (Yorke 308 n. 4).

Unter den Kulten von H. ist der wichtigste der der Artemis, Paus. X 35, 7. Eine Weihung an sie IG IX 1, 88. Neben sie tritt Apollon in der stark zerstörten Inschrift ebd. 87 über Weihung von Grundstücken, wenn diese nicht nach Abai gehört (Yorke 293). Als Hauptfest der Artemis nennt Plut. mul. virt. 244 D = II 202, 21 Bern. und quaest. conv. IV 1 = IV 140, 7 Bern. die Elaphebolia, während IG IX 1, 90 = Yorke 309 n. 5 ein Unbekannter sich rühmt, an den μέγαλα Ἐλαφηβόλία τε καὶ Λάφρια Wettkämpfe gestiftet zu haben. Nilsson Griech. Feste 221ff. hält Laphria für den heimischen, Elaphebolia für den eingedrungenen attischen Parallelnamen. Den Kult von Sarapis, Isis, Anubis und Feier der Bubasteia bezeugen IG IX 1, 86. 89. 92; τὰ μεγάλα Καισάρηα ebd. 90.

[22] Bittner Denkschr. Akad. d. Wissensch. Wien, Math.-naturw. Cl. XL 1878 und Übersichtskarte des festländischen Griechenland. Μελετίου Γεωγραφία παλαιὰ καὶ νέα. Ἐν Βενετί? 1807. Leake Northern Greece II. Vischer Erinnerungen u. Eindrücke 628f. Bursian Geogr. I 164f. Yorke Journ. hell. Stud. XVI 1896, 293f. Geschichte und Kulte, 303 Lage und Reste, 306ff. Inschriften. Frazer Paus. VI 442ff. Hitzig-Blümner Paus. III 823f. Carte de la Grèce. Aufnahme von Green Journ. hell. Stud. XIV Pl. XV; darnach beistehende Karte.
[Bölte.]

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