Hekate (Ἑκάτη). Der Name wird meistens aufgefaßt als weibliches Gegenstück zu Apollon ἑκατηβόλος, ἑκάεργος, ἑκατηβελέτης, der auch einfach ἕκατος (s. d.) genannt wird, Usener Götternamen 37f. Artemis heißt auch ἑκαέργη (s. d.), und Ἑκάτη ist ein häufig vorkommender Beiname von ihr (Preller-Robert Griech. Myth.⁴ 321, 3. v. Wilamowitz Herm. XXI 609). Daher hielt man H. für einen ursprünglichen Beinamen der Artemis, und der Form nach für eine Abkürzung von Ἑκατηβελέτη ebenso wie Hekaerge und Hekabe (s. d.). Etymologisch deutete man den Namen als ,Fernhin treffende‘ (Preller-Robert a. a. Ο. 321). Die Ableitungen im Etym. Gud. 176, 9. Schol. Hom. Il. V 759. Eustath. Hom. 1197, 27 führten Steuding (in Roschers Myth. Lex. I 1899) zu der Annahme, ,daß er wohl auf die Fernwirkung des Lichtes bezogen werden muß‘; auch Gruppe (Griech. Myth. 1288, 6) hält diese Ableitung von ἑκάς für wahrscheinlich, obwohl sie nicht sicher ist, Usener Rh. Mus. XXIII (1868) 330, 33; anders Fick Personenn.² 452, der ihn von Ϝέκητι ableitet und ihn als ,der nach dem Willen Schießende‘ auslegt. Eine weitere Deutung Bury Class. Rev. III (1889) 416; vgl. dagegen Vince ebd. IV (1890) 47. [2770]
Inhaltsverzeichnis
Verhältnis zu anderen Gottheiten
Genealogie.
Göttin der Geister und Gespenster.
Hekate als Mondgöttin.
Kulte der Hekate.
Mysterien.
Orakel der Hekate.
Heilige Pflanzen.
In der Kunst.
Literatur.
Nachträge und Berichtigungen
Über den Ursprung und die Bedeutung der H. läßt sich bei dem Mangel an Zeugnissen nichts Sicheres feststellen. Sie wird weder in der Ilias und Odyssee, noch in den Fragmenten der Homerischen Epen erwähnt. Die älteste literarische Quelle ist das Preislied auf H. in Hesiods Theogonie 410–452. Aber aus diesem Hymnus läßt sich für das Wesen der Göttin wenig lernen. Da sie nämlich an diesen Stellen als Allgöttin verherrlicht wird, erhalten wir nur ein ganz allgemeines, jeder Bestimmtheit entbehrendes Bild von ihr. Auch herrschen über die Echtheit starke Zweifel. Vielfach hält man die Verse für ein Einschiebsel (dessen Alter sich schwer bestimmen läßt) mit Anlehnung an einen Hymnus (orphisch: Schoemann Opusc. II 2l5ff.; anders Rohde Psyche5.6. II 82, 2) verfertigt, das an eine Erwähnung der H. in dem alten Text der Hesiodeischen Theogonie angeknüpft wurde (Nilsson Griech. Feste, Leipz. 1906, 295). Auffallend ist die Beobachtung, daß sie bei Hesiod gänzlich der unheimlichen Seite entbehrt; vielmehr erscheint sie als eine sehr angesehene, den Menschen in den verschiedenen Lebenslagen hilfreiche Göttin.
Dann wird sie im Homerischen Hymnus an Demeter kurz erwähnt.
Erst mit dem 5. Jhdt. setzen die Zeugnisse zahlreicher ein, und zwar ist nach ihnen H. die Göttin der Gespenster und der Geister (Nilsson 395). Damit wird es auch verständlich, daß sie in den Homerischen Gedichten nicht vorkommt. Sie gehörte dem Volksglauben an und paßte in die aristokratische Göttergesellschaft des aufgeklärten Homerischen Zeitalters nicht hinein. Mit dem Sinken der hellenischen Kultur und dem Vordringen des Volksglaubens gewinnt auch H. an Bedeutung. Sie wird die Führerin des Geisterheeres und spielt im Aberglauben und Zauber eine große Rolle.
Vielfach finden wir H. nicht als selbständige Göttin vor, sondern schon früh ist sie mit anderen göttlichen Wesen in Verbindung gebracht worden.
Am frühesten wurde sie Artemis gleichgesetzt. Im Kulte ist sie mit ihr verschmolzen, z. B, in Athen (CIA I 208, 2), Epidauros (Ἐφημ. ἀρχ. 1883, 152, 48), auf Delos (Dittenberger Syll. II² nr. 588, 45, 176), und Kern (Herm. XXIV 500) ist der Meinung, daß beide im Kulte nie scharf getrennt werden. Die Zusammenstellung Artemis-H. finden wir schon bei Aischyl. Suppl. 676. Eurip. Phoen: 109; vgl. Varro de l.l. VII 83. Myth. Vat.I 112. Später ist sie ganz allgemein, Vergil Aen. IV 511 und Schol. Serv. Schol. Eur. Med. 396. Schol. Theocr. II 12, 33f. Orph. Arg. 933. Abel Orph. 289, 6. Nonn. Dionys. XIV 191ff. Etym. Gud. 176, 9. Suid. s. Ἑκάτην. Tzetz. Lycophr. 1180. Eustath. Hom. 1197, 27. Pap. Par. 2523 (ed. Wünsch Kl. T. 84) u. a.
Die Vermischung mit dieser Göttin, mit der H. sicher manche Züge gemeinsam besaß, hatte besonders zwei Folgen: erstens hat sie den Charakter der H. in vielen Punkten verdunkelt. Denn da beide Göttinnen sich ihre Eigenschaften gegenseitig übertrugen, läßt sich das ursprüngliche Wesen der H. häufig nicht mehr erkennen. So gehen die ἐπικλήσεις der einen meist auch auf die andere über, da sie in der Volksvorstellung nicht mehr geschieden werden konnten. Wir [2771] finden eine Artemis τριοδῖτις (in Thera, Hiller v. Gaertringen Klio II 901, 224; vgl. Charikl. bei Kock CAF III 394, 1. Corn. c. 34) u. a.; ebenso eine H. σώτειρα (in Phrygien, s. Athen. Mitt. X (1885) 7 und dergl. mehr; s. Steuding bei Roscher Myth. Lex. I 1896. Preller-Robert 321ff. Farnell Cultes of greek states II (1896) 509ff.; besonders Paris bei Daremberg-Saglio III 1 (1900), 50ff. Gruppe 1289, 2). Wahrscheinlich ist auch der Hesiodische Hymnus durch diese Gleichsetzung beeinflußt. Der Einfluß der Artemis gab wohl den Anlaß, daß H. auch zur Jägerin wurde (Athen. VII 126 p. 325 c. Schol. Apoll. Rhod. III 200. Stat. Ach. I 344 und in orphischer Dichtung). Darauf bezieht sich auch die Darstellung in der Kunst mit Bogen (Matz-Duhn Ant. Bildw. in Rom 617; Euseb. praep. ev. III 11, 22. Petersen Arch.-epigr. Mitt. IV [1880] 143). Doch ist es schwierig, jeder die ihr zukommenden Eigenschaften zuzuschreiben. Auffallend ist es aber, daß Artemis trotz ihrer engen Verwandtschaft mit H. erst ganz spät als Göttin der Gespenster auftritt (Gruppe 1292, 2), diese Seite scheint also ihrem Wesen ursprünglich fremd, dagegen der H. eigentümlich zu sein.
Zweitens trägt diese Verbindung die Schuld, daß H. meist als untergeordnete Göttin vorkommt und ziemlich in den Hintergrund gedrängt ist. Diese Erscheinung hat auch zu der Annahme geführt, daß H. nur eine Ablösung einer Seite der Artemis ist (Kern a. O. u. a.). Aber liegt die Vermutung nicht nahe, daß die mächtigere Göttin die unbedeutendere Sondergöttin (dafür scheint der allgemeine Name ἑκάτη zu sprechen) aufgesogen hat, eine Entwicklung, die sich so häufig in der griechischen Religionsgeschichte beobachten läßt?
Bei den Römern verband sich H. aufs engste mit Diana (Ennius trag. frg. 362 Ribb. Catull. c. 34. Hor. c. I 21. III 22 u. a.; vgl. Pap. Par. 2786ff. Lobeck Agl. 543), die von ihr den Beinamen Trivia übernahm (CIL X 3795. XIV 2867, triformis CIL II 2660; im Kult: CIL VI 511. Buecheler Carm. epigr. 1529. Wissowa Rel. u. Kult. d. Römer 202). Mit ihr verschmolzen lebt sie im Volksmunde bis ins späte Mittelalter hinein als wilde Jägerin weiter (Grimm Deutsche Mythol.⁴ 235. 237. 778. 792. 972. Radermacher Westd. Ztschr. XXIV [1905] 219ff. Rohde Ps. 84).
Im Zeitalter des Synkretismus trat sie mit den verschiedensten Göttinnen in Verbindung, der Aphrodite (Pap. Paris. 2557; vgl. Dieterich Abraxas 103. Kroll De orac. Chald. 69), der Bona Dea (Macrob. Sat. I 12. 23), Magna Mater (CIL 511 = Buecheler C. epigr. 1529 A 5), Isis (Apul. met. XI 2. 5. Drexler bei Roscher Myth. Lex. II 468), Bendis (Hesych. s. Ἀδμήτου κόρη), Brimo, der Göttin von Phera (Einfluß der Artemis): Lycophr. 1176. Apoll. Rhod. III 861ff. 1211 und Schol. Orph. Arg. 17, 431. Nach Augustin. serm. 242, 7 und bei Porphyr. (or. phil. 122 W.) wird sie als Weltseele bezeichnet (vgl. παντὸς κόσμου κλῃδοῦχος ἄνασσα Orph. hymn. I 7).
In ähnlicher, verallgemeinerter, abstrahierter Form ist sie endlich auch von den Neuplatonikern in ihr mystisches System aufgenommen (s. Kroll [2772] De orac. Chald. 27ff. 49. 69. Ziegler Arch. f. Rel.-Wiss. XIII [1910] 266ff.).
In der Genealogie gilt H. gewöhnlich als das einzige Kind (μουνογενής: Hes. Theog. 426. 448. Apoll. Rhod. III 1035) des Titanen Perses oder Persaios und der Asteria (Hes. Theog. 409ff. Hom. hymn. V 24f. Apollodor. I 2, 4. Lycophr. 1175. Schol. Apoll. Rhod. III 200. Diodor. IV 45. Cicero nat. deor. III 18, 46; vgl. Warr Class. Rev. IX [1895] 390ff. Nach Diodor. IV 45 ist Perses der König der Taurer und Bruder des Aietes; s. Gruppe 547, 6). Darnach wird sie auch Περσείη (CIG 5950. Orph. hymn. I 4. Val. Flacc. VI 495) oder Περσηΐς genannt (Lycophr. 1173. Apoll. Rhod. III 467. 478. 1035. IV 1020. Ovid. met. VII 74. Sen. Med. 814. Stat. Theb. IV 481; vgl. Bruchmann Epitheta deorum 98. Diese Beinamen benutzt v. Roemer Jahrb. f. sexuelle Zwischenstufen V (1903). II 725ff., um eine Beziehung zwischen H. und Mithras herzustellen; s. die Richtigstellung bei Ziegler Arch. f. Rel.-Wiss. XIII 267, 2). Nach Pherekydes (FHG I 72, 10 = Schol. Apoll. Rhod. III 467) ist Aristaios ihr Vater.
Aber auch mit Zeus ist sie in Verbindung gebracht worden (Schol. Apoll. Rhod. III 467, 1035). Sie gilt als Tochter des Zeus und der Demeter (Eur. Ion 1045. Schol. Theokr. II 12. Abel frg. 219), oder des Zeus und der Hera (Sophron bei Schol. Theokr. a. a. O.), des Zeus und der Pheraia (Schol. Theokr. II 36. Tzetz. Lycophr. 1180).
Als Göttin des Zaubers wird sie zur Gattin des Aietes gemacht (Diodor. IV 45. Schol. Apoll. Rhod. II 200) und von ihm Mutter der Kirke (Ovid. met. XIV 405) und der Medea (Diodor. IV 45ff. Schol. Apoll. Rhod. III 242. Etym. M. 515, 11). Ferner ist sie Mutter der Skylla (Schol. Apoll. Rhod. IV 827ff. Schol. Hom. Od. XIII 85 = FHG II 10, 8); von Zeus Mutter der Britomartis (Favorin. s. Βριτόμαρτις. Etym. M. 214, 26; vgl. FHG III 8, 23); von Triton Mutter der Krataiis (FHG IV 495). Von Caelus ist sie schließlich Mutter des Saturnus und Ianus (Arnob. II 71. III 29; s. Kroll De or. Chald. 69).
H. scheint von Anfang an die Göttin der Geister und Gespenster gewesen zu sein, als deren Anführerin das Volk sie sich in späterer Zeit dachte. Sie ist also ein dämonisches Wesen und hat als solches viele Beziehungen zur Unterwelt, sodaß sie vielfach als chthonische Göttin betrachtet wird (Rohde II 80ff.). Freilich läßt sich nicht feststellen, welche Auffassung den wirklichen Ursprung richtiger gibt; jedenfalls stehen sie in engem Zusammenhange, wenigstens in späterer Zeit. Man glaubte sie in der Tiefe des Herdes wohnend (Eur. Med. 398ff.; nicht unwahrscheinlich ist die Vermutung, daß man sie unter der πυρὸς δέσποινα zu verstehen hat, Eur. Phaeth. frg. 781, 39. Rohde II 82, 1). Häufig wird sie als χθονία angerufen: Schol. Aristoph. Ran. 295 (frg. 500. 501 Kock). Theokr. II 12 und Schol. Trag. Anon. frg. 375 Nauck². Plut. quaest. R. 111; de defect. orac. 13 p. 416 E. Kaibel Epigr. Gr. 1136, 5. Pap. Paris. 1443; bei defixiones: Wünsch Def. tab. Att. praef. VI. Index II 47. Audollent Def. tab. praeter Atticas, Index IV A 461. Wünsch Ant. Zauberg. 24; [2773] als καταχθονία. Audollent nr. 74, 2—3. 75, 4—5; ferner entsprechend der Unterwelt als eines dunklen Ortes als σκοτία (Diodor. I 96. Pap. Paris. 2562ff.); oder μέλαινα (CIG 3857 k). Für ihren chthonischen Charakter spricht auch ihre Verschmelzung mit Persephone, der sie oft gleichgesetzt wird (Schol. Theokr. II 12. Serv. Aen. IV 511. VI 118. Myth. Vat. I 112. II 15. III 7, 1; vgl. Lucan. VI 700. Stat. Theb. IV 429 und Schol. IV 144. Fulgent. myth. I 9. Apul. met. XI 2. Pap. Paris. 2522; vgl. 1402. 2745. 2798; in schriftliche Belege bei Cumont Mon. Mithr. I 140; s. Wünsch Zauberg. 24ff.), oder mit der sie genealogisch verknüpft wird (s. o.); wie Persephone wird auch H. Gattin des Pluton (Soph. Ant. 1199 und Schol.; vgl. Oed. Col. 1548. Pap. Paris. 2714. 2720. 2745); bei Hesych. heißt sie Ἀδμήτου (= Hades, O. Müller Proleg. 306) κόρη) (s. v.) , oder auch selbst ἀδμήτη (hymn. 3 bei Abel 289). Tochter des Eubulos (= Hades) ist sie im Orph. hymn. 72, 3. Sie heißt Orph. Arg. 980 Ταρταρόπαις (vgl. Pap. Paris. 1403); andere haben sie zur Begleiterin (Hymn. Hom. V 40) oder Amme der Persephone gemacht (Schol. Theokr. II 12).
Ihr chthonischer Charakter wird auch deutlich gekennzeichnet durch ihre Attribute; wie die rächenden und strafenden Gottheiten der Unterwelt, die Erinyen, hält auch H. Dolch, Schlange und Geißel, Petersen Arch.-epigr. Mitt. V (1881) 76ff. Auf dem pergamenischen Zaubertische ist H. mit diesen Dingen ausgestattet (Wünsch Zauberg. 25). Auf einer karthagischen Fluchtafel (Audollent nr. 242, 39) heißt H. τρίμορφος μαστειγοφόρος; das Schwert der H. wird erwähnt: Pap. Lugd. (ed. Dieterich) 1, 10. Pap. Paris. 2479ff.; die Schlange: Soph. ῥίζοτ. frg. 490 = Schol. Apoll. Rhod. III 1214. Schol. Arist. Ran. 295. Pap. Paris. 2800; vgl. Wünsch a. a. O.
Durch ihre Gleichsetzung mit Persephone, durch ihre Stellung als Gattin des Pluton wird schon deutlich, daß sie die Herrin der Unterwelt ist (ἄνασσα hymn. Hom. V 440. Orph. hymn. I 6). Als Zeichen ihrer Macht besitzt sie die Schlüssel des Hadestores; sie hat die Gewalt, die Pforte zu öffnen und zu schließen (Verg. Aen. VI 258. Apul. met. XI 2; Pap. Paris. 1403 wird sie angerufen als κλειοῦχε Περσέφασσα, Ταρτάρου κόρη; 2293 κλεῖδα κρατῶ; vgl. 2235. 2719; s. Inschrift aus Cypern: Wünsch Def. tab. praef. XVLII nr. I v. 53 p. XX; und die κλειδὸς ἀγωγή in Stratonikeia). Den Schlüssel hält sie in der Hand auf dem Zaubertisch aus Pergamon, wo sie die Beinamen hat: πασικράτεια, πασιμέδεια, πάντα ἐφεποῦσα (Wünsch a. O. 24f.), und auch sonst ist ihr auf Kunstdenkmälern der Schlüssel als Attribut gegeben (Petersen a. a. O. V 76ff. Koehler Arch. f. Rel.-Wiss. VIII [1905] 221. 223. 230). Später wurde mit der Ausdehnung der Herrschaft über die drei Reiche (s. u.) auch ihr Schlüsselamt auf die ganze Welt ausgedehnt (Orph. hymn. I 7).
Auf die Herrschaft der H. im Schattenreich deutet Wünsch (a. a. O. 25) den Kopfputz, den πόλος, der die Statuen der H. ziert und den sie auch in dem Zauberdreieck auf dem Kopfe trägt. In den Zauberpapyri wird dieser Kopfschmuck [2774] als μίτρη bezeichnet: Pap. Paris. 2595. 2657; vgl. 2840.
Die Macht der H. bleibt aber nicht nur auf die Unterwelt beschränkt, sie tritt auch mit den Menschen in Verbindung (Audollent nr. 38, 14). Ihr Einfluß, den sie auf der Oberwelt besitzt, beruht auf ihrer Eigenschaft als Herrin der Seelen, die nach dem Tode im Hades verweilen. Sie wird als νερτέρων πρύτανις bezeichnet (Schol. Theokr. II 12; vgl. Verg. Aen. VI 118. 564. Val. Flacc. VΙΙ 194), und in einem Mimus des Sophron heißt H. ὑποχθονίων δεσπότις (v. Wilamowitz Herm. XXIV [1899] 208. Wünsch Jahrb. f. Phil. Suppl. XXVII [1902] 119). Apul. met. c. 31: manium potens Trivia. Mit Hervorhebung der schädlichen Seite der Seelen: ἄρχουσα τῶν πονηρῶν δαιμόνων (Euseb. praep. ev. IV 22); Literatur bei Abt Apologie d. Apuleius, Rel.-gesch. Vers. und Vorarb. IV 2 (1907) 128. Als solche wird sie häufig mit dem ψυχοπομπός Hermes zusammengestellt: Pap. Paris. 1443. 1462. Audollent p. LXI, Index IV A p. 461f. 464ff. Index VII Ephes. gr. 45 p. 504; Def. tab. nr. 242, 30ff. und Anm. Wünsch Def. tab. praef. XV b. XVIII a, nr. 104-108; Rh. Mus. LV (1900) 69 nr. 10. 11. 18. 19; s. Abt a. O. 128, 1.
H. kann als Herrin der Schatten die Seelen der Verstorbenen heraufsenden (Eurip. Hei. 569f. Orph. Arg. 938ff.; vgl. Claudian. in Ruf. Ι 155; s. Steuding a. O. 1896). Ihre Macht als Königin des Hades gewann aber an Bedeutung durch den Übergang von Seelen zu Dämonen, deren unheilvolles Wirken der primitive Mensch überall zu verspüren glaubt.
Durch Dämonen glaubte man Krankheiten veranlaßt, und besonders Epilepsie legte man als Besessenheit durch böse Geister aus. Auch H. wurde als Urheberin dieser Krankheit angesehen (Schol. Eurip. Med. 1172. Eustath. Hom. Il. 87, 31); ebenso schrieb man ihr die Ursache des Wahnsinns zu. Phaidra heißt ἔνθεος ἐξ Ἑκάτας (Eurip. Hippol. 141); ähnlich gibt Hippocr. (de morbo sacr. I 592 K.) die Schuld dieser Krankheit den ἐπιβολαῖς καὶ ἡρώων ἐφόδοις (Tambornino De ant. daemonismo, Rel.-gesch. Vers. und Vorarb. VII 3 [1909] 68). H. sendet ἐπιπομπὰς und schlimme Iräume, sie verursacht nächtliche Schreckgesichter (Theophr. char. XVI 5, 7 (Leipz. Ausg. 125f.). Hippolyt. ref. VI 20. Artemidor. oneirocr. II 37 p. 139 H. Hippocr. a. a. O.). Ganz allgemein wird sie ,Führerin und Anstifterin‘ alles Spuks und gespenstischen Greuels‘. Sie ist die Senderin der Ἑκαταῖα (Apoll. Rhod. III 861) und Ἑκατικὰ φάσματα (Schol. Apoll. Rhod. a. a. O. Eurip. Hel. 569f.; Ion 1054. Pap. Par. 2727ff. [Abel 289]; vgl. Dio Chrysost. or. 4 [p. 168f. R.]. Hesych. s. Ἀνταία. Marin v. Procl 28. Suid. s. Ἑκάτην. Lobeck Agl. 223ff.). Ebenso schickt sie die Personifikationen griechischer Spukgestalten, die Empusa (Hesych. s. v. Etym M. 336, 39. 44) u. a., denen sie auch selbst gleichgesetzt wird (Empusa: Schol. Aristoph. Ran. 293 Mormo: Hippolyt. ref. IV 35. Bauho: Hymn Hek. Abel 289, 2); vgl. Rohde II 408).
H. erscheint aber auch selbst unter allerlei erschreckenden Gestalten (Theophr. char. XVI Dio Chrysost. a. a. O. Lucian. Philops. 39. Eustath. Hom. 1887, 54). Als ἀνταία θεός begegnet sie [2775] den Menschen (Soph. frg. 311) und heißt, weil sie die ἀνταία schickt, selbst ἀνταία (Soph. frg. 311. 368. Etym. M. 111, 49f. Hesych. s. v.). Eine Anspielung auf H. ἀνταία vermutet Nilsson 395, 2 in Hom. hymn. V 52.
Gefürchtet ist sie als daemon meridianus: Lucian. Philops. 22: dort erscheint sie σεισμοῦ τινος γενομένου; vgl. Verg. Aen. VI 255 (Norden). Pap. Oxyrh. 412 (III 36ff. Grenfell-Hunt) heißt sie σεισιχθονέβη); Audollent n. 38, 14 ῥηξίχθων; vgl. Wünsch Arch. f. Rel.-Wiss. XII (1909) 4, 10; s. auch die von Lobeck Agl. 1902 angeführte Stelle der Acta Mart. Usener Rh. Mus. L (1895) 147.
Die Erinnerung an die Schrecken der Wegelagerer gaben wahrscheinlich mit den Anstoß, daß diese Angst verbreitende Göttin den Beinamen ἐνοδία erhielt (Soph. Ant. 1199; ῥιζοτ. frg. 492. Lucian. navig. 15, Eurip. Ion 1054ff. Helen. 569; frg. 308. Paus. II 30, 2. Philostr. v. Apoll. IV 23. Pap. Par. 1432. 2563. 2613. Anth. Pal. VI 199, 1. Orph. hymn. I 1. Steph. Byz. s. Τρίοδος. Hippolyt. IV 35 v. 2. Hesych. s. v. Etym. M. 344, 42; vgl. Plat. leg. XI 1 p. 914 b) oder ἐπήκοος (CIG 7321 b). Wie alle solche Phantasiegebilde kann auch H. unter verschiedenen Gestalten sich zeigen (Steuding a. O. 1894).
Da im Volksglauben die bösen Geister an Kreuzwegen, besonders Dreiwegen ihr Unwesen treiben (s. cross-road in Hastings Encycl.), verband man auch das dämonische Wesen, das man als Herrin der Geister ansah, mit diesen unheimlichen Orten. Dort glaubte man ihr Wirken zu verspüren, an solchen Stellen wurde sie verehrt. Diese Verehrung scheint in ziemlich frühe Zeit zurückzugehen, und vielleicht ist H. ursprünglich nichts anderes als eine Wegegöttin, die später in andere Vorstellungskreise hineingezogen wurde.
An Dreiwegen glaubte man sie wohnend (Soph. frg. 490 = Schol. Apoll. Rhod. III 1214. Pap. Par. 2812. Theocr. II 36. Schol. Lycophr. 1180). An den Wegekreuzungen wurde sie verehrt (Schol. Aristoph. Plut. 591. Inschr. v. Cilicien: Hell. Journ. Phil. 1890, 252), und dort werden ihr Opfer dargebracht (Plut. quaest. Rom. 111. Schol. Aristoph. Plut. 594. Athen. VII 126 p. 325 D. Luk. dial. m. I 1. Harpokr. und Suid. s. ὀξυθύμια. Plut. v. Hom. 30). Danach die Beinamen τριοδῖτις (Steph. Byz. s. τρίοδος. Athen. VII 126 p. 325 D. Plut. de fac. in orb. lun. 24 p. 937f. Hippolyt. ref. IV 35, 2. Pap. Par. 2525. 2728. 2810. Com. 34); τετραοδῖτις (Pap. Par. 2559ff.); lateinisch Trivia (Varro de l. l. VII 16. Verg. Aen. VI 335. X 537. Ovid. met. II 416. Sen. Med. 787; Oct. 978; Ag. 382 u. a.; s. Carter Epitheta deorum 29) oder Quadrivia.
Dabei mag der Umstand mitgespielt haben, daß an Wegegabelungen oder an Kreuzwegen Todesurteile vollstreckt wurden (Plat. leg. IX 12 p. 873b. Gruppe 761, 0), oder daß ,die Alten ihre Gräber an den Straßen hatten’ (Preller-Robert 325) und diese zum Machtbereich der Göttin gehörten (Steuding a. O. 1896).
H. hält sich als Herrin der Gespenster gerne an Begräbnisstätten auf, wo die Totengeister, über die sie herrscht, umgehen, wo man sie auch bisweilen anruft (Horat. sat. I 8; sie heißt νεκυία: [2776] Audollent nr. 38, 14). Dort nimmt sie die Seelen in Empfang. Auf Friedhöfen verzehrt sie die Leichen, und den Menschen, die ihr verfallen sind, saugt sie nach Vampyrart das Blut aus: Orph. hymn. I 1. Pap. Par. 2857f. 2484. 2544. 2864 αἰμοπότι . . . καρδιόδαιτε, σαρκοφάγε, ἀωροβόρε. Pap. Par. 2855. Theocr. II 13. Hippolyt. ref. IV 35, 3—5. Lucan. Phars. VI 738; vgl. Dieterich Nekyia 52. Audollent n. 241, 40f. Bei Begräbnissen ist sie anwesend: Plut. de superst. 10 p. 19B (= Bergk PLG⁴ III 680). Schol. Theokr. II 12; vgl. Abernetty De Plut. de superst. libello, Königsberg 1911, 55ff. Der Balken, an dem Verbrecher gezüchtigt wurden, hieß ἑκάτη (Hesych. s. v.).
H. ist also eine gefürchtete Gestalt des griechischen Volksglaubens (φοβερά: IGSI 1019. Audollent nr. 38, 14), deren Namen man nicht aussprechen darf (ἄφραττος Hesych. s. v.), oder die man, wie häufig Totengötter, euphemistisch bezeichnete als Μελινόη (Orph. hymn. 71; s. Wünsch Zauberg. 26); Καλλίστη (Hesych. s. v.); Εὐκολίνη Etym. M.
In ihrem Gefolge befinden sich grausige νεκυοδαίμονες, darunter besonders die ἄωροι und βιαιοθάνατοι (Pap. Par. 2728), mit deren Schwarm (Ἑκάτης κῶμος: trag. inc. frg. 375. Plut. de superst. 3 p. 166 A. Kaibel Epigr. Gr. 376 a. Dilthey Rh. Mus. XXV (1870) 332ff. Rohde II 411. Wünsch Jahrb. f. Phil. Suppl. XXVII [1904] 116ff.) sie auf Erden umgeht, mit denen sie nächtlicherweile in wilder Jagd durch die Lüfte fährt (Eur. Hel. 570f. Orph. hymn. I 3 ψυχαῖς νεκύων μέτα βακχεύουσαν). Als Führerin des Totenschwarms heißt sie θανατηγός (Pap. Par. 2865).
Dabei dachte man sie umgeben von Hunden, die Porphyrios selbst als πονηροὶ δαίμονες bezeichnet (Euseb. praep. ev. IV 23, 7, 8) und deren Beziehung zur Unterwelt als Toten- und Höllengeister Roscher (Abh. sächs. Ges. d. Wiss. XVII [1896] 30ff.) nachzuweisen sucht (anders Kroll Rh. Mus. LΙΙ 344). Diese Tiere sind ihre Begleiter (Hippolyt. ref. IV 35. Orph. Arg. 959. Tzetz. Lycophr. 1176. Pap. Par. 2530. Apoll. Rhod. ΙΙΙ 1216. Kaibel Epigr. Gr. 376); unter Hundegeheul erscheint sie (Sophron frg. 6 Kaibel. Theocrit. II 35 und Schol. Horat. sat. I 8, 35. Tibull. I 2. 52. Verg. Aen. VI 257. Lucan. VI 733 [Wünsch Festschr. f. C. F. W. Müller 115]. Sen. Med. 840; Oed. 569), und sie wird selbst bellend wie ein Hund gedacht: Orph. hymn. V 17 (Abel 293). ΙΙI 24 (Abel 290): ἐλάουσ’ ὑλακῇ καὶ ἰωῇ. Die ihr untergebenen Hunde zittern bei ihrem Nahen vor ihrer Herrin: Theokr. II 12. Die enge Beziehung der H. zu den Hunden zeigt sich auch in ihren Benennungen: σκυλακῖτις (Orph. hymn. I 5); φιλοσκύλαξ (Nonn. Dionys. III 74); σκυλαγέτις (mag. h. 12. Abel 289, 7); σκυλακάγεια (Pap. Par. 2722); κυνολύγματε (Pap. Par. 2549). Bisweilen wird sie selbst als Hund angerufen (Pap. Par. 1432ff. κύςν μέλαινα, Porphyr. de abstin. III 7. IV 16. Pap. Par. 2119f. 2251. 2614), oder hundeköpfig geschildert (Eur. frg. 968. Hesych. s. Ἑκ. ἄγαλμα. Pap. Par. 2117ff. Bekker Anecd. I 336, 22) oder als Hündin dargestellt (Hesych. a. a. O. Bekker Anecd. I 336, 41—337, 5. Orph. Arg. 978). Kerberos [2777] folgt ihr nach (Lucian. Philops. 14) und er wird ihr auch gleichgesetzt (Lyd. de mens. III 8 p. 42, 4 W). Man glaubte, H. verursache Tollwut (Orph. Arg. 910; vgl. 978). Die hundeköpfige Skylla ist ihre Tochter (Hesiod. frg. 172); Hekabe wird von ihr in einen Hund verwandelt (Lycophr. 1176); vgl. auch die ätiologische Legende aus Ephesos (bei Callim. frg. 100 h. b. Schn. II p. 356), nach der Artemis ein gottloses Weib in einen Hund verwandelt und es nach der Rückverwandlung H. nennt (Eustath. Hom. 1714, 41). Die Hunde sind ihr daher heilig (Pap. Par. 2336), und man bringt ihr zu Ehren Hundeopfer dar (s. u.). Robertson Smith Religion d. Semiten 220. Reinach CMR I² (1908) 58 fassen die Hundeopfer der H. totemistisch auf; anders Nilsson 396, 2.
H. sendet die Gespenster, aber als Herrin der Geister konnte sie auch gegen ihre Angriffe Schutz gewähren (Apul. met. XI 2. Plut, symp. VII p. 709 A). Sie ist also auch apotropäische Göttin. Apotropäischen Zweck hat auch großenteils die Verehrung, die man ihr zollt. Durch die Opfer, besonders die ihr zukommenden Hundeopfer, suchte man ihre Gunst zu gewinnen. Denselben Zweck haben die H.-Mahlzeiten (Plut. symp. p. 709 A), die Bilder und Kapellen, die man an Dreiwegen, an der Straße und vor den Stadtmauern aufstellte (die sog. Ἑκαταῖα, Ἑκάτεια oder Ἑκατήσια standen fast vor jeder Tür in Athen: Aristoph. Vesp. 804; Ran. 366; Lys. 64. Aischyl. frg. 386 = Schol. Theokr. II 36. Plut. reg. apophth. p. 193 F. Porphyr. de abst. II 16; vgl. auch ihre Epitheta προθυραία (Orph. hymn. II 12. Prokl. h. VI 2, 14); προπθλαία (Hesych. s. v.; Ἑ. ἡ πρόσθεν πυλέων in Milet, S.-Ber. Akad. Berl. 1904, 619ff. Z. 25ff.); Kos: (v. Prott Fast. sacr. nr. 10, 5), oder allgemein φυλακή oder φύλαξ (Schol. Theokr. II 12. Hesych. s. Φυλάδα. Lobeck Agl. 545). Zum Zweck der Heilung von Krankheiten (s. o.) nahm man an den Mysterien der H. teil. Schließlich gibt man ihr aus diesem Grunde die Fackel ständig als Attribut, die gerade im Kulte chthonischer und orgastischer Götter vorkommt (Hom. hymn. V 52. Pap. Lugd. 1, 6 (Diet.). Pap. Par. 2119. 2714. 2800. 2823. Aristoph. Ran. 1362f. Eurip. Troad. 308; vgl. Eurip. Helen. 569 frg. 959. Schol. Apoll. Rhod. III 861. 467. Audollent nr. 241, 39ff. u. a.; s. Steuding a. O. 1888. Gruppe 1298, 2; häufig auf Denkmälern; vgl. Vassits Die Fackel in Kultus u. Kunst der Griechen, München 1900; auf dem Zaubertisch aus Pergamon: Wünsch a. a. O. 24). Die Herrin der Gespenster kann auch gerade bei den von Dämonen am meisten gefährdeten Gelegenheiten im menschlichen Leben Unheil abwehren. Daher möglicherweise ihre Verehrung als κουροτρόφος. Als Geburtsgöttin erscheint sie schon Hesiod. Theog. 450. 452; auf Samos: Plut. (Hesiod.) v. Hom. 30. Orph. hymn. I 8; Athen: Schol. Aristoph. Vesp. 800; Argos: Plut. quaest. Rom. 52 p. 277; Larisa: Athen. Mitt. XI 450; vgl. Euseb. praep. ev. ΙΙΙ 11, 23. Varro de l. l. VII 83 (Galinthias, s. Roscher 1591, 40ff.); sie wird Eileithyia genannt: Orph. hymn. II 7ff.; Genetyllis (Hesych. s. v.); Iphigeneia (Hesiod. frg. 123. Stesich. frg. 38. Paus. I 43, 1); s. auch Paus. II 22, 7. [2778] Diese Eigenschaft kann sie jedoch auch von Artemis entlehnt haben. Sie ist auch Hochzeitsgöttin nach Eurip. Troad. 322 und Schol.
Der H. sind die bösen Geister untertänig; auf ihren Befehl üben sie an der Oberwelt ihre Tätigkeit aus; andererseits hat H. auch die Macht, sie zurückzurufen und vor ihren schädlichen Einflüssen zu schützen. Diese doppelte Seite ihres Wirkens machte sie ganz besonders geeignet für alle Arten von Zauber. Sie wird zur Schützerin aller Magie: Apoll. Rhod. III 251. 478. 529. 738. 842. 915. IV 1020 Schol. Ovid. met. XIV 403. VII 74. 174. 194. 241. Sen. Med. 6f. 577. Apul. ap. 31. Pap. Par. 2957, 2961. Theokr. II 10 und Schol. Lucian. Philops. 14. Porphyr. de abstin. IV 16. Euseb. praep. ev. V 14; s. auch Wessely Denkschr. Akad. Wien XXXVI (1888) Index. Sie ist zugegen bei allem Liebeszauber, der meist die Form der Totenbeschwörung hat: Theokr. II und Schol. Ovid. Heroid. XII 168; met. XIV 44. Horat. sat. I 8, 33. Lucan. VI 736ff. Stat. Theb. IV 514f. Lucian. necyom. 9. Pap. Par. 1432f. 1462 u. a.; s. Fahz De poet. Rom. doctrina mag., Gießen 1904, 10f.; der Zauberkreisel heißt ἑκατικὸς στρόφαλος (Nikephor. in Schol. Synes. p. 362. Psellus 1133 a. Kroll Or. Chald. 41, 2); sie gibt den Giften und Zaubertränken ihre schädliche Wirkung: Diodor. IV 45. Hesych. s. ὠπωτῆρες. Sen. Med. 833. Ovid. met. VI 139. Apoll. Rhod. III 529; sie leistet Beistand bei Verwandlungen: Apul. met. XI 2. Durch Bitten und Zwang bewogen (Schol. Apoll. Rhod. III 1030. Hippolyt. IV 35. 36. Theophr. char. XVI) sendet sie ihre Rachegeister; daher wenden sich an sie häufig die defixiones (meist zugleich an Hermes): Wünsch Def. tab. praef. p. VI. XX; Index. s. Ἑκ. S. 47. Audollent 61; vgl. Index IV A 461f. Die auf solchen Täfelchen häufigen Ephesia grammata nennt eine Defixio aus Megara λόγοι Ἑκατικοί (Wünsch a. a. O. praef. XIII. XX).
Unter ihrem Schutz stehen natürlich auch die beiden großen Zauberinnen Kirke und Medea, Soph. fr. 490 = Schol. Apoll. Rhod. III 1214. Eurip. Med. 394ff.; das zeigt auch die genealogische Verknüpfung der beiden mit H., die zu ihrer Mutter wird (s. o.). Dadurch wird auch H. in die Verwandtschaft des Helios, der Sonne, gebracht, mit der die Zauberkraft verbunden ist.
Schließlich wird das Bild der H. gerne auf Zaubergeräten angebracht, z. B. auf dem pergamenischen Zaubertisch (Wünsch a. a. O. 23); auf Ringen, durch die sie gebunden wird, Pap. Par. 2690; auf Amuletten: Pap. Par. 2632; vgl. 2878. 2119. Petersen V 74f. Wünsch Zauberg. 24. Das von H. selbst beschriebene Bild: Euseb. praep. ev. V 12f. Abt a. a. O. 130.
Eine Seite der H. wurde bisher ganz vernachlässigt: H. als Mondgöttin. Den Charakter als Göttin des nächtlichen Gestirns scheint H. nicht ursprünglich besessen zu haben (anders Farnell a. a. O. 510ff.), denn die älteren Zeugnisse weisen zu wenig Beziehungen zn diesem Gestirn auf, dessen Kult überhaupt erst durch astrologische Spekulation an Ausdehnung gewann. Die Fackeln der H. lassen sich nicht ohne weiterea als Abbilder des Mondes auffassen; ebenso lassen die Opfer, besonders die Hundeopfer, die man an [2779] den verschiedenen Mondphasen darbrachte, keine lunare Deutung zu; auch ihre Verehrung an den Dreiwegen, schließlich ihre Dreigestalt, geben keinen Anhalt zu einem Schlusse auf H. als Mondgöttin. Denn die Erklärungen, die daraus eine Beziehung auf die Natur des Mondes ableiten, sind späte Kombinationen, die alte Eigenschaften der H. nach ihrer Verschmelzung mit der Mondgöttin damit in Einklang zu bringen versuchen (Cornut. 34. Kleomedes π. μετ. 2, 5, 111. Schol. Eurip. Med. 396. Schol. Aristoph. Plut. 591. Plut. de defect. orac. p. 416 E. Porphyr, bei Euseb. praep. ev. III 11, 32. Interp. Serv. Aen. IV 511). Derselbe Grund war wohl maßgebend, daß man den Aufenthalt der Seelen in den Ἑκάτης μυχός auf den Mond verlegte (Plut. de fac. in orb. lun. p. 944 C). H. als Mondgöttin finden wir häufig in der Gegenüberstellung des Tagesgestirns (so z. B. Soph. frg. 490); in Stratonikeia (CIG 2720. Bull. hell. IX [1885] 26. XI 152. 161. 377. XII 479); die namentliche Gleichsetzung hat erst Schol. Theokr. II 12, 14; H. steht dann in Verbindung mit Selene und Artemis: Schol. Aristoph. Plut. 594. Euseb. III 11. 22 u. a. (s. Steuding a. O. 1897). In den Zauberpapyri ist die Gleichsetzung vollständig durchgedrungen; ebenso bei den Römern (z. B. in Senecas Tragödien und den oben angeführten Stellen; vgl. Roscher Selene und Verwandtes, Leipz. 1890).
Als Mondgöttin bezeichnen sie vielleicht Beinamen, wie νυχία (Lucian. necyom. 9. Pap. Par. 1403. Pap. CXXI 950); ἐννυχίη) (Orph. hymn. IX 3); νυκτιπόλος (Apoll. Rhod. IV 1018); νυκτερίη (Orph. hymn. I 5); νυκτιφάνεια (Pap. Par. 2523); Tochter der Nacht (Schol. Apoll. Rhod. III 467); s. Steuding a. O. 1895. Wünsch Zauberg. 23.
Noch einige ihrem sonstigen Wesen fremde Züge weist der Hesiodeische Hymnus auf. Sie hat nach v. 439ff. auch Macht auf dem Meere (vgl. Athen. VII 126 p. 325) und wacht über die Beute des Fischers (v. 443f. Schol. Oppian. hal. ΙΙI 28). Sie gewährt schließlich Hilfe in der Schlacht (431ff. Apoll. Rhod. III 1211. Plut. de Herod. malign. 26 p. 862 a) und vor Gericht (v. 434; vgl. Wünsch Def. tab. nr. 104. 105; praef. VI).
Kulte der Hekate. Die meisten Kultorte der H. liegen an der Ostküste Kleinasiens und den vorgelagerten Inseln im Südosten. Von der Ausdehnung ihres Kultes geben die zahlreichen Bildwerke das beste Zeugnis. Weniger reichlich sind die literarischen und inschriftlichen Nachrichten, die auf uns gekommen sind.
Eine sehr angesehene (ἐπιφανηστάτη) Göttin war sie in den karischen Städten Stratonikeia und Lagina; ihr Heiligtum erhielt das Asylrecht von Sulla, das ihr auch in der Kaiserzeit zugestanden war (Bull. hell. IX [1885] 445. Tac. ann. III 62). Ihre Priesterämter waren sehr angesehen (Heller De Cariae Lydiaeque sacerdotibus, Jena 1891. 241ff. Nilsson Gr. F. 400); eine Priesterin hieß κλειδοφόρος. Das Hauptfest war die κλειδὸς ἀγωνή oder πομπή), daneben kleinere Feste. Auch Spiele wurden ihr zu Ehren gefeiert, die sog. Hekatesia (SIG² 678 v. 9. Poll. I 37. Strab. XIV 2, 25 p. 660. Steph. Byz. s. v. und s. Λάγινα). Kurz erwähnt ist ein ἐπιμελέτης τῶν μυστηρίων, jedoch ist über die Mysterien [2780] nichts Näheres bekannt, Benndorf Reisen in Lykien 154ff. Bull. hell. IX XI (darin Zusammenstellung der Einzelheiten). XIV. Nilsson 400f. In Tralles befand sich ein Πριάπιον καὶ Ἑκατέου αὐλή (Bull. hell. IV 337 v. 25). Milet besaß einen alten H.-Kult; nach Hesych. s. v. wurde sie dort als ὑπολάμπτειρα verehrt; von dort besitzen wir die ältesten Zeugnisse: S.-Ber. Akad. Berl. 1904, 619ff. 1905, 542. In Kolophon wurden τῇ Ἑνοδί? schwarze Hunde geopfert (Paus. III 14, 9). Auf einen Kult in Paphlagonien deutet die Nachricht, daß Medea dort ein Heiligtum gründete (Apoll. Rhod. IV 247 u. Schol.). Auf Kos ist ein Kult der Göttin bezeugt (v. Prott Fast. sacr. nr. 10 Z. 5. 19). Bei Delos hieß eine Insel ?κάτης νῆσος (Athen. XIV 53 p. 645 b. Harpokr. und Suid. s. v.). Man opferte dort der Iris, die an H.s Stelle später getreten zu sein scheint. Einen berühmten Tempel besaß sie in Aigina, mit Bildwerken bekannter Künstler (Paus. II 22, 7f. Steph. Byz. s. Τρίοδος). In Athen befand sich die Ἑ. ἐπιπυργιδία (CIA I 208, 5); H. Zea (Hesych. s. v.); H. καλλίστη (Hesych. s. v.); H. τριγλανδίνη (Athen. VII 126 p. 325 d; vgl. Eustath. 1197, 34). Nach Agrai entsandten die Athener jährlich zum Andenken an den Sieg von Marathon eine Prozession (Plut. de malign. Herod. 26 p. 862), H. in Pherai mit Brimo zusammen (Polyaen. strat. VIII 43; s. o.). In Byzantion ein Heiligtum von Byzas gegründet; dort auch Statue der λαμπαδηφόρος (Hes. Mil. FHG IV 149. 151). Eine H. Ἀφθαία wurde wahrscheinlich in Ägypten verehrt (Steph. Byz. s. v.; vgl. Diodor. I 96). Ein Ἄλσος Ἑκάτης befand sich am Nordufer des Pontus Euxinus (Ptolem. III 5, 7. Anon. peripl. pont. Eux. 58). S. die Zusammenstellung bei Steuding 1885ff. Farnell II 606f.
Die zahlreichen Kulte im südöstlichen Kleinasien deuten vielleicht darauf hin, daß dort ihre Heimat zu suchen ist (Farnell 507ff. hält sie für eine ursprünglich thrakische Göttin); dafür spricht ferner das häufige Vorkommen der vom Stamme ἑκάτ gebildeten Namen in Kleinasien (s. die Beispiele bei Nilsson 397, 3); im Oxyrh. Pap. 412 (Grenfell-Hunt III 36ff.) wird sie Καρείη genannt (s. Wünsch Arch. f. Rel.-Wiss. XII [1909] 4 Z. 28. 10).
Man verehrte H. durch Opfer: die ,Hekatemahlzeiten’, Speiseopfer, die ihr am letzten Mondtage, dem man im Aberglauben eine große Rolle zuschrieb, dargebracht wurden (Ἑκαταῖα, δεῖπνα Ἑκάτης, Ἑκατήσια bei Pollux I 37. Steph. Byz. s. v.). Speisen wurden ihr hinausgebracht an die Dreiwege (Schol. Aristoph. Plut. 544. 594. Plut. symp. 708 F; quaest. Rom. 111. Athen. VII 126 p. 325 A. Harpokr. s. τριακάς Bekker Anecd. I 247, 27); Gebäck (Soph. frg. 668. Aristoph. Plut. 594ff. Demosth. LIV 39. Athen. XIV 53 p. 645 B. Harpokr. s. Ἑκάτης νῆσος. Eustath. Hom. Il 1165, 14); Lichterkuchen: Athen. XIV 53; s. Lobeck Agl. 1062f.; vgl. auch S.-Ber. Akad. Berl. 1904 Z. 25ff.); Fische (τρίγλη und μαινάς: Athen. VII 125. 127. 92. VIII 57); Eier und Käse (Aristoph. Plut. 594ff. u. Schol. Lucian. diaL mort. I 1. XXII 3; tyrann. 7). Zu Methydrion in Arkadien pflegte man jeden Monat den Hermes und die H. zu bekränzen und zu schmücken, Porphyr, de abstin. II 16. Immerwahr Arkad. Kulte (Leipz. [2781] 1891) 210f. Ferner sandte man ihr die Reste des Kehrichts, die Überreste der Reinigungsopfer, hinaus (Phot. a. ὀξυτύμια. Poll. V 163. Suid. s. v. Plut. symp. 708). Die rituelle Vorschrift, daß man die Opfer ἀποστρόφοισιν ὄμμασιν (Aisch. Choeph. 98 u. Schol.) hinwarf, deuten darauf hin, wie sehr man an die Gegenwart der gespenstischen Totengöttin und ihre Begleiter dachte (Rohde II 85, 2. Stengel Griech. Kultusaltert.² 111f.). Schließlich wurden ihr Hunde an Dreiwegen geopfert (Paus. III 14. 9. Schol. Theocr. II 12. Eustath. Od. 1467, 35. Hesych. s. ?κάτης ἄγαλμα. Theophr. char. 16. Iulian or. V 176 d. Bekker Anecd. I 327, 13. 336, 31. Plut. quaest. Rom. 52 p. 277. 111 p. 290. Lykophr. 77 und Schol. Ovid. fast. I 389. Paroimiogr. I 379 Anm.; s. auch Heydemann Griech. Vasenbilder Taf. 11, 3).
Schließlich gab es auch Mysterien der H. In Lagina (s. o.) werden sie kurz erwähnt. Mehr wird uns über die Mysterien in Aigina berichtet. Zur Heilung von Wahnsinn nahm der Kranke daran teil (Lucian. navig. 15. Paus. II 30, 2. Liban. orat. pro Aristoph. p. 426B. Aristoph. Vesp. 122; vgl. Strab. X 3, 10 p. 468; s. Orig. c. Cels. VI 290. CIL VI 1780, 7. Lobeck Agl. 242. Nilsson 398f. Tambornino De daemonismo 75). Einem Mysterienritus gleicht der περισκυλακισμός (Plut. quaest. Rom. 68).
In Verbindung mit den Korybanten wurden ihr in der Zerynthischen Höhle Mysterien unter Fackelglanz und Hundeopfern gefeiert (Schol. Aristoph. Pax 276. Lykophr. 77f. 1178. Nonn. Dion. IV 183ff. XXIX 214. Strab. X 3, 20 p. 472. Suid. s. Ζηρίνθιον und Σαμοθράκη. Etym. M. s. Ζήρινθον; s. Nilsson 399).
Am Ende des Altertums sind die H.-Mysterien den anderen, besonders den eleusinischen, angeglichen. In dieser Verschmelzung kamen sie nach Rom und gewannen dort ziemliche Verbreitung (CIL 1780). H. tritt dadurch in engste Verbindung mit Dionysos. Wir hören häufig von der Hierophanta der H. (CIL VI 504. 511. 1675. Ephem. epigr. VIII 648. CIL VI 261. 1778f. VI 500. 510. Inscr. gr. Sic. It. 1019. CIL 1779. Zosim. IV 3. Carm. adv. pag. [Baehrens PLM III 290] v. 71); zusammen mit Dionysos (CIL XI 671. III 1095. 1154. VI 507. Wissowa Rel. u. Kult, der Römer 316f.).
Sie verband sich ferner dem Mithraskult, (Cumont Mon. Mithr. I 140).
Auf einen Mysterienkult scheint sich die von Diocletian geweihte unterirdische Grotte zu beziehen, zu der man in τξε’ = 365 Stufen hinabstieg (Malalas p. 408 O. = 307 v. 17 Dind. Cumont I 352).
Einen (Mysterien-)Kult in Trier nimmt möglicherweise an: Hettner Steindenkmäler (1893) nr. 143. nr. 83. 84, s. Cumont a. O.
Von einem Orakel der H. spricht Porphyr. bei Augustin. civ. dei XIX 23. Euseb. praep. ev. IV 23, 6. V 8, 3ff. XII 13, 4.
Heilige Pflanzen und Bäume der H. scheinen zu sein: die Eiche (Apoll. Rhod. III 1215; Schol. a. a. O. 1214); Mandragora (Orph. Arg. 919); Wacholder (Orph. Arg. 953); δίκταμνος (Orph. Arg. 919).
In der Kunst wird H. eingestaltig dargestellt [2782] (μονοπρόσωπος Artemid. II 37). Diesen Typus hält Steuding 1900 für den älteren und ursprünglichen. Eingestaltig war die Statue des Myron für Aigina (Paus. II 30, 2). Nicht so deutlich läßt es sich erkennen, ob die Bildwerke des Thrason und Menestratos in Ephesos diesem Typus gefolgt sind (Strab. p. 641; Plin. XXXVI 32; s. Reinach Cultes, mythes et religions II² 307ff.). Daneben ist viel häufiger die dreigestaltige H., die Petersen für die künstlerische Ausgestaltung der dreiköpfigen Herme hält (anders Usener Rh. Mus. LVIII [1903] 165). Auf diese Darstellung beziehen sich die Beinamen der H. τρίμορφε, τριπρόσωπε u. a. (Athen. 168 C. 325 D. Artemidor. II 37. Orph. Arg. 979. Ovid. met. VII 94. 194; fast. I 141. Sen. Med. 7 und häufig z. B. in den Zauberpapyri). Die Darstellungen zerfallen in zwei Hauptklassen; die Göttin ist entweder dreileibig und dreiköpfig dargestellt, oder auf einem Körper sitzen drei Köpfe. Das älteste Bild des ersten Typus soll die H. ἐπιπυργιδία des Alkamenes sein (CIA III 268. Paus. II 30, 2). Die zweite Klasse ist gewöhnlich so dargestellt, daß aus einem Leibe drei Köpfe hervorgehen, daß aber trotzdem sechs Arme vorhanden sind. So ist H. z. B. dargestellt auf dem pergamenischen Gigantenfries.
Als Attribute sind der H. gewöhnlich Fackeln, Hunde, Schlangen, Geißeln, Schwerter, Schlüssel u. a. beigegeben; s. Petersen Arch.-epigr. Mitt. IV 140ff. V 1ff. 193ff.; dazu kommen: Athen. Mitt. XXI (1896) 281. Michon Mel. d’arch. et. d’hist. XII (1892) 407-424. Petersen Arch. Jahrb. XXIII (1908) 21. Sitte Österr. Jahresh. XIII (1910/11) 87ff. Wiegand Athen. Mitt. XXV 1900, 173. Wünsch Zauberg. 22ff. Vielleicht beeinflußte die dreigestaltige H. die gallische Dreiheit Erecura, Epone, Ilithya (Courcelle-Seneuil Les dieux gaulois, Paris 1910, 164ff.).
Die Dreigestalt der H. fand verschiedene Auslegungen. Man leitete sie ab aus der Herrschaft der H. über die Reiche; über Himmel, Erde und Meer (Hesiod. Theog. 404ff. Euseb. praep. ev. IV 23); über Himmel, Erde und Unterwelt (Plut. def. orac. 13 p. 416; Is. et Os. 44 p. 368. Verg. Aen. VI 267. Euseb. praep. ev. IV 23, 5); über Wasser, Luft, Erde (Euseb. III 16, 6). Andererseits erblickte man darin die einzelnen Mondphasen (Corn. n. d. 34. Cleom. π. μετ. 2, 5, 111; vgl. Schol. Eurip. Med. 396. Serv. Aen. IV 511). Schließlich glaubte man, die Dreiheit entspreche der potestas nascendi, valendi, moriendi (γεννητική, θρεπτική, ἀπαραίτητος = Moiren. Interp. Serv. Verg. Aen. IV 511; vgl. Serv. Buc. VIII 75).
Usener a. O. 206. 332 folgert aus Paus. II 22, 7, H. sei ursprünglich nur eine Doppelgöttin gewesen und habe erst später Dreigestalt angenommen.
Eine vierköpfige H. bezieht ein μυστικὸς λόγος bei Cramer Anecd. Paris. I 321, 31 auf die vier Elemente.
Literatur: Die ältere bei Steuding in Roschers Myth. Lex. I 1885—1910; Farnell Cultes of greek states ΙΙ 1896, 501ff. Preller-Robert Griech. Myth.⁴ 1894, 321ff. Rohde Psyche5.6 II 80ff. Nilsson Griech. Feste 1906, 394ff. Gruppe Griech. Myth. 1298ff.
[Heckenbach.]
Nachträge und Berichtigungen
S.2769ff. zum Art. Hekate:
Verehrung der H. in Trier (o. Bd. VII S. 2781) ist beglaubigt durch die im J. 1879 gefundene Weihinschrift bei Hettner Steindenkmäler des Provinzialmuseums Trier nr. 83 = CIL XIII 3643: Dede Hecatáe C. Candidius Piscátor visu mónitus. Auf dem Inschriftsockel waren mit noch vorhandenen Dübeln beiderseits einer Opferschale vermutlich zwei kleine Weihebilder befestigt, von welchen eines, die dreigestaltige H. darstellend, stark verstümmelt, gleichzeitig aufgefunden wurde (Hettner a. a. O. nr. 84).
An der nämlichen Stelle ist aber im J. 1879 auch gefunden ein kleiner Sockel mit mithräischen Darstellungen (Hettner a. a. O. nr. 142, vgl. dazu Korr.-Bl. Westd. Ztschr. XV 1896, 19. Cumont Textes et monuments figurés relatifs aux mystères de Mithra II 434f. nr. 321). Möglicherweise entstammen diese Steinbilder alle nicht einem Heiligtum der Hecate, sondern einem Mithreum (vgl. Cumont a. a. O. I 140, 3). — Weihinschriften und Bilder der H. sind in den westlichen Provinzen des Römerreiches sehr selten. Für die gallischen Provinzen scheinen außer zwei Marmorbildern in der griechischen Kolonie Massalia - Massilia - Marseille (Espérandieu Recueil I nr. 55 und 57) nur ein Marmorbild unbekannter Herkunft in Amiens ((Espérandieu V nr. 3935) und die Trierer Funde nachweisbar: für Hispanien ist keine Inschrift in CIL II Suppl. Index (p. 1128. 1224) aufgeführt, aus Noricum ist eine Weihinschrift CIL III 5119 bekannt, aus Salonae in Dalmatia ein Bild über einer Inschrift, welche die ‚Verunreinigung‘ des Standortes verbietet, CIL ITI 1966; aus Dacia, wo jedoch infolge von Einwanderung griechischer Einfluß stärker gewesen ist (Jung Roman. Landschaften des röm. Reiches 381f.) ein Marmorbild zu Hermannstadt.
[Keune.]
Hekate
Griech. Gottheit. (L) S III; vgl. II. 1356,46ff.
[Hans Gärtner.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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