.
Geometria, γεωμετρία, ist etymologisch die Erdmessung, einschließlich der Vermessung des bebauten Landes.
1. Doch ist ähnlich wie bei der Arithmetik (o. Bd. II S. 1067) der übliche Gebrauch des Wortes von dem ursprünglichen zu unterscheiden. Die Landvermessung wurde γεωδαισία benannt, während γεωμετρία die rein theoretische Wissenschaft von den Linien, Flächen und Raumgebilden, sowie deren Größen und wechselseitigen Verhältnissen bedeutete, Geminos bei Procl. in I. elem. 38, 10–12. 16f. Friedl. Schol. zu Plat. Charm. 165 E (p. 290f. Herm.). So hat auch Geminos in der μαθημάτων θεωρία bei Proklos a. a. O. 38, 4–12 die Arithmetik und G. der μαθηματικὴ ἐπιστήμη zugeordnet und diesen als solche Wissenschaften, die auf die Praxis gerichtet sind, die Mechanik, Astronomie, Optik, Geodäsie usw. gegenübergestellt. Nach Ptolem. synt. I 6, 17–21 Heib. führt nur das μαθηματικὸν γένος zu einer sichern und zweifellosen Erkenntnis, und dessen Teile sind die ἀριθμητική und γεωμετρία. Nikom. arithm. introd. [1211] I 3, 2 stellt der G. als der Lehre von den ruhenden Größen die Sphärik gegenüber, welche sich mit rotierenden Größen beschäftige.
Darüber, wie im Altertum G. und Arithmetik als abstrakte Wissenschaften einander berührten, und wie besonders Probleme, die auf arithmetischem Wege nicht erledigt werden konnten, durch geometrische Darstellung gelöst wurden, gibt einige beachtenswerte Winke Zeuthen Kopenhagen Bull. de l’Académie des sciences 1893, 330ff. und handelt darüber ausführlich in seiner Hist. des mathém. 34ff.
2. Über die Entwicklung der älteren G. hat uns Procl. in I. elem. 64, 7–68, 4 einen wertvollen Abriß aufbewahrt, den er aus der μαθημάτων θεωρία des Geminos entnommen und dieser wiederum von dem Peripatetiker Eudemos von Rhodos, einem Zeitgenossen des Theophrast, entlehnt hatte. Tannery Géom. grecque 66ff. Tittel De Gemini stud. mathem. 81 (doch durfte nicht auch Procl. 68, 4–69, 4 auf Eudemos zurückgeführt werden, denn hier handelt es sich um Mathematiker, die erst nach jenem gelebt haben). Danach ist die G. von den Ägyptern, und zwar zuerst als Feldmeßkunst, um nach den Überschwemmungen des Nil die früheren Feldmarkungen wiederherzustellen, erfunden worden, wie auch Heron geom. cap. 2, ebenfalls aus Eudemos, berichtet. Dann hat Thales die Kenntnis der ägyptischen G. nach Griechenland übertragen, selbst vieles neu gefunden und die weiteren Fortschritte dieser Wissenschaft vorbereitet. Ferner werden als namhafte Geometer in chronologischer Reihenfolge aufgeführt Mamertios, der Bruder des Dichters Stesichoros, Pythagoras, Anaxagoras, Oinopides, Hippokrates, Theodoros, Platon, Leodamas, Archytas, Theaitetos, Neokleides, Leon, Eudoxos, Amyklas, die Brüder Menaichmos und Deinostratos, Theudios, Athenaios von Kyzikos, Hermotimos, endlich Philippos, ein Schüler Platons, der letzte, den Eudemos noch gekannt hat, Procl. in I. element. 64, 18–68, 4. Die Namensform Μαμέρτιος ist in den Auszügen aus Eudemos in den Variae collectiones, Anhang zu Heronis Alex. geom. 253, 2 Hu., erhalten, während bei Procl. 65, 12 Μάμερκος überliefert ist.
Dieses Verzeichnis hat dann Geminos weiter für die Zeiten nach Eudemos fortgesetzt. Nicht viel jünger als die Mathematiker aus der Schule Platons war Eukleides; hierauf werden noch Eratosthenes und Archimedes angeführt, Procl. 68, 4–69, 4. Tannery Géom. grecque 71ff.
3. Es würde mit der Anlage einer Realencyklopädie unvereinbar sein, wollten wir in Anlehnung an Eudemos und Geminos einen Überblick über die Geschichte der griechischen G. geben. Dafür sind bereits eingetreten oder werden noch eintreten die Artikel über die einzelnen Geometer. Anlangend die Blütezeit der griechischen G. ist auf Eudoxos und Eukleides, sowie betreffs der älteren G. auf Bretschneider Die Geometrie und die Geometer vor Eukleides und Allman Greek Geometry from Thales to Euklid zu verweisen.
Nur einige Materien allgemeinen Inhalts, die sich nicht streng an einzelne Autoren anschließen, werden im folgenden berührt werden.
4. Proklos zu elem. I 211f. unterscheidet drei Methoden der geometrischen Beweisführung, die [1212] analytische, die trennende (διαιρετική) und die apagogische. Hierzu ist nach Papp. synag. VII 634–636 noch die synthetische Methode als Gegenstück der analytischen zu fügen.
Als die trennende Methode (Procl. 211, 23–212, 1) ist wohl anzusehen das bei allen Geometern übliche Verfahren, ein allgemeines Problem, z. B. über die Vielecke, in Einzelprobleme zu zerlegen und dabei mit den verschiedenen Arten der Dreiecke zu beginnen, dann zu den Vierecken und nach Bedarf weiter zu anderen Vielecken fortzuschreiten. Etwa in besonderen Fällen sich bietende Schwierigkeiten werden durch Zwischenbeweise beseitigt.
Das Wesentliche der analytischen Beweisführung ist mehrfach in den Artikeln Eudoxos und Eukleides berührt worden. Bei der Analysis, sagt Papp. synag. VII 634, setzen wir das, was wir suchen, als schon beigebracht voraus und untersuchen, auf welchem Wege dies zu stande gekommen ist, schreiten dann zurück zu den vorhergehenden Voraussetzungen, bis wir zu einem Punkte gelangen, der schon bekannt ist oder nach den allerersten Voraussetzungen (u. § 13) feststeht. Das ist die Analysis oder rückwärts schreitende Lösung. Hierauf folgt die Umkehr des Beweises durch die Synthesis, wobei das in der Analysis zuletzt Ermittelte an den Anfang gestellt und von da der Beweis Schritt für Schritt fortgeführt wird, bis wir schließlich zu jenem Punkte gelangen, den wir anfänglich als schon festgestellt angenommen hatten; vgl. Diog. Laert. III 24 (o. Eudoxos § 6). Cantor Vorles. über Gesch. der Mathem. I2 207ff. Zeuthen Hist. des mathém. 75ff.
Die apagogische Beweisführung erklärt Proklos 212, 1–4 als die Zurückführung auf etwas Unmögliches. Sie beweist das Gesuchte nicht unmittelbar, sondern widerlegt das Entgegenstehende und findet so accidentiell die Wahrheit. In den Artikeln Eudoxos und Eukleides ist an verschiedenen Stellen bemerkt worden, daß nach Zeuthen Hist. des mathém. 80ff. 136ff. die apagogische Form zurückzuführen ist auf die Exhaustionsmethode der Neueren.
5. Anaximandros von Milet (610 bis ungefähr 545), Schüler und Nachfolger des Thales, hat nach Suidas außer der Einrichtung des Gnomon auch eine allgemeine γεωμετρίας ὑποτύπωσις bekannt gegeben. Abweichend von Bretschneider Geometrie vor Euklides 63 ist das Wort ὑποτύπωοις ohne Zweifel in demselben Sinne zu nehmen, wie später Proklos in seiner ὑποτύπωσις τῶν ἀστρονομικῶν ὑποθέσεων (Hultsch Abhdl. Ges. der Wiss. Göttingen N. F. I 5 [1897], 9 a. E.) es aufgefaßt hat. Es war ein Abriß der G.; nur bleibt es zweifelhaft, ob Anaximandros selbst einen solchen Abriß abgefaßt und herausgegeben hat oder ob in seiner Schule die Erinnerung daran sich fortgepflanzt und spätere Mitteilungen darüber veranlaßt hat. Das ἔδειξεν des Suidas spricht eher für die letztere Auffassung.
Die Nachweise über die geometrische Tätigkeit des (älteren) Anaximandros sind o. Bd. II S. 2085 nachzutragen.
6. Die ersten Elemente der G. sind nach Eudemos bei Procl. in I. elem. 66, 7 von Hippokrates von Chios verfaßt worden. Nächstdem [1213] soll Leon auf demselben Gebiete sich verdient gemacht haben (ebd. 66, 20). Auch Theudios wird wegen einer vortrefflichen Darstellung der Elemente gerühmt (67, 14). Über alle diese Schriften fehlen uns nähere Mitteilungen; es ist aber wohl anzunehmen, daß sie sowohl nach Form als nach Inhalt hinter dem späteren Werke, das Euklid uns hinterlassen hat, zurückstanden. Betreffs der Sätze, die dem Hippokrates bei der Quadratur der Lunula bekannt gewesen sein müssen, vgl. Allman Greek Geometry 75–77. Die Probleme 15 und 26 des ersten Buches des Euklid sollen zuerst von Thales, die Probleme 12 und 23 von Oinopides (um 430 v. Chr.) aufgestellt worden sein, Procl. in I. elem. 283. 299. 333. 352. Tannery Géom. grecque 88–90.
Da es feststeht, daß Euklid (s. d. § 7) im ganzen mehr Bearbeiter als Erfinder der Elemente gewesen ist, so treten uns in seinem großen Werke allenthalben die Spuren der Tätigkeit früherer Geometer entgegen (o. Eukleides § 8. 13. 15–31). Die Bücher I, II und IV sind in der Hauptsache auf Pythagoreische Lehre zurückzuführen. Buch III enthält Elementarsätze, die seit Thales Gemeingut der griechischen Geometer waren. Der Inhalt von Buch V und zum Teil auch von VI rührt von Eudoxos her; für Buch X und XIII sind die Pythagoreer, Theaitetos und Eudoxos maßgebend gewesen.
Genauere Nachweise über eine Reihe von Elementarsätzen, die längere oder kürzere Zeit vor Euklid bekannt gewesen und von den damaligen Mathematikern angewendet worden sind, waren aus der sog. Sphärik des 4. Jhdts. (oben Eukleides § 46) zu entnehmen. Hultsch Ber. Ges. der Wissensch. Leipzig 1886, 136ff. 153–155.
Fünf Sätze über einige wechselseitige Verhältnisse bei Kegeln und Zylindern, die wir als die 11. bis 15. Proposition des zwölften Buches der Elemente Euklids zu zitieren pflegen, sind nach Archim. de sphaer. et cyl. I 16 Lemma 1–5 schon von den Vorgängern Euklids bewiesen worden (ὑπὸ τῶν πρότερον ἀπεδείχθη); vgl. o. Eudoxos § 7. Heath The Works of Archimedes XLIX.
7. Die Aufgabe, einen Winkel in drei gleiche Teile zu zerlegen (τριχοτομία, trisectiο), konnte durch die elementare G., der nur Lineal und Zirkel zu Gebote standen, nicht gelöst werden. Hippias von Elis (s. d.) hat zu diesem Zwecke eine Kurve erfunden, welche durch Verbindung zweier Bewegungen, einer drehenden und einer fortschreitenden, erzeugt wurde und mit deren Hilfe jeder Winkel in drei oder mehr gleiche Teile, oder überhaupt in beliebig viele Teile, die zu einander in gegebenen Verhältnissen stehen sollten, geteilt werden konnte. Papp. synag. IV 252 Hu. Cantor Vorles. über Gesch. der Math. I2 184f. Zeuthen Hist. des mathém. 62f.
Unter den Lemmata (liber assumptorum) des Archimedes (s. d. § 19) zielt, wie es scheint, der achte Satz auf die Dreiteilung des Winkels hin. Archimedes hat dabei, wie Zeuthen Hist. 64f. nachweist, die Methode der Interkalation angewendet, indem er einen außen an den Kreis sich anlehnenden Winkel DEF als gleich je der Hälfte eines zweiten und dritten Winkels und hiernach gleich dem Drittel des Zentriwinkels ABC nachweist. Zu demselben Zwecke hat Nikomedes (s. d.) [1214] seine Muschellinie (κογχοειδής oder κοχλοειδής) erfunden, Eutoc. in Archim. de sphaer. et cyl. II 114ff. Heib. Zeuthen 67. Auch die Efeulinie (κισσοειδής) des Diokles (o. Bd. V S. 813f.), auf die wir bei der Würfelverdoppelung zurückkommen werden, konnte zur Dreiteilung des Winkels verwendet werden, Cantor a. a. O. 338f.
8.–12. Würfelverdoppelung. Konstruktion von zwei mittleren Proportionalen.
8. Der Geograph Eratosthenes, der unter Ptolemaios III. Euergetes (247–221) als Vorsteher der Bibliothek von Alexandreia wirkte, hat in einem Schreiben an Ptolemaios über das sog. delische Problem berichtet. Die Aufgabe, einen gegebenen Würfel zu verdoppeln, war schon durch Hippokrates von Chios gelöst worden. Später sollen die Delier es geplant haben, einen ihrer Altäre zweimal so groß, als bisher, herzustellen. Sie hätten sich daher an Platon und die Geometer in der Akademie gewendet und, wie aus einem späteren Teile des Berichtes hervorgeht, durch Platon die gewünschte Lösung empfangen. Eutoc. in Archim. de sphaer. et cyl. II 102ff. Heib. Theo Smym. 2 Hiller (aus dem Πλατωνικός des Eratosthenes). Plut. de genio Socr. 579 B. C; de E apud Delphos 386 E. Ioann. Philop. in Aristot. analyt. post. I 7. v. Wilamowitz Nachr. Ges. d. Wiss. Göttingen 1894, 15ff. Sturm Das delische Problem, Progr. Gymn. Seitenstetten 1895, 5ff.
9. Hippokrates hatte gefunden, daß man, um zu einem gegebenen Würfel einen doppelt so großen zu konstruieren, zwischen den Größen 1 und 2 zwei mittlere Proportionalen einschieben müsse; der Kubus der ersteren mittleren Proportionale werde dann der gesuchte Würfel sein. Es war ihm also schon der Satz bekannt gewesen, der uns bei Eukl. elem. XI 33 (vgl. dazu das coroll. und V def. 10) überliefert ist. Keine Schwierigkeit hätte die Aufgabe gemacht, einen achtmal so großen Würfel herzustellen; denn zwischen 1 und 8 sind die zwei mittleren Proportionalen 2 und 4 und 23 ist = 8. Wurden aber andere Zahlen aufgegeben, so verzichteten die älteren Geometer auf die direkte arithmetische Lösung, bestimmten also nicht, wie das delische Problem es verlangte, die Größe 2 3 {\displaystyle {\sqrt[{3}]{2}}}, sondern suchten auf verschiedenen Wegen, indem sie die Größen 1 und 2 als Gerade setzten, zwischen ihnen die zwei mittleren Proportionalen zu konstruieren und den Kubus der ersten Proportionale als den doppelt so großen Würfel nachzuweisen.
10. Es ist hierbei noch besonders darauf hinzuweisen, daß jede Zahl allgemein als Größe im Sinne von Eukl. elem. V def. 1–10 (vgl. oben Eukleides § 15) zu gelten hat und insbesondere ebensowohl als Längen- wie als Flächendimension oder auch als Körperzahl angesehen werden kann. Als Beispiel diene 64. Das bedeutet entweder 64 Längeneinheiten oder ein Quadrat, dessen Seite 8 Längeneinheiten hält, oder einen Würfel mit einer Kante von 4 Längeneinheiten oder auch beliebige Flächen oder Körper, die den erwähnten Quadraten oder Würfeln gleich sind.
Allgemein wird also der Satz der Proportionalität lauten: Zwischen zwei gegebenen Zahlen [1215] oder Geraden oder Flächen oder Körpern können beliebig viele proportionale Zahlen oder Gerade oder Flächen oder Körper in stetiger Analogie eingefügt werden.
Demnach kann man dem Erklärungsversuche von Häbler Über zwei Stellen in Platons Timäus, Progr. Grimma 1898, keine Folge geben. In der Formel a : x = x : y = y : 2 a {\displaystyle a:x=x:y=y:2a} sollen die Größen a a und 2 a 2a Körper, dagegen x x und y y Gerade sein. Das ist unannehmbar und damit fällt alles übrige, was der Verfasser vorschlägt, zusammen. Auch wenn man Zahlen wählt, z. B. 1 und 8, so sind zunächst sowohl 1 und 8 als auch die mittleren Proportionalen 2 und 4 als Körperzahlen anzusehen, die sich nach der stetigen Proportion 1:2 als rechtwinklige Parallelepipede a) mit der Höhe 1, Breite 1 und Länge 2, b) mit der Höhe 1, Breite 2 und Länge 2 zwischen die Würfel 1 und 8 einschieben. Vgl. Plat. Tim. 31 B–32 B. Es ist aber auch nach dem allgemeinen Brauche der alten Geometer gestattet, für die Größen 1, 2, 4, 8 gerade Linien als Symbole zu wählen, und dann wird die erste mittlere Proportionale, in die dritte Potenz erhoben, die Größe 8 ergeben. Ähnlich verhält es sich in allen anderen Fällen, Archim. de sphaer. et cyl. II 222, 20. 224, 5 u. a. Vgl. Hultsch zu Procl. in Plat. remp. II 404f. Kroll. Günther Berliner Philol. Wochenschr. 1898, 1569f.
Dabei bleibt der eben angeführte allgemeine Satz der Proportionalität unangetastet, und es sind daher die von Procl. in Tim. II 31ff. Diehl erwähnten Einwendungen zu beurteilen, daß zwischen zwei Kubikzahlen auch eine mittlere Proportionale und zwischen zwei Quadratzahlen zwei oder mehrere Proportionalen eingeschoben werden können. Das von Demokrit erhobene Bedenken ist von diesem selbst im Sinne Platons beseitigt worden, Procl. ebd. 33, 13–28.
11. Wir führen nun die verschiedenen, von den alten Geometern versuchten Lösungen des delischen Problems in chronologischer Reihenfolge auf.
I. Hippokrates von Chios. Eratosthenes bei Eutoc. in Archim. de sphaer. et cyl. II 104, 11–16 Heib. Procl. in I. elem. 213, 7–9.
II. Auch die Pythagoreer haben sich schon mit diesem Probleme beschäftigt. Wie Eudemos berichtete, hat Archytas die Aufgabe durch den Schnitt eines Halbzylinders gelöst, Eutoc. a. a. O. 98, 18–102, 19. 106, 3f. Cantor Vorles. über Gesch. der Mathem. I2 215–217. Zeuthen Hist. des mathém. 69–71. Sturm Das delische Problem I 22ff. Loria Modena Accad. di Scienze X, ser. II (1893) 93ff.
III. Platons Verfahren (Eutoc. 66–70) war, wie Cantor a. a. O. 214f. darlegt, das erste Beispiel einer Bewegungs-G. Es beruhte auf einer Vorrichtung, die sich als Rechteck mit zwei festen und zwei in paralleler Lage verschiebbaren Seiten bezeichnen läßt. Bei der Handhabung kam es auf die Geschicklichkeit des Benutzers an, der versuchsweise gewisse Lagenverhältnisse der Teile des Apparates hervorbringen mußte (ebd. 337); vgl. Zeuthen a. a. O. 71f. Sturm a. a. O. 49ff. Loria a. a. O. 115f.
IV. Über die Lösung durch Eudoxos ist oben in diesem Artikel § 9 berichtet worden. Außer [1216] auf Tannery und Künssberg (ebd. § 9 a. E.) ist hier noch auf Sturm 32ff. und Loria 135ff. zu verweisen.
V. Menaichmos, der Schüler des Eudoxos, hat zwei Lösungen, die eine durch eine Parabel in Verbindung mit einer Hyperbel, die andere durch zwei Parabeln, aufgestellt. Eutoc. in Archim. de sphaer. et cyl. II 92–98 teilt uns zu diesen Lösungen sowohl die Analysis wie die Synthesis mit; vgl. Geminos bei Procl. in I. elem. 111, 20. Cantor 217f. Sturm 37ff. Zeuthen 71. Loria 137ff.
VI. Eratosthenes benutzte einen Apparat, den er μεσολάβος nannte (Papp. synag. III 54, 31). Ein feststehendes dünnes Metalltäfelchen in Form eines Oblongum hatte rechts neben sich zwei andere ebenfalls rechtwinklige Metalltäfelchen, die parallel mit der aufrechtstehenden Seite des ersten Täfelchens verschoben werden konnten. Es bedurfte nur einiger Geschicklichkeit des Benutzers, um zu zwei gegebenen Geraden zwei mittlere Proportionalen vor Augen zu führen. Eratosthenes bei Eutoc. in Archim. de sphaer. et cyl. II 102–114. Cantor 315f. Sturm II (Fortsetzung des oben angeführten Progr. von Seitenstetten, Linz 1896) 57ff. Loria Modena Accad. di Scienze XI, ser. II (1895) 145f.
Statt μεσολάβος, einer ähnlichen Form wie ἀστρολάβος bei Ptolem. synt. V 353, 13. 354, 2. 14, hat Vitruv. IX 214, 9 Rose mesolabium.
VII. Apollonios, s. o. Bd. II S. 158, 45–52 und vgl. Heath Apollonios of Perga CXXVf. Sturm II 70.
VIII. Die Muschellinie (κογχοειδής oder κοχλοειδής) des Nikomedes (s. d.) diente außer zur Dreiteilung des Winkels (o. § 7) auch zur Konstruktion von zwei mittleren Proportionalen. Die Linie wurde beschrieben durch ein sinnreich erfundenes Instrument, das aus drei mit einander verbundenen Linealen bestand. Zwei derselben waren senkrecht zu einander fest verbunden und das eine mit einer Ritze und einem darin verschiebbaren Zäpfchen versehen, während das dritte, ebenfalls durch eine Ritze durchbrochen und an dem einem Ende mit einem Zäpfchen versehen, durch allmähliche Verschiebung die Muschellinie aufzeichnete. Eutoc. in Archim. de sphaer. et cyl. II 114–126. Papp. synag. IV 242, 13–250, 32. Cantor 334ff. Sturm II 74ff. Loria 200ff.
IX. und X. Die Methoden Philons und Herons haben sich an Apollonios angeschlossen. Papp. synag. III 54, 28–56, 5. Sturm II 66ff. Philon hat seine Lösung im ersten Buche der μηχανικὴ σύνταξις, das den besonderen Titel βελοποιικά führte, mitgeteilt und eine kürzere Darstellung im vierten Buche wiederholt. Eutoc. a. a. O. 72, 22–76, 21. Philon mech. synt. IV 51, 50–52, 27 Schoene. Sturm II 68–70. Das Verfahren Herons ersehen wir aus dem ersten Buche seiner Mechanik S. 22, 27–26, 23 der arabisch-deutschen Ausgabe von Nix und Schmidt und aus den Resten der μηχανικά bei Papp. synag. VIII 1070, 7–1072, 29. III 62, 14–64, 18 (vgl. ebd. 56, 11). Eutoc. a. a. O. 70, 3–72, 21; vgl. Cantor 350f. Sturm II 66ff.
XI. Über die γραμμή oder nach Geminos κισσοειδὴς γραμμή des Diokles s. o. Bd. V S. 813. [1217] Geminos bei Procl. in I. elem. 128, 4. 152, 8. 177, 2. 187, 20f. Eutoc. a. a. O. 78, 18–82, 29. Cantor 338ff. Sturm II 83ff. Loria 2O5ff.
XII. Sporos bei Eutoc. a. a. O. 90, 4–92, 17 hat sich eng an Diokles angeschlossen. Sturm II 89.
XIII. Die Lösung eines ungenannten Geometers teilt Papp. synag. III 31–48 mit. Trotz der ablehnenden Haltung des Berichterstatters findet Sturm II 89ff. darin einen sehr beachtenswerten Versuch einer näherungsweisen Lösung.
XIV. Die Lösung des Pappos synag. III 64, 19–68, 16. VIII 1070, 7–1072, 29 ist identisch mit der des Diokles. Eutoc. a. a. O. 88, 4f. Wie Sturm II 87ff. im Anschluß an Eutokios nachweist, besteht ein Unterschied nur darin, daß Pappos keinen Gebrauch von einer kontinuierlichen Kurve macht, sondern die Punkte derselben mittelst eines Instrumentes näherungsweise bestimmt, wie er ja überhaupt sich vorgenommen hatte, nur mechanische Lösungen des geometrisch so schwer darstellbaren Problems zu bringen. Den Text im achten Buche des Pappos wiederholt mit geringen Abweichungen Eutoc. 84, 1–88, 3 unter der Aufschrift ὡς Πάππος ἐν μηχανικαῖς εἰσαγωγαῖς, womit die Überschrift bei Papp. VIII 1022, 3 περιέχει δὲ μηχανικὰ προβλήματα σὐμμικτα zu vergleichen ist. Die Abweichungen vom Pappostexte bei Eutokios verzeichnet Heiberg zu Eutoc. 85, 1.
12. Alle diese Lösungsversuche, auf welche so viel Scharfsinn und erfinderischer Geist verwendet worden ist, können nur zu unvollkommenen Annäherungen führen, wenn es gilt, aus einer gegebenen Zahl die dritte Wurzel auszuziehen. Weit zuverlässigere Werte konnte die arithmetische Ausrechnung, obwohl man auch hier bei Annäherungen sich beruhigen mußte, ergeben. Heron Metrika III 176, 18–178, 1 Schoene berechnet nach einer eigentümlichen Annäherungsmethode \( {\displaystyle {\sqrt[{3}]{100}}} \) = 4 9/14. Hierzu haben Wertheim Zeitschr. f. Math. XLIV (1899) S. 1ff. des Sonderabdruckes und Kerber ebd. 3 eine allgemeine Lösungsformel aufgefunden, wonach der erstere \( {\displaystyle {\sqrt[{3}]{2}}=1+{\frac {2\cdot 1}{2\cdot 1+1\cdot 6}}} \) = 1 2/8 = 1,25 berechnet hat. Das bleibt allerdings merklich hinter der genaueren Annäherung 1,25992 zurück. Ehe die Heronische Methode bekannt wurde, hatte ich für \( {\displaystyle {\sqrt[{3}]{2000}}} \) nach der binomischen Formel die sehr günstige Annäherung 12 3/5 gefunden und als den 10. Teil hiervon \( {\displaystyle {\sqrt[{3}]{2}}} \) auf 1,26, d. i. auf die dreistellige Annäherung an 1,25992 bestimmt.
13. Ansehnliche Literaturreste sind uns über die ,geometrischen Voraussetzungen‘, ἀρχαὶ τῆς γεωμετρίας erhalten. Jede Wissenschaft, so äußert sich Procl. in I. elem. 75ff., müsse ihre bestimmten Anfänge und Voraussetzungen (ἀρχαί) haben. Bei der G. seien dies die ὑποθέσεις im engeren Sinne, d. i. die ὅροι oder Definitionen, ferner die αἰτήματα und ἀξιώματα. Alle diese Gattungen wurden von den Stoikern unter dem gemeinsamen Namen ὑποθέσεις vereinigt (ebd. 77, 2–6). Daß auch diese Stelle des Proklos, wie unzählige andere, aus Geminos geschöpft ist, ersehen wir aus 178, 1 (vgl. mit 182, 5): τῶν γεωμετρικῶν ἀρχῶν τριχῇ [1218] διῃρημένων εἴς τε ὑποθέσεις καὶ αἰτήματα καὶ ἀξιώματα, womit das ebenfalls aus Geminos geschöpfte Scholion 1 Eucl. op. V 74, 15ff. übereinstimmt, vgl. o. Eukleides § 9. Zeuthen Hist. des mathém. 94–114. Loria Modena Accad. di Scienze XI, ser. II 19–23.
Einiges über ὑποθέσεις, αἰτήματα und ὅροι (die er von den ὑποθέσεις unterscheidet) bemerkt Aristot. analyt. poster. I 10, 7–11; die ἀξιώματα erwähnt er ebd. 5; vgl. Procl. in I. elem. 76, 6–77, 2. Ausführlich über den Unterschied zwischen αἴτημα und ἀξίωμα handelt Geminos bei Procl. a. a. O. 178ff. An die Stelle des Aristoteles knüpft Geminos ebd. 183, 13–20 eine kurze Polemik gegen Apollonios.
Poseidonios hat in einer Streitschrift gegen den Epikureer Zenon von Sidon (Procl. 217, 24–218, 2) verschiedene Untersuchungen über die Euklidischen Definitionen, Postulate und Axiome angestellt (Procl. 199, 14–200, 3). Über seine Definition des Punktes s. Anarit. in decem libr. priores elem. 3, 23–25 Curtze, der Parallelen Procl. 176, 6–17 (vgl. u. § 15), des geometrischen σχήμα ebd. 143, 8–21, über die Unterscheidung von πρότασις (nämlich eines Theorems) und πρόβλημα ebd. 8, 15–20 und u. § 16.
14. Der Winkel wurde von den Pythagoreern γλωχίς, d. i. Spitze oder Ecke, benannt, Heron defin. 17. Procl. in Plat. remp. II 26, 18–21. Schon in der zweiten Hälfte des 4. Jhdts. v. Chr. hat Eudemos von Rhodos über den Winkel geschrieben, s. o. Eukleides § 9, Abs. 4. Später ist Apollonios von Perge, wie Geminos bei Procl. in I. elem. 123, 15–17 mitteilt, gegen die 8. Definition des Euklid mit der Behauptung aufgetreten, der Winkel sei keine κλίσις von zwei Ebenen oder Geraden zu einander, sondern das Zusammentreffen einer Fläche oder eines (von Flächen umschlossenen) Körpers unter einer gebrochenen Linie oder Fläche. Hieran knüpft Procl. 123ff. eine längere Erörterung, in welcher er, auf seinem Lehrer Syrianos fußend, gegen Apollonios Stellung nimmt. Auch von Anarit. in decem libr. priores elem. Eucl. 12, 31. 13, 9 Curtze wird diese Definition des Apollonios erwähnt; doch weiß Anaritius, der hier den Kommentar des Simplikios zum ersten Buche der Elemente benützt hat, weiter zu berichten, daß Apollonios selbst seine Definition als nicht für alle Fälle gültig erkannt und Ausnahmen dazu statuiert habe, wodurch dann Geminos zu einer neuen, von der Apollonischen abweichenden Definition geführt worden sei. Alle diese nachträglichen Erörterungen, die zu leeren Schulstreitigkeiten ausarteten, haben nicht vermocht, die Euklidische Definition des Winkels umzustoßen.
Über die Winkel, welche eine Gerade mit einer Kreisperipherie bilden kann, ist o. Eukleides § 13, Abs. 1, berichtet worden. Dort wurde auch die κερατοειδὴς γωνία (Geminos bei Procl. in I. elem. 104, 18 usw.) erklärt. Wenn diese Benennung, wofür einige Wahrscheinlichkeit spricht, von Apollonios herrührt, so hat sie in dessen καθόλου πραγματεία (o. Bd. II S. 159. 11–18) gestanden.
15. Daß es eine Theorie der Parallellinien schon vor Euklid gegeben hat, ist in jenem Artikel § 9, Abs. 4, nachgewiesen worden. Bei [1219] Euklid gilt die 23. Definition den Parallelen. Das von Neueren sog. 11. Axiom, das von Simson The Elements of Euclid als 12. gezählt wird, ist in der Ausgabe von Heiberg das 5. αἴτημα des ersten Buches der Elemente.
Später haben über Parallelen geschrieben Poseidonios (Procl. in I. elem. 176, 6–17), Geminos (ebd. 176, 18–177, 25. Anarit. in decem libr. priores elem. Eucl. 26f.), Ptolemaios (Procl. 365f. 367f.). Simplikios bei Anarit. 25f.
16. Zu den ersten Voraussetzungen der G. gehörte auch die Unterscheidung von θεώρημα und πρόβλημα. Recht gewundene Erklärungen, die von Zenodotos und seinen Anhängern im Anschluß an die Schule des Oinopides ausgegangen sind, teilt Procl. in I. elem. 80, 15–20 mit. Poseidonios sah in der πρότασις die Frage darnach, ob ein Gewisses statt hat oder nicht, und in dem Problem das Suchen darnach, was vorliegt oder von welcher Beschaffenheit es ist, Procl. a. a. O. 80, 20–81, 4. Geminos bei Procl. 81 wies darauf hin, daß schon durch die Schlußformeln zu den Sätzen Euklids ὅπερ ἔδει δεῖξαι und ὅπερ ἔδει ποιῆσαι der wesentliche Unterschied gegeben sei. Bei den Theoremen beabsichtigen wir zu erkennen, was aus den Voraussetzungen folgt, bei den Problemen wird uns aufgegeben, etwas herbeizuschaffen und ans Licht zu bringen. Gemin. a. a. O. 178, 24–179, 2. 200, 21–201, 18, vgl. Schol. Eucl. op. V 114, 21–115, 21. Papp. synag. III 30, 3–12. VII 650, 16–18.
Sowohl das Theorem als das Problem zerfällt in die folgenden Teile, von denen vorkommendenfalls der zweite Teil mit dem ersten zusammenfällt und der dritte ausbleibt: I. πρότασις (propositio), II. ἔκθεσις, III. διορισμός, IV. κατασκευή (constructio). V. ἀπόδειξις (demonstratio) und dazu als abschließender Rückblick das συμπέρασμα, Geminos bei Procl. 203–210. Schol. Eucl. op. V 115, 21–116, 19.
Auch über das λῆμμα als Hilfssatz zu einem Beweise stellt Geminos a. a. O. 211, 1–212, 4 einiges zusammen, vgl. Schol. Eucl. op. V 117, 13–15.
[Hultsch.]
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