.
44) M. Furius Camillus, der größte Mann seines Geschlechtes und seiner Zeit. Unter den erhaltenen Darstellungen seiner Geschichte liegt der schlichteste und älteste Bericht bei Diodor. vor; indes ist dieser nicht nur immerhin viel jünger als die berichteten Ereignisse, sondern nimmt auch schon auf verschiedene Versionen Rücksicht, so daß er nicht ohne weiteres als einzige Grundlage dienen kann. Livius nennt in den hierher gehörigen Büchern V und VI keinen seiner Gewährsmänner außer am Schluß VI 42, 5 einmal den Claudius Quadrigarius, der aber erst von VI 1, 1 an zu seinen früheren Quellen hinzukam (vgl. Plut. Numa 1, 2; o. Bd. III S. 2859, 16ff); offenbar hat er sich hier durchweg den jüngsten seiner Vorgänger, den Annalisten Sullanischer und noch späterer Zeit, angeschlossen (vgl. Soltau Livius’ Geschichtswerk [Leipzig 1897] 117ff. 173ff.). Gelegentlich macht er rationalistische Bedenken gegen sagenhafte Erzählungen geltend; doch im ganzen verzichtet er in diesen Partien auf Kritik an seinen Vorgängern und sieht seine Hauptaufgabe darin, sie durch hohe Kunst und Anmut der Darstellung (vgl. darüber z. B. Niebuhr R. G. II 609) und hohe Auffassung der erzählten Begebenheiten zu übertreffen (vgl. z. B. das starke Hervortreten des Fatums gerade in der Geschichte des Camillus; Belege bei Weißenborn-Müller Einleitg.8 20). Von der weitschweifigen Erzählung des Dionys liegen nur Bruchstücke vor; sie beruhte auf Quellen derselben Art wie die Livianische. Auch von dem mit beiden Historikern gleichzeitigen Elogium des Camillus, das unter der Statue des Augustusforums (s. über diese unten beim Jahr 364 = 390) stand, ist nur ein Fragment erhalten, CIL I² p. 191 nr. VII = Dessau 52. Eine Biographie des Camillus hat Plutarch verfaßt (im folgenden [325] als Plut. zitiert); über ihre Quellen ist kein ganz sicheres Urteil möglich. Livius kann an der Stelle, an der er (V 22, 5) darin zitiert wird (6, 2), unmöglich eingesehen worden sein; sonst zeigen sich sowohl ihm wie dem Dionys gegenüber bald Übereinstimmungen, bald Abweichungen, die sich nicht lediglich aus den literarischen Absichten des Biographen erklären lassen; jedenfalls geht aber Plutarch nirgends auf Quellen zurück, die den beiden Historikern der Augustischen Zeit vorauslagen (vgl. H. Peter Quellen Plutarch in den Biographien der Römer [Halle 1865] 17–28; Geschichtl. Literatur über die röm. Kaiserzeit II 268; dazu Mommsen Röm. Forsch. II 346f. Hirschfeld Festschr. für L. Friedländer 126. Leo Die griech.-röm. Biographie 161; nur den Titel kenne ich von K. Günther Plutarchs Vita Camilli in ihren Beziehungen zu Livius und Aurelius Victor, Progr. Bernburg 1899). Von Appian. und Dio sind wieder nur geringere Reste der betreffenden Abschnitte erhalten; Zonaras ist in den seinigen nicht nur von Dio, sondern auch stark von Plutarch abhängig (vgl. W. A. Schmidt in Dindorfs Ausg. VI p. XXXIVf.). Ein poetisches Elogium Anthol. Lat. 834 (ed. Riese II² 302; vgl. dazu o. Bd. V S. 2450, 49ff.) verzeichnet nur die drei berühmtesten Siege des Camillus, und zwar in umgekehrter Reihenfolge.
In neuerer Zeit scheint eine monographische Behandlung des Camillus niemals versucht zu sein. Für sie ist von Niebuhrs Scharfblick (R. G. II und III) und Schweglers Gründlichkeit (R. G. III bis zu den Folgen der gallischen Katastrophe im Innern) noch immer viel zu lernen. Mommsen (Röm. Forsch. II, besonders 297ff. ‚Die gallische Katastrophe‘) und Hirschfeld (Festschr. für L. Friedländer [Leipzig 1895] 125–138 ‚Zur Camillus-Legende‘) haben eine Reihe der wichtigsten Fragen vorzüglich erörtert. Beachtung verdienen auch die Untersuchungen von C. P. Burger (Sechzig Jahre aus der älteren Gesch. Roms 418–358. Amsterdam 1891 [Verhandl. Akad. Amsterdam XX]) und Pais (Storia di Roma I 2. Turin 1899), doch ist für ihre beständige Berücksichtigung, die meistens polemisch werden müßte, hier nicht der Ort. Die Ergebnisse der folgenden Prüfung des überlieferten Stoffes werden am Schluß zusammengefaßt.
Nach den Fasti Cap. (erhalten zum J. 351 und 353) war Camillus Sohn eines L. und Enkel eines Sp., die beide unbekannt sind. Plutarch weiß weder etwas von seinen Vorfahren noch von seiner Jugend. Er berichtet 2, 1f. daß Camillus seine erste rühmliche Waffentat in der großen Schlacht verrichtet habe, in der der Dictator A. Postumius Tubertus 323 = 431 die vereinigten Aequer und Volsker geschlagen haben soll. Da Camillus nach seiner Angabe (40, 3; ebenso Appian. Gall. 1, 1) im J. 387 = 367 etwa achtzig Jahre alt gewesen sein soll, hat man berechnet, wann er seinen ersten Kriegsdienst geleistet haben könnte, und hat darauf jene von Livius u. a. verschmähte Erfindung aufgebaut.
Als erstes Amt bekleidete Camillus im J. 351 = 403 die Censur mit M. Postumius Albinus; außer den Fasti Cap. sagen das Val. Max. II 9, 1 und Plut. 2, 3f. und schreiben ihm noch gewisse censorische Maßregeln zu. Bekämpfung der [326] wachsenden Ehescheu (abweichend von Plut. und als gemeinsame Anordnung beider Censoren Val. Max.; vgl. o. Bd. III S. 1253, 30ff. Mommsen St.-R. II 383, 2) und Besteuerung der Waisenkinder (nur Plut.; vgl. Mommsen a. O. III 365f.). Dagegen nennt Livius V 1, 2 die beiden Männer als die letzten der Consulartribune dieses Jahres, deren Zahl dadurch auf acht steigt (vgl. 2, 9f. Mommsen a. O. II 184, 2); folgerichtig zählt er dann das Consulartribunat des Camillus von 353 = 401 als sein zweites (V 10, 1) und müßte auf die Gesamtzahl von sieben kommen, während die Fasti Cap. (Iterationsziffern erhalten bei 353. 356. 360) und Plut. 37, 1 sechs geben. Er hat den Widerspruch bemerkt, aber nicht zu lösen gewußt; er zählt nämlich das folgende Consulartribunat des Camillus von 356 = 398 ebenfalls als sein zweites (V 14, 5), läßt bei dem nächsten die Iterationsziffer ganz weg (V 26,1) und rechnet dann die letzten als viertes, fünftes und sechstes (VI 6, 3. 8. 18, 1. 22, 5).
Aus dem ersten Militärtribunat des Camillus von 353 = 401 (Fasti Cap. Chronogr. Diod. XIV 44, 1. Liv. V 10, 1) berichtet Livius (V 12, 5) einen Zug gegen die Falisker und aus dem zweiten von 356 = 398 (Fasti Cap. Diod. XIV 82, 1. Liv. V 14, 5) einen solchen gegen die Capenaten (V 14, 7), während Plut. 2, 7f. beide zusammenfaßt; auch in der ersten Dictatur 358 = 396 soll Camillus, ehe er sich gegen Veii wandte, nach beiden Autoren (Liv. V 19, 7f. Plut. 5, 3) zuerst die Falisker und Capenaten geschlagen haben. Unglaubwürdig wie diese Einzelheiten ist die Angabe des Liv. V 17, 4, daß er 357 = 397 als dritter und letzter Interrex fungiert habe, da die Namen der drei Interreges den Fasten der Consulartribune des vorhergehenden Jahres entlehnt sind.
Als Tatsache zu betrachten ist dagegen, daß Camillus im J. 358 = 396 als Dictator (Fasti Cap. Fasti fer. Lat. CIL I² p. 57) Veii eroberte und dadurch seinen Ruhm bergründete. Diod. XIV 93, 2f. berichtet darüber: Die Eroberung erfolgte im elften Jahre der Belagerung und zwar durch einen unterirdischen Gang (διώρυγα κατασκευάσαντες); die Gefangenen und die Beute wurden verkauft, der Dictator feierte einen Triumph, und das Volk weihte den Zehnten der Beute nach Delphi, indem es dorthin einen goldenen Mischkrug stiftete, über dessen Schicksal ebd. 4f. ausführlich berichtet wird. Die Dauer der Belagerung wird sonst auf zehn Jahre angegeben und ist der Dauer der Belagerung Troias nachgebildet (Niebuhr R. G. II 534. Schwegler R. G. III 217, 3; darauf weist Livius V 4, 11 selbst hin. Niebuhr (a. O. II 542) hat auch die Einnahme der Stadt durch den unterirdischen Gang für eine Nachbildung der Sage vom troianischen Pferd gehalten, doch dagegen hat Schwegler (a. O. III 218) Einspruch erhoben; eine sichere Entscheidung zwischen beiden Ansichten ist kaum möglich. Die allgemeine Überlieferung verknüpft mit dem Falle Veiis die Ausführung von zwei verschiedenen, doch technisch gleichartigen Arbeiten, nämlich die eines Stollens, der dem Albanersee einem Abfluß verschaffte, und die eines Stollens, der den Römern das Eindringen in die Burg von Veii ermöglichte; beinahe geflissentlich [327] wird jede Verknüpfung dieser beiden Traditionen untereinander vermieden, aber es ist darum nicht undenkbar, daß beide denselben Ausgangspunkt hätten, etwa einen doppeldeutigen Ausdruck, wie den von Diodor gebrauchten, in der Inschrift des delphischen Weihgeschenks oder in dem Spruch des delphischen Orakels. Von dem Albanersee wird bereits unter dem zweiten Militärtribunat des Camillus erzählt, daß er gewaltig angeschwollen sei, und daß durch Göttersprüche die Überwindung Veiis von der Beseitigung dieses Prodigiums abhängig gemacht wurde; die Göttersprüche seien den Römern einerseits durch einen veientischen Wahrsager, andrerseits durch den von ihnen befragten delphischen Gott zugekommen (Liv. V 15, 1–12. 16, 8–17, 2. 19, 1. Val. Max. I 6, 3. Dionys. XII 10, 1-13, 3. Plut. 3, 1–4, 7. Zonar. VII 20 E.). Da der Anspruch des delphischen Gottes auf einen Teil der Beute sich auf diesen Spruch gründet, muß das ein alter Zug der Tradition sein, und wenn Cicero (de div. I 100, vgl. II 69) nichts davon sagt, sondern nur von dem veientischen Verkünder des Götterwillens erzählt, so hat er lediglich seine Vorlage verkürzt (vgl. als Beweis dafür seine Übereinstimmung mit Dionys. XII 13, 1ff.). Das Eindringen der Römer in Veii durch einen unterirdischen Gang erzählen außer Diodor hauptsächlich Liv. V. 19, 9–11. 21, 5–13. 22, 8. Plut. 5, 3–6. Zonar VII 21 A; dieser Gang habe die Belagerer in den Tempel der Iuno Regina gerade in dem Augenblick geführt, als ein Opfer dargebracht werden sollte, an dessen Darbringung der Sieg geknüpft gewesen sei, und dieser Episode versagt sogar Livus V 21, 8f. (danach Plut. 5, 5) als allzu fabelhaft den Glauben (vgl. ein Gegenstück dazu Suet. Aug. 96, 2). Weil er dabei bemerkt: haec ad ostentationem scaenae gaudentis miraculis aptiora quam ad fidem, hat Ribbeck (Rh. Mus. XXXVI 321f.; Röm. Dichtung I² 190f.) die Vermutung aufgestellt und näher begründet, daß der ganzen Erzählung die Fabula Praetexta eines unbekannten Dichters zugrunde liege; indes es finden sich in ihr Hinweisungen über den Untergang Veiis hinaus auf die Einnahme Roms durch die Gallier und auf die Verurteilung des Camillus, so daß die Einheitlichkeit der Komposition einen größeren Abschnitt der Geschichte umfaßt, als er in einem antiken Drama behandelt werden konnte. Ein solcher Hinweis liegt namentlich vor in der von Livius mit Vorbehalt gegebenen Erzählung, daß Camillus nach dem Siege den Neid der Götter durch fromme Gebete abwenden wollte, aber unmittelbar darauf strauchelte und so ein schlimmes Vorzeichen empfing (Liv. V 21, 14–16. Val. Max. I 5, 2. Dionys XII 14, 1f. 16, 4f. Plut. 5, 6f. Zonar. a. O.); zu der Erfindung dieser Szene dürften Züge aus der Geschichte des Scipio Aemilianus beigetragen haben (vgl. o. Bd. VI S. 1450, 6ff. 1451, 58ff.). Ein weiterer Hinweis ähnlicher Art bietet sich in der Ausmalung des Triumphes des Camillus, den außer Diodor Liv. V 23, 4–6. 28, 1. Verrius bei Plin. n. h. XXXIII 111f. Val. Max. IV 1, 2. Auct. de vir. ill. 23, 3f. Plut. 7, 1. Zonar. a. O. Anth. Lat. 834, 6 berichten; Verrius a. O. hat aus älteren Autoren einen einzelnen Zug erhalten, der darauf schließen läßt, daß nach jenen [328] Autoren Camillus der erste Feldherr gewesen sei, der bei seinem Triumph den vollen Schmuck des Capitolinischen Iuppiter angelegt habe; da alle anderen Triumphatoren dasselbe taten (vgl. Marquardt St.-V. II² 586f.), fand man es später nicht mehr genügend, um den Neid der Götter und die Anklage gegen Camillus zu motivieren, und ersetzte es durch einen andern Zug, daß nämlich Camillus allein mit einem Viergespann von weißen Rossen triumphiert habe (vgl. noch Diod. XIV 117, 6. Dio LII 13, 3), — einen Zug, der erst in Caesarischer Zeit hinzugefügt zu sein scheint (vgl. Schwegler III 228, 1. Hirschfeld a. O. 130). Von Gottheiten erscheinen an der Einnahme Veiis in der Tradition drei verschiedene beteiligt und in Beziehung zu Camillus gesetzt, Mater Matuta, Iuno Regina und der delphische Apollo; der Kern der betreffenden Erzählungen dürfte zu den ältesten und besten Bestandteilen der Tradition gehören. Der Mater Matuta soll Camillus für den Fall des Sieges die Wiederherstellung ihres alten Tempels gelobt und das Gelübde nach dem Siege ausgeführt haben (Liv. V 19, 6. 23, 7. Plut. 5, 1f.). Iuno Regina, die Burggöttin von Veii, wurde von ihm in feierlicher Weise evociert, aus der eroberten Stadt hinausgeführt und in Rom auf dem Aventin angesiedelt (Liv. V 21, 3. 22, 3-7. 23, 7. 31, 3. Val. Max. I 8, 3. Dionys. XIII 3, 1f. Plut. 6, 1f.); auch hierfür scheint Verrius (bei Plin. n. h. XXVIII 18) die Belegstellen aus älteren Autoren beigebracht zu haben, während Livius V 22, 6 (danach das ungenaue Zitat bei Plut.) die naive Legende, daß die Göttin der Übertragung ihres Holzbildes ausdrücklich zugestimmt habe, mit der Zurückhaltung des Sohnes aufgeklärterer Zeiten wiedergibt. In den Berichten über das Weihgeschenk, das die Römer dem delphischen Apollo aus der veientischen Beute darbrachten (außer Diod. Liv. V 21, 2. 23, 8–11. 25, 10. 28, 2–5. Fest. 245. Val. Max. V 6, 8. Plut. 7, 4–8, 8. Appian. Ital. 8), liegt trotz der dagegen geäußerten Zweifel eines der ältesten, echtesten und wertvollsten Zeugnisse vor, die zur älteren römischen Geschichte erhalten sind; es ist von griechischen und sizilischen Historikern zu den ersten römischen gelangt und immer weiter gegeben worden (vgl. o. Bd. IV S. 2561, 59ff.). Die nichtsnutzigen Erfindungen der Annalistik haben nun freilich gerade an diesen Punkt angeknüpft; es galt für sie zu erklären, weshalb der Überwinder von Veii beim Volke so verhaßt wurde, daß es ihn später verbannte; die Erklärung suchte man darin, daß er das Gelübde für den fremden Gott anfangs verheimlicht habe und nachträglich zu seiner Erfüllung den Bürgern einen Teil dessen entreißen mußte, was sie von der Beute schon in festen Besitz genommen hatten (Liv. V 20, 1ff. 21, 14. 17. 22, 1f. 23, 8–11. 25, 4–12. Plut. 7, 4ff. Zonar. VII 21 vgl. Appian. Ital. 8). An der Ausgestaltung solcher und ähnlicher Einzelheiten der volkstümlichen Überlieferung haben die uns vorliegenden späten Erzähler selbst mitgearbeitet. Kurze Erwähnungen der Einnahme Veiis durch den Dictator Camillus geben noch Nepos bei Plin. n. h. III 125. Gell. XVII 21, 20. Flor. I 6, 9f. Eutrop. I 20, 1. Oros. II 19, 3. Ovid. fast. I 641. Schol. Iuvenal. 2, 154.
[329] In dem dritten Consulartribunat des Camillus 360 = 394 (Fasti Cap. Chronogr. Diod. XIV 97, 1. XV 2, 1) schlossen die Römer einen Friedensvertrag mit den Faliskern (Diod. XIV 98, 5), der den Kämpfen zwischen beiden für fast 40 Jahre ein Ende machte. Nach der römischen Überlieferung hätte Camillus diesen Erfolg nicht durch Waffengewalt (Liv. V 26, 1–10. Plut. 9, 1–3. Zonar. VII 22 A), sondern durch Großmut errungen: Während er Falerii belagerte, habe ihm ein Schulmeister die seiner Obhut anvertrauten Kinder der vornehmen Falisker überliefert; Camillus habe die Kinder mit dem gefesselten Verräter in die Stadt zurückgesandt und durch diese edle Gesinnung die Feinde so gerührt, daß sie um Frieden baten. Von der einstimmigen Überlieferung (Liv. V 27, 1ff. Flor. I 6, 5f. Eutrop. I 20, 1. Oros. III 3, 4. Frontin. IV 4, 1. Auct. de vir. ill. 23, 1f. Dionys. XIII 1, 1–2, 3. Plut. 10, 1ff. Dio frg. 23, 4f. Zonar. VII 22. Alphius Avitus bei Baehrens FPR 383f. Anth. Lat. 834, 3f.) weicht Val. Max. VI 5, 1 unwesentlich ab, indem er das Verdienst mehr dem Senat als dem fälschlich Consul genannten Camillus zuschreibt (vgl. damit Dionys. XIII 2, 1). Vielleicht ist diese Sage schon im J. 583 = 171 in Rom offiziell rezipiert worden, falls nämlich Liv. XLII 47, 6 den Hinweis darauf einer damals im Senat gehaltenen Rede entlehnt und nicht aus eigenem hinzugefügt hat (vgl. Diod. XXX 7, 1). Jetzt ist man darin einig, sie als wertlose Erfindung zu verwerfen, hat aber ihre Entstehung noch nicht aufgeklärt.
Beim J. 362 = 392 nennt Liv. V 31, 8 den Camillus als ersten Interrex und P. Cornelius Scipio als zweiten und beim J. 365 = 389 ebd. VI 1, 8 umgekehrt diesen als ersten und Camillus als zweiten. Die Namen beider waren in den Fasten von 358 = 396 dadurch miteinander verbunden, daß Camillus als Dictator und Scipio als Magister equitum (s. o. Bd. VI S. 1434 Nr. 328) verzeichnet waren; sie sind von dort in diese späteren Jahre übertragen worden und beruhen, wie alle Namen von Interreges dieser Zeit, auf keiner geschichtlichen Überlieferung.
Unter dem J. 363 = 391 berichtet die Vulgärtradition den Prozeß des Camillus. Ihr steht allein gegnüber die Notiz, die Diod. XIV 117, 6 seinen Bericht über das J. 367 = 387 anhängt: Ἔνιοι δέ φασιν αὐτὸν ἀπὸ Τούσκων θρίαμβον ἀγαγεῖν ἐπὶ λευκοῦ τεθρίππου, καὶ διὰ τοῦτο δυσὶν ὕστερον ἔτεσιν ὑπὸ τοῦ δήμου πολλοῖς χρήμασι καταδικασθῆναι περὶ οὗ κατὰ τοὺς οἰκείους χρόνους ἐπιμνησθησόμεθα. Das in den letzten Worten gegebene Versprechen hat Diodor nicht erfüllt, und auch Plutarch hat keine Rechtfertigung dafür gegeben, weshalb er Camillus mit Themistokles zusammenstellte, so daß man nicht weiß, ob auch ihm etwa eine Tradition vorlag, die für den Römer ebenfalls das Exil als Abschluß, nicht als Unterbrechung der ruhmvollen Laufbahn ansah. Die Neueren (vgl. z. B. E. Schwartz o. Bd. V S. 695; auch Ed. Meyer Gesch. des Altertums V 139) haben meistens unter dem Eindruck der Darlegungen Mommsens (Röm. Forsch. II 322. 337) den Bericht Diodors für die ältere und bessere Überlieferung gehalten; nur um der Rolle willen, die Camillus in der Geschichte der gallischen [330] Katastrophe zu spielen hatte, habe man seine Verurteilung vor diese gesetzt und das von dem zweiten Triumph über die Etrusker Berichtete auf den ersten, den veientischen, bezogen. Der herrschenden Ansicht hat sich jedoch Hirschfeld in seiner eingehenden und vielfach abschließenden Prüfung der Tradition über den Prozeß des Camillus (a. O. 128–134, besonders 129) nicht anzuschließen vermocht, und gewisse Bedenken bleiben in der Tat. Bei aller Hochschätzung der Nachrichten Diodors bleibt zu beachten, daß er die ganze Notiz als eine Variante einführt (vgl. dazu Sigwart Klio VI 342), daß er gerade in diesen Abschnitten verschiedentlich schon eine verfälschte Überlieferung wiedergibt und daß er gerade hier auch die Chronologie in einige Verwirrung gebracht hat. Namentlich darf aber zu Gunsten der Vulgärtradition der Umstand geltend gemacht werden, daß sich die ordentlichen Jahresämter des Camillus in zwei Gruppen sondern lassen, die eine von 351 = 403 bis 360 = 394 und die andere von 368 = 386 bis 373 = 381; die Unterbrechung zwischen dem dritten und dem vierten Consulartribunat findet ihre einfachste Erklärung darin, daß sie eine unfreiwillige, durch das Exil herbeigeführte war. Der von den ἔνιοι bei Diodor angegebene Grund der Anklage wird sonst nur noch in einer Rede bei Dio LII 13, 3 angeführt und verbunden mit einer anderen beim Auct. de vir. ill. 23, 4: Postmodum est crimini datum, quod albis equis triumphasset et praedam inique divisisset. Livius V 32, 8 sagt mit sehr unbestimmtem Ausdruck, die Klage sei erhoben worden propter praedam Veientanam; er sucht, wie schon bemerkt wurde, durch seine ganze Darstellung nach Möglichkeit zu rechtfertigen, wie sich allmählich beim Volke immer mehr Haß gegen Camillus angesammelt und schließlich bei nicht sehr bedeutendem Anlaß entladen habe (ähnlich auch Plut. 7, 1. 4. 8, 2. 11, 1. 18, 8); immerhin läßt er durchblicken, daß nach der ihm vorliegenden Tradition der eigentliche Anklagegrund die ungerechte Verteilung der veientischen Beute gewesen sei (vgl. V 20, 2. 9. 22, 1. 23, 11. 25, 11f. 26, 8), und das haben die ihm folgenden späteren Autoren meistens deutlicher ausgesprochen (Flor. I 17, 4. Eutrop. I 20, 1. Serv. Aen. VI 825. Auct. de vir. ill.; s. o.); auch der ungeschickt verkürzte Auszug aus Appian. Ital. 8 dürfte ihm nahestehen (vgl. die dem Camillus vorgeworfenen φάσματα καί τέρατα mit den σημεῖα im Anfang des Fragments). Indes die Angabe, Camillus habe die Beute ungerecht verteilt, ist die Milderung einer anderen, er habe einem Teil der Beute unterschlagen und sei deshalb vor Gericht gezogen worden; diese für ihn unvorteilhaftere Darstellung geht, wie der Vergleich des Exzerpts bei Plin. n. h. XXXIV 13 mit Plut. 12, 1 zeigt, wahrscheinlich auf Piso zurück und wirkt noch bei Plut. fort. Rom. 12. Val. Max. V 3, 2 a. Dio frg. 23, 6. Zonar. VII 22 nach. Sie machte folgerichtig den Prozeß zu einem Peculatprozesse und malte ihn nach dem Muster von solchen der späteren Zeit aus; dieselben Annalisten, die den Grund der Anklage zu Gunsten des Helden abschwächten, machten aus dem Verfahren einen tribunicischen Multprozeß (vgl. die Zustimmung [331] Mommsens zu Hirschfelds Ansicht Strafr. 765, 5. 769, 1. 2); bei den Späteren wie Plutarch erscheint dann alles durcheinander gemengt. In der Darstellung des Peculatprocesses wurde die Anklage von einem Quaestor erhoben (Plin a. O.) und das Urteil von den Centuratcomitien gefällt (Cic. de domo 86). Bei der Umgestaltung der Tradition trat an die Stelle des Quaestors ein Volkstribun L. Apuleius (Liv. V 32, 8. Val. Max. V 3, 2 a. Auct. de vir. ill. 23, 4. Plut. 12, 1; οἱ δήμαρχοι im allgemeinen Dionys. XIII 5, 1. Dio 23, 6) und wurden mehrere rührende und für den Helden vorteilhafte Einzelheiten hinzuerfunden: Camillus sei zu derselben Zeit durch häusliches Leid, den Tod eines seiner Söhne, tief gebeugt gewesen (Liv. Val. Max. Plut. 11, 2. Appian Ital. 8. Zonar. VII 22; s. u.); er habe ferner vor der Gerichtsverhandlung seine zahlreichen Freunde und Clienten zusammenberufen und von ihnen den Bescheid erhalten, daß sie gern die Strafsumme für ihn aufbringen wollten, aber ihn von der Schuld nicht freisprechen könnten (Liv. V 32, 8. XXV 4, 2. Dionys. Plut. 12, 2–4. Dio 23, 8. Zonar.); er habe daraufhin freiwillig die Stadt verlassen mit einem Gebet, das bereits Plut. 13, 1 und Appian. Ital. 8 (vgl. Gall. 5) dem des Achilleus (Il. I 240, vgl. 408ff.) nachgebildet fanden (Liv. V 32, 9. Dionys. XIII 5, 2f. Dio. Zonar.). Den Schluß der verbreiteten Darstellung bildet es, daß Camillus nach seinem Abgange zu einer hohen Geldstrafe verurteilt worden sei (von 15 000 As Liv. Val. Max. Plut. Zonar., von 100 000 Dionys. XIII 5, 1, von 500 000 Appian., von 10 000 Augustin. civ. dei II 17) und sich nach Ardea, der Stadt der Rutuler, in die Verbannung begab (Liv. V 43, 6ff. Val. Max. IV 1, 2. Auct. der vir. ill. 23, 4. Serv. Aen. VI 825. Dionys. XIII 5, 3. Plut. 23, 2ff. Dio 23, 8. Zonar.; s. auch u.). Seit Cicero (rep. I 6; ep. ad Corn. Nep. frg. 5 aus Ammian. XXI 16, 13) ist dieses Exil des Camillus als Beispiel der Undankbarkeit des römischen Volkes oft angeführt worden. Die Verurteilung und Verbannung wird in allen Berichten als sichere Tatsache betrachtet; in Bezug auf Anklagegrund und Verfahren läßt sich eine Entwicklung der Tradition erkennen, die von bestimmten Motiven und Tendenzen beeinflußt wird; ihre älteste erkennbare Stufe darf keineswegs den Anspruch erheben, als geschichtliche Wahrheit zu gelten, aber sie läßt sich nicht als Umbildung oder Weiterbildung der bei Diodor erhaltenen Version erweisen, sondern steht dieser mindestens gleichwertig gegenüber. Daher bleibt es bedenklich, die Abweichung Diodors von allen anderen Berichten hinsichtlich der zeitlichen Ansetzung des Prozesses zur Grundlage der ganzen Untersuchung zu wählen.
Im J. 364 = 390 (nach der gewöhnlichen Ansetzung) zogen die Kelten gegen Rom, schlugen die Römer an der Allia, nahmen die Stadt mit Ausnahme des Capitols ohne Kampf ein und wurden nach längerer Belagerung des Capitols durch Zahlung einer Loskaufsumme zum Abzuge bewogen. Als älteste Zeugen werden dafür Griechen des 4. Jhdts. v. Chr. angeführt, für die Einnahme der Stadt Theopomp (bei Plin. n. h. III 57) und Heraclides Ponticus (bei Plut. 22, 2f.), ferner Aristoteles von Plut. 22, 4 für noch etwas [332] anderes: Ἀριστοτέλης δὲ ὁ φιλόσοφος τὸ μὲν ἁλῶναι τὴν πόλιν ύπὸ Κελτῶν άκριβῶς δῆλός έστιν άκηκοώς, τὸν δέ σώσαντα Λεύκιον εἶναί ψησιν· ἦν δὲ Μάρκος, ού Λεύκιος, ό Κάμιλλος Aristoteles kannte demnach außer der Einnahme auch eine Rettung der Stadt und nannte den Retter mit Namen; unter den durch die Überlieferung gebotenen Persönlichkeiten findet man keinen anderen Retter der Stadt als Camillus, τὸν άπολωλυίας σωτῆρα πατρίδος γενόμενον (Plut. 30, 2, vgl. 30, 1. Appian. bell. civ. II 205. Memnon 25, 2 [FHG III 538]. Zonar. VII 23 E), und allenfalls M. Manlius Capitolinus, an den Ed. Meyer (Gesch. des Altertums V 157f.) wirklich dachte, gegen den aber das von Plutarch geäußerte Bedenken ebenso spricht wie gegen Camillus. Will man aber, was freilich auch nicht unbedenklich ist, in dem ‚Retter‘ Lucius einem späteren Rächer Roms an den Kelten sehen, so kommt die Aristotelische Notiz für die Camillussage überhaupt nicht in Betracht (vgl. Nr. 41). Der älteste uns vorliegende Geschichtschreiber Polybios I 6, 2f. II 18, 2f. 22, 4f. kennt keine Rettung Roms durch Camillus; die Kelten haben nach seiner Darstellung infolge eines Vertrages Rom wieder geräumt und mit ihrer Beute ungefährdet ihre Heimat erreicht. Apparemment que des son tems, on n'avoit pas encore inventé ce conte ou du moins ne l’osoit-on pas débiter avec tant de hardiesse, schließt richtig L. de B(eaufort) Dissert. sur l’incertitude des cinq premiers siècles de l’hist. rom. (Utrecht 1738) 280, dessen Kritik für seine Nachfolger maßgebend geblieben ist. Von ihnen hat Mommsen (Röm. Forsch. II 298, 3) die berechtigte Frage aufgeworfen, ob etwa von der ältesten poetischen Darstellung der römischen Geschichte, dem Ennianischen Epos, etwas erhalten sei, was sich auf die gallische Katastrophe beziehe, und Vahlen (Enn. poes. rel.² CLXXI) hat gegen ihn daran festgehalten, zwei Verse (annal. IV 164f.) auf die versuchte Überrumpelung des Capitols zu beziehen. Da jedoch dies für die Gesamtdarstellung des Dichters nichts ergibt, darf hier vielleicht etwas anderes zur Erwägung gestellt werden. Bei Liv. V 49, 3 tritt, während das Lösegeld ausgezahlt wird, der Dictator Camillus auf, erklärt den ohne sein Geheiß abgeschlossenen Vertrag für ungültig ferroque non auro recuperare patriam (daher ille reciperator patriae Tac. ann. II 52) iubet; bei Plut. 29, 2 (daraus Zonar. VII 23) sind sogar seine ersten Worte: σιδήρῳ πάτριόν έστι Ῥομαίοις, ού χρυσῷ τὴν πατρίδα σώζειν, und erst dann begründet er seine Verwerfung des Vertrages. Umgekehrt machen die Feinde der Römer diesen bei Iustin den Vorwurf, die Aetoler XXVIII 2, 4: Adversus Gallos urbem eos suam tueri non potuisse, captamque non ferro defendisse, sed auro redemisse, und König Mithridates XXXVIII 4, 8: Nec victam solum dici sibi Romam a Gallis, sed etiam captam, ita ut unius illis montis tantum cacumen relinqueretur; nec bello hostem, sed pretio remotum. Gerade diese Umkehrung der Antithese zeigt, daß sie nicht erst von Livius in jenem Zusammenhange verwandt wurde, gleichsam als Gegenstück zu dem sprichwörtlichen (Fest. 372. Plut. 28, 5) Vae victis des Brennus. Nun findet sie sich aber bei Ennius (ann. VI 196) in [333] der berühmten Rede des Pyrrhos über die Rückgabe der römischen Gefangenen: Ferro, non auro, vitam cernamus utrique. Sollte nun wohl der Dichter das stolze Wort einem Feinde Roms bei ziemlich geringfügigem Anlaß in den Mund gelegt haben, wenn sich die Möglichkeit bot, es einem Helden Roms bei einem Wendepunkte des Geschickes zuzuschreiben? Der Schluß dürfte erlaubt sein, daß Ennius wie Polybios die Rettung Roms durch Camillus entweder gar nicht kannte oder doch nur als eine unsichere Tradition. Seit Beaufort hat die moderne Forschung (z. B. Niebuhr II 618ff. Schwegler III 262ff. Mommsen Röm. Forsch. II 333ff.) zur Widerlegung dieser volkstümlichen Sage nicht nur den Umstand benutzt, daß sie dem Polybios fremd ist oder nicht beachtenswert dünkt, sondern auch den weiteren, daß bei Diodor und anderen verschiedene Nachrichten vorliegen, die sachlich stark von ihr abweichen, doch nach Absicht und Wirkung ihr nahe stehen. Um das Verhältnis dieser Berichte zueinander zu beurteilen, ist von dem verbreitetsten trotz seiner völligen Unhaltbarkeit auszugehen. Ein echter und zuverlässiger Zug der Tradition ist zunächst, daß nach der Alliaschlacht und während der Belagerung des Capitols Veii der Hauptsammelplatz der Geschlagenen und Flüchtigen wurde (Diod. XIV 115, 2. 116, 1. Liv. V 38, 5. 9. 39, 4. 45, 4–8. Plut. 18, 10), während als Aufenthaltsort des Camillus Ardea gegeben war. Es war nun sehr leicht zu erdichten, daß der Verbannte mit den Ardeaten eine von Rom aus das Land verheerende keltische Streifschar überfiel und niedermachte (Liv. V 43, 8–45, 3. Plut. 23, 2–9. Zonar. VII 23), aber der ruhmvolle Feldherr bedurfte eigentlich keiner solchen neuen Erfolge, um sich bei seinem Volke in Erinnerung zu bringen, und viel schwieriger war es, ihn aus dem Exil an die Spitze der Befreier des Vaterlands zu versetzen. Dieser Schwierigkeit ist die Annalistik nicht Herr geworden. Dionys. XIII 6, 1ff. läßt allerdings einfach das Heer in Veii den Camillus zum Feldherrn, und zwar zum Dictator wählen und ihm diesem Rufe Folge leisten; alle anderen haben die staatsrechtliche Unmöglichkeit eines solchen Herganges eingesehen. Die Tradition bot ihnen das kühne Wagestück eines Jünglings Pontius Cominius, der während der Belagerung auf das Capitol gelangte, nach Diod. XIV 116, 3 (vielleicht auch Dionys. XIII 7, 1) um die Nachricht dorthin zu bringen, daß von Veii aus ein Entsatz geplant werde; dieser Sendung gab nun die Annalistik einen andren Zweck, nämlich daß Cominius die dazu Befugten in Rom zur Rückberufung des Camillus aus dem Exil und zur Übertragung der Dictatur an ihn auffordern und die Kunde von der Vollziehung beider Maßregeln dem Camillus und dem Entsatzheere bringen sollte (Liv. V 46, 3ff. Plut. 24, 2–26, 1; fort. Rom. 12. Appian. Gall. 5. Dio 24, 8. Zonar. VII 23; abweichend Frontin. strat. III 13, 1). Hier führt sogar Liv. V 46, 10f. zwei verschiedene Auffassungen und Berichte an und findet sich in ihnen nicht ganz zurecht (vgl. Weissenborn-Müller z. d. St.); die Unvereinbarkeit der Erfindung mit dem republikanischen Staatsrecht wirkte noch in späteren Teilen der Erzählung nach (vgl. Mommsen [334] St.-R. II 149, 5. III 41, 1; Strafr. 482, 3) und führte zu mancherlei Unklarheiten im einzelnen, z. B. darüber, wo und wie Camillus den Oberbefehl übernommen habe (Liv. V 48, 5. Val. Max. IV 1, 2. Plut. 26, 1 u. a.). Doch ist es nicht notwendig, die verschiedenen Versuche zur Beseitigung der Unebenheiten anzuführen, zumal da bisweilen nur durch ungeschickte Verkürzung eines Berichtes scheinbare Varianten entstanden sind, wie z.B. die Vergleichung von Appian. Ital. 8 mit der darin zitierten Stelle Gall. 5 lehren kann oder die des Livianischen Hauptberichtes mit ungeschichtlichen Reden in späteren Büchern, die das beliebte Schulbeispiel des Camillus verwenden (IX, 4 14. XXII 3, 10 [vgl. Plut. Fab. 3, 1]. 14, 11. XXVII 34, 14). Nicht zu rütteln war daran, daß die Gallier sieben Monate lang (vgl. dazu Mommsen Röm. Forsch. II 328, 69) die Stadt besetzt und das Capitol eingeschlossen hielten und nur nach Abschluß eines Vertrages und Zahlung eines hohen Lösegeldes wieder abzogen. Trotz der Länge der Zeit unternimmt Camillus keinen Entsatzversuch, und trotz der Botschaft des Cominius wissen die Belagerten nichts von seinem Vorhaben (Dionys. XIII 9, 2; vgl. Plut. 28, 3) oder hoffen nicht mehr darauf (Liv. V 48, 6f.) und werden durch die äußerste Not und Verzweiflung zu dem schimpflichen Vertrage gezwungen. Livius und Plutarch suchen mit kleinen Verschiebungen und Zutaten solche Widersprüche abzuschwächen, sprechen aber nirgends von einer wirklichen ‚Rettung‘ Roms durch Camillus, sondern drängen in einer einzigen Szene alles zusammen: das Lösegeld wird wirklich ausgezahlt, und die Besiegten müssen noch dazu Schimpf und Hohn erdulden; in diesem Augenblick erscheint der Dictator Camillus, erklärt den ohne seine Mitwirkung geschlossenen Vertrag für ungültig und den Krieg für wieder eröffnet; ein erster siegreicher Kampf folgt innerhalb der Stadt, ein zweiter am folgenden Tage an der nach Gabii führenden Straße endet mit der vollständigen Vernichtung der Feinde und mit dem Triumphe des Siegers (Liv. V 49, 1–7. Plut. 29, 1–30, 2; danach Liv. IX 11, 6. 15, 10. Flor. I 7, 17. 19. Plut. fort. Rom 5. Zonar. VII 23). Es ist für die Beurteilung dieser Darstellung wichtig, daß nur ganz beiläufig Camillus beim Auftreten das Gold wegschaffen läßt (Liv. V 49, 1. Plut. 29, 2. Zonar.); ihr ist nicht die Rückgewinnung des Lösegeldes das Wesentliche, sondern die Tilgung der Schande. Charakteristisch ist für sie, wie sie sorglos über alle Unebenheiten, Nebensachen und Unwahrscheinlichkeiten hinweggleitet, um die Peripetie des Dramas zu gewaltiger Wirkung zu bringen. Denn wohl jeder wird hier an ein Drama erinnert und darf mit Mommsen (Röm. Forsch. II 338) ‚bedauern, daß der namenlose Urheber dieser in Aeschyleischem Stil gehaltenen Umgestaltung der Überlieferung nicht statt der Annalen vielmehr Praetextaten geschrieben hat‘, wobei er sich aber auch daran erinnern möge, daß in derselben literarischen Form später Tacitus seine dramatische Begabung zu bekunden vorzog. Nicht mit Mommsen übereinstimmen werden viele darin, daß er die Erfindung der ganzen Tradition mit ihrer Einführung in die Geschichte gleichsetzt, also im wesentlichen der [335] Annalistik der Sullanischen Zeit zuschreibt: die neueste Kritik der Überlieferung (vgl. Pais Storia di Roma I 2, 97) nähert sich vielmehr der Auffassung des Begründers der Kritik (Niebuhr R. G. II 617), daß hier eine volkstümliche Sage vorliegt, die an Alter der echten historischen Tradition kaum nachstand und lange Zeit neben ihr herging, bis jene späte Annalistik sie aufnahm. Beide zur Einheit zu verschmelzen ist nur in bescheidener Weise versucht worden; sie stehen eigentlich noch heute unvereinbar und unverbunden nebeneinander; darin liegt der Beweis für ihre Verschiedenheit nach Ursprung und Wesen. Ist diese Unterscheidung der echten Geschichte und der echten Sage berechtigt, so ergibt sich, daß die mannigfaltigen abweichenden Darstellungen nicht als verschiedene Stufen einer Entwicklung anzusehen sind, die mit jener begann und mit dieser endete, sondern teils selbständige alte Traditionen, teils künstliche Vermittlungsversuche zwischen den Gegensätzen sind. Fast allen ist gemeinsam, daß sie das Hauptgewicht darauf legen, die Römer seien wieder in den Besitz des als Lösegeld gezahlten Goldes gelangt. Dies war der Volkssage ziemlich gleichgültig gewesen; erst in dem folgenden, andersartigen Bericht über die Neuordnung des Staates kommt Liv. V 50, 6 auf dieses Gold zu sprechen, ohne es jedoch mit dem Lösegeld gleichzusetzen; das Wesentliche ist für ihn, daß ein den Galliern abgenommener Goldschatz im Tempel des Capitolinischen Iuppiter niedergelegt wurde (zu dem Nachtrag über die Matronen ebd. 7 vgl. 25, 8f. Plut. 8, 4; τινές bei Diod. XIV 116, 9; mehr bei Mommsen St.-R. I 393, 5. Marquardt-Mau Privatleben 359f.). Ein solcher Goldschatz war dort tatsächlich bis 702 = 52 vorhanden und wurde, da jede zuverlässige Kunde über seine Herkunft fehlte, mit Galliern in Zusammenhang gebracht, weil in ihm neben Arbeiten einheimischer Goldschmiedekunst (Tempelgeräten) auch charakteristische keltische Schmuckstücke (Halsketten) lagen (Varro de vita p. R. I bei Non. 228, 13. Plin. n. h. XXXIII 14–16). Bei dem Fehlen sicherer Nachrichten konnten nun die verschiedensten Behauptungen aufgestellt werden: zwei fremde Staaten, die zu den ältesten Verbündeten der Römer gehörten, nahmen den Schatz als ihr Geschenk in Anspruch, die Massalioten als eine freiwillige Entschädigung für das den Kelten entrichtete Lösegeld (Iustin. XLIII 5, 9f.) und die Caeriten als die von ihnen den Kelten abgenommene und den Römern freiwillig zurückerstattete Beute (Strab. V 220). Der letzteren Tradition liegt ein wahrer Kern zugrunde; Caere hat einerseits den Römern in ihrer höchsten Not einige Unterstützung gewährt (Strab. a. O. Liv. V 40, 10. VII 20, 3f. Val. Max. I 1, 10. CIL I² p. 191 el. VI) und anderseits um jene Zeit eine keltische Streifschar aufgerieben (Diod. XIV 117, 7). Möglich ist auch, daß Massalia zum Wiederaufbau des zerstörten Rom einen Beitrag leistete (vgl. z. B. die allgemeine Teilnahme für Rhodos bei einer elementaren Katastrophe, Polyb. V 88, 1ff.). Die Römer selbst wollten aber jenes gallische Gold nicht Fremden, sondern der eigenen Kraft verdanken. Von dem Ahnherrn der Livii Drusi sagt Suet. Tib. 3, 2: Traditur etiam pro [336] praetore ex provincia Gallia rettulisse aurum Senonibus olim in obsidione Capitolii datum, nec, ut fama est, extortum a Camillo. Hirschfeld (a. O. 135f.) hat nicht Mommsens Urteil über diese Tradition (Röm. Forsch. II 340) widerlegt, aber ihre Entstehung aufgeklärt. Von allen keltischen Stämmen, die in Italien zur Ansiedlung gelangten, saßen die Senonen am weitesten nach Süden hin und wurden deshalb zuerst von den Römern, als diese zum Angriff vorgingen, vernichtet: der Schluß lag nahe, daß sie es gewesen waren, die Rom einst eingenommen hatten und dafür von der Rache ereilt wurden (Diod. XIV 113, 3. Liv. V 35, 3. Fest. 372. Flor. I 18. Ampel. 18, 5. Anth. Lat. 834, 2). Der Goldschatz im Capitolinischen Tempel war vorhanden, bevor der große Kampf gegen die Kelten in Oberitalien 529 = 225 begann, an dem Fabius Pictor, der älteste römische Geschichtschreiber, teilnahm (o. Bd. VI S. 1836f. Nr. 126); selbst wenn man damals nicht gewußt hätte, daß der Goldschatz von den Senonen stammte, hätte man es vermuten müssen. Daß ein Livius Drusus ihn von dem letzten Senonenkriege heimbrachte, ist gewiß späte und wertlose Erfindung (vgl. den ganz ähnlichen Fall bei Suet. a. O. 1, 1; o. Bd. III S. 2663, 22ff. mit dem zustimmenden Urteil K. J. Neumann Straßburger Festschr. zur Philologenversamml. 1901, 323, 3); daß Camillus, der von der Volkssage als Rächer Roms an den Kelten gefeiert wurde, es getan hätte, lag viel näher und fand eine Stütze daran, daß dem gallischen Golden benachbart ein inschriftlich beglaubigtes, aus Kriegesbeute gestiftetes, aus demselben Metall gefertigtes Weihgeschenk des Camillus bis auf Sulla zu sehen war (Liv. VI 4, 3. Hirschfeld a. O., dem Ed. Meyer Gesch. des Altertums V 157 beistimmt). Aber während die Sage den Helden auf der Stelle Rache an den Kelten nehmen ließ, gab sich die kombinierende Geschichtsforschung große Mühe, ihn in die Nähe der Senonen zu bringen. So sagt Appian. Hann. 8: αὐτοὺς έξελαύνων Κάμιλλος έδίωκε μέχρι τῶν ’Απεννίνων όρῶν, und das späte Altertum fand dies in Ortsnamen bestätigt. Nach Procop. bell. Goth. IV 29, 4ff. (hervorgezogen von Nissen Ital. Landesk. II 392) hieß eine Örtlichkeit an der Flaminischen Straße, wo diese von Umbrien über den Appennin ins Gebiet der Senonem führte, Busta Gallorum (vgl. über eine gleichnamige in Rom o. Bd. III S. 1077) nach den zahlreichen Grabhügeln der Gallier, die Camillus hier besiegt und vernichtet habe. Nach Serv. Aen. VI 825 verfolgte Camillus die abziehenden Gallier, machte sie nieder und gewann alles Gold zurück, und zwar in ihrem eigenen Lande bei dem Orte, der Pisaurum dicitur, quod illic aurum pensatum est. Die kindische Etymologie und die nur hier begegnende Notiz: Post hoc tamen factum rediit in exilium, unde rogatus reversus est, verraten den späten Ursprung des Ganzen (Schwegler III 262, 5), und die abweichende, aber nahverwandte Angabe des Prokopios spricht gegen Mommsens Versuch, einen alten Kern bei Servius zu finden (Röm. Forsch. II 335f.). Diesen Traditionen ist aber im Gegensatz zu der sagenhaften Livianischen das gemeinsam, daß Camillus die bereits abgezogenen Feinde verfolgt und ihnen fern von Rom [337] ihren Raub entreißt. Gerade dieses Verfolgen der Gallier und Zurückbringen des Goldes findet sich bei den sonst von Livius abhängigen Autoren (vgl. die Ausdrücke bei Fest. 372. Flor. I 18. Eutrop. I 20, 3. Cassiod. chron., vgl. auch Auct. de vir. ill. 23, 9. Ampel 18, 5) und ähnlich auch in dem vielbesprochenen Bericht Diodors XIV 117, 5 über das J. 367 = 387: Τῶν δὲ άπεληλυθότων Γαλατῶν άπὸ Ῥώμης Οὐεάσκιον, τὴν πόλιν σύμμαχον οὖσαν Ῥωμαίων πορθούντων, έπιθέμενος αύτοῖς ὁ αὐτοκράτωρ καὶ τοὺς πλείστους ἀποκτείνας τῆς ἀποσκευῆς πάσης ἐκυρίευσεν, ἐν ᾗ καὶ τὸ χρυσίον ἦν, ὃ είλήφεισαν εις Ῥώμην (?), καί σχεδὸν ἅπαντα τὰ διήρπασμένα κατὰ τήν τῆς πόλεως ἅλωσιν. Allerdings sind alle Versuche, das verderbte Οὐεάσκιον zu verbessern, mißlungen (vgl. Hirschfeld a. O. 134, 44. Ed. Meyer a. O.), aber da die Befreiung von Sutrium durch Camillus (s. u.) unmittelbar vorhergeht, so ist das Bestreben deutlich, den Keltensieg an den nördlichsten Punkt zu versetzen, den Camillus auf seinen Zügen erreichte; auch der Zeitansatz wurde dadurch bedingt, und zu allem paßte es, daß jene Weihgeschenke des Camillus, die mit dem namenlosen Keltenschatz in Zusammenhang gebracht wurden, aus dem Feldzug zum Entsatz von Sutrium stammten. So erweist sich Diodors Darstellung als das Werk eines Historikers, der die sicheren Tatsachen der Katastrophe nicht änderte, aber die populäre Sage nicht kannte oder nicht kennen wollte, jedoch durch eigene Untersuchungen und Schlüsse ebenfalls zu dem Ergebnis gelangte, daß Camillus Rom an den Kelten gerächt habe. Diese Darstellung ist also das Resultat geschichtlicher Forschung, und zwar einer sehr alten, vielleicht der des ältesten römischen Annalisten; sie steht als ein Drittes, wiederum nach Ursprung und Wesen Andersartiges, doch an Alter nicht Verächtliches neben der geschichtlichen Wahrheit und der reinen Sage. Wie sich die verschiedenen Elemente immer wieder aufs neue verbinden konnten, zeige schließlich noch ein Beispiel: in der Sage gab Camillus dem Vaterlande seine Ehre wieder und nach der Konstruktion der Annalen das geraubte Gold; die Kunst konnte den abstrakten Begriff so wenig brauchen wie das allzu materielle Gut; sie wählte darum ein Symbol, das jedem Zeitgenossen des Augustus verständlich war, indem sie darstellte referentem signa Camillum (Verg. Aen. VI 825 und gewiß ebenso die Statue des Augustusforums; vgl. signa Camilli bei Prop. III 11, 67 und dann die Zurückbringung von aurum et signa bei Eutrop. I 20, 3. Serv. Aen. a. O.).
Die Rolle des Camillus als Rächer oder gar Retter Roms ist ungeschichtlich, aber bei Liv. V 49, 7 wird ja auch der im Triumph einziehende Held von den Seinigen weder als das eine noch als das andere gepriesen, sondern vielmehr als Romulus ac parens patriae conditorque alter urbis, und damit endet der Livianische Nachruf auf ihn (VIII 1, 10; daraus Europ. II 4) und beginnt die Plutarchische Biographie (1, 1), daß er als zweiter Gründer Roms den höchsten Ruhm erworben habe (vgl. Eutrop. I 20, 3. Cassiod. chron.). Eine solche Bezeichnung, die Augustus für sich wünschte (Suet. Aug. 7, 2. Dio LIII 16, 7; vorher [?] spöttisch Cicero als Romulus [338] Arpinas bezeichnet Invect. in Cic. 7 und noch früher [?] Sulla als scaevus iste Romulus Sall. hist. I 55, 5 [or. Lepidi]), ist mehr als für den Retter Roms für den Wiederhersteller von Stadt und Staat angemessen; noch bei Iulian. Caes. 323 A sitzt Camillus dem vergötterten Romulus zur Seite, weil er μικροῦ συμπεσοῦσαν τὴν τούτου πόλιν ἀνέστησεν (urbem restituit Ampel. 18, 5). Diese Wiederherstellung wird von Livius und Plutarch ausführlich geschildert; sie besteht zum Teil in Anordnungen über Religion und Kultus (Liv. V 50, 1ff. Plut. 30, 4; fort. Rom. 5 u. a.), zum Teil in den bekannten Maßregeln beim Wiederaufbau der Stadt (Diod. XIV 116, 8f. Liv. V 55, 2ff. Plut. 32, 4f. u. a.), vor allem aber darin, daß Camillus Veios post urbem captam commigrari passus non est, wie die ersten erhaltenen Worte des Elogiums vom Augustusforum lauten (CIL I² p. 191 nr. VII = Dessau 52. Populum Romanum migrare Veios volentem retinuit; sic et oppidum civibus et cives oppido reddidit Auct. de vir. ill. 23, 10). Nach Livius (V 24, 5ff. 29, 8ff.) und Plutarch (7, 2f. 11, 1f.) war schon bald nach der Einnahme Veiis der Vorschlag gemacht worden, ganz dorthin überzusiedeln oder einen Teil des Volkes dort anzusiedeln; die heftigen Kämpfe darüber zwischen den Volkstribunen und den von Camillus geführten Patriciern hätten von 359 = 395 bis 361 = 393 gedauert und damit geendet, daß man die Übersiedlung aufgab, doch durch umfangreiche Ackerassignationen im Gebiet von Veii die Plebs befriedigte. Nach dem Abzug der Kelten habe sich der Streit mit gesteigerter Heftigkeit erneuert. Die Darstellung des Livius (V 49, 8. 50, 8–55, 2) gipfelt in der großen Rede, in der Camillus alle Gründe zusammenfaßt, die das Verbleiben an der geweihten erinnerungs- und zukunftsreichen Stätte Roms gebieten; die Rede gehört zu den glänzendsten Leistungen der rhetorischen Geschichtschreibung; für ihre Beurteilung aber ist der Schluß wesentlich 55, 1: Movisse Camillus cum alia oratione, tum ea, quae ad religionem pertinebat, maxime dicitur; sed rem dubiam decrevit vox opportune emissa, nämlich das als bedeutsames Omen aufgefaßte militärische Kommando, das mitten in die Senatssitzung hinein erklang. Übereinstimmend sagen auch Plutarch (32, 2f.) und Zonaras (VII 23 E), daß dieses vorbedeutende Wort die Entscheidung gebracht habe; sie lassen vorher ebenfalls beide Parteien zu Worte kommen, doch ohne dem Camillus den Löwenanteil zuzuweisen, aber gerade die nach Livius eindrucksvollsten seiner Argumente, die religiösen, gibt ähnlich auch Plut. 31, 3f. als vom Senat ins Feld geführt. Es ergibt sich daraus erstens, daß ursprünglich nur das Omen als Grund des Bleibens in Rom berichtet wurde, zweitens, daß in den Annalen Sullanischer Zeit die Erörterung des Für und Wider in Reden hinzutrat, und drittens, daß erst der Historiker der Augustischen Zeit unter Verwertung dieser Quellen und anderer Anregungen (vgl. z. B. Liv. V 54, 4 mit Cic. rep. II 5. 11) und Eindrücke den Camillus in den Mittelpunkt dieser Episode stellte. Es hängt damit zusammen, daß er der Dictatur des Camillus eine möglichst lange Dauer geben mußte (V 49, 9. VI 1, 4, mißverstanden von Plut. 31, 3, vgl. Mommsen [339] St.-R. II 160, 3). Der ganze Abschnitt der Überlieferung, der Camillus als den zweiten Gründer Roms hinstellt, läßt sich nicht über die Zeit Sullas hinauf nachweisen und kann unter dem Eindruck der Tätigkeit entstanden sein, die dieser Dictator als Erneuerer des Staats entfaltete.
Dagegen ist es eine geschichtliche Tatsache, daß Camillus die auswärtigen Feinde Roms erfolgreich abwehrte, die von seiner Demütigung durch die Kelten Vorteil ziehen wollten. Ist es aber richtig, seine Verurteilung vor die gallische Katastrophe zu setzen (s. o.), so wird man folgerichtig auch annehmen dürfen, daß seine Rückberufung aus dem Exil bald darauf erfolgt ist, als Rom alle Kräfte brauchte. Die Abwesenheit von der Heimat während ihres Unglücks ist übrigens wohl auch schon bei Cic. Tusc. I 90 die notwendige Voraussetzung (vgl. den Nachruf bei Liv. VII 1, 9). Auf die Rückberufung kann sehr wohl die Ernennung zum Dictator rasch gefolgt sein, da die feindlichen Nachbarn sich allenthalben gegen Rom erhoben. Nach Diod. XIV 117, 1–4, der fälschlich alles Folgende noch unter dem Jahre der gallischen Katastrophe, nach seiner Rechnung 367 = 387, erzählt, brachen zuerst die Volsker von Süden ins römische Gebiet ein; die Consulartribunen rückten ihnen mit dem Heere entgegen und schlugen ein Lager ἐν τῷ καλουμένῳ Μαρκίῳ auf; als sie durch stärkere feindliche Macht bedrängt wurden, erhielt Camillus als Dictator den Oberbefehl und zog ihnen mit dem ganzen römischen Aufgebote zu Hilfe; die Volsker wurden gleichzeitig von zwei Seiten angegriffen und vollständig geschlagen, sodaß ihre Macht gebrochen war. Auf die Nachricht, daß Bola (o. Bd. III S. 667) von den Aequern bestürmt wurde, wandte er sich dorthin und vernichtete den größten Teil des Belagerungsheeres; zuletzt eilte er nordwärts gegen Sutrium, das die Etrusker genommen hatten, überraschte und besiegte auch diesen Feind und gewann Sutrium zurück. Es folgt bei Diodor der angebliche Keltensieg des Camillus (s. o.), die Angabe (a. O. 6), trotz seiner großen Taten sei er durch den Neid der Volkstribunen am Triumph verhindert worden, und als Variante die Nachricht von seiner Verurteilung (s. o.). Bei Livius VI 2, 2 wird in der Einleitung zum Bericht über das J. 365 = 389 gesagt, daß Rom außer anderen Gefahren auch den Abfall der Latiner und Herniker fürchtete; da dies unter den folgenden Jahren immer wiederholt wird, ohne daß ein Krieg ausbricht, ist diese bei Diodor fehlende Angabe zu streichen und mit ihr der ganze ätiologische Mythus, den Plutarch 33, 3ff. als Bericht über einen Latinerkrieg gibt (vgl. L. A. Kesper De Camillo Volscorum victore [Diss. Leyden 1886] 15ff.). Den Krieg gegen die Volsker und Aequer erzählt Livius VI 2, 4–14 mit mannigfaltigen Abweichungen von Diodor; die Darstellung der Einnahme des feindlichen Lagers ebd. 10f. mag auf einer älteren annalistischen Überlieferung beruhen (vgl. Frontin. strat. II 4, 15 = IV 7, 40): alle anderen Abweichungen sind aus dem Bestreben, das Ganze rühmlicher für die Römer und Camillus zu gestalten, leicht zu erklären. Der Bericht des Plutarch 34, 1–35, 1 ist durch Hereinziehung der Latiner (ebenso Zonar. VII 24 A) und einige [340] kleinere Zutaten erweitert, aber hauptsächlich durch Kombination der bei Diodor und bei Livius vorliegenden entstanden. Der Ort des Kampfes (ad Mecium Liv. VI 2, 8; περὶ τὸ Μάρκιον ὄρος Plut. 34, 2) ist nach allen drei Autoren wahrscheinlich die Gegend bei Lanuvium, von der die Tribus Maecia ihren Namen empfing (vgl. Nissen Ital. Landesk. II 593, 5). Der Sieg des Camillus war nach Liv. VI 2, 13 (daraus Eutrop. II 1. Oros. III 3, 4) der Abschluß eines siebzigjährigen Kampfes (vgl. über die hier befolgte Rechnung Kesper a. O. 23ff. Pais Storia di Roma I 2, 123); sein bleibendes Ergebnis war nicht nur die Schwächung der Volsker (Diodor. Plut. 35, 1), sondern auch die endgültige Besitznahme des pomptinischen Gebietes durch die Römer (Liv. VI 5, 2, vgl. 6, 1), obgleich die nach ihm benannte Tribus Pomptina erst um drei Jahrzehnte später eingerichtet wurde. Die Befreiung eines eingeschlossenen römischen Heeres durch einen Dictator kommt in der Tradition über die Aequer- und Volskerkriege wiederholt vor (vgl. namentlich L. Quinctius Cincinnatus); trotzdem darf man wohl Diodors Bericht in diesem Falle Glauben schenken. Seine Erzählung von dem Feldzuge des Camillus gegen Sutrium ist bei Liv. VI 3, 1ff. und Plut. 35, 1ff. (daraus Zonar. VII 24 A) wirkungsvoll ausgestaltet worden: die Stadt sei an einem und demselben Tage von den Etruskern genommen und von Camillus wiedergewonnen worden; das erinnert an ähnliche Beispiele jähen Wechsels, wie sie in der Camillussage schon bei der Einnahme von Veii und bei der Rettung Roms vorkamen, und ist gleich ihnen zu einer fast dramatischen Szene verarbeitet worden (vgl. eo forte tempore Liv. VI 3, 4 mit forte quadam V 49, 1 und dem zeitlichen Zusammentreffen, das selbst dem Livius fabelhaft erschien, V 21, 8; vielleicht auch die Worte des auftretenden Camillus: Etruscis se luctum lacrimasque ferre mit ferro non auro V 49, 3 [s. o.]). Der Triumph des Camillus wird im Gegensatz zu Diodor von Liv. V 4, 1–3. 7, 4 (daraus Eutrop. II 1) und Plut. 36, 1 (daraus Zonar. VII 24 A) als wirklich über die drei besiegten Völker gefeiert überliefert, ebenso von dem Elogium, das seltsamerweise die Reihenfolge der Feldzüge umkehrt: Etruscis ad Sutrium devictis, Aequis et Volscis subactis tertium triumphavit. Über die Ansicht Mommsens, daß dieser Triumph über die Etrusker und nicht der frühere über die Veienter tatsächlich den Anlaß zur Verurteilung und Verbannung des Camillus gegeben habe. s. o. beim J. 363 = 391; über das bei diesem Triumph von Camillus gestiftete Weihgeschenk (Liv. VI 4, 3) s. o. beim J. 364 = 390.
Im J. 368 = 386 wurde Camillus zum viertenmale Tribunus militum consulari potestate (Diod. XV 25, 1. Liv. VI 6, 3, 8). Es ist begreiflich, daß die Annalistik den alle anderen überragenden Feldherrn auch als Consulartribunen in seinen späteren Amtsjahren wie einen Dictator schildert, neben dem seine Amtsgenossen ganz zurücktreten (bezeichnend daher Suid. II 2, 401 Bernh. Καμίλλου τοῦ πολλάκις μοναρχήσαντος). Das Fragment des Elogiums endet hier mit den Worten: Quart(um scil. trib. mil. cons. pot.) sev[ere in] Velitern[os animadvertit] und vertritt eine anderweitig nicht nachweisbare Tradition (s. u. beim [341] J. 387 = 367). Livius allein gibt einen sehr ausführlichen und ausgeschmückten Kriegsbericht, in dessen Mittelpunkt Camillus steht, dem seine Amtsgenossen freiwillig die Stellung eines Dictators einräumen (VI 6, 4ff.); sein erster Feldzug gilt den Volskern von Antium, die, von zahlreichen Latinern und Kernikern unterstützt, bei Satricum stehen; sie werden erst in einer großen Schlacht geschlagen; dann wird, nachdem die Latiner und Herniker sie verlassen haben, Satricum erstürmt; Camillus bedroht sogar Antium, als er zum Etruskerkrieg abberufen wird (VI 7, 1–9, 2. 12, 6). Der zweite Feldzug gilt der Wiedergewinnung der beiden Stützpunkte der römischen Macht in Südetrurien, von denen Sutrium teilweise und Nepete vollständig in feindliche Gewalt gefallen war; beide Städte werden zurückerobert (VI 9, 3–10, 6). Dieser ganze Kriegsbericht ist teils dem des J. 365 = 389 nahe verwandt, teils dem des J. 377 = 377 bei Liv. VI 32, 4ff. (vgl. Kesper a. O. 34ff. 47ff.); für seine späte Entstehung spricht es, daß die Episode ebd. 8, 1f. (daraus Frontin. strat. II 8, 1) doch wohl einer solchen aus Caesars Feldzügen (bell. Gall. IV 25, 3f.) nachgebildet sein dürfte. Burger (Sechzig Jahre aus der älteren Gesch. Roms 151f. 162ff.) glaubt indes, daß die Zerstörung Satricums wirklich in dieses J. 368 = 386 gehöre und die späteren Erwähnungen der Stadt auf Fälschung oder Verwechslung beruhen.
Das fünfte Consulartribunat des Camillus fällt ins J. 370 = 384. Sein Name fehlt zwar bei Diod. XV 36, 1, doch sind dort nur drei Namen überliefert, während die Stellenzahl auf vier angegeben wird, und der Vergleich mit Chronogr. und Liv. VI 18, 1 ergibt, daß von den sechs bei diesem genannten Tribunen die beiden ersten gefälscht sind, der Name des Camillus aber auf guter Überlieferung beruht und der bei Diodor nur zufällig ausgefallene vierte sein muß (vgl. Mommsen Röm. Forsch. II 231). Dieses Jahr ist nach der gewöhnlichen Tradition das des Sturzes des M. Manlius Capitolinus, während Diod. XV 35, 3 ihn unter dem vorhergehenden verzeichnet. Die Vergleichung Camillus und des Capitolinus drängte sich von selbst auf und findet sich schon bei Claudius Quadrigarius (frg. 7 Peter aus Gell. XVII 2, 14) und Cicero (ep. ad Corn. Nep. frg. 5 aus Ammian. XXI 16, 13); sie ist dann dazu benützt worden, um den Neid des Capitolinus gegen Camillus als eines der Motive hinzustellen, die jenen zu seinen hochverräterischen Schritten treiben (Liv. VI 11, 3–5. Plut. 37, 3. Zonar. VII 24). Livius hat sich damit begnügt und dem Camillus keinen größeren Anteil an der Beseitigung des Nebenbuhlers gegeben; Plut. 36, 5 stellt schon die Wahl des Camillus zum Consulartribunen als gegen diesen gerichtet hin und schreibt 36, 7 dem Camillus die Verlegung der Gerichtstätte an einen vom Capitol entfernten Ort zu, was nach der verbreiteten Darstellung für die Verurteilung entscheidend wurde; vollends Dio bei Zonar. VII 24 (vgl. frg. 25, 2) berichtet, daß Camillus, nachdem Manlius mit seinem Anhang das Capitol besetzt hatte, gegen ihn zum viertenmal zum Dictator ernannt worden sei. Diese sonst nirgends überlieferte Dictatur des Camillus und der Charakter anderer Einzelheiten lassen die Dionische Erzählung als spät aufgebracht erkennen und verwerfen; [342] die Plutarchische ist dagegen nicht notwendig eine jüngere Erweiterung der Livianischen, sondern hat vielleicht älteren Quellen den schroffen Gegensatz zwischen beiden Männern nacherzählt, den der milde Livius abschwächte. Es ist auch bei den jüngeren Autoren der Beginn der Manlischen Bewegung und ihre, nach ihnen allerdings vergebliche, erste Bekämpfung durch einen Dictator schon unter dem vorhergehenden Jahre erzählt worden. Alle diese Umstände machen es wahrscheinlich, daß die ganze Sache tatsächlich in dieses J. 369 = 385 gehörte und nur deshalb in das folgende hinabgerückt wurde, damit sie in ein Amtsjahr des Camillus fiel und dessen Gegensatz zu Capitolinus herausgearbeitet werden konnte (vgl. Mommsen Röm. Forsch. II 187–190 und den Art. M Manlius Capitolinus). Gegensätze zwischen Furiern und Manliern späterer Zeiten (vgl. Nr. 86) könnten zu dieser Erfindung etwas beigetragen haben (vgl. Pais Storia di Roma I 2, 103f.), aber gewiß nur in bescheidenem Maße.
In seinem sechsten Consulartribunat von 373 = 381 (Diod. XV 48, 1. Liv. VI 22, 5. Plut. 37, 1. 38, 4) hatte er außer vier anderen Männern seinen Geschlechtsgenossen L. Furius Medullinus Nr. 66 zum Kollegen und soll mit ihm gemeinsam den Krieg gegen die Volsker übernommen haben. Den Hauptteil des Kriegsberichts bildet bei Liv. VI 22, 6–25, 1. 25, 4–6 und Plut. 37, 2–5. 38, 1f. die breit ausgeführte Erzählung, wie der greise Feldherr vorsichtig den Krieg in die Länge zieht und eine Schlacht vermeidet, sein junger Genosse ihn deswegen anfeindet und ungestüm zur Entscheidung drängt, dann seinen Willen durchsetzt und nun in die äußerste Gefahr gerät, bis er durch das Einschreiten des Alten gerettet wird (eine Einzelheit aus Liv. VI 24, 6 auch Frontin. strat. II 8, 6) und reuig dessen Überlegenheit anerkennt. Livius selbst hat sich bei der Erzählung von dem ähnlichen Streit zwischen dem Dictator L. Papirius Cursor und seinem Reiterobersten Q. Fabius Rullianus VIII 33, 13–16 sowohl dieser Episode erinnert wie der noch weiter zurückliegenden von dem Dictator L. Quinctius Cincinnatus und dem Consul C. Minucius; das gemeinsame Vorbild aller drei Erzählungen ist aber, wie schon o. Bd. VI S. 1801 erwähnt wurde, die Gleichstellung und Rivalität des M. Minucius im Hannibalischen Krieg mit dem Dictator Q. Fabius, dem sog. Cunctator, an den die hier gegen Camillus gerichteten Vorwürfe (Liv. VI 23, 4: cunctatorem ex acerrimo bellatore factum; ebd. 8: hostis, cuius vires cunctando auximus) geradezu erinnern (vgl. o. Bd. VI S. 1815, 50ff. 1819ff.). Nach Ausscheidung dieser erfundenen Episode bleiben in dem Kriegsbericht auffallende Übereinstimmungen mit denen der J. 365 = 389 und besonders 368 = 386 (s. o.): die Volsker sollen im Bunde mit den Praenestinern gewesen sein (Liv. VI 22, 4. Plut. 37, 3), aber auch durch starken Zuzug aus Tusculum unterstützt, was sich erst nach dem Siege herausstellte und Anlaß zu einem Zuge gegen diese Stadt wurde (Liv. VI 25, 1f., vgl. Plut. 38, 2); ähnlich wurde bei den früheren Feldzügen die Beteiligung der Latiner und Herniker dargestellt. Bei Liv. VI 22, 4. 8 ist die Veranlassung des Krieges, daß die Feinde die römische Kolonie Satricum mit Gewalt erobert [343] und die Kolonisten niedergemacht haben; bei Plut. 37, 6 folgt auf den Bericht über die große Schlacht das Eintreffen der Nachricht, daß die Stadt Σατρία von den Etruskern genommen und alle römischen Kolonisten getötet worden seien, worauf Camillus das Heer dorthin führt und die Stadt zurückgewinnt; der Vergleich mit den beiden älteren Kriegsberichten zeigt, daß die Festungen Satricum an der Volskischen und Sutrium an der etruskischen Grenze des damaligen römischen Gebietes in diesen Jahren heftig umstritten wurden, daß die Einzelheiten der Kämpfe mindestens je zweimal ganz ähnlich erzählt wurden, und daß bei dieser Übereinstimmung der Schicksale die Ähnlichkeit der Namen sogar zur Verwechslung führen konnte, so daß Plutarchs Σατρία zwischen Satricum und Sutrium steht. Über die Entwicklung der Tradition im einzelnen kann man verschiedener Ansicht sein; im ganzen aber wird man geneigt sein, den Kriegsbericht von 373 = 381 vollständig zu verwerfen (vgl. die eingehenden Darlegungen von Kesper a. O. 42ff.). Es bleibt gleichsam als Anhang dazu der Zug des Camillus gegen Tusculum. Er habe diesen infolge der Teilnahme von Tusculanern am Volskerkriege unternommen, doch vor und in der Stadt alles in tiefstem Frieden angetroffen, so daß Rom den Bewohnern nichts Feindseliges zufügte, sondern ebenfalls Frieden und bald darauf das Bürgerrecht gewährte. Die Einzelheiten dieser Erzählung (bei Liv. VI 25, 1–27, 1. Val. Max. VII 3. ext. 9. Dionys. XIV 6, 2f. 6. Plut. 38, 2–4. Dio frg. 26, 1–3) sind ausgeschmückt unter Benützung anderer Teile der Camillussage; besonders erscheint sie als eine Art Gegenstück zu der von dem Schulmeister von Falerii (s. o. beim J. 360 = 394; charakteristisch die Erwähnung der Schuljugend Liv. VI 25, 9. Plut. 38, 3). Ihr geschichtlicher Kern läßt sich nur ermitteln, wenn sie nicht im Zusammenhang mit der sonstigen Tradition über Camillus, sondern in dem mit der sonstigen Tradition über das Verhältnis Tusculums zu Rom betrachtet wird (vgl. Mommsen St.-R. III 177, 1. Nissen Ital. Landesk. II 598). Zu ihrer Entstehung hat gewiß mit beigetragen, daß die Furier selbst aus Tusculum stammten oder doch von alters her dort Verwandte hatten, was nicht durch literarische, sondern durch inschriftliche Quellen bekannt ist; auf diesen Punkt hat zuerst Haakh in der alten Realenc. III 552 Anm. mit Recht hingewiesen (vgl. jetzt Pais Storia di Roma I 2, 120-122).
Auf das sechste und letze Consulartribunat des Camillus folgt eine lange Unterbrechung seiner politischen Laufbahn. Doch die populäre Tradition läßt ihn zwar schon in jenem als einen müden Greis erscheinen, aber trotzdem fast anderthalb Jahrzehnte später noch zweimal als Dictator an die Spitze des von äußeren und inneren Gefahren bedrängten Staates treten. Die vierte (Fasti Cap. Plut. 39, 2) Dictator im J. 386 = 368 übernahm er nach Liv. VI 38, 4ff. und Plut. 39, 1ff., um den Volkstribunen C. Licinius Stolo und L. Sextius entgegenzutreten; er ordnete eine allgemeine Aushebung an, um die Abstimmung über ihre Gesetzanträge zu verhindern, stieß aber auf solchen Widerstand, daß er abdankte; an seine Stelle trat P. Manlius Capitolinus, der zum erstenmal [344] einen Plebeier als Reiterführer wählte. Über die Gründe seines Abgangs sagt Livius VI 38, 9: Magistratu se abdicavit, seu quia vitio creatus erat, ut scripsere quidam, seu quia tribuni plebis tulere ad plebem, idque plebs scivit, ut, si M. Furius pro dictatore quid egisset, quingentum milium ei multa esset; er entscheidet sich dann (10–13) für die erste Version und bringt vier Argumente gegen die zweite, die Plut. 39, 4 allein aufgenommen hat. Ihre völlige Haltlosigkeit ergibt sich in der Tat schon aus der staatsrechtlichen Unmöglichkeit eines solchen Verfahrens (vgl. Mommsen St.-R. I 265, 2. II 165, 3 und schärfer Strafr. 881f., 1. 1018, 2), und ihre späte Entstehung aus dem Vorhandensein einer abweichenden Darstellung in den Fasti Cap., wonach Camillus und sein Magister equitum rei gerundae caussa bestellt waren, dann [post edictu]m in milites ex s. c. abdicarunt, worauf in eorum locum facti sunt der Dictator Manlius und [pr]imus e plebe mag. eq., und zwar seditionis sedandae et r(ei) g(erundae) c(ausa) (vgl. dazu Mommsen St.-R. II 156, 4). Jedenfalls liegt hier eine ältere Tradition vor, aus der sich die Livianische entwickeln konnte (vgl. Niebuhr R. G. III 31f.); der Gegensatz zwischen Camillus und M. Manlius Capitolinus, dem Verwandten dieses Dictators P. Manlius, mochte zu der Ausgestaltung beigetragen haben.
Im folgenden J. 387 = 367 soll Camillus die Dictatur zum fünftenmal übernommen haben (Fasti Cap. Liv. VI 42, 4. Plut. 40, 2, vgl. 1, 1. Zonar. VII 24) und als Greis von etwa achtzig Jahren (Plut. 40, 3. Appian. Gall. 1, 1) einen gefährlichen auswärtigen Feind überwunden und den Frieden im Innern hergestellt haben. Der auswärtige Feind waren die Kelten, über deren Einfall Livius VI 42, 4–8 ziemlich kurz berichtet: Fama repens belli Gallici allata ... bellatum cum Gallis eo anno circa Anienem flumen auctor est Claudius (frg. 10 a Peter) inclitamque in ponte pugnam, qua T. Manlius Gallum .... caesum torque spoliavit, tum pugnatam. pluribus auctoribus magis adducor, ut credam decem haud minus post annos ea acta, hoc autem anno in Albano agro cum Gallis dictatore M. Furio signa conlata. nec dubia nec difficilis Romanis ... victoria fuit. multa milia barbororum in acie, multa captis castris caesa; palati alii Apuliam maxime petentes (vgl. VII 1, 3) ab hoste sese tutati sunt. dictatori consensu patrum plebisque triumphus decretus. Den Sieg des T. Manlius Torquatus im Zweikampf erzählt Dio (bei Zonar. VII 24) wirklich unter diesem Jahr; eine sich anschließende Schlacht habe die Kelten veranlaßt, den Zug gegen Rom aufzugeben und sich ins Albanergebiet zu wenden; hier seien sie von Camillus in ihrem Lager überfallen und vernichtet worden (in derselben Weise, wie nach Plut. 23, 6ff. im J. 364 = 390 von Camillus mit den Ardeaten). Sehr ausführlich stellte Dionys. XIV 8–10 und ihm folgend Plut. 40, 1–41, 8 den Feldzug dar; nach ihnen führte Camillus bei dieser Gelegenheit manche Neuerungen und Verbesserungen im Kriegswesen ein, die allerdings während der jahrhundertelangen Keltenkriege vornehmlich durch die Rücksicht auf Eigenart und Kampfweise dieser Gegner hervorgerufen, aber [345] nicht mit einem Schlage im Beginn getroffen wurden (Iuvenal. 16, 15, vgl. Marquardt Röm. Staatsverw.² II 332ff.). Die auffallende Kürze, mit der Livius auch den für Rom so ruhmvollen und von der Mehrzahl der Annalisten gegebenen Bericht wiederholt, läßt vermuten, daß er auch zu ihm kein volles Vertrauen fassen kann. In der Tat beginnt nach Polyb. II 18, 6ff. die Reihe der Kelteneinfälle erst dreißig Jahre nach der Zerstörung Roms, und demnach ist dieser Krieg und der durch ihn erworbene vierte Triumph des Camillus (Liv. Plut. 1, 1. Appian.) als ungeschichtlich zu verwerfen (vgl. Mommsen Röm. Forsch. II 362f. Pais Storia di Roma I 2, 106ff.; nicht überzeugend der Widerspruch Burgers Sechzig Jahre aus der älteren Gesch. Roms 206f.). Plutarch, der als Schlachtfeld die Gegend am Anio angibt (41, 1, vgl. o. Claud. Quadrig. und wohl auch Dio) und als Zeit ἔτεσιν ὕστερον τρισκαίδεκα τῆς Ῥώμης ἁλώσεως (41, 7, vgl. Mommsen a. O. Anm. 111; wohl ιγ’ statt κγ’), berichtet 42, 1, daß Camillus gelegentlich dieses Feldzuges auch noch die Unterwerfung von Velitrae entgegennahm, während Livius VI 42, 4 nur von dessen Belagerung spricht; die Nachricht ist ohne Wert (vgl. Burger a. O. 178f.), vielleicht eine Wiederholung der dem Elogium beim J. 368 = 386 zu Grunde liegenden. Nach Zonaras legte Camillus nach seiner Rückkehr die Dictatur nieder; nach Livius und Plutarch behielt er sie bei bis zur Versöhnung der beiden Stände durch die Annahme der Licinisch-Sextischen Rogationen. Wieder ist der Bericht des Livius VI 42, 9–14 bei der Bedeutung der Sache (vgl. die bezeichnende Auffassung von Nitzsch R. G. I 87) auffallend knapp: Per ingentia certamina dictator senatusque victus, ut rogationes tribuniciae acciperentur ... prope secessionem plebis res ... venit, cum tandem per dictatorem condicionibus sedatae discordiae sunt; in dem schönen Nachruf auf Camillus VII 1, 9f. erwähnt er diese friedliche Ruhmestat des Helden gar nicht; Plut. 42, 2ff. berichtet über den Streit und seine Beilegung weit ausführlicher und läßt u. a. den Dictator persönlich mit Verhaftung bedroht werden (a. O. 3, offenbar Gegenstück zu Liv. VI 38, 8); Ovid. fast. I 641ff. überbietet ihn noch, wenn er sagt: a patribus sumptis secesserat armis vulgus. Auch hier ist die Kürze des Livius mit seiner eigenen Bedenklichkeit gegenüber seinen Quellen zu erklären; erst die Annalistik Sullanischer Zeit hat unter dem Eindruck der Sullanischen Neuordnung des Staates dem Dictator Camillus diese Rolle zugewiesen und vielleicht je nach dem Parteistandpunkt des einzelnen Annalisten seine Plebeierfeindschaft oder seine Versöhnlichkeit mehr hervortreten lassen. Nach Ovid und Plutarch hat er zum Gedächtnis der Versöhnung der Stände den Corcordiatempel am Forum gestiftet (o. Bd. IV S. 831f.): Livius gebraucht zwar den Ausdruck: in concordiam redactis ordinibus, weiß aber nichts von dieser Stiftung; freilich erwähnt er auch nichts von den nach VII 15, 2 im J. 396 = 358 gefeierten Votivspielen, quos M. Furius dictator voverat, also doch wohl in der angeblichen (vierten oder) fünften Dictatur; aber immerhin zeigt sich, daß auch die Tempelgründung nur sehr schlecht beglaubigt [346] ist (vgl. Hirschfeld a. O. 137. Pais Storia di Roma I 2, 138ff.).
Im zweitfolgenden J. 389 = 365 wurde Rom von einer Pestepidemie heimgesucht, und ihr soll Camillus zum Opfer gefallen sein (Liv. VII 1, 8. Eutrop. II 4. Plut. 43, 1f. Zonar. VII 24 E). Nachrichten über Epidemien pflegen zu den ältesten Bestandteilen der Annalen zu gehören (vgl. o. Bd. I S. 2249, 33); daß aber damit der Tod eines Mannes, der schon in hohen Jahren gestanden haben muß, verbunden wird, ist schwerlich alte Überlieferung, sondern nach Hirschfelds richtiger Ansicht eher ein Beweis dafür, daß über sein Ende nichts Sicheres bekannt war. Als Söhne des Camillus erscheinen in den Fasten L. Nr. 41, dessen Sieg über die Kelten auf die Erzählungen von denen des Vaters nicht ohne Einfluß war, und Sp. Nr. 48, dessen Stellung an der Spitze der Praetorenliste ebenfalls auf die von der Versöhnung der Stände durch jenen zurückwirkte; daß keiner mit dem väterlichen Vornamen M. bekannt war, führte zu der Behauptung, ein Sohn sei zur Zeit des Prozesses gestorben (s. o. beim J. 363).
Alle Nachrichten über Camillus aus den J. 386 = 368 bis 389 = 365 sind also aus verschiedenen Gründen verdächtig; seine in den Fasten verzeichneten ordentlichen Jahresämter fallen in die Zeit von 351 = 403 bis 373 = 381; nach diesem letzteren Zeitpunkt wird er nicht vorübergehend, sondern für immer von Schauplatz verschwunden sein. Vorher hat er sechsmal das Consulartribunat geführt; es ist wertvoll, daß seine sämtlichen Consulartribunate auf zuverlässiger Überlieferung beruhen, während doch sonst gerade die Fasten dieser Beamten zahlreiche Fälschungen aufweisen (vgl. Mommsen Röm. Forsch. II 227ff.). Sechsmalige Bekleidung des Amtes ist die höchste überhaupt vorkommende Zahl von Iterationen; sie kommt, wenn man die gefälschten Tribunate des L. Aemilius Mamercinus, des Ser. Cornelius Maluginensis und des L. Valerius Potitus (vgl. Mommsen a. O. o. Bd. I S. 569f. IV S. 1404) in Abzug bringt, nur noch vor bei Q. Servilius Fidenas und dem Gentilen des Camillus L. Medullinus Nr. 65, wie ja auch sechsmalige Bekleidung des Consulats bis auf Marius nur einmal, bei M. Valerius Corvus, verzeichnet war. Aus der bloßen Zahl der Tribunate ergibt sich bereits die Bedeutung der Persönlichkeit und des Geschlechts des Camillus. Ihre Gesamtheit zerfällt, wie schon bemerkt (o. zum J. 363), in zwei Hälften; die drei ersten folgen einander mit kurzen Zwischenräumen in den J. d. St. 353–360 und die drei letzten 368–373; in der Zwischenzeit tritt nicht das ganze Geschlecht zurück, da Nr. 65 im J. 363 = 391 wieder Consulartribun war, sondern nur Camillus persönlich, und wenn der Grund dieser auffallenden Tatsche allgemein in seiner Verurteilung und Verbannung gesehen wurde, so darf man unbedenklich daran festhalten. Keinen Verdacht erregt die den Tribunaten vorausgegangene Censur von 351 = 403; gefälscht sind die Interregna und viel umstritten die Dictaturen. Kein Consulartribun konnte einen Triumph feiern, sagt Zonar. VII 19 und bestätigen die Triumphalakten (vgl. Mommsen St.-R. I 128. II 190); folglich hängt die Frage nach den Dictaturen des Camillus mit der nach seinen Triumphen aufs [347] engste zusammen, und seinen fünf angeblichen Dictaturen entsprechen auch genau vier Triumphe, da er ja die vorletzte nur übernommen, aber niedergelegt und nicht verwaltet haben soll. Am sichersten überliefert sind die erste Dictatur und der erste Triumph, verknüpft mit dem Falle von Veii, am zweifelhaftesten die zweite und die letzte, beide mit den Keltensiegen verknüpft. Es ist nun wohl möglich, daß wie für die erste, so auch für die dritte ein Zeugnis aus der Zeit des Camillus überliefert war, an das die Tradition sich anlehnte, nämlich eine Inschrift. Aus der Veienterbeute stammte ein Weihgeschenk im Apollonheiligtum zu Delphi (s. o. beim J. 358); daß seine Inschrift den Namen des Dictators nannte, ist nicht bezeugt (vgl. Appian. Ital. 8), aber sehr wahrscheinlich. Sicher war sein Name genannt in einem Weihgeschenk, das er aus der etruskischen Beute dem Capitolinischen Iuppiter dargebracht hat (Liv. VI 4, 3); da man aber behauptet, daß der Veientertriumph und der spätere Triumph über die Etrusker miteinander vermengt sein könnten, bleibe dieses inschriftliche Zeugnis beiseite. Sicher muß aber in Rom noch ein weiteres existiert haben. Auf den Rostra stand eine Bronzestatue des Camillus (nicht seines Enkels Nr. 42, s. d.). Sie wird erwähnt wegen der altertümlichen Tracht des Dargestellten (Ascon. Scaur. 25 K.-S. Plin. n. h. XXXIV 23); folglich war sie von hohem Alter. Sie wird mit voller Sicherheit als die des Camillus bezeichnet (Ascon. Plin. und Plin. paneg. 55, 7); folglich muß sie eine Aufschrift mit seinem Namen getragen haben. Ihre Errichtung war an sich und durch die Wahl des Standortes in früher Zeit eine ganz außerordentliche Ehre; folglich muß die Inschrift sie begründet haben. Ein Bronzestandbild auf dem Forum hätte nicht, wie die mit ihm zusammen erwähnten gleichartigen auf dem Capitol, den Galliereinfall überdauert; folglich muß es dem Camillus nach diesem und wegen anderer Verdienste, als wegen der Eroberung Veiis gewidmet worden sein. Cicero stellt als ältester Zeuge Camillus zusammen mit Curius und Fabricius und auch mit anderen, weil sie allen hanc rem publicam stabiliverunt (Sest. 143), haec ex minimis tanta fecerunt (Cael. 39) und über auswärtige Feinde triumphiert haben (Pis. 58, vgl. auch Cic. de virtut. ed. Knoellinger p. 30, 34 und über ähnliche Zusammenstellung bei Späteren Otto Sprichwörter der Römer 68); de jüngere Plinius a. O. gibt an, Camillus habe die Statue erhalten, weil er hostem victorem moenibus depulit, und umschreibt damit wohl ungenau den Inhalt der Statuenaufschrift. Alles führt darauf, daß man in dieser ein echtes und wertvolles Zeugnis für eine Dictatur und einen Triumph besaß, die von denen des Veienterkrieges verschieden waren. Zu den am besten beglaubigten Teilen der Tradition gehört es aber, daß Rom nach der tiefen Demütigung durch die Kelten von allen Seiten durch seine feindlichen Nachbarn bedrängt worden sei, daß in dieser Not der aus dem Exil heimgekehrte Camillus als Dictator an die Spitze getreten sei und diese Gegner, die Volsker und Aequer im Süden und die Etrusker im Norden, zurückgeschlagen habe. Für diese Taten wird ihm ein Triumnph und das Standbild bewilligt worden sein, wenn auch Diodors Hauptbericht XIV 117, 6 [348] lautet, daß der Triumph von den Volkstribunen verhindert wurde, und wenn auch über die Statue in der historischen Tradition nichts überliefert ist. Zwei Dictaturen und zwei Triumphe sind demnach ebenso wie die Unterbrechung der Laufbahn durch das Exil als Tatsachen aus dem Leben des Camillus in Anspruch zu nehmen. Seine Siege sind aber nur über die mit Rom in beständigem Kampfe liegenden Nachbarvölker errungen worden; mit den Kelten ist er im Kriege nicht zusammengetroffen, und die Überlieferung darüber ist, so bestimmt sie auch auftritt (z. B. noch bei Liv. VII 15, 8. XXXI 48, 12), durchweg unhaltbar. Zu ihrer Entstehung haben die gallischen Siege späterer Furier (Nr. 80 und 86 vgl. 79) gewiß nur wenig beigetragen, zumal da der eine davon selbst erst der annalistischen Erfindung seinen Ruhm verdankte (Nr. 86). Immerhin genügte das wirklich von Camillus Geleistete, um ihn als den ersten Mann seiner Zeit erscheinen zu lassen (vgl. z. B. Liv. VI 40, 17. VII 1, 9f. IX 17, 11. Dionys. XIV 3), und es ist verständlich, daß sich an den festen Kern von Nachrichten schon früh Erweiterungen und Erfindungen verschiedenster Art hängten. Auf eine bestimmte Formel lassen sich freilich die zahlreichen Erzählungen von Camillus nicht zurückführen, denn die verschiedenartigsten Elemente, deren jedes für sich eine eigene Entwicklung durchgemacht hat, sind in mannigfaltiger Weise miteinander verbunden, verknüpft und verschmolzen worden. Religiöse und sakrale Bestandteile fehlen darunter nicht, nehmen aber schwerlich den großen Raum ein, den ihnen Pais (Storia di Roma I 2, 176ff.) anweisen will. Der poetische Charakter vieler Stücke hat dazu geführt, außer namenlosen Dichtern (s. o. zum J. 358) besonders dem Ennius einem bedeutenden Anteil daran zuzuschreiben: Zarncke (Commentationes Ribbeckianae [Leipzig 1888] 277f.) hat auf ihn die Ähnlichkeit des Camillus mit dem Homerischen Achill, Hirschfeld (a. O. 137f.) die mit Scipio Africanus zurückführen wollen, wozu übrigens zu bemerken ist, daß die ersten Bücher der Ennianischen Annalen doch wohl vor den Scipionenprozessen verfaßt worden sind. Aber die Bildung der volkstümlichen Tradition hat gewiß schon lange vor den Anfängen der römischen Kunstliteratur begonnen und sich bis in die byzantinische Zeit fortgesetzt (vgl. über deren Erdichtungen Mommsen Röm. Forsch. II 349–352), und dem Bilde des Camillus haben außer jenen Helden auch der jüngere Africanus (vgl. besonders sein Bild bei Cic. rep. VI 12), Sulla, Caesar und noch Augustus manche Züge leihen müssen. Phantasie und Tendez, mythologische Spekulation und staatsrechtliche Konstruktion, Sage und Dichtung, gelehrte Forschung und literarische Kunst haben so die Geschichte des Camillus aus- und umgestaltet, daß sie nach Mommsens letztem Urteil (Strafr. 1018, 2) ‚die verlogenste aller römischen Legenden‘ geworden ist.
[Münzer.]
Nachträge und Berichtigungen
S. 315ff. zum Art. Furius:
44) Zu den S. 337 besprochenen Zeugnissen vgl. noch Ruf. Fest. brev. 6, 1, besonders: Camillus ... aurum et signa, quae Galli ceperant, reportavit.
[Münzer.]
Furius
44) M. F. Camillus, Retter Roms nach dem Galliereinfall. (L) S III.
[Hans Gärtner.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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