.
Exactor. Mit dem Worte e. bezeichnet man in der römischen Kaiserzeit hauptsächlich zwei Arten von Funktionären: erstens die, die irgend ein Geschäft beaufsichtigen, zweitens die, die irgend etwas für einen anderen eintreiben (griech. πράσσειν, πρᾶξις).
1. Der ersteren Bedeutung begegnen wir hauptsächlich bei privaten und öffentlichen Bauunternehmungen, besonders bei den opera publica. Als Beaufsichtiger der opera publica erscheint e. schon bei Cicero (de domo 51), öfters in der kaiserlichen Administration der opera publica. Aus der Flavischen Zeit haben wir einen T. Flavius Aug. l. Eutactus exactor operum (CIL VI 8481), aus dem J. 193 n. Chr. den bekannten M. Aurelius Epaphroditus (CIL VI 8480), dessen Tätigkeit uns aus der Dokumentensammlung des Adrastus Procurator der Marc Aurelssäule (CIL VI 1585 a Z. 14-25) bekannt ist. Danach scheint ihm die Beaufsichtigung der bei der Konstruktion entstandenen Gebäude zugestanden zu haben (vgl. [1541] Petersen Marcussäule 1f. Hirschfeld Verw.-Gesch. 157), also wohl, breiter genommen, die Beaufsichtigung über das Konstruktionsmaterial, die Beaufsichtigung der Konstruktion selbst und ähnliches, keineswegs aber die Verfügung über die Gelder und noch weniger die technische Oberleitung. Als Beamter wird er wohl auf einer Stufe mit dem Säulenprocurator gestanden haben, weit unter dem procurator operum Aquilius Felix. Sehr wahrscheinlich ist es, daß auch der Miletus Aug. libertus exactor thermarum Traianarum (CIL VI 8677) dieselben Befugnisse gehabt hat, vielleicht bei dem schon fertigen Gebäude. Derselben Reihe von Gebäudeverwaltern fertiger Gebäude reihen sich auch der e. praediorum Lucilianorum (CIL VI 8683), der exact(or) horto-r(um) Servil(ianorum) (CIL VI 8673), der munizipale e. oper(is) basilicae marmorari et lapidari (CIL XII 3070, wohl bei der Konstruktion) und der private e. ad insulas (CIL VI 9383) an, vgl. CIL VI 7371. 9381. 9382 und X 706 (s. Opera publica). Dunkler sind die Befugnisse des optio et exactor auri argenti aeris (CIL VI 42–44), der neben den triumviri monetales als kaiserlicher Agent steht und der gesamten technischen familia übergeordnet ist. Nach der Analogie der oberen Reihe möchte ich ihn für einen Beamten erklären, dem die Beaufsichtigung des Prägematerials – Gold, Silber, Kupfer –, das aus kaiserlichen oder unter kaiserlicher Administration stehenden Bergwerken kam, zustand. Er bekam und verteilte die Barren unter die einzelnen officia, und in dieser Eigenschaft stand er im Konnex mit der ganzen familia monetaria sowohl der kaiserlichen als der senatorischen Prägung. Da, wie gesagt, alle Bergwerke in dieser Zeit kaiserlich verwaltet wurden, so wundert es uns nicht, einen gemeinsamen Beaufsichtiger der beiden Münzen zu finden. Er war das Mittelglied, das die beiden Administrationen verband (die andern Meinungen s. bei Babelon Traité des monnaies grecques et romaines I 1, 863), vgl. Moneta.
2. Als Erheber treffen wir die e. in der vordiokletianischen Zeit weit seltener. Im afrikanischen Mascula haben wir einen Felicissimus Augg. n̄. verna exactor und seinen vikarius (CIL VIII 2228), in Nacoleia (Phrygien) ebenfalls einen kaiserlichen Sklaven e. rei publicae Nacolensium (CIL III 349 vgl. p. 68), am klarsten ist die Inschrift aus Aventicum: Donato | Caesaris Au[g(usti) servo]| Salviano exactor[i] | tributorum in Hel[v(etiis)] | Communis vicarius (Mommsen Inscr. Helv. 178). Alle Inschriften gehören ziemlich später Zeit an: die erste wohl dem ausgehenden 2. oder 3. Jhdt., die zweite der Zeit des Commodus, die Zeit der dritten ist nicht festzustellen. Es ist kein Zweifel, daß wir vor uns nicht regelmäßige Erheber der direkten Steuer haben, dafür sind die Beispiele zu selten (s. Mommsen St.-R. II³ 1018, 2). Alle drei kaiserlichen Sklaven funktionieren sicherlich nur ausnahmsweise. Diese Vermutung wird durch zwei andere Inschriften bestätigt; ein Sklave der Kaiserin Domitia funktioniert bei ihr als e. hered(itatium) legat(orum) peculior(um) (CIL VI 8434), also für außerordentliche Einnahmen, und um gleich in viel höhere Sphären überzugehen, erscheint Timesitheus, der Schwiegervater Gordians, [1542] während seiner jüdischen Procuratur als e. reliquor(um) annon(ae) sacrae expeditionis (CIL XIII 1807, vgl. v. Domaszewski Rh. Mus. LVIII 1903, 227), also als Erheber oder Eintreiber der reliqua, der als annona für den kaiserlichen Feldzug ausgeschriebenen Zahlungen. Wie sind aber die früher angeführten kaiserlichen Sklaven näher zu erklären? Sie erheben oder treiben die tributa, die direkte, öfter die Naturalsteuer ein. Ihr Geschäft ist vollständig analog dem der ägyptischen πράκτορες (s. d.) und zwar der πράκτορες der direkten Naturalsteuer, der sog. πράκτορες σιτικῶν Der Name e. bedeutet auch nichts anderes als das griechische πράκτωρ. Die πράκτορες σιτικῶν aber sind die Eintreiber der in den Thesauros an die gewöhnlichen Sammler, die Sitologen, nicht eingelieferten Steuer (s. Rostowzew Gesch. der Staatspacht 479, vgl. Wilcken Ostraka I 653ff. 658ff.; Archiv f. Pap. I 143), sie sind also dazu da, die säumigen Zahler an ihre Pflicht zu erinnern. Andere Befugnisse können auch die angeführten exactores nicht gehabt haben. Sie funktionieren neben den regelmäßigen Erhebern, den δεκάπρωτοι, und Decurionen als kaiserliche Aushülfebeamten, die die Gewalt des Kaisers repräsentierten und deshalb viel effektiver wirkten, als die gewöhnlichen heimischen Sammler. Ich bezweifle also nicht, daß unsere e. als vom Procurator bestellte außerordentliche Eintreiber der nicht freiwillig bezahlten Steuer funktionieren. So bilden sie die Brücke zu den e. der nachdiocletianischen Zeit, den Eintreibern der reliqua, die jetzt nicht mehr Ausnahme, sondern Regel sind. Anfänge derselben haben wir schon im 3. Jhdt. So funktioniert wohl noch im 3. Jhdt. in Afrika ein gewisser Fabius Celer ex(actor) Aug. n̄. bei der Grenzregulierung als Untergebener der rationales (Cagnat Ann. ép. 1898 nr. 93); ganz analog wirkt ein e. in Ägypten wohl schon im 4. Jhdt. (Amherst Pap. 142). Es scheint überhaupt, daß bei der Schaffung der Exactorie des 4. Jhdts. das kombinierte ägyptische System der Praktorie und Dekaprotie (Wilcken Ostraka I 623ff.) als Vorbild gedient hat. S. Cuq Bibliothèque des écoles XXI 32ff. Louis Lucas bei Daremberg-Saglio Dict. d. ant. II 868ff.
[Rostowzew.]
Auch nach der Diocletianischen Steuerordnung bleibt die Regel bestehen, daß der Exactor nicht, wie der Susceptor, Steuern erhebt, sondern nur Steuerschulden beitreibt (Cod. Theod. VIII 1, 9. X 17, 3. XI 7, 1. 10. 16. Cod. Iust. X 22, 3. Nov. Theod. XV 2, 1. Nov. Val. II, 1. 3, 3. XXXII 5). Dies bestätigen auch die Urkunden bei L. Mitteis Griechische Urkunden der Papyrussammlung zu Leipzig I, obgleich ihr Herausgeber (S. 208) anderer Meinung ist. Denn nach nr. 62 1 Z. 9 liefert der Susceptor (ὑποδέκτης) von den Erträgen einer Goldsteuer 27 Pfund ein, (ein E. 2 Pfund, zwei andere je 3 Unciae, also alle drei zusammen nur einen kleinen, bei der Erhebung der Steuer unbezahlt gebliebenen Rest. Die Übergabe der Gesamtsumme erfolgt im J. 384 für die 6.-9. Indiction, d. h. für die J. 378-381, also für einen längst vergangenen Zeitraum, für den nicht nur die Steuern, sondern auch die Steuerschulden schon erhoben sein können. Nach einer andern Quittung nr. 62 II Z. 25 erlegt der Susceptor [1543] am Anfang der 15. Indiction als Ertrag der 13. und 14. die Summe von 141/6 Pfund Gold, und der E. fügt später 15/12 Pfund hinzu; das Verhältnis ist also dasselbe. Endlich wird nr. 64 Z. 9 ein E. beauftragt, für die Einlieferung eines bestimmten Steuerertrages zu sorgen ἤδη τοῦ καιροῦ κατεπείγοντος καὶ τῶν ἀργυρίων ὀφλόντων συνδραμεῖν, wonach es sich auch hier, wenn nicht ganz, so doch zum Teil, um eine verspätete Zahlung, d. h. um eine Steuerschuld, zu handeln scheint. Übrigens ist die Urkunde zu sehr verstümmelt, um sichere Schlüsse zu gestatten.
Dieser Unterschied zwischen E. und Susceptor begründet noch einen zweiten. Der letztere hat immer nur mit einer bestimmten Steuer zu tun, die meist auch in seinem Titel genannt wird. Vgl. susceptor aurarius Cod. Theod. XII 1, 173, susceptor auri vel argenti Cod. Theod. XII 6, 17, ὑποδέκτης χρυσοῦ Mitteis a. O. 62 II 3. 11. 19. 26, χρυσοὑποδέκτης BGU 675, ὑποδέκτης χρυσοῦ τιρώνων Mitteis a. O. 62 I 3. 17. 26, ὑποδέκτης χρυσοῦ βουρδώνων καὶ πριμιπίλου Mitteis a. Ο. 87, 1, susceptor vini Cod. Theod. XII 6, 26. XIV 4 Überschrift, οἰνοπαραλήμπτης BGU 549, susceptor vestium Cod. Theod. XII 6, 4. 31, ἐπιμελητὴς ἐσθῆτος Mitteis a. O. 45, 11. 46, 10. 59, 6, ἐπιμελητὴς ἐσθῆτος στρατιωτικῆς Mitteis a. O. 60, 5, ἀποδέκται λίνου τοῦ ἱεροῦ ἀναβολικοῦ Arch. f. Papyr. IV 159, susceptor specierum annonariarum Cod. Theod. XII 6, 9, susceptor canonis Cod. Theod. XII 6, 24, σιταποδέκτης Mitteis a. O. 98 III 11. Dagegen erscheint der E. immer in ganz allgemeiner Bedeutung ohne Angabe einer besonderen Steuer. Nur unter Constantin d. Gr. findet sich ein exactor auri et argenti; aber da dies in einer Inschrift vorkommt (Dessau 1216 = CIL X 3732), bietet es vielleicht nur den volleren offiziellen Titel des Amtes; denn wahrscheinlich hatten alle E. Gold und Silber beizutreiben. Die Naturalsteuern verwandelten sich nämlich, wenn sie nicht rechtzeitig bezahlt wurden, in Geldschulden, weil man sie dann adärierte. Dies konnte ich Bd. I S. 340 erst seit der Zeit des Valens nachweisen (Ammian. XXXI 14, 2. Cod. Theod. XI 1, 19. 28, 17), doch hat sich jetzt in der Leipziger Papyrussammlung 84 VI 1. 8 ein viel früheres Beispiel gefunden. Hier werden am 27. Mai und 24. Juni 303 Zahlungen geleistet ὑπὲρ γενήματος ε' ἰνδικτιόνος, d. h. für das J. 301/2; es handelt sich also um Steuerschulden. Und während sonst die Leistungen aus der Ernte (γένημα) regelmäßig in Naturalien bestehen, wird in diesem Falle Geld erlegt. Aus dieser Adäration erklärt es sich, warum bei den Susceptores die Steuer genannt wird, bei den E. nicht. Jene empfangen eben zum Teil Geld, häufiger aber Naturalien (species Cod. Theod. VII 4, 1. VIII 5, 47. XII 1, 49 § 2. 6. 7. 9. 10. 15. 18. 21. 23. 24. XIII 5, 8), also Leistungen sehr verschiedener Art, diese immer nur Geld (Mitteis a. O. 62 I 9–11. II 30. 64, 12. 98. Cod. Theod. X 24, 1. XIV 4, 3. Nov. Maior. VII 14). Daher werden die Susceptores angeklagt, falsches Maß und Gewicht anzuwenden (Cod. Theod. XI 8, 3. XII 6, 19. 21); bei den E. dagegen ist nur von Gewichten die Rede (Nov. Maior. VII 15), wie sie sum Feststellen der Vollwertigkeit des gezahlten Goldes und Silbers verwendet wurden [1544] (Cod. Theod. XII 6, 82. 7, 1); Hohlmaße kommen bei ihnen nicht vor. Wenn auch die Susceptores ausnahmsweise ermächtigt werden, die Zahlung von Steuerschulden anzunehmen, so beschränkt sich dies auf die allerneuesten, bei denen die Adäration noch nicht eingetreten ist (Cod. Theod. XII 6, 10).
In der früheren Kaiserzeit waren die E. außerordentliche Beamte gewesen; doch die harte Steuerordnung Diocletians, durch welche die Rückstände sich immer mehr häuften, scheint dazu geführt zu haben, daß sie ständig wurden. Unter Constantin gliedern sie sich in zwei Rangstufen. Die Oberleitung über mehrere Provinzen zugleich besitzt ein Senator consularischen Ranges, der den Comestitel führt. Doch ist es fraglich, ob dieses hohe Amt nicht ein außerordentliches war, da es nur in einer einzigen Inschrift erwähnt wird (Dessau 1216 = CIL X 3732). Dagegen sind die niedrigeren E. ständig, von denen jeder nur ein einzelnes Stadtgebiet unter sich hat (Greek papyri of the British museum II p. 290. 293; vgl. Exactor civitatis vom J. 322: Arch. f. Papyrusforsch. III 341, ἐξάκτωρ Ἑρμοπολίτου aus demselben Jahre: a. O. 348, ἐξάκτορι ἀπὸ Ἀντινοουπόλεως vom J. 340: BGU 21 II 17; ἀπὸ ἐξακτόρων τῆς αὐτῆς πόλεως vom J. 346: Corp. pap. Raineri I 247, 3). Als ihre Unterbeamten werden πράκτορες (Arch. f. Papyrusforsch. III 340. Mitteis a. O. 64, 50ff.) und ein ἀρχιυπηρέτης erwähnt (BGU 21 III 1, 9), wonach eine größere Zahl von Apparitoren ihnen zur Hand gewesen sein muß. Unter Constantin sind sie, wohl nach der Bedeutung der ihnen untergebenen Städte, bald ducenarii, bald centenarii, bald sexagenarii (Cod. Theod. VIII 10, 1. XI 7, 1), also ritterliche Beamte. Doch galt ihre Tätigkeit als ein Munus, dessen Übernahme erzwungen werden konnte und von dem befreit zu sein ein Privileg der Hofämter war (Cod. Theod. VI 35, 3). Trotzdem wurde von den Decurionen diese Stellung erstrebt, weil sie ihren Rang erhöhte und ihnen zugleich Gelegenheit, sich zu bereichern, bot. Dies ergibt sich aus der Urkunde Greek papyri in the British museum II p. 273. Denn durch sie wird im J. 345 ein früherer Offizier, der an das Hoflager reist, von dem primus curiae der Stadt Arsinoë aufgefordert, ihm von den Kaisern eine ἐπιστολὴ ἐξακτορίας zu erwirken, und zugleich die Verpflichtung übernommen, daß der Petent für die Kosten einstehen werde, welche sich aus seinem Auftrage ergeben, wahrscheinlich durch Bestechung der Hofbeamten. Hieraus lernen wir auch, daß die Ernennung der E. durch den Kaiser selbst vollzogen werden mußte. Ein Mann, der E. und zugleich Stratege des hermopolitischen Nomos ist, also dem Decurionenstande angehört, kommt im J. 322 vor, Arch. f. Papyrusforsch, ΙΙΙ 348.
Daß ein Amt von dieser Art zu Bedrückungen der Untertanen mißbraucht wurde, liegt in der Natur der Sache (Cod. Theod. XI 1, 3. 7, 1. 20. 8, 2. XII 1, 117. 6, 22. 10, 1. Nov. Val. XXXII 5. Nov. Maior. VII 14. 15). Dies wird der Grund gewesen sein, warum Constantius die Exactio den Ducenarii, wahrscheinlich auch den Centenarii und Sexagenarii, entzog (Cod. Theod. XI 7, 9), was mit der Aufhebung des Amtes als solchen [1545] wohl gleichbedeutend war. Denn im J. 355 finden wir nur die Statthalter, die Praefecti annonae und die Rationales mit dem Beitreiben der Steuerrückstände beschäftigt (Cod. Theod. XI 7, 8. I 16, 5), wonach es Spezialbeamte für diesen Zweck kaum mehr gegeben haben dürfte. Iulian scheint den früheren Zustand wiederhergestellt zu haben; denn Valentinian und Valens müssen gleich nach ihrer Thronbesteigung im J. 364 auf die Verfügung des Constantius insofern zurückgreifen, als auch sie die Ducenarii von dem Amte eines E. ausschließen (Cod. Theod. XI 7, 9). Dieses selbst aber bleibt bestehen; wieder erscheint in Ägypten je ein E. für jeden Nomos, wenn auch wahrscheinlich von niedrigerem Range; vgl. ἐξάκτωρ Ὀάσεως vom J. 368, Mitteis a. O. 64, 9. 50, ἐξάκτωρ Ὕψηλίτου vom J. 372, a. O. 51. Doch im Occident war spätestens unter Iovian im J. 363 ihre Zahl vermehrt und zugleich bestimmt worden, daß sie teils aus den Officia der Statthalter, teils aus den Decurionen bestellt werden sollten (Cod. Theod. XIV 4, 3. VIII 15, 5), was dann bald auch auf Ägypten ausgedehnt wurde. Jedenfalls finden wir hier schon im J. 384 mehrere E. innerhalb desselben Stadtbezirks tätig (Mitteis a. O. 62 I 9–11). Jeder von ihnen hat eine bestimmte Abteilung, μέρ(ος) oder μερ(ισμός)), unter sich (Mitteis a. O. 98 I 3. II 1. III 1); doch scheinen diese nicht sowohl nach Stadtquartieren oder Landbezirken, als nach Stand und Rang der Steuerschuldner abgegrenzt gewesen zu sein. Denn im J. 383 wird verfügt, daß bei den potentiores unter den Grundbesitzern Officialen die Beitreibung zu übernehmen haben, bei Decurionen ihre Standesgenossen, bei kleinen Leuten der Defensor civitatis (Cod. Theod. XI 7, 12). Dies war darin begründet, daß die Mächtigen sich den Steuererhebern oft widersetzten (Seeck Geschichte des Untergangs der antiken Welt II 275. 294. 547) und man erwarten konnte, - daß sie vor den Unterbeamten des Statthalters eher Furcht haben würden, als vor den Decurionen. Diese selbst aber wurden leicht zu Bedrückern des niederen Volkes, und der Defensor war eigens zu dem Zwecke eingesetzt, es gegen sie zu beschützen (Bd. IV S. 2366). Daß er im Nebenamte auch Steuerschulden beitrieb, ist nicht von Dauer gewesen; denn das Gesetz, welches ihm diese Befugnis übertrug, hat Iustinian nicht mehr in sein Rechtsbuch aufgenommen. Aber daß die Stadtgebiete zugleich die Hauptbezirke für die Eintreibung der Steuerrückstände sind (Cod. Theod. XI 22, 3) und daß sich ihre Decurionen mit den Officialen des Statthalters in die Exactionen teilen, bleibt bestehen (Cod. Iust. X 19, 10. 7 = Cod. Theod. XI 7, 16. Nov. Iust. CXXVIII 8. CXLVII 1. Nov. Marc. II 1–3; officiales Cod. Theod. VI 3, 4. XI 7, 17. 21. XIII 1, 12. Nov. Val. XIII 2; curiales Cod. Theod. I 32, 5. VI 3, 4. XI 7, 21. XII 1, 117. 6, 22. Nov. Val. XIII 2. XV 4). Zeitweilig sucht man den Decurionen diese Last zwar ganz oder teilweise abzunehmen (Cod. Theod. XI 7, 21. Nov. Val. XIII 2), doch hatte dies keinen Bestand. Die E. wurden anfangs, so lange nur je einer über jede Stadt gesetzt war, von den Kaisern ernannt (s. o.), später, soweit sie Decurionen waren, von ihrer Curie gewählt (Cod. Theod. XII 6, 20). [1546] Dies hatte für die Regierung den Vorteil, daß für die Fehlbeträge, die sie nicht aus ihrem eigenen Vermögen decken konnten, in erster Linie diejenigen, welche sie zur Wahl vorgeschlagen hatten, in zweiter die ganze Curie haftbar war (Cod. Theod. a. O.; vgl. XII 6, 1. 8. 9. XI 25, 1). Dies blieb im orientalischen Reichsteil mindestens bis auf Iustinian in Kraft (Cod. Iust. X 72, 8). Doch für Africa, vielleicht auch für andere Provinzen des Occidents, wurde 412 bestimmt, daß der Statthalter die E. ernennen solle, und zwar öffentlich in der Provinzialhauptstadt, damit aus der Mitte einer möglichst großen Zahl von Anwesenden gegen ihre Persönlichkeit Bedenken geltend gemacht werden könnten, falls solche vorhanden wären (Cod. Theod. XI 7, 20). Die Bestellung gilt für ein Jahr, falls nicht die besonderen Gepflogenheiten der betreffenden Stadt oder die geringe Zahl ihrer Decurionen eine Ausdehnung der Funktion auf zwei Jahre nötig erscheinen lassen (Cod. Theod. XII 6, 22).
Der E. empfängt von dem tabularius civitatis (Cod. Theod. XI 7, 1; vgl. 28, 3) oder von den tabularii provinciae (Cod. Theod. I 10, 8. XI 7, 14. 16. Cod. Iust. XII 49, 2; vgl. Cod. Theod. XII 6, 27) die Liste der Steuerschuldner, welche breves debitorum (Cod. Theod. XI 7, 1) oder nominatorii breves heißt (Cod. Theod. I 10, 8). Nach ihr hat er die Forderungen des Reiches einzuziehen, worüber genaue Buchführung vorgeschrieben ist (Cod. Theod. XII 6, 18), und ist dabei befugt, Realexekution zu vollstrecken (Cod. Theod. XI 7, 4. 7. 16. Cod. Iust. VI 2, 8) und die Versteigerung des eingezogenen Besitzes zu leiten (Cod. Theod. X 17, 3), was nicht selten zu einer direptio der Pflichtigen mißbraucht wurde (Cod. Theod. X 1, 16. XI 7, 20). Oft wandte man auch Gefängnis, Folter und Peitschen mit Bleigeißeln an, obgleich dies wiederholt verboten wurde (Cod. Theod. XI 7, 3. 7. Nov. Val. XXXII 5). Denn die E. mußten, was an der Summe des Beizutreibenden fehlte, selbst ersetzen (Cod. Theod. VIII 1, 9. XII 1, 186. Cod. Iust. X 2, 2; vgl. Liban. or. XLVII 8. 9 p. 505. Theodor. epist. 42 = Migne G. 83, 1217), bis Maiorian dies im J. 458 für den Occident aufhob (Nov. Maior. VII 14). Die Exactio galt daher für ein munus patrimonii und konnte als solches bis zum J. 370 auch vermögenden Witwen und Mündeln aufgelegt werden (Cod. Theod. XIII 10, 6), welche dann natürlich die Eintreibungsgeschäfte durch irgend welche Bediensteten verwalten ließen. Der E. konnte sich nach einem Gesetz des Theodosius vom J. 385 nicht einmal durch cessio bonorum von seinen Verpflichtungen lösen, sondern der Statthalter hatte sich an seinen Leib au halten (Cod. Theod. X 16, 4), wobei ihm zwar nicht der Gebrauch der Folter, wohl aber der Bleigeißel gestattet war (Cod. Theod. XII 1, 117). Um die öffentlichen Gelder nicht in Gefahr zu bringen, war es jedem streng verboten, bei einem E. eine Anleihe zu machen (Cod. Theod. X 24, 1). Sie selbst durften innerhalb ihres Amtsbezirkes keinen Kauf abschließen, damit sie ihre Macht nicht zum Schaden des Verkäufers mißbrauchten (Cod. Theod. VIII 15, 5). So lange ihre Funktion dauerte, genossen sie Freiheit von allen andern Lasten, auch von der Tutel (Cod. [1547] Iust. V 62, 10). Vermochte man auch durch die E. die Steuerreste nicht vollständig beizutreiben, so wurden conpulsores und opinatores, später canonicarii in die Provinzen gesandt, über die Bd. III S. 1488 gehandelt ist. P. Louis-Lucas bei Daremberg-Saglio Dict. des ant. II 868. P. Collinet et P. Jouguet Archiv f. Papyrusforsch. III 347.
[Seeck.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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