Ephoros (Ἔφορος). 1) Der Geschichtschreiber (FHG I 234–277. IV 641. 642), stammte aus dem aiolischen Kyme (vgl. z. Β. Strab. XIII 623f.). Seine Zeit läßt sich nur darnach bestimmen, daß sein Geschichtswerk, welches er unvollendet hinterließ, mitten in den Ereignissen des J. 356/5 aufhörte (vgl. Bd. V S. 681f.); frg. 75 ist nach diesem Jahr geschrieben, frg. 67 setzt das, was Diod. XV 78f. erzählt wird, voraus. Andererseits hat Kallisthenes E.s Werk gekannt; es lag also 334 vor (Herm. XXXV 106). Suidas (Ἔφορος. Θεόπομπος) Ansatz auf Ol. 93 (408–404), im Jahr der Anarchie – man erwartet darnach Ol. 94 –, ist wertlos und, wie der Artikel Θεόπομπος zeigt, so zu stande gekommen, daß Theopomp als Thukydides Fortsetzer ans Ende des Peloponnesischen Kriegs gestellt wurde und E. als Theopomps Zeitgenosse die gleiche ἀκμή erhielt. Über E.s Leben ist nichts bekannt, Cic. Brut. 204. Schon in hellenistischer Zeit ist er zum ‚Schüler‘ des Isokrates gemacht; das älteste mir bekannte Zeugnis bei Cicero de orat. II 94 (mit II 57; or. 172 zusammenzuhalten) steht in einem Abschnitt, der auf die Theorien der rhodischen Rhetoren um 100 v. Chr. zurückgeht; Strab. XIII 623. Diod. IV 1, 3 führen auf die gleiche Zeit; die Meinung wird aber älter sein. Die Möglichkeit, daß E. Isokrates gehört hat, läßt sich nicht so bestimmt bestreiten, wie sich die Unmöglichkeit erweisen läßt, daß Theopomp jemals in einem persönlichen Schülerverhältnis zu Isokrates gestanden hat; aber von ‚Überlieferung‘ soll man nicht reden: was so aussieht, ist kaum etwas anderes als die Umsetzung eines im großen und ganzen richtigen Stilurteils in eine biographische Tatsache (vgl. Phot. 176 p. 121 a 23). Ἰσοκράτειος oder Ἰσοκρατικός ist in hellenistischer Zeit ein Beiwort, das klassifiziert (Kleochares von Myrlea bei Phot. 176 p. 121 b 10ff. Homonymenliste bei Diog. IV 23; richtig und scharf redet Dionys. de Isaeo 19 περὶ τῶν συμβιωσάντων Ἰσοκράτει καὶ τὸν χαρακτῆρα τῆς ἑρμηνείας ἐκείνου ἐκμιμησαμένων, falsch ep. ad Pomp. 6, 1), und es darf nicht übersehen werden, daß die sog. Tradition so gut wie immer E. und Theopomp beide aus Isokrates Schule hervorgehen läßt und stets in Verbindung mit Stilurteilen auftritt, die sich zu Anekdoten kristallisiert haben. Die bekannteste (Cic. de or. III 36; ep. ad Att. VI 1, 12; Brut. 204; danach Quint. II 8, 11. X 1, 74; ferner Suid. s. Ἔφορος) ist aus der Philosophengeschichte (vgl. Diog. IV 6. V 39) auf die beiden Geschichtschreiber übertragen. Nach Polyb. XII 28, 11 hatte E., als sich an einer Stelle seines Geschichtswerks die Gelegenheit gab, sich [2] über die Verschiedenheit der für den Geschichtschreiber und den praktischen Redner geltenden Stilgesetze ausgesprochen; Timaios unternahm es, diese σύγκρισις zu überbieten (Polyb. XII 28, 8. 9). Daraus entwickelte sich die Anekdote, daß Isokrates seinem Schüler die praktische Tätigkeit abgeraten und ihn auf die Geschichtschreibung hingewiesen habe (Sen. de tranq. an. 6, 3; vgl. Ps.-Plut. vit. X orat. 839 a; zur Phrase umgesetzt von Cic. or. 172), und in weiterer Steigerung, daß er jedem das seiner Individualität angemessene Objekt der historiographischen Schriftstellerei vorgeschlagen hätte (Phot. bibl. 176 p. 121 a 27. Cic. de or. II 57; absurd entstellt bei Menander διαίρ. τῶν ἐπιδ. 5, IX 262 Walz): dies läßt sich durch Theopomps eigene Äußerungen als grundlose Erfindung erweisen (Polyb. VIII 11, 1. 13, 3, vgl. Herm. XXXV 110). Wie keck diese Schülerverhältnisse konstruiert wurden, ersieht man aus dem Βίος Ἰσοκράτους bei Phot. bibl. 260 p. 486 b 36 (Parallelstelle bei Ps.-Plut. vit. X orat. 837 c): da fordert Isokrates Xenophon, E. und Theopomp, alle drei auf, Geschichte zu schreiben. Verkehrt ist auch die Gegenüberstellung von E. und Kallisthenes, für welche Plutarch. de stoic. rep. 20 sich auf ‚einige‘ beruft: Kallisthenes habe sich Alexanders Gefolge angeschlossen, E. es abgelehnt. Man wollte erklären, weshalb E. seine Geschichte nicht bis auf Alexander fortgeführt hätte; es sieht so aus, als hätten diese Leute vergessen, daß das 30. Buch, das allerdings kurz vor dem letzten Zusammenstoß Philipps mit Athen Halt machte, nicht von E. selbst geschrieben war, jedenfalls dürfen aus diesem Geschichtchen keine Schlüsse irgendwelcher Art gezogen werden.
E. hat nicht nur Geschichte geschrieben; drei Werke lassen sich außer den Ἱστορίαι nachweisen:
Ἐπιχώριος sc. λόγος. Ps.-Plut. vit. Hom. 2 (frg. 164; hinzuzufügen ist die Vita Hom., die Piccolomini Herm. XXV 453 veröffentlicht hat) Ἔφορος ὁ Κυμαῖος ἐν συντάγματι τῶι ἐπιγραφομένωι Ἐπιχωρίωι. Solche panegyrischen Zusammenstellungen der vaterstädtischen Traditionen und dessen, was zur Tradition gemacht wurde, sind eine feste literarische Gattung, die vom 5. Jhdt. an bis zu den πάτρια (zum Sprachgebrauch vgl. Chrysost. t. II p. 176 a) des ausgehenden Altertums allen Wandel der Zeiten überdauert hat. Sie hat sich, unabhängig von den attischen Epitaphien und vom Politischen unberührt, herangebildet im Zusammenhang mit den großen Heiligtümern; Beispiele sind Gorgias Enkomion auf Elis (Arist. rhet. III 1416 a 1), Menaichmos Pythikos [3] (Chairis im Schol. Pind. Pyth. IV 313), an den sich eine aristotelische Polemik ansetzte (Diog. V 21 nr. 131–134. Hesych. ind. Arist. 123); auch die Κρητικοὶ λόγοι mit ihren Theogonien gehören hierher (Dionys. de Din. 1. Bull. hell. IV 352ff. Le Bas III 82), da Kreta trotz seiner stets unheiligen Bewohner gern die Rolle des heiligen Landes spielt. Durch die Δηλιακοί ist eine oberflächiche Berührung dieser Gattung mit der attischen Beredsamkeit zustande gekommen (außer Hypereides vgl. Dionys. de Din. 11). Das aiolische Kyme, das Schöppenstedt der Kleinasiaten (Strab. XIII 623), hatte zwar keine ‚Theologie‘ aufzuweisen, war aber infolge der Erwähnung bei Hesiod. op. 636 in den Ἀγὼν Ὁμήρου καὶ Ἡσιόδου geraten und erscheint schon in den Versen, die den ältesten und festesten Bestandteil dieser Dichternovelle bilden; die Rolle, welche die Kymaeer dort spielen, ist freilich nicht rühmlich und Schildbürgern angemessen. E., der nicht einmal in der großen Geschichtschreibung seinen Lokalpatriotismus zurückhielt (Bd. V S. 679), konnte ihm in dieser Gattung die Zügel schießen lassen und machte Homer zum Kymaeer; so waren die beiden epischen Nationaldichter der Heimat, die nie etwas bedeutet hatte, vindiziert. Die Erfindung hat sich in die gelehrten Variantensammlungen zum Βίος Ὁμήρου eingenistet und auf diese Weise eine Spur des Ephorischen Buches bewahrt. Ein zweites Fragment, aber ohne Titel, steht bei Steph. Byz. s. Βοιωτία (frg. 5, beweisend ist ἡμεῖς; anders v. Wilamowitz Philol. Unters. I 115).
Περὶ λέξεως, von Theon progymn. 2 p. 170 W. zitiert. Cicero (or. 190ff. 218; von Quintil. IX 4, 87 ausgeschrieben) hat, wahrscheinlich durch Vermittlung von Theophrast Περὶ λέξεως, ein Fragment über die in der Prosa zulässigen Rhythmen erhalten, das als Probe der voraristotelischen Theorie von Interesse ist. Man darf das Buch wohl mit den Lehren des Theodektes von Phaselis zusammenhalten, die Aristoteles (rhet. III 9 p. 1410 b 3) zu sammeln für der Mühe wert hielt; Isokrates hat solche theoretischen Diskussionen nicht angeregt.
Εὑρημάτων ὧν ἕκαστος εὗρε βιβλία β (so Suidas, meist wird Περὶ εὑρημάτων zitiert. Ἔφορος ἐν δευτέρωι Περὶ εὑρημάτων Athen. VIII 352 c; das Zitat Ἔφορος ἐν δευτέρωι Schol. Dionys. Thr. 183, 1 Hilb. ist hierher zu stellen), nächst dem Geschichtswerk das berühmteste (vgl. Strab. XIII 623). Das Buch gehört in die sophistische Polyhistorie; vergleichen läßt sich Kritias bei Athen. I 28 b. Straton schrieb dagegen auf Grund der Sammlungen des Aristoteles und Theophrast (Εὑρημάτων ἐλέγχους δύο Diog. V 60; qui contra Ephori εὑρήματα scripsit Plin. ind. VII); vgl. Wendling De Peplo Aristotelico 61ff. Anders als diese gelehrte Polemik des Peripatetikers ist die des Alexinos (Diog. II 110) gegen E. aufzufassen; der trat für die αὐτάρκεια ein, die unter der Verfeinerung der Kultur und den technischen Erfindungen leidet (Athen. X 418 e).
Das Geschichtswerk wird in den Zitaten meist ohne Titel angeführt; doch kommt Ἱστοριῶν vereinzelt vor (Schol. Plat. Lach. 187 b; Euthyd. 292 e. Macrob. V 18, 6 aus Didymos. 20, 7. Harp. s. ἀρχαίως. Theon 2 p. 161. Athen. IV 154 d. [4] Lyd. de mens. p. 146 W.). Es begann mit der Rückkehr der Herakliden (Diod. IV 1, 3). E. ist der erste Geschichtschreiber, von dem es feststeht, daß er sein Werk selbst in Bücher eingeteilt hat; jedes Buch war mit einem besonderen Prooemium versehen und sollte inhaltlich eine gewisse Einheit bilden (Diod. V 1, 4). 29 Bücher hat er selbst verfaßt, das 30. fügte Demophilos (s. d. Nr. 9) hinzu. Über die Ökonomie läßt sich aus den Zeugnissen folgendes ermitteln; die Anordnung in den FHG, die auf das völlig veraltete Buch von M. Marx (Karlsruhe 1815) zurückgeht, ist oft willkürlich und falsch:
α. Frg. 1. 2 gehören in die Vorrede. Frg. 8 Heraklessage. Frg. 10 (hinzuzufügen Strab. IX 427, in ὡς τινὲς ἱστοροῦσιν steckt ein Zitat des E.) Aigimios. Frg. 11. 13. 17. 16 (die Buchzahl bei Theon 2 p. 161) dorische Wanderung. Frg. 22 Ktisis von Kyme, damit hängen frg. 34 (die Zahl nicht ändern) und 23 zusammen, vgl. Strab. XIII 621 und frg. 87.
β. Frg. 30, mit dem sich frg. 27 kombinieren läßt, da beidemal das dodonaeische Orakel eine Rolle spielt. 26 (zu lesen πολλοῖς ἔτεσιν ὕστερον· οἳ κτλ.; falsch O. Müller). 25 Vorgeschichte von Boiotien.
γ. Frg. 35 (Steph. Byz. Λάμψος lies Κυδρήλου) ionische Wanderung, dazu gehört frg. 33. Frg. 32a (unvollständig abgedruckt) Dorier in Kreta. Frg. 36 Pamphylien. Frg. 37 Einwanderung in Attika.
Nachdem die Verteilung der hellenischen Stämme in ihre Wohnsitze erzählt war, faßte E. die geographische ἱστορίη[WS 1], die ihm zu Gebote stand, in zwei Büchern zusammen (Strab. VIII 332), im Gegensatz zu Herodots Kompositionsweise, die ἱστορίη[WS 1] und Erzählung mischt. E.s Geographie zu rekonstruieren, ist eine dankbare Aufgabe; einen viel versprechenden Anfang hat Dopp (Die geographischen Studien des Ε. Ι Progr. Rostock 1900) gemacht, dessen Fortsetzung hoffentlich nicht zu lange auf sich warten läßt. Von primärer Wichtigkeit ist hier Ps.-Skymnos Gedicht, in dem E. in umfangreichem Maß benutzt ist; ich will auch noch ausdrücklich darauf hingewiesen haben, daß bei Marx und infolgedessen auch in dem Nachdruck in den FHG Strabon mit beispielloser Flüchtigkeit und völlig ungenügend exzerpiert ist.
δ. Frg. 38 das Weltbild. Die Vorstellung, daß die bewohnte Erde ein Rechteck sei, dessen nördliche und südliche Seiten länger sind als die östliche und westliche, ist die altionische; aber an Stelle der ionischen ἤπειροι sind die vier großen Barbarenvölker getreten, die an den Rändern wohnen; daß die Aithiopen statt der Libyer genannt werden, mag damit zusammenhängen, daß Libye als Kontinent von E. aufgegeben ist. Die Einzeltopographie behandelte zunächst die Nordhälfte; man nannte daher dies Buch Εὐρώπη (Strab. VII 302.[WS 2] X 477; ἐν τῶι περὶ τῆς Εὐρώπης λόγωι Ι 34), schwerlich im Sinne des E.; denn es umfaßte auch die Beschreibung des Pontos (Schol. Apoll. II 360, schlecht in frg. 84 abgedruckt). Im wesentlichen behielt E. die alte, von den Ioniern ererbte Form des Periplus bei (Strab. VIII 334); nur im eigentlichen Griechenland rückte die Anordnung nach ἔθνη in den Vordergrund (Scymn. 470ff.). Das Buch schloß [5] mit den Skythen. Buchzitate frg. 70. 72–75 (aus Harpokration und auf Thrake sich beziehend, frg. 73 zeigt den periegetischen Stil sehr deutlich). frg. 84 (= Schol. Apoll. II 360). Ps.-Skymn. (außer der von Dopp behandelten Partie): 426 = frg. 150. 449f. = frg. 54. 462f. = frg. 28. 470ff. Zitat. 473ff. = frg. 29 (unvollständig in den FHG; Strab. X 464 fin. 465 und IX 423 sind hinzuzunehmen). 483f. = frg. 70. 488ff. = frg. 67. 527ff. = frg. 16. 546 Zitat. 568 = frg. 69. 642 = frg. 75. 656 = frg. 74. 666ff. = frg. 72. 676 = frg. 74. 696 = frg. 73. 709 = frg. 86. 711f. = frg. 72. 775 = frg. 77. 842 Zitat.
ε. Die Periegese sprang auf Asien über; daß sie aus dem Pontos hinaus und an der Westküste Kleinasiens von Nord nach Süd lief, zeigen frg. 82. 90. Außerdem gehören zur asiatischen Periegese: frg. 83 mit frg. 9 (die richtige Buchzahl ist Schol. Apoll. I 1289 überliefert), frg. 86. 93. 91. 94, zur libyschen frg. 96. Aus Ps.-Skymnos führe ich an 880 Zitat. 909f. = frg. 81. 914ff. = frg. 82. 931ff. (überarbeitet) = frg. 80. 972 = frg. 83.
ς. Frg. 98 gehört in die ältere Geschichte der Argolis (vgl. Strab. VIII 373); frg. 97 ist nicht sicher zu bestimmen. Ganz dunkel ist Steph. Byt. s. Φορίεια.
ζ. Frg. 99 gehört in die Ktisis Tarents (Strab. VI 279) und die Geschichte des ersten Messenischen Kriegs; frg. 53 ist hierher zu rücken.
η. Frg. 100 Kroisos Katastrophe.
θ. Frg. 103 ist wohl auf Dareios Skythenzug zu beziehen, vgl. Herod. IV 110ff. Über frg. 104. 105 läßt sich nur Unsicheres vermuten.
ι. Frg. 107 gehört zwischen Marathon und den Zug des Xerxes.
ια. Schol. Aristid. p. 515, 22 (FHG IV 642) Kimon. Frg. 108. 109 (die Buchzahlen bei Theon 2 p. 161 und Lyd. de mens. p. 146 W. stützen sich gegenseitig) über die Nilschwelle. Müller (d. h. Marx) gibt das Material unvollständig; man muß Diels Doxogr. 226 und ‚Seneca und Lucan‘ (Abh. Akad. Berl. 1885) hinzunehmen. Ganz ungenügend ist auch die ausführliche Polemik des Aristides (36, 64ff.) exzerpiert, der E. nachgeschlagen hat; aus 36, 85 schließt Keil mit Recht, daß E. die Hypothese des Euthymenes von Massalia zuerst in den Katalog der Erklärungen der Nilschwelle hineingebracht hat. An welcher Stelle der Exkurs eingelegt war, ist nicht mit Bestimmtheit auszumachen; am nächsten liegt es, an den Aufstand des Inaros zu denken (Diod. XI 71. 74. 75. 77).
ιβ. Frg. 110 (von Stephanos oder seinem Epitomator entstellt) kann mit einiger Wahrscheinlichkeit auf die Vertreibung des Thrasybul aus Syrakus (466, Diod. XI 68) bezogen werden.
ιε. Frg. 122 gehört zur aiolischen Lokalgeschichte und ist unbestimmbar; Xen. hell. III 1, 15ff. paßt nicht.
ις. Frg. 124 aus den Anfängen Dionys I. (Diod. XIV 9, 9).
ιζ. Frg. 12 Tod des Alkibiades.
ιη. Frg. 130 Derkylidas (398, vgl. Xen. hell. III 1, 8); zum spartanischen Perserkrieg gehört auch frg. 131. Frg. 134 (die Zahl in den FHG falsch) Euagoras (Diod. XIV 98, 2). Nach frg. 135 kam Hieronymos, der unter Konon die persische [6] Flotte kommandierte (Diod. XIV 81, 4), im 18. und 19. Buch vor.
ιθ. Frg. 137 Korinthischer Krieg. Frg. 136 fällt unmittelbar vor den Königsfrieden (Dittenberger Syll.² 73).
κ. Frg. 138 Dioikismos von Mantineia 385.
κγ. Frg. 145 (Steph. Byz. s. Βουφία = Φουβία Paus. IX 15, 4, wo nicht geändert werden darf; falsch ist Φοιβία Steph.) zweiter peloponnesischer Zug des Epameinondas (368 oder 367); zu demselben gehört Harp. Νεμέας χαράδρα (in den FHG ausgelassen), vgl. Xen. hell. VII 2, 5.
κδ. Frg. 146 Epameinondas dritter peloponnesischer Zug.
κε. Frg. 146 a Schlacht bei Mantineia 362.
κς. Frg. 147 Kämpfe in Ägypten zur Zeit von Agesilaos Tod.
κζ. Frg. 148 Anfänge Philipps (Diodor. XVI 4, 2).
κη. Frg. 150 letzte Zeiten Dionys I., vgl. Diod. XV 13. 14. Mit Frg. 149 ist vielleicht Diod. XIV 78, 7 zusammenzustellen. Jedenfalls hat E. die sicilischen Dinge nicht synchronistisch mit den griechischen erzählt, sondern sie in den letzten beiden Büchern zu einer größeren Masse vereinigt.
κθ. Frg. 150 gehört wohl schon in die Zeit Dionys II., vgl. Diod. XVI 5, 3, wo Ἰαπυγίαν für ἀπουλιαν zu lesen ist.
So unsicher manches bleibt, das für die gesamte griechische Historiographie gültige Gesetz, daß die Zeitgeschichte den breitesten Raum einnimmt, tritt auch bei E. scharf und deutlich hervor; die Hälfte des Werks umfaßte die letzten 50, ein ganzes Drittel die letzten 30 Jahre. In der Vorrede (frg. 3) hat er es ausdrücklich für eine Torheit erklärt, die alte Zeit ausführlich zu erzählen; vgl. auch Plut. de garrul. 22.
Die Reste des Werkes lassen sich sehr vermehren aus Diodor, der die griechische Geschichte bis zum Heiligen Krieg zum weitaus größten Teil aus E. entnommen hat; in der sicilischen hat er Varianten aus E. in die Exzerpte aus Timaios eingefügt, nur die attische Expedition, die letzten Jahre Dionys I. und der Anfang Dionys II. sind ebenfalls ganz nach E. erzählt. Über die Analyse im einzelnen vgl. Bd. V S. 678ff. Zu den dort gegebenen Konkordanzen läßt sich noch hinzufügen Diod. VIII 1 = Strab. VIII 358. XI 60, 2 = Skymn. 583. XII 49, 3 = frg. 66 (E. kombinierte richtig Thuk. II 93, 4 mit III 51, 2). XIV 22, 1 schlägt auf das Zitat des Ε. XIV 11 zurück.
Wie die Ökonomie des Ganzen beweist, war die Geschichte seiner Zeit und der nächsten Vergangenheit für E. die Hauptsache; sie bestimmt, trotz dem Eindruck, den das Durchlesen der durch Zitate erhaltenen Bruchstücke auf den Ungeübten macht, die literargeschichtliche Charakteristik. Man kann die Fuge, wo die Zeitgeschichte und die kompilatorische Darstellung dessen, was abgeschlossenen Epochen angehörte, aufeinander stoßen, da ansetzen, wo Thukydides aufhört; beide Hälften des Werks sind gesondert zu betrachten, sind auch dem historischen Wert nach verschieden. Die Bewunderung, die Polybios (V 33, 2) dem universalhistorischen Prinzip des E. zollt, gilt lediglich der zweiten Hälfte; und daß sie eben dadurch, daß sie die Zeitgeschichte auf [7] eine Fläche projizierte, Epoche machte, verraten am deutlichsten die Reaktionen, die unmittelbar danach eintreten. Die energische Aktualität Theopomps, der eine historische Persönlichkeit ins Zentrum rückt und Leben und Spannung in die Stoffmassen zu bringen sucht, die Schöpfung der künstlerischen Historiographie durch Kallisthenes erläutern durch den Gegensatz, was E. aus der Geschichte seiner Zeit gemacht hatte. Mit nüchterner Gerechtigkeit verteilt er seine Aufmerksamkeit auf alle Staaten und Länder, in denen sich Dinge abspielten, die für den Durchschnittshellenen des 4. Jhdts. ein historisches Geschehen bedeuteten; weder politische Leidenschaft noch persönliche Erfahrung rückten ihm dieses ferner oder jenes näher, und kein künstlerischer Instinkt legte ihm den Zwang auf, Spannungen zu schaffen, Menschen und Dinge zu kontrastierenden Massen zusammen zu ziehen. In monotonem Fluß zogen die hellenischen Kriege, die Aufstände im Perserreich, das Fürstentum der Dionyse, die lokalen Revolutionen in der Peloponnes, die Restaurationen des Epameinondas vorüber, und es ist dieser ins Breite gezogenen Weltzeitung im Grunde einerlei, was für Tagesereignisse sie erzählt, ob den Zusammenbruch Spartas, die Auflösung der persischen Monarchie, die Wagnisse des Εpameinondas oder die Niederlage der Abderiten (Diod. XV 36) oder das Erdbeben an der Küste Achaias (Diod. XV 48ff. frg. 142). Nur der Lokalpatriotismus bringt diese objektive Unparteilichkeit ins Wanken. Bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit taucht das paese des Autors auf, und wenn es sich auch im Original nicht ganz so grotesk ausgenommen haben mag wie jetzt bei Diodor (XV 18), daß eine Katzbalgerei zwischen Kyme und Klazomenai als gleichberechtigte Episode der ‚Weltgeschichte‘ erscheint, so ist doch diese Lächerlichkeit nicht allein dem Ungeschick des fingerfertigen Buchfabrikanten aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert zuzuschreiben, sie ist ein Symptom der Froschperspektive, aus der ein Schriftsteller die Weltbühne betrachten muß, der sein Leben lang für das Glück dankbar bleibt, durch seine Geburt der Bürgerliste einer geschichtslosen Kleinstadt anzugehören. Im Zeitalter des Königsfriedens war ein solcher Großes und Kleines auf ein Niveau rückender Universalismus legitim; und die Kymäer brauchten nicht einmal, wie die von Sparta befreiten Peloponnesier, sich mit romantischem Pathos an die Aufgabe zu setzen, sich eine geschichtliche Vergangenheit zu konstruieren, da ihnen auch in der Gegenwart nichts anderes zugemutet wurde, als sich gegen den Ruf zu verteidigen, daß sie Schildbürger wären. Dem politischen Denken dieser Epoche fehlt der große Zug, und wenn nicht ein persönliches Abenteurerleben, wie bei Xenophon und Theopomp, der Auffassung Farbe gibt, folgt das Urteil der bürgerlichen Moral, die als Bodensatz zurückgeblieben war, nachdem der Peloponnesische Krieg und die rationalistische Aufklärung die lebendige Energie der Standes- und Staatsethik zersetzt hatte. In der Geschichtsdarstellung bei E. machen sich Tugend und Laster, Wohltun und Dankbarkeit, Grausamkeit und Menschlichkeit gerade so breit wie in den Pamphleten des Isokrates und der Redner (vgl. z. B. Diodor. XIV 6. XV 25. 26 mit Demosth. XV 22. Dinarch. I 25; [8] XV 5, 1. 19, 4. 28, 4. 31, 1 mit Isokr. VII 7; XV 23, 4. 29, 7 mit Isokr. VIII 79. IV 107); Epameinondas, der große Mann jener Generation, ist ein Musterbild humaner Gerechtigkeit (vgl. besonders XV 57. 79. 66), ein Hintergrund couleur de rose, auf dem sich die στρατηγικὴ σύνεσις seltsam abhebt (XV 39. 52. 71. 72). Wenn E. politische Pläne auseinandersetzt, so konstruiert er wie ein Kannegießer (z. Β. frg. 141. Diod. XV 13, 1. 23, 5) und schweift ins Weite, und daß ein kraftvoller Wille sich nicht nach der öffentlichen Meinung richtet, sondern sie macht, hat er nie begriffen. Polybios (XII 28) haben allerdings seine λόγοι ἐπιμετροῦντες (Beispiele XV 33. 39. 52. 79. XVI 9) imponiert; aber Polybios achtete E., weil er die künstlerische Geschichtschreibung haßte, und weil ihm, dem Achaeer und Megalopoliten, der kleinstädtische Standpunkt nur zu vertraut war. Ihn reizte außerdem bei E. das nicht, was ihn bei Timaios ärgerte (XII 23), weil jener für ihn schon einer fernen Vergangenheit (VI 45,1) angehörte; die Fehler des Timaios, der der gleichen hellenistischen Bildung entstammte wie er selbst, sah er schärfer.
Herodot hatte es vermocht, die ionische ἱστορίη[WS 1] von der orientalischen Kulturwelt mit dem Epos der Perserkriege zu einem organischen Ganzen zu verschmelzen, weil der weltgeschichtliche Gegensatz zwischen Hellas und dem persischen Weltreich sein inneres Leben beherrschte. Für E. lagen die Dinge anders; mit einem gewissen Recht erschien ihm die Geschichte seines Säkulums als eine uniforme, nur wenig variierte Manifestation der griechischen Durchschnittskultur. Der griechische Landsknecht und der griechische Kondottiere rauften und intriguierten überall; die griechische Tyrannis war das Muster auch für die persischen Satrapen und den Großkönig selbst; der Glaube an die republikanische πολιτεία uniformierte das Meinen und die Überzeugungen in demselben Maße wie diese Stadtrepubliken an echtem Leben verloren. Der rationalistische Universalismus des E. mit seiner satten Selbstzufriedenheit ist keine geistige Tat, ist nicht einmal der Ausdruck einer Hoffnung oder eines Postulats, wie der kynische Kosmopolitismus; er ist nichts als das natürliche Produkt einer im Absterbenden sich nivellierenden Kultur, und wäre nicht emporgediehen, wenn E. und seine Generation begriffen oder gefühlt hätten, daß die Keime der Zukunft außerhalb der überkommenen Mittelpunkte und nicht in den Stadtrepubliken heranwuchsen.
Es ist nicht schwer, Berührungen zwischen Isokrates und E. aufzufinden. Auch abgesehen davon, daß Philister sich immer ähnlich sehen, konnten die Spuren einer allgemeinen Geistesverwandtschaft nicht ausbleiben, weil Isokrates sprachliche Kunst und sein feiner Instinkt für die Richtung der öffentlichen Meinung seine Schriften zu einem außerordentlich treuen und scharfen Bild von dem historisch-politischen Meinen seiner Zeit machen, E. aber seinerseits nie daran gedacht hat, gegen den Strom zu schwimmen. Darum braucht ein persönliches Verhältnis nicht angenommen zu werden, umsoweniger, als E. keineswegs der Herold speziell isokrateischer Gedanken ist; sonst hätte er sicherlich Epameinondas [9] nicht gefeiert und am allerwenigsten seine ‚Pythagoreische Philosophie‘ (Diod. XV 39. 52) bewundert. Isokrates seinerseits wollte als Publizist und Lehrer auf Politiker wirken (vgl. seinen Schülerkatalog XV 93ff.), er wollte ‚nützen‘, d. h. im nationalen Leben eine öffentliche Rolle spielen; aber es lag seinem Ehrgeiz durchaus fern, Leute zu erziehen, die dickleibige Geschichtswerke schrieben, welche gar sehr nach der Lampe rochen; für solche ‚Reden‘ hat er nur ein kühles Lob (XV 45. XII 1), und von seinen speziellen Schülern ist Kephisodor wohl erst durch den Gegensatz zu Kallisthenes und den Aristotelikern auf den Gedanken gekommen, sich in der Historiographie zu versuchen. Isokrateer ist E. nur insofern, als ihm die durch Isokrates geschaffene Prosa des Schriftstellers das bequem daliegende Werkzeug war, mit dem er seiner Erzählung die Form gab. Es kommt nicht viel darauf an, auf welche Weise er in den Besitz dieses Werkzeugs gekommen ist, ob durch direkten Unterricht oder durch Nachahmung; sein Buch über den Stil verrät, daß er sich um die Theorie gekümmert hat, und spricht eher dagegen als dafür, daß er der eingeschworene Schüler eines Meisters war. Die epideiktische Rede war seit Gorgias die Blüte der Kunst, die mit der σοφία der Dichter nicht rivalisieren, sondern sie als ein unnützes Kinderspiel beiseite schieben wollte (Ephor. frg. 1. Isokr. IX 8ff.); es war selbstverständlich, daß E. Historiographie und Epideixis parallelisierte (Polyb. IX 28, 8ff.). Wenn Thukydides, ja schon Herodot, die etwas zu sagen hatten, in den Reden ihrer Personen der zeitgenössischen Rhetorik mehr als den schuldigen Tribut zahlen zu müssen glaubten, darf man sich bei E., der an keinem Überfluß von Gedanken litt, nicht wundern, wenn die glatter und flüssiger gewordene Technik in rhetorischen Einlagen ihre Allerweltsprodukte ablagert; das verlangte das Publikum so. Aus diesen eingelegten Reden wird das Altertum erschlossen haben (vgl. Dionys. de Isaeo 19), daß E. Isokrateer war (vgl. Bd. V S. 681; dazu sind zu stellen Diod. XI 11, 2 = Isokr. IV 92. XI 55, 6 = Isokr. IV 98). Die Gorgianisch-Isokrateische Technik des αὔξειν, unter Umständen auch des ψέγειν (Diod. XI 47) entfaltet sich in den ἐπίλογοι, die nur der rhetorischen Kunst, nicht dem historischen Urteil dienen, so daß die ἔπαινοι sich untereinander aufheben, wenn man sie nebeneinander hält. E. war auch hier von unparteiischer Gerechtigkeit, und man hat es ihm übel vermerkt, daß er auch an dem ‚Tyrannenknecht‘ Philistos die αὔξησις geübt und die unrepublikanische Tugend der Dienertreue gelobt hatte (Plut. Dio 36).
Zur historiographischen Kunst gehört nicht nur die Ausbildung eines historischen Stils. Wie E. sich theoretisch für diesen interessierte und die Grenzen zwischen ihm und dem epideiktischen abzustecken versuchte (Polyb. XII 28, 10), so muß er sich auch über die Ökonomie eines Geschichtswerks Gedanken gemacht haben; Isokrates so gut wie die forensischen und politischen Praktiker der attischen Beredsamkeit des 4. Jhdts. haben die Kunst des Disponierens zu raffinierter Virtuosität gesteigert. Aber welche Grundsätze E. verfolgt, welche Erfolge er auf diesem Gebiete [10] erzielt hat, ist bei dem Verlust des Originals nicht mehr zu ermitteln; nur die Tatsache, daß er aus den einzelnen Büchern Sondereinheiten zu machen versuchte, steht fest. Dies Prinzip spricht sich auch darin aus, daß E. die Geographie der Oikumene in zwei Büchern für sich behandelte und von der Erzählung absonderte, was ihm Polybios nachmachte; Theopomp traute seiner Kunst mehr zu und folgte der herodoteischen Art, welche die Exkurse und Episoden teilt und an verschiedenen Stellen verstreut. In einer Weltgeschichte macht es besondere Schwierigkeiten, das räumliche und zeitliche Teilprinzip sich richtig durchkreuzen zu lassen; Diodors Exzerpte gestatten um so weniger Rückschlüsse auf E., als er mit Hilfe seiner Zeittafel die Erzählung des E. in annalistische Abschnitte zerschnitten oder, richtiger gesagt, zu zerschneiden versucht hat. Denn wenn irgend etwas feststeht, so ist es das, daß E. die annalistische Form der Stadtchronik verschmäht hat, die für eine Universalgeschichte die unpassendste und am schwersten zu handhaben ist; vor den gelehrten Arbeiten des Timaios wäre übrigens nur ein ungewöhnliches wissenschaftliches Talent im stande gewesen, die unendliche Fülle der lokalen Annalen so auf eine Einheit zu reduzieren, daß sich in der Erzählung eine Jahresrechnung konsequent durchführen ließ.
Wenn E. als Geschichtschreiber tief steht und sich des zweifelhaften Ruhms erfreut, die hellenische Historiographie von der einzigen Höhe, die sie gleich in ihren beiden κτίσται erreicht hatte, in jähem Sturz hinabgebracht zu haben – denn Xenophon ist kein Geschichtschreiber gewesen und bedeutet für die Entwicklung der historiographischen Formen nichts –, so ist damit nicht gesagt, daß er als geschichtlicher Zeuge ohne weiteres zu verwerfen ist. Man darf hier nicht generalisieren und muß sich vor allem davor hüten, von der ersten Hälfte auf die zweite zu schließen. Seine Erzählung der dionischen Expedition (XVI 6, 1–5. 9–13. 16–20) ist vortrefflich; denn sie folgt, wie der Vergleich mit Plutarchs Dion lehrt, getreulich dem aktuellen Bericht eines Augenzeugen, des Timοnides von Leukas (vgl. besonders Diod. XVI 12, 4 mit Plut. Dio 30. 20, 2 mit Plut. 47). Auch gegen die Darstellung vom Zug des Kyros und dem Rückzug der Kyreer (XIV 19–31. 37) ist, was die Tatsachen anbelangt, wenig einzuwenden (XIV 20, 1. 21, 3. 4 ist die Topographie der kilikisch-syrischen Pässe falsch und nach Ephorischer Unsitte dubliert; 23, 1 ist ein ps.-militärisches Raisonnement eingelegt); Xenophon liegt durchweg zu Grunde, und die kleinen Zusätze aus Ktesias Roman sind so ausgewählt, daß sie keinen Schaden stiften (XIV 20, 3 vgl. Ktes. frg. 29, 58; 22, 2 = Plut. Art. 13; 25, 1 vgl. Ktesias ebd.; auch 26, 1 ist aus Ktesias, vgl. Xen. I 8, 26); der merkwürdige Fehler, der schon Ε., nicht erst Diodors Erzählung des Ionischen Krieges verunstaltet zu haben scheint, daß Pharnabazos mit Tissaphernes zusammengeworfen ist (vgl. Diod. XIII 46, 6), hat mit einer Ausnahme (frg. 126. Diod. XIV 22, 1) diese Partien nicht verwirrt. Nichts spricht dagegen, daß sogar in den erhaltenen Resten, geschweige denn in dem vollständigen Werk eine ganze Anzahl solcher Partien [11] existiert haben, welche auf aktuelle Berichte zurückgingen und sie im wesentlichen rein wiedergaben; es wird das besonders da der Fall gewesen sein, wo es sich um Vorgänge handelte, die sich abseits von den großen, im Vordergrund des allgemeinen Interesses stehenden Ereignissen abgespielt haben. Bei diesen freilich ist E. sicher nicht im stande gewesen, aus der Fülle des Materials die richtigen Schlüsse zu ziehen und sich von dem Tagesgerede zu emanzipieren. Er war nie in die Lage gekommen, an den Ereignissen handelnd teilzunehmen, und hatte die Dinge nie von oben gesehen; seine Ignoranz in militärischen Dingen gibt auch Polybios (XII 25f.) zu, und wenn der in solchen Dingen strenge Kritiker die Seeschlachten des E. besser beurteilt, so heißt das nur, daß die nautischen Manöver nicht so dargestellt waren, daß ihre Unmöglichkeit sofort beim Lesen einleuchtete, wie es bei den Landschlachten der Fall war; der Kymaeer mag öfter ein Kriegsschiff gesehen haben, als einen Exerzierplatz, aber ein brauchbarer Zeuge ist er auch für die Seekriege nicht. Nur über eins würde das Werk, wenn es erhalten wäre, durchweg gut unterrichten, über das Bild und die Auffassung, welche die Ereignisse und Personen in der allgemeinen Meinung zurückgelassen hatten. Es ist lehrreich, seine Darstellung der Beziehungen der attischen Demokratie zur thebanischen Revolution (Diodor. XV 25ff. 29) mit Xenophon zu vergleichen, auch nicht unwichtig, zu wissen, daß E.s Zeitgenossen es für nötig gehalten haben, Epameinondas singuläre Größe durch seine Pythagoreische Philosophie zu motiviren (Diod. XV 39. 52); das scharfe Urteil über Chares (Diod. XV 95, 3) ist als Gegenwartszeugnis neben Isokrates Pamphleten aus der Zeit unmittelbar nach dem Bundesgenossenkrieg und Demosthenes olynthischen Reden wichtig. Für die Auffassung Lysanders ist ein in die Form einer Suasorie gekleidetes Pasquill maßgebend gewesen (Plut. Lys. 25. 30. Diod. XIV 13, 8). Theramenes, für die Radikalen der Thrasybulischen Restauration der Bösewicht par excellence (vgl. Lys. XIII), erscheint durchweg im hellsten Licht (Diod. XIII 38. 42. 101. XIV 3. 4), mehr noch als bei Xenophon, es ist dieselbe Beurteilung oder Legende, der Aristoteles folgt, und merkwürdig ist, daß Sokrates in diese Legende hineingebracht wird (Diod. XIV 5). Auf direkten Zusammenhang mit der Sokratik weist die Diskreditierung des Anytos (Diodor. XIII 64), die ebenfalls bei Aristoteles (Πολ. Ἀθ. 27) wiederkehrt. Daran, daß E., ähnlich wie in der ersten Hälfte seines Werkes, sich an einen Autor vorzugsweise und auf lange Strecken angeschlossen hätte, ist nicht zu denken; nur in einzelnen Stücken kann, wie schon gesagt, die Tradition auf eine einzige Primärquelle über ihn zurückgeschoben werden. Xenophons sog. griechische Geschichte hat er nicht benützt; man braucht nur die Erzählung vom Rückzug der Kyreer mit der Anabasis und die der gesamthellenischen Geschichte mit den Hellenika zu vergleichen, um die totale Differenz zu spüren; dort der engste Anschluß, hier fortwährend Abweichungen, ein starkes Plus an Namen von Personen und Orten auf seiten des E., Übereinstimmungen nur von der Art, wie sie sich aus Erzählung der gleichen [12] Vorgänge erklärt. Einen spezifisch xenophontischen Zug habe ich in den Resten des E. nicht finden können, ich bezweifle, daß er die Hellenika auch nur accessorisch herangezogen hat.
Scharf und schroff hatte Thukydides, als er es unternahm, die Geschichte des Archidamischen Kriegs zu schreiben, die lebendige Gegenwart im Gegensatz zum Epos Herodots als sein Objekt bezeichnet. Am Ende des Jahrhunderts, als Thukydides sein Werk abschloß, hatte der unpolitische, aber von der Kritik der sophistischen Aufklärung beeinflußte Sammelfleiß des Hellanikos die Lokalüberlieferungen in einer Reihe von Werken soweit zusammengestellt und aufgearbeitet, daß eine fortlaufende Darstellung der älteren griechischen Geschichte möglich erschien, während Herodot nur die ‚Reden‘ der λόγιοι als Episoden geben konnte. Die naive Form der Stadtchronik, welche die Geschichte der unmittelbaren Vergangenheit mit der κτίσις zu einer kontinuierlichen Reihe von Daten zu verbinden strebt, ist schon von Hellanikos in mehr als einem Werk auf die gesamthellenische Geschichte übertragen; er zog durch seine Bearbeitung der musischen Agone auch die musisch-literarische Entwicklung mit in den Kreis der Notizen sammelnden Betrachtung. Die vom Strom des Geschehens abseits liegende Aiolis war für solche Tätigkeiten ein günstiger Boden, mehr noch als Ionien, wo der historische Roman und das repristinierte Epos der ionischen Erzählungsgabe ein üppiges Tätigkeitsfeld schufen; die Rhetorik, deren Entwicklung nicht nur an Athen gemessen werden darf, hat ferner diese Polyhistorie rasch in ihre Domäne einbezogen (Suid. s. Πῶλος. Δαμάστης. [Plat.] Hipp. mai. 285 d). In dieser geistigen Atmosphäre ist die Idee entsprungen, die hellenische Universalgeschichte nach rückwärts fortzusetzen und durch den neugeschaffenen, glatten, nivellierenden Prosastil des Isokrates die heterogenen Massen der älteren Überlieferung zu einem Gebilde zusammenzufassen und umzugestalten. Diese Idee dürfte E. eigentümlich sein, dem Theoretiker des Stils, dessen Katalog der Erfinder den Zusammenhang mit der sophistisch-rhetorischen Polyhistorie deutlich verrät, dessen Ἐπιχώριος ebenfalls einen Punkt bezeichnet, an dem sich der Lokalantiquar und der Redekünstler durchkreuzen. Um 354 nennt Isokrates (XV 45) die Geschichtschreiber die, welche τὰς πράξεις τὰς ἐν τοῖς πολέμοις συναγαγεῖν ἠβουλήθησαν, was auf Thukydides paßt, und sondert sie von den ‚Genealogen‘ (οἳ μὲν γὰρ τὰ γένη τὰ τῶν ἡμιθέων ἀναζητοῦντες τὸν βίον τὸν αὑτῶν κατέτριψαν, man muß an Hellanikos denken und solche Bücher wie die Genealogie der troischen Helden, die zwischen Polos und Damastes strittig war); um 340 führt er die Reden an τοὺς τὰς παλαιὰς πράξεις καὶ τοὺς πολέμους τοὺς Ἑλληνικοὺς ἐξηγουμένους (XII 1); es sieht so aus als habe ihm E.s Universalgeschichte damals vorgelegen.
E. war Rationalist, er teilt mit seinem Zeitalter den Mangel an Verständnis für die Sage, gegen den die um die Mitte des 4. Jhdts. vordringende Romantik protestiert, und der beißende Spott, den Platon (Phaedr. 229 cff.) über die ‚Weisen‘ ausschüttet, die jeden Mythus rationalisieren können, trifft eine Seite der allgemeinen Bildung, [13] die bei Ε. durchaus nicht fehlte (Theon prog. 6 p. 220. Strab. IX 422. frg. 45. 63. 79). Der Pragmatismus zusammen mit dem Universalismus, der nicht erlaubte, die Fülle der Dichtersage und der Lokaltradition in Sonderwerken zusammenzustellen, wie es Hellanikos getan hatte, zwangen E. dazu, einen Schnitt zu machen und die älteste ‚Geschichte‘ fortzuwerfen; da die Barbaren älter sein sollten als die Hellenen (frg. 6), gewann er zugleich den Vorteil, die älteste ägyptische und babylonisch-assyrische Geschichte loszuwerden. Er wählte als Ausgangspunkt die Rückkehr der Herakliden; das ist bedingt durch die Geographie, da nach der Überlieferung mit diesem Ereignis die Verteilung der hellenischen Stämme in ihre historischen Wohnsitze beginnt; die κτίσεις und συγγένειαι der Städte waren das, was den Gebildeten von der Sage noch interessierte (Polyb. IX 1, 4, wo natürlich ὁ περὶ τὰς ἀποικίας καὶ κτίσεις καὶ συγγενείας τρόπος Subjekt zu παρὰ Ἐφόρωι λέγεται ist. Strab. X 465). An Polemik gegen Hellanikos hat es bei E. nicht gefehlt (Jos. c. Apion. I 16 frg. 19); die Manier, den zu schlagen, auf dessen Schultern man steht, ist alt und stirbt nie aus. Die Art des Ephorischen Raisonnements läßt sich schön erkennen in frg. 27, wo das σημεῖον δέ beweist, daß Aristoteles diesen Sprachgebrauch übernommen hat, oder in frg. 28–30. Steph. Byz. s. Ἀμαζόνες (der Abdruck frg. 103 ist unbrauchbar); der Apparat der antiquarischen Wissenschaft wird entfaltet, Sprichwörter (frg. 17. 23. 30. 36. 100. 107. 64. Diod. IX 37, 2. X 19, 6. 25, 2), Orakel (frg. 30. 59. 98. Diod. VII 12. 16. VIII 24. 29. 30), Dichterzitate (Alkmaionis frg. 57. Tyrtaios frg. 53. Alkman frg. 64), gefälschte Inschriften (frg. 29); beachtenswert ist, daß die Metonomasien der Inseln bei E. schon stehendes Kapitel sind (Plin. IV 64. 120. V 136 [fehlt in den FHG]. Scymn. 554f. 568f.). Gelegentlich ragt die Publizistik in das Altertum hinein, vor allem bei Sparta (Strab. IX 366), wo ein unter König Pausanias Namen gehendes Pasquill (E. Schwartz Quaest. ex hist. graeca desumptae, Ind. Rost. 1893) gegen Hellanikos ausgespielt wird; auch die berühmte Schilderung der kretischen Politie (frg. 64, über das Verhältnis zu Aristoteles vgl. v. Wilamowitz Aristoteles und Athen I 305ff.) stammt aus der Tagesliteratur, die an dem Beispiel Spartas und Kretas seit Kritias und den attischen Lakonisten des 5. Jhdts. das Problem der besten Verfassung diskutierte. Die eigentliche Erdbeschreibung war ein Kompendium der ionischen ἱστορίη[WS 1], Periploi (Himilko Dopp S. 29, Euktemon ebd. S. 10) und Νόμιμα βαρβαρικά geben die Form, aber die großen Problemstellungen der altionischen Geographie und Kulturgeschichte sind verdampft, die physikalische Aetiologie ist zur leeren Form geworden (vgl. frg. 108. Diodor. XII 58).
Der kompilatorische Charakter dieser Hälfte wird auch in der auf die geographischen Bücher folgenden Geschichtserzählung beibehalten; Herodot und Thukydides müssen den Stoff für die modernisierte Darstellung hergeben. Vor Zahlen hat E. keinen Respekt, er ‚stilisiert‘ sie durchweg; kleinere Verschiebungen, Umstellungen, Verdrehungen fehlen fast nie. Zur Polemik gegen Herodot vgl. außer frg. 102 und Diod. X 24, 1. [14] XI 11, 15 (Herodot. VII 139). XI 35 (Herodot. IX 100). Von wichtigeren Abweichungen von Herodot notiere ich: Diod. IX 31, 3. 35. 36. X 16, 4. 25, 4 (vgl. Herodot. VI 42). 27. XI 12, 2. 13, 2. 19, 4 (vgl. 27, 1). 32, 5; manches, nicht alles, sieht nach Ktesias aus, vgl. XI 3, 7 mit Ktes. frg. 29, 23; XI 18, 2. 3 mit frg. 29, 26; ferner XI 69 mit frg. 29, 29. 30; XI 71, 6. 74, 1. 75, 2. 77, 1 mit frg. 29, 32. 33. Kymaeischer Lokalpatriotismus macht sich gelegentlich in geschmackloser Weise breit (vgl. die Stellenliste Bd. V S. 679); dahin gehört auch XI 36, 5 und die tendenziösen Übertreibungen zu Gunsten der asiatischen Ionier XI 17 (vgl. Herodot. VIII 90). XI 36 (vgl. Herodot. IX 103f.). Wie die Entstellungen der Panegyriken und Epitaphien auf die Darstellung der Pentekontaetie bei E. gewirkt haben, ist Herm. XXXV 114ff. ausführlich auseinander gesetzt; dahin gehören auch der panhellenische Eid XI 29 (vgl. Lykurg. 81 und die Polemik Theopomps bei Theon prog. 2 p. 162; die Entstehung zeigt Isokr. IV 156), die Renommistereien über Myronides und Tolmides (XI 81. 84), der schwerlich wertvolle Bericht über die Schlacht bei Tanagra (Diod. XI 80) und die antispartanischen Erfindungen XI 27, 2. 3. 33, 1. 55, 5. 6, die auf demselben Boden gewachsen sind wie die Tendenz von Isokrates Panegyrikos. Die populärphilosophische Novelle taucht ab und zu auf (Diod. IX 26ff. zusammenzuhalten mit frg. 76), der Themistoklesroman wird in selbständiger Fassung geboten (Diod. XI 56. 57). Beachtenswert ist die aetiologische Erklärung eines Liedes von Anakreon frg. 117; frg. 76 wird der Modedichter Choirilos zitiert, so etwas ist Isokrates ganz fremd. Wertvolle Zusätze zu Thukydides sind selten. Für die sicilische Expedition ist Philistos accessorisch herangezogen (vgl. Busolt Gr. Gesch. III 2, 712f.); thebanische Anatheme sind XII 70 verwertet; vgl. auch das frg. 121 benützte Epigramm (für Κορώνειαν ist natürlich Τορώνην zu lesen). XI 65. XII 82, 2 sind Ereignisse erzählt, die außerhalb der Sphäre des Thukydides liegen. Ortsangaben sind zugesetzt XI 79, 4. XII 45, 1. XIII 3, 4 (Philistos?). 40, 6; XII 42, 4 sind die Lokrer gegenüber Thuc. II 9, 2 spezialisiert. Aus der inneren Geschichte Athens stammen XI 77, 6. XII 45, 4. XIII 2, 4 (unabhängig von Andokides I 38); die wunderlichen Zehnmänner in Athen und Sparta XII 75, 4 sind wohl aus den Eideshelfern des Nikiasfriedens herausgeholt. Die alte Komödie wird XII 39ff. als Geschichtsquelle benützt, aber nicht direkt, denn die Verse des Aristophanes und Eupolis über Perikles sind schon miteinander verschmolzen (vgl. Cic. or. 29 mit ad Att. XII 6, 3; bei Diod. XII 40, 6 muß natürlich die Byzantinerkorrektur ἐν ἄλλοις gestrichen und Εὔπολις ὁ ποιητής an der Stelle gelassen werden, wo es in den Hss. steht), was darauf hindeutet, daß sie schon längere Zeit als Scheidemünze der politisch-historischen Diskussion im Umlauf waren. E. glaubte kritisch zu verfahren, wenn er das Geklätsche der politischen Theoretiker, die nichts Positives wußten, gegen Thukydides Rettung des Perikles ausspielte. Ab und zu ist die ‚spartiatische‘ Anekdote eingedrungen, XI 63. 64. XII 74, 3. 4. 79, 6. 7. Der tolle Beschluß der Athener XIII 2, 6, sowie die Färbung [15] der Erzählung XII 76 sind charakteristisch für die Auffassung des 4. Jhdts. In der Beschönigung des Verhaltens der Plataeer nach dem Überfall von 431 (XII 42, 1) klingt die Stimmung durch, welche durch die thebanischen Brutalitäten von 373/2 erzeugt war; Isokrates Plataikos entsprach genau der öffentlichen Meinung, und E. wollte auf der unglücklichen Stadt keinen Makel sitzen lassen. Dagegen dürfte die Abweichung XII 65, 9 von Thuc. IV 57, 4 auf schlechtes Exzerpieren oder Korruptel bei Diodor zurückzuführen sein; auch für die seltsame Konfusion XII 80, 5 (vgl. Thuk. III 51. IV 54. 69) ist E. schwerlich verantwortlich zu machen.
Einer besonderen Aufmerksamkeit bedarf ein Kunstgriff der Erzählungstechnik, der sich in der griechischen Historiographie zuerst bei E. in ausgedehntem Maße beobachten läßt, das ist die Dublette. E. hat dies Mittel, mit dem sich leere Räume füllen und die Erzählung des Vorbildes nach Belieben verlängern und variieren ließ, schwerlich erfunden, es dürfte vielmehr, wenn mich nicht alles täuscht, in letzter Linie aus dem Epos herzuleiten sein; jedenfalls ist es eins der wichtigsten Requisiten der ausgebildeten antiken Historiographie, das z. B. noch Tacitus mit virtuosem Raffinement handhabt. Daß E. sich gelegentlich wiederhole, fiel schon den Alten auf: Polyb. VI 46, 10 ὁ δὲ Ἔφορος, χωρὶς τῶν ὀνομάτων, καὶ ταῖς λέξεσι κέχρηται ταῖς αὐταῖς ὑπὲρ ἑκατέρας ποιούμενος τῆς πολιτείας ἐξήγησιν, ὥστε εἴ τις μὴ τοῖς κυρίοις ὀνόμασι προσέχοι, κατὰ μηδένα τρόπον ἂν δύνασθαι διαγνῶται περὶ ὁποτέρας ποιεῖται τὴν διήγησιν. Unter Umständen machte der Schriftsteller selbst auf solche Doppelungen aufmerksam, vgl. Diod. XIV 25 mit XI 5, 4. 5, womit die identischen Aussprüche über den Verkehr mit Tyrannen Diod. IX 28 = XV 7 zusammengestellt sein mögen; das wird aber als Ausnahme angesehen werden dürfen, denn das Mittel erfüllt seinen Zweck in der Regel nur dann, wenn es nicht verraten wird. So ist z. B. die Debatte vor der Schlacht bei Mykale XI 36, 3. 4 ein Abklatsch der berühmteren vor Salamis; XI 43 wird der Themistokleische Mauerbau, XIII 46, 4 der Sturm nach der Arginusenschlacht dubliert, in die Seeschlacht von Kynos Sema (XIII 40, 4) ist ein Zug aus der von Abydos (XIII 46, 2) übertragen; die gleichen Motive sind verwandt XI 6, 4 und XI 57, XI 10 und XI 61. Was für eine Fälschung des Sachverhalts dabei unter Umständen herauskam, ist Herm. XXXV 113ff. an einem einzelnen Beispiel gezeigt; der Ephor Hetoimaridas XI 50, 6 spielt am Anfang der Pentekontaetie dieselbe Rolle wie der König Archidamos im Anfang des Peloponnesischen Kriegs; das sonderbare Bündnis zwischen Persern und Karthagern XI 1. 2. frg. 111 ist eine neue Auflage der Zusammenhänge, die E.s politische Kannegießerei in der Geschichte des 4. Jhdts. konstruierte (frg. 141. XV 23, 5).
E.s historiographische Kunst blieb nicht lange modern. Schon Theopomp, der politische Leidenschaft und die ionische Lust am Fabulieren mit den Isokratischen Stilkünsten paarte, war ein gefährlicher Rival; die künstlerische Geschichtschreibung des Kallisthenes und Duris (vgl. das scharfe Urteil von Duris frg. 1; Kallisthenes frg. 19 [16] meint dasselbe), der Aufschwung, den die romanhafte Historie des Orients durch und nach Alexander nahm, die sachliche Schriftstellerei der Militärs und Diplomaten schoben den Universalhistoriker schnell in den Hintergrund. Wie weit Fortsetzer des Stoffs, wie Diyllos und Psaon, auch Fortsetzer der Art und des Stils gewesen sind, läßt sich nicht ausmachen. Eine Auferstehung feierte er, als durch die Römer das republikanische Hellenentum gegenüber der monarchischen Kultur des Hellenismus wieder an Boden gewann; Polybios, der Politiker des Achaeischen Bundes, der Mann der nüchternen Aufklärung, der erbitterte Feind der künstlerischen Historiographie des Hellenismus, stellte ihn zu den verehrungswürdigen Alten (VI 45, 1) trotz seiner Fehler. Strabon ist hierin, wie in so vielem, der Geistesverwandte des Polybios (X 465); er hat E. eifrig gelesen, und auch Diodor mag durch Polybios veranlaßt sein, ihn in großen Massen in seine Bibliothek aufzunehmen. Noch vor der Kaiserzeit ist er von den Paradoxographen und den Sammlern moralischer Beispiele exzerpiert; daher die Titel bei Suidas Περὶ ἀγαθῶν καὶ κακῶν βιβλία κδ, Παραδόξων τῶν ἑκασταχοῦ βιβλία ιε. Der Progymnasmatiker Theon nimmt noch viele Beispiele aus ihm; Aristides hat im Αἰγυπτιακός den Rat, den jener 2 p. 161 gibt, befolgt. Doch ist das schon vereinzelt. Denn im großen und ganzen bringt der augusteische Klassizismus einen völligen Umschwung des Urteils. Während Theopomp sich behauptet, wird E. beiseite geschoben; Dionys und der Schriftsteller Περὶ ὕψους kritisieren jenen und schweigen über E.; bei Dion (XVIII 10) ist das tralatizische Urteil über beide, aus dem die Anekdote von Sporn und Zügel hervorgewachsen ist (so noch Quintil. X 1, 74), durchaus zu Ungunsten des E. gewandt: τῶν δὲ ἄκρων Θουκυδίδης ἐμοὶ δοκεῖ καὶ τῶν δευτέρων Θεόπομπος. … Ἔφορος δὲ πολλὴν μὲν ἱστορίαν παραδίδωσι, τὸ δὲ ὕπτιον καὶ ἀνειμένον τῆς ἀπαγγελίας σοι οὐκ ἐπιτήδειον. Plutarch benützt ihn nur selten und accessorisch; ihm sind Theopomp und Kallisthenes die Autoren, aus denen er Thukydides und Xenophon ergänzt. Im Gegensatz zu Theopomp exzerpieren die Lexikographen aus E. mit verschwindenden Ausnahmen nur Namen, keine Wörter, und sein Werk ist viel früher selten geworden und verloren gegangen als das Theopomps. Hermogenes (Π. ἰδεῶν II p. 400) Urteil, das Theopomp, E., Hellanikos und Philistos auf eine Linie stellt und gegenüber den Mustern Thukydides, Herodot, Hekataios, Xenophon verwirft, entspricht für E., Hellanikos und Philistos der allgemeinen Anschauung, für Theopomp nicht.
[Schwartz.]
Anmerkungen (Wikisource)
Vorlage: ἰστορίη
Vorlage: 3·2.
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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