ART

12) Comes Britanniarum. In Britannien nennt die Notitia dignitatum drei Militärcommandanten. Im Norden, vom Hadrianswall, bei dem zu jener Zeit die römische Herrschaft endet, bis etwa in die Breite von Sheffield hinunter ist das Gebiet des dux Britanniarum (occ. XL). Hier finden wir fast genau dieselben Truppen und meist auch in denselben Standlagern, die sich in den Inschriften des 3. Jhdts. nachweisen lassen; seit den Zeiten Constantins des Grossen scheint sich gar nichts verändert zu haben. Dies kann den thatsächlichen Verhältnissen des 5. Jhdts., in dem die Notitia dignitatum zum Abschluss kam, unmöglich entsprechen. Denn im 4. Jhdt. und im Anfang des 5. ist die Insel mehrmals der Ausgangspunkt von Usurpationen gewesen, und die dort erhobenen Kaiser werden, als sie auf’s Festland übergingen, gewiss einen Teil der britannischen Truppen mit sich genommen haben. Dass diese alle, nachdem die Usurpatoren besiegt waren, genau in ihre alten Standquartiere zurückgekehrt seien, ist mehr als unwahrscheinlich. Man muss daher annehmen, dass die Veränderungen, die in jener abgelegensten aller Provinzen vorgegangen waren, im Staatskalender nicht gebührend angemerkt sind und dieser daher uns ein Bild der britannischen Zustände gewährt, das zu seiner Zeit (um 430) in Wirklichkeit längst antiquiert war.

Dasselbe wird man auch von dem Capitel über den comes litoris Saxonici per Britanniam (occ. XXVIII) voraussetzen dürfen, obgleich die ihm untergebenen Truppen etwas besser dem Charakter jener Spätzeit entsprechen. Er commandiert den Süden der Insel, wie jener Dux den Norden, und beide werden im J. 367 neben einander genannt (Ammian. XXVII 8, 1: Nectaridum comitem maritimi tractus occisum et Fullofauden ducem hostilibus insidiis circumventum; vgl. XXVIII 5, 1. XXX 7, 3). Wahrscheinlich sind die beiden Commandos schon gleich nach der Besiegung des Allectus (296) eingerichtet, um durch die Teilung der Militärgewalt auf der Insel künftigen Usurpationen vorzubeugen, was freilich nicht gelang. Eine Veränderung dürfte nur insofern [641] eingetreten sein, als dem Befehlshaber des südlichen Bezirkes, der wegen der häufigen Seeräuberzüge der Sachsen der wichtigere war, durch Constantin oder einen seiner Nachfolger der Comestitel verliehen wurde, den die Zeit Diocletians noch nicht kannte (s. oben S. 634). Im wesentlichen werden also jene beiden Capitel der Notitia dignitatum (occ. XXVIII. XL) diejenigen Zustände repräsentieren, welche vor der Usurpation des Maximus (383) herrschten. Wenn schon diese viel auf der Insel verändert haben wird, so blieb sie nach den Aufständen, die im Anfang des 5. Jhdts. ausbrachen (Zosim. VI 2), fast ohne jede Verbindung mit der Centralregierung. Diese konnte keine Beamten mehr dorthin senden, und da der Primicerius Notariorum keine Bestallungsdecrete für Britannien auszustellen hatte, liess er auch die Capitel der Notitia dignitatum, die von diesem verlorenen Lande handelten, gänzlich ohne Correctur (s. Codicilli Nr. 5).

Durch Aëtius scheint eine Wandlung eingetreten zu sein. Denn das siebente Capitel der Notitia dignitatum occ., das sicher erst unter Placidus Valentinianus, d. h. nicht vor 425, zum Abschluss gekommen ist (occ. VII 36), nennt wieder einen comes Britanniarum (occ. VII 153. 199), und derselbe ist auch occ. XXIX verzeichnet. Doch steht keine der alten Truppen, die früher auf der Insel garnisoniert waren, mehr unter seinem Commando – diese waren eben in den vorhergehenden Kämpfen alle untergegangen oder auf das Festland hinübergeführt –, sondern er befehligt nur noch einen Teil des Marschheeres, den die Magistri militum ihm geliehen haben. Wahrscheinlich war es ein Feldherr, den Aetius zur Wiedereroberung Britanniens ausgeschickt hatte, der aber diese Aufgabe kaum erfüllt haben wird. Der dux Britanniarum und der comes litoris Saxonici per Britanniam sind also Beamte, die vor 383 und vielleicht noch bis 409 existierten, aber sicher nicht später; der comes Britanniarum dagegen ist wohl erst nach 425 geschaffen und hat nur wenige Jahre bestanden.
[Seeck.]

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