ART

Chabrias. 1) Athenischer Feldherr aus dem Demos Aixone, CIA IV 2, 64. [Dem.] LIX 33. CIG 6123. Nach letztgenannter Inschrift, die sich auf einer Herme in Rom findet, hiess der Vater des Ch. Κτήσ[ιππος], welchen Namen auch des Ch. Sohn führte, CIA II 791. 87. 804 A a 72. 1263. Dem. XX hypoth. Plut. Phoc. 7. Timokles frg. 5, Kock II 452. Strateg im J. 390/89, scheint er nach CIA II 12 zunächst an der thrakischen Expedition des Thrasybulos von Steiria beteiligt gewesen zu sein, die nach dem zur Zeit des Herbstäquinoctiums 390 stattgehabten Antritte der Nauarchie des Lakedaimoniers Teleutias ihren Anfang nahm; vgl. Xen. hell. IV 8, 23ff. Beloch Att. Polit. 314. A. Börner De rebus a Graecis inde ab a. 410 usque ad a. 403 a. Chr. n. gestis quaestiones historicae, Dissert. Götting. 1894, 15f., wo über den Amtsantritt des spartanischen Nauarchen gehandelt ist. Nach Schliessung des Vertrages mit den Thrakerfürsten Seuthes und Medokos (Xen. hell. IV 8, 26 und ausser der oben erwähnten Inschrift CIA II 12 noch CIA IV 2, 12 b) wird er Winter 390/89 von der Flotte abberufen und erhält an Stelle des aus dem Peloponnes nach Athen zurückgekehrten Iphikrates [2018] (Xen. hell. IV 8, 34. Diod. XIV 92, 2) den Oberbefehl über die Söldner im Peloponnes, Dem. IV 24. Harpokr. s. ξενικὸν ἐν Κορίνθῳ. In die erste Hälfte des J. 389 und in die Zeit seiner Strategie 389/8 fallen seine Siege bei Phlius, Schol. Aristid. Panath. 172, 3 p. 274 Ddf., bei Mantineia, Schol. Aristid. Panath. 172, 4 p. 275 Ddf., seine Einfälle in Lakonien, Polyaen. III 11, 6. 15. Auf das Söldnerheer unter seiner Führung also bezieht sich die Anspielung in dem Anfang des J. 388 aufgeführten aristophanischen Plutos; vgl. daselbst 173 mit Schol. Strateg im J. 388/7, segelt er Ende 388, nachdem bereits Antalkidas die Nauarchie angetreten hatte (Xen. hell. V 1, 6. Beloch a. O. 349. Börner a. O. 12), mit 10 Trieren und 800 Leichtbewaffneten nach Kypros zur Unterstützung des Königs Euagoras. Zuvor landet er in Aigina und besiegt die Aigineten unter dem Lakedaimonier Gorgopas, welcher im Kampfe fällt, Xen. hell. V 1, 10ff. Dem. XX 76. Polyaen. III 11, 12. In Kypros kämpft er glücklich gegen die persischen Streitkräfte, Dem. XX 76. Nep. Chabr. II 2; vgl. Judeich Kleinasiat. Studien 123, welcher mit Engel Kypros I 303 die von Eratosthenes bei Hesych. s. Ῥοίκου κριθοπομπία erwähnte Getreidesendung des Königs Rhoikos von Amathus auf die Beteiligung des Ch. an der Einnahme von Amathus bezieht. Bald nach dem Königsfrieden im J. 386, der ein ferneres Verbleiben des Ch. in Kypros unmöglich machte, begiebt er sich nach Ägypten, wohin er von König Akoris als Führer der Söldner berufen wird, Diod. XV 29, 2. Dem. XX 76. Judeich a. O. 158. Dort trifft er Vorbereitungen für den Krieg mit den Persern, Diod. a. O., legt an den Mündungen des Nils Befestigungen an; an diese seine Thätigkeit erinnern die Namen Χαβρίου χάραξ, Strab. XVI 760 und Χαβρίου κώμη, Strab. XVII 803, vgl. Judeich a. O. 159 und u. S. 2021. Bald nachdem er dem Nektanebis, dem Nachfolger des Akoris, die Herrschaft befestigt hatte (Nep. Chabr. II 1. Sievers Griech. Gesch. 368, 116), wird er etwa 380 auf Veranlassung der Perser, die sich bei den Athenern über die Unterstützung der Ägypter durch Ch. beklagen, von den Athenern abberufen, Diod. XV 29, 3. Nep. Chabr. III 1. Schäfer Demosth. u. s. Zeit I² 16. 25, 3. Judeich a. O. 160. Strateg im J. 379/8, versperrt er dem spartanischen König Kleombrotos auf seinem Zuge gegen Theben den Weg über Eleutherai, Xen. hell. V 4, 14. In dasselbe Amtsjahr des Ch., d. h. in die erste Hälfte des Sommers 378, fällt der Zug des Agesilaos nach Boiotien, Xen. hell. V 4, 38. 41. 42. Schäfer I² 19, 3. Als bei Theben Agesilaos anrückt, befiehlt Ch. den Seinen, nicht vom Platze zu weichen, sondern das Knie gegen den Schild gestemmt mit gefällter Lanze den Angriff der Feinde zu erwarten; er veranlasste hierdurch den Agesilaos, vom Kampfe abzustehen. Diod. XV 32, 5. 6. Nep. Chabr. I 2. Dem. XX 76. Polyaen. II 1. 2. Schol. Aristid. Panath. 173, 11. 13 (III 281 Ddf.). Schäfer I² 19, 3. 20, 1. Für das J. 378/7 gleich nach dem im Frühjahr 378 erfolgten Einfall des Sphodrias in Attika zusammen mit Timotheos und Kallistratos zum Feldherrn erwählt (Xen. hell. V 4, 20ff. Diod. XV 29, 6. Beloch a. O. 315), unterstützt er die Thebaner im Frühjahr 377, Xen. hell. V 4, 54. Schäfer I² 38. Strateg im J. 377/6 [2019] geht er nach Euboia, verheert das Gebiet von Hestiaia, gewinnt darauf im Kykladenmeer Peparethos, Skiathos und andere Inseln dem athenischen Bunde noch vor dem Herbst des J. 377, Diod. XV 30. 5. Schäfer I² 39. Busolt Der zweite athen. Bund, Jahrb. f. Phil. Suppl. VII 745. 754. Dittenberger Syll. 63 N. 28–30. Als Strateg des J. 376/5 besiegt er im Herbst des J. 376 die lakedaimonische Flotte in der grossen Schlacht bei Naxos, Xen. hell. V 4, 61. Dem. XX 77. Diod. XV 34. 35. Polyaen. III 11, 11. Am Jahrestage dieser Schlacht, dem 16. Boedromion, pflegte Ch. den Athenern eine Weinspende zu erteilen, Plut. Phoc. 6. Polyaen. III 11, 2, vgl. Blass Herm. XVII 155. Auf die in der Schlacht bei Naxos erbeuteten Schiffe (Dem. a. O. Diod. XXXV 34, 6) beziehen sich die τριήρεις αἰχμάλωτοι τῶν μετὰ Χαβρίου in einer attischen Werfturkunde vom J. 373/2, CIA II 789 a 20. b 40. 51. 70. add. b p. 514. 79. 83. Nachdem Ch. nach seinem Siege noch eine Anzahl von Inseln zum Anschluss an den athenischen Bund bewogen (Dem. XX 77. Plut. Phoc. 7. Busolt a. O. 757), kehrt er nach dem Peiraieus zurück, wo ihm ein begeisterter Empfang zu teil wird, Diod. XV 35, 2. Als Lohn für den Sieg bei Naxos erhält er einen goldenen Ehrenkranz, ein ehernes Standbild auf dem Marktplatz und Abgabenfreiheit für sich und seine Nachkommen, Dem. XX 75. 84–86. 146. XXIII 198. XXIV 180. Aesch. III 243. Lykoleon bei Arist. Rhet. III 10 p. 1411 b 6. Nep. Chabr. I 3. Diod. XV 33. 4. Athen. IV 165 e. Schäfer I² 42, 1. Im Frühjahr 375 (Busolt Zweiter ath. Bund 760) begiebt er sich nach Thrakien, wo er die von den Triballern bedrängten Abderiten von drohender Gefahr befreit, Diod. XV 36. Aen. Tact. XV 5. Die Abderiten, ebenso wie die Thasier, die Bewohner von Chalkis am Athos, die Ainier, Samothraker, Dikaiopoliten werden durch ihn dem athenischen Bunde gewonnen, Dittenberger Syll. 63 N. 35. Auch einen zwischen den Abderiten und Maroniten bestehenden Streit scheint er in jener Zeit ausgeglichen zu haben, Schol. Aristid. Panath. 172, 7 p. 275 Ddf. 173, 17 p. 282 Ddf. Schäfer I² 43, 5. Ob die Belagerung von Drys in jene Zeit fällt (Polyaen. II 22, 3. Rehdantz Vitae Iphicratis, Chabriae, Timothei Atheniensium 64. Sievers Griech. Gesch. 223, 49), steht nicht fest, Schäfer I² 44 Anm. In den J. 375/4 und 374/3 scheint Ch. die Strategie nicht bekleidet zu haben. Aus dem August des J. 374 unter dem Archon Sokratides wird uns von einem Sieg des Ch. mit dem Viergespann an den Pythien berichtet; an dem Festmahle, welches sich diesem Siege zu Kolias in Attika anschloss, beteiligte sich die Hetaire Neaira, [Dem.] LIX 33. Nach Absetzung des Timotheos als Strateg Ende 374/3 (CIA II add. 789 b mit Köhlers Bemerkungen Athen. Mitt. VIII 175) wird Ch. zusammen mit Iphikrates zum Feldherrn erwählt für 373/2, Xen. hell. VI 2, 39. Strateg im J. 369/8, wird er Sommer 369 in den Peloponnes entsandt, woselbst er mit wechselndem Glücke gegen die Thebaner kämpft, Xen. hell. VII 1, 25. Diod. XV 68. 69. Paus. IX 15, 4. Plut. apophthegm. Epam. 19 p. 193f. Rehdantz a. O. 105. 106. Schäfer I² 88. Beloch a. O. 317. Im. J. 367/6 (?πὶ ἄρχοντος Πολυζήλου [2020] Schol. Aesch. III 85) στρατηγός, wird er auf den Tod angeklagt, da er um die Eroberung von Oropos durch die Thebaner gewusst hätte, Schol. Dem. XXI 64. Schäfer I² 108. Als Ankläger des Ch. im oropischen Process werden genannt Philostratos von Kolonos, Dem. XXI 64, und Leodamas von Acharnai, Aristot. Rhet. I 7 p. 1364 a 19 = Sauppe O. A. II 245 b, als Verteidiger kennen wir einen Lykoleon, Aristot. Rhet. III 10 p. 1411 b 6 = O. A. II 249. Über die Zeit des Processes (366 oder 365) sind wir nicht unterrichtet, Schäfer I² 110. 307. Wie aus Dem. XXI 64 ersichtlich, wurde Ch. freigesprochen; Schäfer I² 107ff. Strateg im J. 363/2, unterdrückt er einen Aufstand auf der Insel Keios, die zu den Thebanern abgefallen war, und zwingt die Insel, sich wieder den Athenern anzuschliessen; vgl. das Decret aus dem Ende des J. 363/2, CIA IV 2, 54 b mit Köhlers Bemerkungen und Dittenberger Syll. 79 N. 8. Ums J. 360 begiebt er sich auf eigene Hand vom König Tachos aufgefordert nach Ägypten, wo er gegen die Perser die Leitung der Seemacht übernimmt, Diod. XV 92, 3. Plut. Ages. 37. Nep. Chabr. II l. 3 mit Nipperdeys Bemerkung. Polyaen. III 11, 5. 7; vgl. ebd. 13. 14. Aristot. Oecon. II p. 1350 b 33. 1353 a 19. Schol. d. Stephanos zu Aristot. Rhet, bei Cramer Anecdota Paris. I 258. Rehdantz a. O. 162–165. Judeich a. O. 165. Nach der Flucht des Tachos aus Ägypten (Diod. XV 92, 5. Judeich 166) kehrt er nach Athen zurück und wird für 359/8 zum Feldherrn gewählt. Als solcher begiebt er sich mit einem Kriegsschiff in den Hellespont und muss sich daselbst zu einer für die Athener ungünstigen Übereinkunft mit dem Thrakerfürsten Kersobleptes verstehen, Dem. XXIII 171. 178. Schäfer I² 161. Judeich 167 Anm. Als Trierarch geht er im J. 357 mit dem Geschwader des Chares nach Chios. Als es hier im Hafen zu einem heissen Kampf kommt, erhält des Ch. Schiff beim Zusammenprall mit den feindlichen ein Leck; während des Ch. Mannschaft sich durch Schwimmen rettet, verlässt er seinen Posten nicht, bis er tötlich getroffen zusammensinkt, Diod. XVI 7, 3. 4. Nep. Chabr. 4. Plut. Phoc. 6. Dem. XX 81. 82. Schäfer I² 168. Fälschlich wird er bei Diod. a. O. als Strateg bezeichnet; allerdings wird sein Name erwähnt unter den Feldherren des Jahres des Archon Agathokles 357/6, CIA IV 2, 64. Da aber, wie Foucart gesehen, der Name daselbst getilgt ist, so muss angenommen werden, dass Ch. zwar für 357/6 zum Strategen erwählt, dass er aber aus irgend einem uns unbekannten Grunde seines Amtes enthoben worden, Dittenberger Syll. 86 N. 14; vgl. auch Rehdantz 207. Busolt D. zweite athen. Bund 856. Sein Grab in Athen in der Nähe der Gräber des Thrasybulos, Perikles, Phormion wird erwähnt von Paus. I 29, 3. Zu Gunsten seines Sohnes Ktesippos greift Demosthenes im J. 354 das leptineische Gesetz an, das den Ktesippos der von seinem Vater ererbten Freiheit von öffentlichen Lasten berauben wollte. In dieser Rede wird Ktesippos nicht mit Namen genannt, sondern nur als Sohn des Ch. bezeichnet; vgl. Schäfer I² 414. Während Demosthenes nur diesen einen Sohn kennt (vgl. Dem. XX 79. 82. 83), findet sich bei Plut. virtut. doceri posse 3 [2021] p. 440 b ein zweiter Sohn Kallias. Ebensowenig wir diesen Kallias als Sohn des Ch. gelten lassen werden (vgl. Rehdantz 174. 232), wird auf die Nachricht Plut. Dem. 15 und anderer (vgl. Rehdantz 231) etwas zu geben sein, dass Demosthenes die Gemahlin des Ch. nach des letzteren Tod geheiratet oder gar mit ihr in unerlaubtem Verkehr gestanden habe, und dass er ihr zu Liebe die Verteidigung des Sohnes im leptineischen Handel übernommen, Schäfer I² 414.

Seinem Feldherrntalent hat Dem. XX 75ff. ein Denkmal gesetzt; ebd. 82 wird seine Vaterlandsliebe gerühmt. Συνέσει στρατηγικῇ διάφορος καὶ δόξαν ἐπ’ ἀρετῇ μεγάλη πεποιημένος Diod. XV 29, 2. Ἔλεγε κάλλιστα στρατηγῶν τοὺς μάλιστα γινώσκοντας τὰ τῶν πολεμίων Plut. reg. et imperat. apophthegm. Chabr. 1 p. 187 d. Εἰώθει λέγειν ὅτι φοβερώτερόν ἐστιν ἐλάφων στρατόπεδον ἡγουμένου λέοντος ἢ λεόντων ἐλάφου Plut. a. O. Chabr. 3. Seine Natur wird als ἀνώμαλος καὶ ἄκρατος bezeichnet. Νωθρὸς γὰρ ὢν καὶ δυσκίνηντος ἄλλως ἐν αὐτοῖς τοῖς ἀγῶσιν ὤργα καὶ διεπυροῦτο τῷ θύμῳ καὶ συνεξέπιπτε τοῖς θρασυτάτοις παραβολώτερον Plut. Phoc. 6. Vivebat laute et indulgebat sibi liberalius, quam ut invidiam vulqi posset effugere Nep. Chabr. 3; vgl. Dem. XIX 287. LIX 33. Plut. reg. et imp. apophthegm. Chabr. 2. Ἡ οἰκία ἡ μεγάλη ἡ Χαβρίου καλουμένη in Athen wird erwähnt Hyperid. frg. 137 Bl. Er hielt sich viel und gern im Auslande, besonders in Ägypten auf, Nep. Chabr. a. O. Theop. bei Athen. XII 532 b.
[Kirchner.]

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