Bier. Schon in den ältesten ägyptischen Litteraturdenkmälern, den Inschriftentexten der Pyramiden von Sakkára etwa aus dem Ende des 4. Jahrtausends v. Chr., begegnen wir der Vorstellung, dass der Verstorbene im Jenseits zur Stillung seines Durstes des B., das nicht sauer werde, bedürfe (G. Steindorff Dtsche. Rundschau XXI 1895, 266). In einem Verzeichnis der Einnahmen und Ausgaben des königlichen Hofes zu Theben aus dem Ende des mittleren Reiches, etwa um 1800 v. Chr., welches uns auf einem Papyrus des ägyptischen Museums zu Kairo erhalten ist (L. Borchardt Ztschr. f. ägypt. Spr. u. Altertumskunde XXVIII 1890, 66f.), ersehen wir u. a., dass an den Hof täglich 130 Krüge B. geliefert wurden (S. 72) und die Königin an einem Tage fünf solcher Krüge erhielt (S. 70). Das Berauschen in B. scheint in Ägypten schon früh ein weit verbreitetes Übel gewesen zu sein (Fr. Wönig D. Pflanzen im alt. Ägypten, 1886, 170f.). Unter den Ptolemaeern wurde der B.-Verkauf (ὠνὴ ζυτηρά) mit einer Steuer belegt, welche im Finanzwesen dieser Zeit eine grosse Rolle gespielt und sich auch unter römischer Herrschaft erhalten zu haben scheint (K. Wessely Zythos und Zythera, 13. Jahresber. d. Κ. Κ. Staatsgymn. in Hernals, Wien 1887, 40f.). Von den griechischen Schriftstellern berichtet zuerst Hekataios (bei Athen. X 418 e und 447 c und bei Eust. Il. XXII 283), dass die Ägypter die Gerste zu einem Getränk vermahlten. Herodotos (II 77) sagt, dass sie sich eines aus Gerste bereiteten Weines bedienten, da [458] es in ihrem Lande keine Reben gebe, wobei die letztere Behauptung freilich nur für gewisse Striche Gültigkeit gehabt haben kann. Verächtlich spricht Aischylos (Suppl. 953) von diesem Gerstenwein. Dagegen sagt Diodoros (I 20; vgl. IV 2), dass Osiris bei seiner Wanderung durch die ganze Welt überall, wo die Rebe nicht gedeihe, die Menschen gelehrt habe, aus Gerste ein Getränk zu bereiten, welches an Wohlgeruch und Kraft fast dem Weine gleichkomme. Doch war es während der griechischen Epoche nur der ärmere Teil des Volkes, welcher sich statt an dem teuern Rebensafte an Gerstenwein ergötzte (Dio Academ. bei Athen. I 34 b), wie denn auch zu Strabons Zeit der ζῦθος (oder ζῦθος) in Alexandreia nur von dem gemeinen Volke getrunken wurde (Strab. XVII 799). Damit stimmt freilich nicht die Behauptung von H. Brugsch (D. Kosten des Haushalts in alter Zeit, 1890, 15), dass man in Ägypten zur Zeit der Ptolemaeer den Wein ebenso teuer wie das B. bezahlt habe, wovon nach dem Ausgabebuche eines makedonischen Hauptmannes das Liter 3 Pf. gekostet habe. Den Namen τὸ ζῦθος für das ägyptische B. finden wir zuerst bei Theophrastos (de c. pl. VI 11, 2), der es zu den Getränken rechnet, welche man wie die aus Gerste und Weizen bereiteten Weine aus faulenden Früchten herstelle. In Hss. findet sich auch ἡ ζύθος, und im ägyptischen Dialekt wurde regelmässig θ zu τ verschoben, so dass man ζύτος und ζύτον schrieb (Wessely a. O. 40). Diesem Dialekt muss auch das Wort, obwohl Diodoros (I 34, anders freilich IV 2) berichtet, dass die Ägypter ihr Getränk aus Gerste ζῦθος nannten, und dieses Getränk specifisch ägyptisch war (Plin. XXII 164. Iul. Afric. cest. 25), ursprünglich angehören, da es im Altägyptischen ḥekt (nach O. Schrader bei V. Hehn Kulturpfl. und Haustiere⁶ 158) oder haqi (nach Loret bei G. Buschan Ausland 1891, 929) hiess. Vielmehr verhält sich ζῦθος, lat. zythum, wohl zu ζέω ‚siede‘ wie das phryg.-thrak. βρῦτον ‚Bier, Obstwein‘, das lat. defrutum ‚eingekochter Most‘, das nhd. briuwan u. s. w. zu einer indog. Grundform bhru ‚brauen‘ (O. Schrader a. O. 158. Fr. Kluge Etym. Wörterb. d. dtschn. Spr.⁵ 52). Die Aithiopier bereiteten sich nicht nur aus Gerste, sondern auch aus Hirse ein Getränk (Strab. XVII 821), und auch jüngst fanden die zu den Nilquellen vordringenden englischen Reisenden bei den Halbnegerstämmen jener Gegend ein rohes, berauschendes B. im Gebrauch (V. Hehn a. O. 143). Aus einer Stelle des Columella (X 114f.) hat man geschlossen, dass das zythum von Pelusium sich dadurch von andern Sorten unterschieden habe, dass ihm Rettige und entbitterte Lupinen beigemischt gewesen seien; doch wird die Stelle von andern wohl richtiger dahin verstanden, dass der vorhergehende Genuss von Rettigen (vgl. Hor. sat. II 8, 8) und Lupinen (vgl. Diosc. II 182. Plin. ΧΧII 155) zum Trinken Appetit machen sollte. Ein Recept für die Bereitung des ägyptischen B. ist uns dagegen im Talmud erhalten (J. H. Bondi Ztschr. f. ägypt. Spr. u. Altertumsk. XXXIII 1895, 62f.). Nämlich Mišna Pesachim III 1 wird aufgezählt: ‚Medisches Β. (שכר) und idumaeischer Essig und ägyptisches zythum (זיתום)‘. Zu den beiden ersteren bemerkt die zugehörige Gemara (B. Pesach. 42 b), es komme Gerste hinein. Betreffs [459] des letzteren heisst es: ‚Was ist ägyptisches zythum (זיתום)? Es lehrte Rab Joseph: ein Drittel Gerste, ein Drittel Saflorsamen (welcher sehr bitter ist) und ein Drittel Salz, Rab Papa (ein B.-Händler) nahm Gerste (aus dem Recept) heraus und setzte (dafür) Weizen ein … Man weicht sie ein, röstet sie, mahlt sie und trinkt sie am Passah bis zu dem (49 Tage später fallenden) Wochenfeste. Wer hartleibig ist, dem bewirkt es Durchfall, und wer an Durchfall leidet, den macht sie hartleibig. Für die Kranken und Schwangern ist es eine Gefahr‘. Vielleicht nicht nach ägyptischem Muster bereitet war ein anderes ζῦθος von Gerste und Raute (Bar Ali bei Payne Smith Thes. syriac. I 1114). Sofern das ζῦθος neben seiner medicinischen Nutzung dem Talmud auch als Genussmittel geläufig ist (Bondi a. a. O. 63), scheint es doch kaum denkbar, dass das erstere Recept auch für diesen Fall Gültigkeit gehabt haben soll, da die angegebene Menge der Gerste im Verhältnis zu den beiden andern Bestandteilen hiefür ganz unzureichend ist. Aus dem hebraeischen šēkār = berauschendes Getränk ist, vielleicht durch das aramaeische šikrā vermittelt, σίκερα (Iul. African. cest. 25. Levit. 10, 9. Num. 6, 3. Genetiv σίκερος bei Euseb. praep. evang. VI 10) entstanden (H. Lewy D. semit. Fremdwörter im Griech., 1895, 81) und dann sicera, womit ein aus Getreide oder Früchten hergestelltes berauschendes Getränk bezeichnet wird (Hieron. ad Nepotianum IV p. 364 ed. Martian. Isid. orig. XX 3, 16), cidro, cidre, Cider. Ein in griechischer Sprache geschriebenes Recept für die Herstellung ägyptischen B.s ist angeblich als ein Fragment des jedenfalls vor Photios schreibenden Chemikers Zosimos aus Panopolis in der ägyptischen Thebäis von Ch. G. Gruner (Zosimi Panopolitani de zythorum confectione; accedit historia zythorum sive cerevisiarum, Sulzbach 1814) veröffentlicht und commentiert worden. Dasselbe ist auf Grund von Hss., deren Archetyp dem 11. Jhdt. angehört, welche aber nicht den Namen des Zosimos als Autor anführen, von Wessely (a. O. 44) geschehen. Da der Tractat wegen seiner der ägyptischen Graecität angehörenden technischen Ausdrücke schwer verständlich ist, so folgt ausser dem von Wessely gegebenen Text auch seine Übersetzung, wobei jedoch in Parenthese die Emendationen und abweichenden Erklärungen Gruners (p. 10f.) hinzugesetzt sind:
Περὶ ζύθων ποιήσεως.
Λαβὼν κριθὴν λευκὴν καθαρίαν καλὴν βρέξον ἡμέραν μίαν καὶ ἀνάσπασον ἢ καὶ κοίτασον ἐν ἀνηνέμῳ (ἀνειμένῳ) τόπῳ ἕως πρωΐ, καὶ πάλιν βρέξον ὥρας πέντε· ἐπίβαλε εἰς βραχιώνιον ἀγγεῖον ἠθμοειδὲς καὶ βρέχε· προαναξήρανε ἕως οὗ γένηται ὡς τίλη (τύλη)· καὶ ὅτε γένηται ψῦξον ἐν ἡλίῳ ἕως οὗ πέσῃ, τὸ μάλιον γὰρ πικρόν· λοιπὸν ἄλεσον καὶ ποίησον ἄρτους προςβάλλων ζύμην ὥσπερ 〈πρὸς〉 ἄρτον· καὶ ὄπτα ὡμότερον καὶ ὅταν ἐπανθῶσιν διάλυε ὕδωρ γλυκὺ καὶ ἤθμιζε διὰ ἰθμοῦ ἢ κοσκινοῦ λεπτοῦ· ἄλλοι δὲ ὀπτῶντες ἄρτους βάλλουσιν εἰς κλουβὸν μετὰ ὕδατος καὶ ἑψοῦσι μικρόν, ἵνα μὴ κοχλάσῃ μήτε ᾗ χλιαρόν· καὶ ἀνασπῶσι καὶ ἠθμίζουσιν· καὶ περισκεπάσαντες (περισκευάσαντες Lesart bei Gr.) θερμαίνουσι καὶ ἀνακρίνουσι (ἀνακλίνουσιν). ‚Nimm helle, reine, schöne Gerste, benetze sie einen Tag, quelle (disperge) sie oder [460] lass sie an einem windstillen (ventis exposito) Orte bis zum andern Tage in der Frühe lagern und benetze sie dann wiederum durch fünf Stunden; schütte sie dann in ein armtiefes (ansatum) poröses Gefäss und halte sie in benetztem Zustande, dann lass sie trocknen bis gleichsam Flocken entstehen (et irriga – postquam ante siccasti – donec fiat ut tomentum); wenn sie entstehen (quod ubi factum erit), darre sie an der Sonne, bis sie sich wirft; denn das Flockige (floccas) ist bitter; schliesslich mahle sie und bereite Brote, d. i. Malzbrote (massam instar panis), indem du Sauerteig wie zu gewöhnlichem Brot hinzugiebst; dann röste diese Brote, aber nur oberflächlich (vehementius), und wenn sie Farbe bekommen (si satis efferbuit) so kläre ein süsses Wasser ab und seihe es durch einen Seiher oder ein feines Sieb; andere wieder rösten die Malzbrote, geben sie in eine Kufe mit Wasser und lassen das Ganze etwas aufkochen damit es nicht schäume oder fade werde; lassen es aufquellen (ne ebulliat aqua neque sit fervida deinde tollunt ab igne), seihen ab, bedecken die Flüssigkeit (in alia vasa transfundunt), erhitzen sie und richten sie an (iterum calefaciunt et seponunt)‘. Man sieht, dass besonders die Erklärung der Worte ἀνάσπασον, προαναξήρανε, ἐπανθῶσιν, χλιαρόν und ἀνασκῶσι, da Wessely sie nicht näher begründet, Zweifel erregen muss. Doch ist der Quell- und Keimprocess, durch den die hernach jedenfalls zu entfernenden bittern Würzelchen (μάλιον πικρόν) hervorgerufen werden, im ganzen klar und überhaupt die Methode der Malzbereitung der unsrigen analog. Dies geht auch aus der Beschreibung hervor, welche Aëtios (III 2, 29; vgl. Hesych. s. βύνην) von der βύνη giebt, dass sie nämlich Gerste sei, welche angefeuchtet und, nachdem sie gekeimt, zusammen mit den hervorgebrochenen Züngelchen gedörrt sei. Ganz, abweichend war aber das weitere Verfahren. Doch entspricht diesem nach Wessely dasjenige, welches in dem südamerikanischen Socorro zum Teil bei der Herstellung der Chica, eines aus Mais bereiteten B., eingeschlagen wird; man backt Malzbrote, zieht dieselben mit Wasser aus und lässt gären. Wie in unserem Recept angezeigt ist, konnte das Verfahren verschieden sein. Man benutzte auch nicht nur Gerste für die Herstellung des ζῦθος (Diosc. II 109. Gal. XI 882 Orib. coll. med. XV 1, 6, 6. Aët. I 1), sondern auch Weizen (Ulp. Dig. ΧΧΧΙII 6, 9 pr.). Was seine Wirkung betrifft, so meinte Aristoteles (bei Athen. I 34b; vgl. Arist. bei Athen. X 447 a und Eust. Il. XXII 283), dass die von Rebenwein trunken Gewordenen sich nach vorne neigten, die welch Gerstenwein getrunken hätten, den Kopf nach hinten neigten, da jener Kopfschmerzen verursache, dieser in tiefen Schlaf versetze. Dioskorides (ebd.) lehrte, dass der ζῦθος Harn treibe, Nieren und Nerven angreife, auf die Gehirnhaut schädlich einwirke, Blähungen und schlechte Säfte mache und die Elephantiasis hervorrufe. Die von Weizen und Gerste bereiteten Weine galten für nicht schwächer als die Rebenweine, aber für schwerer verdaulich (Orib. a. a. O. V 31, 12). Da der ζῦθος ein Product der Fäulnis sei, mache er schlechte Säfte (Orib. XV 1, 6, 6. Gal. Aët. aa. OO.), er blähe auch (ebd.), habe etwas Scharfes und Erhitzendes, grösstenteils aber sei er von kalter, [461] wässeriger und saurer Substanz (Gal. Orib. a. a. O. und XIV 10, 10. Paul. Aeg. VII 3). Dagegen hob man seine Eigenschaft hervor, das Elfenbein (infolge seines Gehalts an Säuren) zu erweichen und formbar zu machen (Diosc. a. a. O. Plut. an vitios. ad infel. suffic. 4; vgl. Sim. Seth p. 119).
Bei den Byzantinern findet sich das arabische fokka (S. de Sacy Chrestomathie arabe II 437) in der Form φουκᾶς wieder. Dieser wird von Simeon Seth (p. 118f.) in derselben Weise charakterisiert, wie von den Früheren der ζῦθος. Da einige Neueren im Gegensatz zu den Alten ihn für sehr nützlich erklärt hätten, fühlt er sich veranlasst festzustellen, dass der φουκᾶς denen nütze, welche heissere Säfte hätten, besonders im Magen und Unterleibe, und denen, welche infolge grosser Hitze von Durst verzehrt würden, besonders wenn er nicht gewürzt sei; denn er vertreibe den Durst, errege Appetit, führe ab und treibe oft Harn; bei wässerigem Magen und kalten Säften schade er.
Das schon erwähnte βρῦτον, bekannt dem Aischylos und Sophokles (bei Athen. X 447 b und c), war nach Archilochos (Ath. 447 b) ein Getränk der Thraker und Phrygier. Es wurde von den Paionern (Hekataios ebd. 447 c) und überhaupt von den Thrakern (Hellanikos ebd.) aus Gerste bereitet (vgl. Hesych. s. βρῦτον und βρύττιον. Eust. Il. XI 637 und XXII 283), sonst auch aus Wurzeln (Hellan. Eust. a. a. O.); in Ägypten kochte man die Knollen der Erdmandel, Cyperus esculentus L., darin, wodurch sie sehr süss wurden (Theophr. h. pl. IV 8,12). Die παραβίη der Paioner war ein Getränk von Rispenhirse und Berufskraut (Hekat. bei Ath. 447 c). In den unterirdischen Wohnungen der Nordarmenier sah Xenophon (an. IV 5, 26f.) Töpfe mit Gerstenwein, wobei die Gerste mit diesem bis an den Rand vermischt war; das Getränk wurde mit Rohrhalmen aufgesogen; es war sehr stark, wenn man nicht Wasser hinzugoss, aber für den, der sich daran gewöhnt hatte, sehr angenehm (πάνυ ἡδύ). Niebuhr sagt in seiner Beschreibung von Arabien (1772, S. 57; bei Hehn S. 566), dass man dort ein weisses und dickes Getränk, Busa, aus Mehl bereite; in Armenien werde es allgemein in grossen Töpfen in der Erde aufbehalten und gemeiniglich aus denselben vermittelst eines Rohres getrunken.
Von den Pannoniern wird berichtet, dass sie nicht nur Gerste und Hirse ässen, sondern auch tränken (Cass. Dio XLIX 36); das Getränk wurde von ihnen und den Dalmatiern sabajam genannt (Hieron. comm. VII in Isaiae c. 19); denselben Namen in der Form sabaja hatte das Getränk der Armen in Illyrien, welches aus Gerste oder Weizen bereitet wurde (Amm. Marc. XXVI 8, 2). Das Wort hängt wohl mit dem Namen des ursprünglich phrygisch-thrakischen Dionysos, Sabos oder Sabazios, zusammen und erinnert an das lateinische sapa = eingekochter Most. Als im J. 448 n. Chr. griechische Gesandte auf ihrer Reise an den Hof Attilas durch Pannonien kamen, erhielt die Dienerschaft überall ein angeblich von den Barbaren κάμον genanntes Gerstengetränk (Prisc. FHG IV 83). Das camum war aber im römischen Reiche schon früher bekannt, da schon Iulius Africanus (cest. 25) sagt, dass es von den Paionern getrunken werde, und Ulpianus (Dig. [462] XXXIII 6, 9), dass bei Vermächtnissen weder zythum, welches in einigen Provinzen aus Weizen, Gerste oder Brot bereitet werde, noch camum noch cervesia zum Weine gehöre, es auch im Maximaltarif des Diocletian vom J. 301 (II 11) aufgeführt wird. Vielleicht gehört auch einer früheren Zeit eine Notiz an, nach welcher camum in Unterschiede von cerbesia als Gerstengetränk erklärt wird (Corp. gloss. lat. III 315, 68). Hehn (a. O. 145) möchte das Wort unter Berufung auf das spätere camba = Brauerei (s. Ducange) für keltisch halten, da es seit den Zeiten der grossen keltischen Wanderung in Pannonien heimisch geworden oder auch durch römische Soldaten dahin gebracht sein könne.
Was die Kelten betrifft, so sollen die Gallier schon, als sie Rom einäscherten, als Wein einen übelriechenden Saft, welcher in Wasser gefault hatte, gebraucht haben (Dion. Hal. ΧIII 11 [16]), und Pytheas (bei Strab. IV 201) berichtet bei der Schilderung seiner Fahrt nach Thule, d. h. wohl der Insel Mainland, dass diejenigen Völker, welche Getreide und Honig erzeugten, sich daraus ihr Getränk bereiteten, d. h. Bier und Met. Nach Poseidonios aus Apameia (bei Athen. IV 152 c und d; vgl. Eust. Il. XI 637) tranken zu Anfang des 1. Jhdts. v. Chr. die reicheren Kelten im heutigen Frankreich bereits italischen oder massiliotischen Wein, die weniger Bemittelten ζύθος von Weizen, welches von ihnen κόρμι genannt wurde, mit Honig, das gewöhnliche Volk dieses ζύθος ohne Honig; sie schlürften ihr Getränk aus demselben Gefäss in kleinen Portionen, jedesmal nicht mehr als einen Cyathus (= 0,045 L.), doch schnell hinter einander, während ein Knabe es nach rechts und links ihnen zutrug. Dagegen sagt Dioskorides (II 110), dass κοῦρμι (wovon der Genetiv κούρμιθος unrichtig statt κούρμενος angegeben zu sein scheint) aus Gerste gemacht werde, man es häufig statt des Weines gebrauche, es Kopfschmerzen bewirke, von schlechtem Safte sei und den Nerven schade; dass aber auch aus Weizen solche Getränke (d. h. celia und cerbesia) bereitet würden, wie im westlichen Iberien und Britannien. Marcellus Empiricus (16, 33), welcher für seine keltischen Landsleute schrieb (E. Meyer Gesch. d. Bot. II 305), empfahl das curmi gegen Husten. Die Bezeichnung curmi für *cur-men (lat. cremor?) findet sich in verschiedenen Formen in alt-, mittel- und neukeltischen Sprachen (A. Holder Altcelt. Sprachschatz Sp. 1202). Von einem prachtliebenden Könige der Iberer erzählt Polybios (bei Athen. I 16 c), dass er die Üppigkeit des Phaiakenkönigs bei Homer nachgeahmt habe, nur dass in der Mitte seines Hauses silberne und goldene Gefässe voll Gerstenweines gestanden hätten. Die von Scipio hart bedrängten Numantiner im Lande der Celtiberer genossen, nachdem sie einen Ausfall auf Tod und Leben zu machen beschlossen hatten, einen einheimischen Trank aus Weizen, welchen sie celia nannten (Flor. ep. II 18, 12. Oros. V 7). Auch bei den im Westen wohnenden, vielleicht noch iberisch redenden Lusitanern war nach Strabon (III 155) das (nur von ihm, nicht etwa von jenen so genannte) ζῦθος im Gebrauch, während der Wein dort noch knapp war Statt caelia sagte man für das aus Feldfrüchten bereitete Getränk in Hispania auch cerea (Plin. XXII 164). Obwohl cerea mit curmi, wozu noch [463] das angels. coerin kommt (O. Schrader a. O. 158), dem Stamme nach identisch zu sein und also zum indogermanischen Sprachstamme zu gehören scheint, so will Hehn (a. O. 143 und 148) doch lieber das Wort curmi und folglich auch die Sache aus Spanien von den Iberern zu den Kelten als mit diesen aus Gallien nach Keltiberien gewandert sein lassen. Allerdings scheint die B.-Bereitung gerade in Spanien zu Beginn unserer Zeitrechnung schon einen hohen Grad der Vollkommenheit erreicht zu haben. Denn, wenn hier auch das B. auf dieselbe Weise wie in Gallien bereitet wurde, so wurde doch den Hispanern die Erfindung zugeschrieben, demselben auch Haltbarkeit zu verleihen (Plin. XIV 149). Um celia zu erhalten, wurde nämlich der Weizen angefeuchtet, so dass er keimte, dann getrocknet und zermahlen; dem Mehl wurde ein mollis succus beigemischt, welcher in Gärung geriet (oder vielmehr die ganze Mischung in Gärung brachte), wodurch der herbe oder pikante (austerus) Geschmack und die berauschende Eigenschaft hinzukam (Oros. a. a. O. Isid. XX 3, 18). Mit dem mollis succus scheint B.-Hefe gemeint zu sein; wenigstens wurde in Gallien und Hispanien verdichteter B.-Schaum beim Brotbacken verwandt (Plin. XVIII 68), während er sonst nur dazu gedient haben soll, die Gesichtshaut der Frauen zu conservieren (Plin. XXII 164), wie auch Plinius (ebd.) es nicht für angezeigt hält, bei der B.-Frage lange zu verweilen, sondern lieber vom Weine sprechen will. Nähert sich also das angegebene Verfahren durch den Ersatz des Sauerteigs durch die Hefe dem heute üblichen, so wird doch, heute das Malz nur geschroten, nicht zu Mehl zermahlen. Was aber den heute allgemein üblichen Zusatz von Hopfen betrifft, welcher dem B. die Bitterkeit verleiht, so ist er slavisch-russischen Ursprungs und nach den 1. Jhdtn. unserer Zeitrechnung aufgekommen (G. Buschan Ausland 1891, 612). In Gallien war schon zur Zeit des Plinius (a. a. O.) für das Bier der aus cerea erweiterte Name cervesia üblich. Derselbe scheint auch auf dieses Land beschränkt geblieben zu sein; wenigstens wird dies für die erste Hälfte des 3. Jhdts. ausdrücklich bezeugt (πίνουσι Κελτοὶ κερβησίαν, Iul. Afric. cest. 25). Im Maximaltarif des Diokletian vom J. 301 (II 10–12) ist der Preis des Sextars (= 0,549 L.) vini rustici auf 8, cervesiae (κερβησίου) oder cami auf 4 und zythi auf 2 Denare (à 1,827 Pf.) angesetzt; es scheinen also die im Westen, Norden und Osten (besonders Ägypten) gebräuchlichen Sorten gemeint und unter diesen das zythum die geringste gewesen zu sein. Noch in der zweiten Hälfte des 4. Jhdts. waren die nach Wein begierigen Gallier genötigt, sich für jenen allerlei Surrogate zu schaffen (Ammian. XV 12, 4), d. h. Cider und B. Der in den J. 355–361 in Gallien verweilende Iulianus Apostata würde wohl nicht in einem eigenen Epigramm (Anth. Pal. IX 368) das Weizen-B. der Gallier im Gegensatz zu dem nektarduftenden Weine als ein nach dem Bocke stinkendes Getränk verspottet haben, wenn es nicht gerade von jenen sehr viel getrunken worden wäre. Übrigens wird auch in einem Glossar von Montpellier aus dem 9. Jhdt. (Corp. gloss. lat. III 315, 69) cerbesia als ein Weizengetränk bezeichnet. War also das B. in [464] Griechenland und Italien als Getränk ungebräuchlich, so wurde es doch in seltenen Fällen von den lateinisch schreibenden Medicinern als Medicament gebraucht, so gegen angeschwollene Drüsen Umschläge von Attichblättern mit B.-Hefe, faex cervisae (Plin. iun. III 6 extr.), gegen Eingeweidewürmer Pillen in cervesia (Marc. Emp. 28, 13) oder cervisa (Cass. Fel. p. 175, not. crit. 6), gegen Husten Salz in cervesa (Marc. Emp. 16, 33); ja der griechische Arzt Anthimus (15) empfahl dem Frankenkönige Theuderich sogar die cervisa, wenn sie gut zubereitet sei, als ein wohlthuendes Getränk. In einer Inschrift der Stadt Riez im Departement der Basses Alpes (CIL XII 372, 6) finden sich wahrscheinlich die Worte Ded(it) et cervi[siam] und auf einem Gefäss des Dep. Lozère Cervesar[iis] feliciter (Holder a. O. 997). Besonders aber zu erwähnen ist eine dem Musée Carnavalet zu Paris angehörende und in Paris gefundene thönerne Flasche von eigentümlicher Form (Abb. Rev. arch. 1868 pl. XXII. Daremberg et Saglio Dict. de l’ant. I fig. 1338), welche nach den auf beiden Seiten mit Wasserfarben aufgemalten Inschriften bestimmt war, mit B. gefüllt zu werden. Auf der einen Seite steht Ospita reple lagona cervesa (Wirtin, fülle den Krug mit B.). Auf der andern Seite ist die Antwort der Wirtin gegeben; der Schluss derselben bedeutet tu abes, est repleta; der Anfang Copocnod (oder b) i ist vielleicht zu lesen Copo, hoc novi (Schenk, ich habe es vernommen; da hast du sie, sie ist voll) (Bormann Arch. Ztg. 1873, 75). Ferner tranken die Ligurer Gerstenwein (Strab. IV 202). In der Schweiz mögen schon die Bewohner der Pfahlbauten die Gerste zur B.-Bereitung verwandt haben (Br. Schröder Westermanns Monatsheft. Febr. 1895, 564).
Bei den Deutschen scheint das B. erst spät Eingang gefunden zu haben, da wir weder von Caesar noch von Plinius etwas hierüber erfahren, sondern erst Tacitus in seiner im J. 98 verfassten Schrift über dieselben (c. 23) sagt, dass ihnen zum Getränk eine aus Gerste oder Weizen verdorbene Flüssigkeit, die etwas dem Weine ähnele, diene.
Endlich ist noch das πῖνον zu erwähnen, von welchem Aristoteles in einer verloren gegangenen Schrift über die Trunkenheit (bei Athen. Χ 447 a und b; vgl. Eust. Il. XI 637 und ΧΧII 283) sagt, dass die von diesem Gerstenweine Berauschten nur nach hinten, die von andern Getränken Berauschten aber nach allen Richtungen fielen. Hehn (S. 150) glaubt, dass Aristoteles diesen Namen ohne Zweifel aus dem Norden habe, da er dem slavischen pivo gleiche und nur ein anderes Suffix habe. Auf die Slaven scheinen auch die Worte Vergils (georg. III 376f.) am besten zu passen, dass die im äussersten Norden wohnenden Skythen (vgl. I 240 und III 197) sich durch ein gegorenes Getränk den Wein ersetzten.
[Olck.]
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