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Avernus lacus (meist Ἄορνος die Griechen, wegen der Etymologie von ἀ-ὄρνις; Ἀουερνίς Dio Cass. XLVIII 50), kleiner Kratersee in Campanien unweit Puteoli, jetzt Lago d’Averno, 3 km. im Umfang, ohne natürlichen Abfluss. In älterer Zeit lag der See einsam, von dichtem Wald umgeben (Ps.-Arist. de mir. ausc. 102. Strab. V 244), weshalb manche geheimnisvolle namentlich mit der Unterwelt in Verbindung stehende Sagen hier localisiert wurden. Hier sollte Odysseus in die Unterwelt gestiegen sein (Strab. V 224. Max. Tyr. diss. XIV 2); hierher verlegte man die Kimmerier, die in tiefen Höhlen wohnend das Sonnenlicht nicht erblickten (Ephoros bei Strab. V 244); hier war die Grotte der cumaeischen Sibylle und des Aeneas Eingang in den Tartarus (Verg. Aen. III 442ff. V 732. VI 118. 201. 239ff. VII 91. Lycophr. 695ff. Sil. Ital. XII 130). Man fabelte, dass der See grundlos sei (Lycophr. 704. Diodor IV 22. Ps.-Arist. a. a. O. Lucan. II 665) – während er in Wahrheit nur 65 Meter Tiefe hat –, und dass die aus ihm aufsteigenden Dünste die Luft dermassen verpesteten, dass kein Vogel wage, über ihn hin zu fliegen (Lucret. VI 744. Strab. V 244. Tzetz. ad Lycophr. 704). Agrippa lichtete dies mysteriöse Dunkel: in Verbindung mit seinen grossen Arbeiten am Lucriner See liess er einen Canal zwischen Lucrinus und Avernus graben, der freilich nicht lange functionierte (Strab. V 245. Cassiod. var. IX 6), die dichten Wälder lichten, und stellte durch den grossartigen Tunnel (jetzt Grotte di Pietro la Pace), der den Rücken des Monte Grillo durchschneidet, eine kürzere Verbindung mit der Hafenstadt Cumae her (Strab. a. a. O. Vergil. Georg. II 164; vgl. Dio Cass. XLVIII 50. Agathias Goth. I 10). Als Nero seinen Canal vom Tiber nach Baiae plante, scheinen die Arbeiten in der Nähe des A.-Sees angefangen zu sein (Sueton. Nero 31. Plin. n. h. XIV 61. Tacit. ann. XV 42). Vgl. ausser den angeführten Stellen noch Vergil. Georg. II 164. IV 193. Cul. 212. Propert. IV 18, 1. Ovid. met. X 51. XIV 114. Stat. Theb. XI 588. Sil. Ital. XI 452. Claudian. rapt. Pros. 2. Cic. Tusc. I 18. Liv. XXIV 12. 20. Vellei. II 79. Skymn. 236. Plin. n. h. III 61. XXXI 6. 21. XXXII 61. Mela II 70. Ammian. Marcell. XXVIII 22. Vib. Sequester p. 11 Burs. Tab. Peut. Hesych. Feriale Campanum CIL X 3792. Vgl. Beloch Campanien 168–172.
[Hülsen.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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