ART

Attributio. Das Substantivum ist in der im folgenden zu behandelnden Anwendung nicht belegt, wohl aber das ähnliche contributio (s. d.). Das Verbum attribuere (attributi) wird technisch gebraucht von Völkern, Stämmen, Gauen oder Ortschaften, welche an autonome Gemeinden peregrinen, latinischen oder römischen Rechtes angegliedert sind. Strenger als bei Mommsen (grundlegend St.-R. III 1, 765ff.: ,die attribuierten Orte‘) ist zwischen attributi und contributi zu scheiden, vgl. W. Barthel Zur Geschichte der römischen Städte in Afrika 1904, 40ff. Während mit a. die Angliederung von Bezirken niederen Rechts bezeichnet wird, tritt in contributio das Aufgehen in einen anderen Kreis, die Zusammenlegung, Verschmelzung von Gemeinden gleichen Rechtes in den Vordergrund, s. Art. Contributio.

Beide Systeme sind Schöpfungen der republikanischen Zeit. a. ist erfunden nach der Berührung mit den fremdstämmigen Völkern Oberitaliens. Das älteste Beispiel ist die im J. 218 gegründete latinische Colonie Cremona am Po, also auf Keltenboden; allerdings sagt Tacitus bei seiner Abneigung gegen den Gebrauch technischer Ausdrücke in der Geschichte der Stadt, hist. III 34: adnexu conubiisque gentium adolevit floruitque (adnexus für a. hier allein bei Tacitus, häufiger dagegen adnectere).

Ein zweites Beispiel bietet das ligurische Genua, und zwar aus der Zeit, da es dem Römerreich noch nicht inkorporiert, vielmehr nur eine befreundete (und zwar schon seit dem Hannibalischen Krieg: Liv. XXI 32. XXVIII 46. XXX 1) und verbündete Stadt war, vgl. den Schiedsspruch der Qu. u. M. Minucii vom J. 117 v. Chr. in dem Streitfalll zwischen Genua und den Viturii (Veturii), bzw. den in dem Gau der Viturii gelegenen castellani Langendes (Langates, heute Langasco) CIL V 7749 = Dess. 5946. Im gleichen Verhältnis zu Genua wie die Viturii Langenses befinden sich die in Z. 38 erwähnten Odiates, Dectunines, Cavaturines, Mentovines, welche wohl die Bewohner anderer Ortschaften (castella) desselben Gaues (oder anderer Gaue?) darstellen. Die Beziehung des Viturier-Gaus zur Stadt wird noch nicht mit a. bezeichnet, gibt sich aber deutlich als solche zu erkennen, vgl. Mommsens Commentar zu der Inschrift in Ges. Schr. I 382ff.

Die a. ist dann bei der Neuordnung des transpadanischen Galliens durch die Lex Pompeia vom J. 89 in weitestem Umfange zur Anwendung gebracht worden: Plin. n. h. III 138: civitates ... adtributae municipiis lege Pompeia: Beloch RG 621ff., E. Pais Dalle guerre puniche a Cesare Augusto I 2 (1918) 457ff. Die gallischen Volksgemeinden (civitates) oder Teile derselben wurden danach durch eine iuristische Fiktion in Colonien latinischen Rechts verwandelt, Asconius in Pis. 2 K.-S., so das Gebiet der Insubrer zur Colonie Mediolanum, das der früh mit Rom verbündeten Cenomanni zur Colonie Brixia mit dem [66] Beinamen Civica. Näher den Alpen wurden Comum im Gebiet der Orombovi, weiter Verona, Tridentum mit italischem Stadtrecht, zum Teil als municipia, begabt. Die Alpendistrikte dagegen, die auf einer niedrigeren Kulturstufe standen, blieben Peregrinengemeinden und wurden den neugebildeten Colonien bzw. Munizipien sofort oder im Laufe der Zeit ,attribuiert‘. Wir kennen aus dieser großen Gruppe von Attribuierten nur einzelne: die Bergalei (im Bergell oberhalb von Chiavenna und des Comersees) attribuiert an Comum, Edikt des Claudius zugunsten der Anauner (s. u.), die Anauni (Nonstal), Tuliasses (wohl Dolas, eine Ortschaft im Sarcatal westlich von Trient), endlich die Sinduni (Lage unbekannt) an Tridentum (Edikt des Claudius vom J. 46 CIL V 5050 = Dess. 206, Commentar von Mommsen Ges. Schr. IV 291ff.). Nach Erwähnung der Euganeae gentes (raetischen? Ursprungs), bei denen einst Cato 34 oppida aufgezählt hatte, sagt Plinius n. h. III 134: ex his Trumplini (auch Trumpilini im Tal der Mella, Val Trompia) ... dein Camunni (im Alpental des Oglio, Val Camonica) conpluresque similes finitimis attributi municipis, d. h. für die genannten gentes und andere wie die Sabini in Val Sabbia (über sie Pais 452ff.) oder die Benacenses, die in flavischer Zeit zusammen mit den Trumplini genannt werden (CIL V 4313), an Brixia. Zu Verona gehörte wohl auch im Attributionsverhältnis der pagus Arusnatium in Val Policella CIL V 3915, vgl. CIL V 3926, wo die Arusnates nicht als pagus, sondern als gens auftreten, Schulten Rh. Mus. L 516, E. Pais 466. Die geschilderten Abhängigkeitsverhältnisse, soweit sie damals schon vorhanden waren, blieben, auch als Caesar dann im J. 49 den Transpadanern das römische Bürgerrecht verlieh. Nur hat wohl gleichzeitig mit dem Aufsteigen der Städte, denen man angegliedert war, in die civitas Romana das Nachrücken der Attribuierten, zum Teil sofort, zum Teil später, in das latinische Recht stattgefunden; wenigstens nennt Plin. (n. h. a. O.) die euganeischen Stämme Latini iuris.

Aus diesen Beispielen der republikanischen Epoche ergibt sich, daß Verbände aller Art, sowohl größere wie gentes oder pagi als auch kleinere wie castella (oppida) oder vici, attribuiert werden konnten, weshalb Mommsen (Staatsr. III 1, 765) mit Recht sagt: der attribuierte Verband ,ist weder Staat noch Bezirk‘.

Für die ehemals keltischen Gebietsteile des Reiches diesseits und jenseits der Alpen ist a. das normale Angliederungssystem auch in der Kaiserzeit geblieben. Caesar hat es gleich nach seinen Eroberungen im jenseitigen Gallien zur Anwendung gebracht: bell. gall. VII 9, 6 von den Boiern, quos ibi (Gorgobinae) Helvetico proelio victos Caesar collocaverat Haeduisque attribuerat (daher 10, 1: stipendiarii Haeduorum), VII 76, 1: ipsi (dem Atrebatenkönig Commius) Morinos attribuerat, Hirtius bell. gall. VIII 6, 2 von den Suessiones, qui Remis erant attributi. Gelegentlich der von Caesar begonnenen und von Augustus zu Ende geführten Verstädtischung der Narbonensis ist gleichfalls so verfahren worden, daß stellenweise die vici der alten gallischen Volkschaften (civitates) den neuen Stadtgemeinden [67] attribuiert wurden, so nach Plin. n. h. III 37 vierundzwanzig ehemalige vici der Volcae Arecomici (Strab. IV p. 186, vgl. auch CIL XII 3362 mit Aufzählung von elf Namen dieser vici) der neuen Stadt Nemausus Arecomicorum, welches ursprünglich latinische Colonie, seit Augustus aber Bürgercolonie war, während die attribuierten Gemeinden latinisches Recht behielten (s. Bd. IV Art. Coloniae, lat. nr. 57 [S. 518], röm. nr. 194 [S. 543]). Merkwürdigerweise werden in der civitas foederata (Volksgemeinde) der Vocontier neben den beiden Hauptstädten (capita) Vasio und Lucus Augusti 19 oppida ignobilia, offenbar die Hauptorte der selbständig gebliebenen pagi unter praefecti pagorum, auch als ,attribuiert‘ bezeichnet, darüber Art. Oppidum. Ein Mittelding zwischen Nemausus und der civitas Vocontiorum bildete die Bürgercolonie Vienna Allobrogum (Plin. III 36). Sie umfaßte, wie der Name zeigt, das ehemalige Gesamtterritorium des Stammes, und zwar ist alles in der Ebene gelegene Land zum Stadtterritorium geworden. Dagegen die pagi im Gebirge (Sabaudia: Ammian. Marc. XV 17) in der Richtung auf Genf hin, welches ein allobrogisches Gemeinwesen war, sind als solche in einer gewissen Selbständigkeit, also ebenfalls wohl nur attribuiert, mit praefecti pagorum an der Spitze, konserviert worden (o. Hirschfeld Gall. Stud. I 305). Die Vororte dieser pagi sind daher in der Spätzeit zu eigenen Städten emporgestiegen, wie Cularo unter dem Namen Gratianopolis (Grenoble) und noch später Genava (Genf). Das hohe Amt der IIIviri locorum publicorum persequendorum in Vienna (vgl. z. B. CIL XII 1783, dazu p. 219) steht wohl in Beziehung zur Verwaltung der Außenbezirke in Savoyen und ist sicher schon von Caesar eingerichtet (s. Art. Coloniae S. 586).

Auch diesseits der Alpen hat Augustus das von Caesar begonnene Werk zu Ende geführt. Schon als Triumvir im J. 33 hat er die Bürgercolonie Tergeste (Triest) geschaffen und bei dieser Gelegenheit die Völkerschaften der Carner und Cataler, von ersteren allerdings nur Teile, da er schon im J. 35, Appian. III. 16, Iulium Carnicum als forum gegründet hatte (woraus später, vielleicht unter Claudius, eine Colonie wurde, Art. Coloniae S. 537 Nr. 141) an die neue Stadt attribuiert, Brief des Antoninus Pius CIL V 532 = Dess. 6680: Carni Catalique attributi a divo Augusto reipublicae nostrae.

Während so Italien und Gallien mit den Nachbardistrikten das Hauptgebiet der a. gewesen sind, haben Spanien und Afrika, wo Caesars Initiative früher und stellenweise schärfer durchgegriffen hat, das System der contributio aufzuweisen, darüber Art. Contributio.

Eine Nachblüte hat das a.-System an der Nordgrenze des Kaiserreiches unter Traian (seit der Eroberung Dakiens) und unter den folgenden Kaisern des 2. Jhdts., außer in Dakien vor allem in Moesien (inferior) und in Thrakien, erfahren. Dort sind die Gemeinden der Einheimischen, in Moesien vor allem die dortigen alten Griechenstädte, vielfach durch Angliederung der Eingeborenendörfer und verpflanzter gentes, bzw. fremder Einwanderer territorial mehr oder weniger vergrößert worden, ohne daß allerdings in diesem [68] griechisch-römischen Grenzgebiet der alte Terminus a. noch gebraucht worden ist. Daher sei nur für die Ergebnisse der rumänischen und bulgarischen Forschungen in diesen Gebieten (an der Spitze derjenigen von V. Pârvan, G. Kazarow und B. Filow), auf die umfangreichen Literaturzusammenstellungen von M. Rostovtzeff Gesellschaft und Wirtschaft I 338ff. Anm. 78—88, besonders 84 und 85 verwiesen. Hier bestehen auch noch autonome Stammes- sowie Militärterritorien, so dasjenige von Capidava mit einem römischen castellum als Mittelpunkt (,das weder eine Stadt- noch eine Lagerverfassung hatte‘) und besetzt mit vielen Dörfern, voran das große blühende Dorf Ulmetum, an der Spitze ein reicher Römer von Capidava als princeps loci und quinquennalis territori Capidavensis (CIL III 12491). Hier scheinen allerlei Attributionsverhältnisse oder Weiterbildungen solcher vorzuliegen, die noch weiterer Durchforschung bedürfen.

Die a. verfolgte den Zweck, kleinere oder größere Bezirke, seien es Völkerschaften, Gaue oder unselbständige Gemeinden, die zu eigener städtischer Organisation nicht oder (ihres kulturellen Niveaus wegen) noch nicht geeignet waren, gelegentlich der Verstädtischung der betreffenden Länder auf indirektem Wege in die Reichsordnung einzugliedern. Caesar benutzte sie auch als Kampfmittel, um unterworfene widerspenstige Stämme oder Stammesteile den ihm ergebenen Fürsten oder Völkern in Obhut zu geben. Der attribuierte Bezirk blieb eine Sondergemeinde mit eigenem Territorium, das aber in der Regel zur Tribus des Vorortes gehörte (so die Camunni, solange sie attribuiert waren, zur Tribus Fabia von Brixia, s. u.), sowie mit eigenem Personalrecht der Bewohner, das, wie sich aus dem oben Gesagten ergibt, meist eine Stufe tiefer lag als das Recht der herrschenden Gemeinde (bei den an Tergeste angeschlossenen Stämmen erfolgte die Verleihung des latinischen Rechtes erst durch Antoninus Pius, CIL V 532). Mit dem Moment der Erlangung des römischen Bürgerrechts ward entweder aus der bisher abhängigen Gemeinde eine selbständige (z. B. die res publica Camunnorum, zur Tribus Quirina gehörig, CIL V p. 519, Pais 468, der das Emporsteigen zur römischen Bürgergemeinde wegen der Tribus Quirina der flavischen Zeit, aber erst nach dem Tode des Plinius, zuweisen möchte. Wichtig CIL V 4957 = Dess. 6713 für einen IIvir i. d. Camunnis, der seltsamerweise auch praefectus i. d. Brixiae war; Schulten Rh. Mus. L 515 möchte die Inschrift ,emendieren‘; sie ist aber nur ein Beweis dafür, daß in den Zeiten der Verselbständigung der Camunni die Verhältnisse sich umgekehrt hatten) oder die Bewohnerschaft der attribuierten Gebiete ging in dem Vorort auf (so die Anauner, Tuliasser und Sinduner in Trient).

Das Territorium der attribuierten Gemeinde war durchaus selbständig und auch gegenüber dem Vorort terminiert, galt aber, da die Gemeinde nicht im Rechtssinn ein populus war, nur als ager privatus; vgl. den Schiedsspruch von Genua Z. 7ff.: Langatium fineis agri privati als Überschrift des Terminationskapitels. Das Bodenrecht vergleicht Schulten (515) mit demjenigen der [69] ebenfalls extramunizipalen aber doch keine eigentlichen Territorien bildenden fundi excepti (Feldmesser I 197, 10).

Was das Personalrecht betrifft, so galt der Bezirk für die dort Seßhaften als Heimatgemeinde. Der Legionär der Inschrift von Aquileia CIL V 926. dom(o) Sestantione stammte aus Sextantio, einer der 24 an Nemausus attribuierten Ortschaften. In CIL III 7452 aus der Nähe von Oescus in Moesia inferior begegnet ein Legionär domo Trumplia mit der Tribus Fabia von Brixia (s. o.). In beiden Fällen fungiert der Bezirk wie eine Stadtgemeinde, wie die Herkunftbezeichnung domo beweist, weil für den Legionär städtische Origo verlangt wird. Nach Angabe des Ediktes des Claudius (Z. 31ff., bestätigt durch Inschriften des Nonstals CIL V 5071, 5072) sind die Anauner wie die Benacenses (CIL V 4857 aus dem 1. Jhdt.) auch in die Praetorianergarde aufgenommen worden und bis in die Centurienstellungen gelangt, weiter die Anauer auch zur Geschworenentätigkeit in Rom. Beides setzt nach damaligem Brauch nicht nur den Besitz des Bürgerrechtes, sondern auch das Domizil in Italien voraus (Mommsen Ges. Schr. IV 308). Die Bevorzugung der kräftigen norditalischen Bevölkerung in der militärischen Aushebung für die Garde und das Legionsheer in der früheren Kaiserzeit (darüber Ritterling Klio XXI [1926] 82ff.) hat danach die politische Stellung dieser Attribuierten schnell gehoben, so daß Claudius in dem öfter zitierten Edikt das durch Usucapion erworbene Bürgerrecht ihnen auf dem Gnadenwege bestätigt und zwar mit rückwirkender Kraft.

Der übergeordneten Gemeinde waren die Attribuierten steuerpflichtig: s. o. Boier als stipendiarii der Haeduer, Strab. IV p. 186 von den nemausensischen Dörfern: συντελούσας ἐς αὐτήν; CIL V 532 II 12: qui olim erant tantum in reditu pecuniario. Ein Trumpliner wird einmal (CIL V 4910) als immunis Caesaris bezeichnet. In dem Schiedsspruch von Genua wird noch die Freiheit vom Bodenzins konstatiert. Aber für genuatisches Gemeindeland, das den Attribuierten überlassen ist, muß ein Jahreszins von 400 Victoriaten (= 300 Denare) bezahlt und im Falle der Unmöglichkeit der Barzahlung der Zwanzigste vom Getreide bzw. der Sechste vom Wein abgeliefert werden.

Was die Verwaltung des attribuierten Bezirks betrifft, so besaß er natürlich (so richtig Schulten gegen Mommsen St.-R. III 769) eigene Beamte: CIL V 4910 ein princeps Trumplinorum, auch praefectus cohortis Trumplinorum, 4893 ein princeps Sabinorum und Priester für die lokalen Heiligtümer, V 3927 bei den Arusnates von Verona ein pontifex sacr(orum) Raet(icorum), V 4966 bei den Camunni eine sacerdos Caesaris mit einheimischen Namen, V 4960 ein C. Claudius sacerd(os) Aug(usti), letzterer allerdings schon aus der städtischen Epoche des Bezirks, hatte aber in vorgeschritteneren Stadien gleichzeitig auch an den städtischen Ämtern und Priestertümern sowie an der städtischen Curie — etwa wie die incolae — Anteil, vgl. CIL V 532, Dess. 6686 II 3ff.: uti Carni Catalique attributi a divo Augusto rei publicae nostrae, prout qui meruissent vita atque censu, per aedilitatis gradum in curiam nostram [70] admitterentur ac per hoc civitatem Romanam apiscerentur. Von hier aus erklärt sich wohl auch die singulare Bezeichnungsweise VIvir (Augustalis) urb(anus), welche auf Inschriften aus dem Territorium von Comum (CIL V 7252 u. 7253) angewendet wird, durch die der Attribuierte seine Teilnahme an dem städtischen Augustalenamt zum Ausdruck bringen will, wie überhaupt in diesen attribuierten Gebieten die Herrscherverehrung eine große Rolle spielt (CIL V 4310. 4909. 4954. Pais 463). Ugernum, eines der an Nemausus attribuierten Dörfer, hatte eigene Dorffeuerwehr (centonarii Ugernenses CLL XII 2824).

Was mangelte, war die eigene Jurisdiktion: Mommsen St.-R. III 769. Sie wurde entweder vom Vorort direkt oder durch hingesandte praefeceti i(ure) d(icundo) ausgeübt, Siculus Flaccus p. 160. In dem Rechtsstreit zwischen Genua und seinen Attribuierten entschied die genuatische Oberbehörde. Allerdings stand den Abhängigen Rekursrecht an den römischen Senat zu, welcher, wie in unserem Falle, zwei Patrone aus derselben Familie (Minucii) als Schiedsrichter bestellte. Für den Prozeß zwischen Comum und den attribuierten Bergalei unter Tiberius war ein kaiserlicher Kommissar bestellt, Pinarius Apollinaris, ebenso unter Claudius für denjenigen der Anauner (Iulius Planta, amicus et comes Caesaris). Da Denuntiation eingelaufen war, daß die Distrikte der Attribuierten römische Staatsdomäne wären, erstreckte sich die Untersuchung zunächst auf das Bodenrecht und ergab, daß das Gebiet nicht wie die Bewohner angenommen hatten, zu Tridentum gehörte, sondern zum Teil dieser Gemeinde nur attribuiert war, zum Teil in überhaupt keinem Rechtsverhältnis zu Tridentum stand. Das Verfahren war also ein Fiscalprozeß, veranlaßt durch eine der in der Kaiserzeit so oft erwähnten nuntiationes ad fiscum und fiel nach den Kategorien der Gromatiker unter die controversiae de locis publicis sive populi Romani sive coloniarum municipiorumve (Frontin. p. 20), welche durch magistratische Cognition erledigt wurden: so Mommsen Ges. Schr. IV 301.

Zwischen dem Hauptort und den Attribuierten bestand sicher immer Commercium, dagegen nicht immer Conubium. Für Cremona wird letzteres von Tacitus (s. o.) bezeugt. Für die an Trient attribuierten Gemeinden ist es ausgeschlossen, da Claudius in seiner Entscheidung (Z. 31ff.) hervorhebt, daß sie mit den Tridentinern bereits so vermischt seien, daß man sie ohne schwere Schädigung des Munizipiums nicht aus dem Verband wieder lösen könne (Schulten 517). Dies bezieht sich auf die Zwischenheiraten, da bei mangelndem Conubium zwischen Tridentinern und Anaunern dergleichen Ehen nichtig waren und die darin erzeugten Kinder das Erbrecht entbehrten: Mommsen 308.

Anhangsweise sei noch darauf hingewiesen, daß die im römischen Recht sehr alte Institution der a. wohl schon in vorrömischen Rechtsverhältnissen vorgebildet war. Das hochbedeutsame altertümliche Dekret des Praetors und Imperators L. Aemilius Paullus vom J. 189 (des späteren Siegers von Pydna) CIL II 5041 = Dess. 15. Bruns FIR⁷ nr. 70 (abgebildet in den Simulacra als nr. 2, Commentar von Mommsen Ges. [71] Schr. IV 56ff.) löst eine einheimische Burg mit ihrem Gebiet nebst der darauf sitzenden Bewohnerschaft, nämlich die turris Lascutana (turris nur in dem ehemaligen phoinikisch-punischen Siedlungsraum des Ostens und Westens anzutreffen = lat. castellum bzw. oppidum, welchen Ausdruck die Inschrift selber gebraucht), aus der Abhängigkeit von Hasta Regia in der Baetica und macht sie zu einem selbständigen oppidum stipendiarium, als welches sie in der augusteisch-agrippischen Reichsstatistik bei Plin. n. h. III 15 erscheint. Das Abhängigkeitsverhältnis ist der a. verzweifelt ähnlich. Mit Rücksicht auf die Bezeichnung der Lascutaner als Hastensium servei und deren Befreiung aus diesem unwürdigen Zustand (leiberei essent) spricht Mommsen (60f.) allerdings von einem sklavenähnlichen ,Helotenverhältnis‘ der Abhängigen. Aber man beachte, daß auch Strabon (IV p. 186) die nemausensischen Attribuierten wenigstens ὑπήκοοι (Νέμαυσος ... ὑπηκόους ἔχει κώμας τέτταρας καὶ εἴκοσι) und Caesar die attribuierten Boier stipendiarii Haeduorum nennt. Dazu stimmt, daß in den meisten Fällen die a. mit einer sehr niedrigen Rechtsstufe der an andere Gemeinden angeschlossenen Bezirke beginnt und im Falle von Lascuta gelegentlich der ,Befreiung‘ das Ergebnis das gleiche ist wie bei der a. am Schluß, nämlich die Erhebung zum selbständigen Gemeinwesen. Der Fall ist vielleicht nur einer von vielen, wie Mommsen annimmt. In Spanien ist die römische Provinzialverwaltung gegenüber den starken Widerständen, die die Heeresleitung bei den dortigen kräftigen Eingeborenenvölkern gefunden tat, nach Catos (195) Vorbild hart im Zerstören und im Anwenden des divide et impera gewesen. Eine Ausnahme machte zunächst nur der große Aufbauer Ti. Gracchus, der Vater der beiden großen Volkstribunen, in den J. 180—178. An ihn knüpft vor allem Sertorius an und dessen Besieger Pompeius, von dem vielleicht zuerst das jüngere System der contributio in der Gemeindeorganisation des Ostens und Westens zur Anwendung gebracht worden ist, vgl. Art. Contributio.

Literatur. Th. Mommsen Die attribuierten Orte, St.-R. III 1, 765ff.; Edikt des Kaisers Claudius über das römische Bürgerrecht der Anauner vom J. 46 n. Chr., Herm. IV (1869) 99ff. = Ges. Schr. IV 291ff. O. Hirschfeld Gallische Studien I: Die civitates foederatae im narbonens. Gallien, S.-Ber. Akad. Wien CIII, 1883, 271ff. D. Detlefsen Herm. XXI (1886) 512ff. J. Jung Wien. Stud. XII (1890) 98ff. A. Schulten Rh. Mus. L (1895) 514ff. E. Kornemann Zur Stadtentstehung in den ehemals keltischen und germanischen Gebieten des Römerreichs, Gieß. Hab. Schrift 1898; Die caesarische Kolonie Karthago u. die Einführung römischer Gemeindeordnung in Africa, Phil. N. F. XIV (1901) 402ff. W. Barthel Zur Gesch. der röm. Städte in Africa, Greifsw. 1904, 40ff. (Attribution und Kontribution). Ettore Pais Dalle guerre puniche a. Cesare Augusto I 2 (1918) 427ff. M. Rostovzeff Gesellschaft u. Wirtschaft im Röm. Kaiserreich I 71 mit Anm. 5 (267), 170 mit Anm. 16 u. 17 (324ff.), 201 mit Anm. 85 (341ff.).
[Ernst Kornemann.]
Nachträge und Berichtigungen

Attributio

Verwaltungsrechtlicher Begriff. S VII.
[Hans Gärtner.]

Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft

<----+---->

Antikes Griechenland

Biographien, Griechische Mythologie , Kriegführung, Kunst, Architektur, Wissenschaft, Philosophie, Literatur, Sport, Leben, Geschichte, Index, Bilder/Zeichnungen

Griechenland im Mittelalter

Byzanz, Biographien, Kunst, Literatur, Orthodoxie, Byzantinische Armee, Geschichte, Index

Griechenland in der Neuzeit

Geographie, Inseln, Städte, Kunst, Musik, Biographien, Film, Sport, Wissenschaft, Literatur, Geschichte,

---

Index

Zypern

Hellenica Bibliothek - Scientific Library

Index Griechisch: Αλφαβητικός κατάλογος

Der Text ist unter der Lizenz „Creative Commons Attribution/Share Alike“ verfügbar; zusätzliche Bedingungen können anwendbar sein. Einzelheiten sind in den Nutzungsbedingungen beschrieben.

Griechenland - Geographie

Griechenland

Index

Hellenica World