.
2) Artaxerxes II., der älteste Sohn von des A. I. Nebensohn Ochos (als Herrscher Dareios II. Nothos) und der Parysatis (s. d.), hiess vor seiner Thronbesteigung Arsikas (nach Ktesias bei Plutarch Artax. 1, 2. 2, 2. 3; nach Ktesias bei Photios cod. 72 § 49. 53. 56f. Arsakes oder Arsakas, nach [1315] Deinon bei Plutarch Artax. 1, 2 Oarses, vgl. Nöldeke Aufs. z. pers. Gesch. 61, 1) und war um das J. 451 oder um 443 v. Chr. geboren (Deinon bei Plut. Artax. 30, 5. Ktes. a. O. 49. Ps.-Luk. Makrob. 15, vgl. u.). Von seinen zwölf Geschwistern werden eine ältere Schwester Amestris und eine Anzahl jüngerer Brüder, Kyros (s. d.), Ostanes (wohl der Artostes des Ktesias), Oxathres (wohl der Ὀξένδρας des Ktesias) genannt (Plut. Artax. 1, 1. 5, 3. 12, 6. Ktes. 44. 49. Diod. XVII 5, 5). Als er herangewachsen war, wurde er mit der Tochter des Idernes Stateira vermählt (Ktes. 53. 56, vgl. Plut. Artax. 2, 1. 2. 5, 3). Die Vermutung v. Gutschmids (Jahrb. f. Philol. LXXXVII 712), dass A. als Kronprinz (um 421 v. Chr.) bereits eine selbständige Herrschaft (Satrapie) übernommen habe, und dass daraus die in einem Teil der Überlieferung (Plut. Artax. 30, 5. Sulp. Sev. II 13, 9, vgl. Strab. XV 736) verzeichnete Regierungszeit von 62 Jahren sich erkläre, ist sehr unsicher, vielleicht handelt es sich hier nur um einen alten Rechen- oder Schreibfehler (vgl. u.). Jedenfalls starb Dareios Nothos erst Mitte 404 und danach erst trat A. nach dem Willen des Vaters wirklich die Regierung an (Plut. Artax. 2, 3. Ktes. 57. Xen. Anab. I 1, 3. Diod. XIII 108, 1. Iust. V 11, 2, vgl. Clinton Fast. Hell. II³ App. S. 381. Bergk Rh. Mus. XXXVII 1882, 366, 1). Nach seinem persischen Beinamen Abiâtaka (Oppert Le peuple et la langue des Mèdes, Paris 1879, 229, 1) nannten ihn die Griechen Μνήμων (Plut. Artax. 1, 1, vgl. Mar. 1, 3. Ael. var. hist. I 32. Corn. Nep. de reg. 1, 3. 4. Trog. prol. X. Synk. p. 485. Hieron. z. J. 1612 Abr.). Der Versuch seines von Parysatis begünstigten Bruders Kyros, A. bei der Königsweihe in Pasargadai zu ermorden, misslang (Plut. Artax. 3, vgl. 6, 5. Xen. anab. I 1, 3. Ktes. 57. Iust. V 11, 3. 4), doch musste A. wenige Jahre später (401) in offenem Kampfe seinen Thron gegen den Bruder verteidigen. Kyros Tod bei Kunaxa am 3. September 401 entschied für A. (Xen. anab. I; hell. III 1, 1. 2. Ktes. 58. 59. Plut. Artax. 3–13. Diod. XIV 19–24. Iust. VII 5–11. Trog. prol. V).
Auch A.s weitere Regierung ist reich an äusseren Kämpfen und inneren Unruhen, die nach mancherlei Schwankungen meist glücklich für die persische Krone entschieden wurden, doch gebührt das Verdienst daran am wenigsten dem König selbst: die tüchtigen Männer seiner Umgebung Tissapherne, Pharnabazos, Datames, Tiribazos, Artabazos, Autophradates, sein Sohn und Nachfolger A. Ochos (s. u. Nr. 3) u. a. handeln für ihn. Und mit dem Aufgeben einer eigenen, energischen und zielbewussten Politik, mit der Selbsthülfe der Grossen des Reiches gegen äussere und innere Feinde löst sich der Zusammenhalt der Monarchie. Am Hofe wechseln die verschiedensten Einflüsse ab. A. wird von der wahrscheinlich ziemlich gefärbten Überlieferung (Nöldeke a. O. 57) als gerechter, milder und leutseliger Fürst gepriesen (Plut. Artax. 1, 1. 2, 1. 4, 2–4. 5. 30, 5. Diod. XV 93, 1. Ael. var. hist. I 32, vgl. 33. 34. Corn. Nep. de reg. 1, 4. Themist. or. 8 p. 109). Wo er durch die Gefahr dazu gedrängt wurde, scheint er sich auch zu einer gewissen Energie aufgerafft zu haben: nach langem Schwanken entschloss er sich zur Entscheidungsschlacht gegen Kyros (Plut. [1316] Artax. 7, 1. 2, vgl. Xen. anab. I 7, 9. 17; anders Diod. XIV 22, 3. 4) und kämpfte persönlich mit (Deinon und Ktesias bei Plut. Artax 10. 11. Ktes. 58. Xen. anab. I 8, 26. 27. Diod. XIV 23, 6. 7. Iust. V 11, 8); ausserdem hören wir von einem vom König selbst geführten Feldzug gegen die Kadusier (384), in dem A. allen voran die Entbehrungen und Mühen des Marsches trug (Plut. Artax. 24. 25, vgl. Diod. XV 8, 4. 10, 1. Corn. Nep. Dat. 1, 2. Trog. prol. X), von A.s Jagdliebhaberei (Plut. Artax. 5, 2. 6, 3. Diod. XV 10, 3), aber im ganzen erscheint er als eine weiche, schlaffe, leicht zu beeinflussende Natur, der Typus des verweichlichten Orientalen (Plut. Artax. 2, 1. 4, 2. 6, 3. 7, 1. 2. 12, 2). In dieses allgemeine Charakterbild passen die besonderen Züge einer prahlerischen Eitelkeit, die sich in der officiell verbreiteten Lüge äussert, dass A. seinen Bruder Kyros getötet habe (Plut. Artax. 14, 3, vgl. 10, 3. Ktes. 58. Xen. anab. II 8, 8. Diod. XIV 25, 1), eines feigen Misstrauens und einer daraus sich herleitenden Grausamkeit (vgl. Plut. Artax. 25, 3) und einer masslosen Sinnlichkeit. Auch an A.s Hofe haben die Frauen einen verhängnisvollen Einfluss geübt, die Königsmutter Parysatis, die ihren Sohn nicht sonderlich liebte (Xen. anab. I 1, 4. Plut. Artax. 2, 2. 4, 1), und die Königin Stateira. Beide standen sich nach A.s Regierungsantritt von vornherein feindlich gegenüber (Plut. Artax. 6, 5. 6. 17, 6. 18, 4, vgl. Ktes. 56. 57), beide haben wechselseitig ihre Opfer verlangt und unter den grausamsten Martern hinrichten lassen, Parysatis die Feinde und Mörder des Kyros (Ktes. 59. Plut. Artax. 14, 5. 15–17), Stateira namentlich Kyros Freunde (Ktes. 57. 60, vgl. Plut. Artax. 18. Diod. XI 27, 2). Schliesslich gelang es Parysatis um das J. 400, Stateira durch Gift zu beseitigen (Ktes. 61. Plut. Artax. 19). A. zürnte eine Weile und verbannte Parysatis nach Babylon, söhnte sich aber dann wieder mit ihr aus und geriet erst recht unter ihren Einfluss (Plut. Artax. 23, 1. Corn. Nep. de reg. 1, 4): der Tod des mächtigsten Mannes in Persien nach Kyros Untergang, zugleich A.s Schwiegersohn, des Tissaphernes (395) ist ihr Werk (vgl. Judeich Kleinasiat. Studien 1892, 66ff.).
Der Thronstreit des A. und Kyros wurde mittelbar die Veranlassung zu einem Kriege zwischen Persien und Sparta. Nacheinander kämpfen in den J. 400–394 in Kleinasien mit wechselndem Erfolg Thibron, Derkylidas, Agesilaos gegen Tissaphernes und Pharnabazos, deren Eifersüchteleien die Stellung der Spartaner erleichtern; erst als der Athener Konon (s. d.) zum persischen Admiral ernannt wird, wendet sich der Erfolg Persien zu: 394 siegt Konon bei Knidos (vgl. Judeich a. O. 40ff.). Persien bleibt eine Zeit lang auf athenischer Seite, tritt aber dann durch Antalkidas und Tiribazos Einfluss zu Sparta über. Das Ergebnis ist 386 ein neuer Sieg des Grosskönigs, der Friede des Antalkidas (s. d.), in der Form ein einseitig von A. verfügter Befehl, in dem A. das bisher umstrittene kleinasiatische Festland dauernd und unbestritten zurückgewinnt, mit diesem die Inseln Klazomenai und Kypros. Auch der gleichzeitig gegen Euagoras von Salamis geführte Kampf kommt 381 zu glücklichem [1317] Ende (Judeich a. O. 113ff.), kleinere Aufstände in Ionien und Paphlagonien, von denen der erste aus dem kyprischen sich entwickelte, wurden um dieselbe Zeit rasch niedergeworfen (Judeich a. O. 190ff.). Nur der vom König selbst geleitete Angriff gegen die Kadusier (384, s. o.) und ein Krieg gegen die seit dem Ende des 5. Jhdts. bereits aufständischen Ägypter (um 389–387, vgl. Judeich a. O. 150ff.) misslangen. Der Kampf gegen Ägypten zieht sich durch A.s ganze Regierungszeit hindurch. Gegen die kräftigen Bergstämme der Karduchen, Myser, Pisider, Lykier u. a., gegen einzelne feste Städte, wie Temnos und Aigai (Xen. hell. IV 8, 5), die im 4. Jhdt. unabhängig sind, scheint überhaupt kein Angriff unternommen worden zu sein. Hier lohnte allerdings auch kaum ein Eingreifen der Centralgewalt, wenn diese überhaupt davon wusste; es war Sache der einzelnen Satrapen, die Widerspenstigen zu unterwerfen. 380 wird wieder gegen Ägypten gerüstet, 374 kommt der Feldzug endlich zur Ausführung; er scheitert aber an der Uneinigkeit der Führer, des Pharnabazos und des Atheners Iphikrates. Und 372 hören wir abermals von Rüstungen, doch bleibt für einige Zeit Ruhe (Judeich a. O. 158ff.). Gleichzeitig ist der Grosskönig für die Aufrechterhaltung seines Friedens in Griechenland thätig: Ende des J. 372 gehen seine Boten dorthin ab, um zum Ausgleich auf der Basis des Friedens zu mahnen (Diod. XV 38, 1. 50, 4, vgl. Busolt Der zweite athenische Bund, Jahrb. f. Philol. Suppl. VII 1874, 772ff. E. v. Stern Gesch. d. spartan. u. theban. Hegemonie 1884, 93ff.). Wie sein Grossvater hat auch A. am Königspalast in Susa gebaut (Spiegel Keilinschr. S. 69).
Trotz dieser äusseren Machtentfaltung zeigte sich am Ende von A.s Regierung erschreckend deutlich der innere Zerfall und die Decentralisation des Perserreiches, die A.s laues Regiment verschuldet hatte. Ein furchtbarer, über ganz Vorderasien, Syrien und Ägypten ausgebreiteter Aufstand der grossen Küstensatrapen in Verbindung mit allen unbotmässigen Elementen brachte A. ein Jahrzehnt lang (ca. 368–ca. 358) in die grösste Gefahr, wurde aber schliesslich glücklich niedergeschlagen (Judeich a. O. 193ff.). Neben diesen Wirren gehen in den letzten Jahren noch allerhand Hofintriguen und Palastrevolutionen her.
Nach dem Tode der Stateira nahm A. auf Zureden seiner Mutter Parysatis ausser vielen Nebenfrauen – 360 erwähnt Plutarch Artax. 27, 2; unter ihnen liebte er besonders die frühere Favoritin seines Bruders Kyros, die jüngere Aspasia (s. d.) – seine jüngste Tochter Atossa zur rechtmässigen Gattin (Plut. Artax. 23. 27, 2. 4. 5). Andere Töchter waren Amestris, die A. nach Herakleides von Kyme bei Plut. Artax. 23, 4. 27, 4 ebenfalls geheiratet haben soll, Apama (ebd. 27, 4), Rhodogune (ebd. 27, 4). Von legitimen Söhnen werden uns Dareios (ebd. 26, 1. Iust. X 1, 1), Ariaspes (Plut. 30, 1; bei Iustin a. O. Ariaratus) und Ochos (ebd. 26, 1. Iust. a. O.), von illegitimen Arsames (ebd. 30, 1) genannt: im ganzen soll A. 115 Nebensöhne besessen haben (Iust. a. O.; vgl. Curt. X 5, 23). Dareios, der älteste Sohn, sollte die Regierung übernehmen; er erhielt schon bei Lebzeiten des Vaters eine Art von Mitherrschaft (Plut. Artax. 26, [1318] 1. 2. Iust. X 1, 2. 3), aber sein Wunsch, die Aspasia zu besitzen, führte zu einem Zerwürfnis zwischen Vater und Sohn. Der Gegensatz wurde von Ochos, der sich Atossas Gunst erfreute und ihr die Ehe versprach, auf der einen Seite, von Tiribazos, der sich beleidigt fühlte, weil er keine der ihm versprochenen Königstöchter als Gattin empfangen hatte, auf der anderen geschürt. Dareios liess sich schliesslich in eine Verschwörung ein, doch wurde diese entdeckt und Dareios hingerichtet (Plut. Artax. 26–29. Iust. X 1. 2, vgl. Ael. var. hist. IX 42. XII 1). Danach gelang es Ochos, auch Ariaspes und Arsames zu beseitigen und sich die Herrschaft zu sichern. Aus Gram darüber und an Altersschwäche soll A. gestorben sein (Plut. Artax. 30. Iust. X 2, 7, vgl. Ael. var. hist. IX 42).
Die Datierung dieser letzten Ereignisse wechselt sehr in der Überlieferung, die Angaben über A.s Todesjahr schwanken zwischen 363 und 357 (vgl. Judeich a. O. 230ff.), entsprechend wechselt auch die Zahl der Regierungsjahre. Der allein massgebende persische Königskanon giebt A. 46 Regierungsjahre und rechnet als letztes das 389. J. Nabon. = November 360–November 359 (vgl. Clinton Fast. Hell. II³ 378). Danach ist A. im folgenden J. 358 gestorben. Die Zahl der Regierungsjahre wird auch inschriftlich bestätigt durch CIG 2691 d = Le Bas Asie min. 378 = Hicks Man. 101 = Dittenberger Syll. 76, wo das 45. Jahr genannt wird.
[Judeich.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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