.
140) M. Aemilius M. f. L. n. Scaurus, geboren 591/592 = 163/162 (vgl. Ascon. p. 20, 1). memoriam prope intermortuam generis sui virtute (renovavit) Cic. Mur. 16; Scaurus ita fuit patricius, ut tribus supra eum aetatibus iacuerit domus eius fortuna. Nam neque pater neque avus neque etiam proavus (ut puto propter tenues opes et nullam vitae industriam) honores adepti sunt. Itaque Scauro aeque ac novo homini laborandum fuit Ascon. in Scaur. p. 20. Pater eius quamvis patricius ob paupertatem carbonarium negotium exercuit Auct. de vir. ill. 82 (im folgenden = v. ill.) § 1. Ipse primo dubitavit honores peteret an argentariam faceret v. ill. 2; er selbst berichtete im ersten Buch seiner Denkwürdigkeiten, sibi sex sola mancipia totumque censum quinque ac triginta nummum relictum Val. Max. IV 4, 11. Primo in Hispania corniculum meruit, sub Oreste (L. Aurelius Orestes, Cos. 628 = 126; vgl. Liv. per. LX) in Sardinia stipendia fecit (v. ill. 3); aedilis (curulis) iuri reddendo magis quam muneri edendo studuit (v. ill. 4). Praetor um 634 = 120 (v. ill.5). Im J. 637 = 117 bewarb er sich um das Consulat, unterlag aber gegen Q. (Fabius) Maximus (Cic. Mur. 36). Consul im J. 639 = 115 Ligures et Gantiscos domuit atque de his triumphavit (v. ill. 7); M. Aemilius M. f. L. n. Scaurus cos. de Galleis Karneis V … [De]c. Acta tr. Von seiner strengen Zucht der Truppen hatte er selbst berichtet, Front. str. IV 3, 13. Als Consul gab er eine lex Aemilia sumptuaria (v. ill. 5. Plin. n. h. VIII 223; sie ist gemeint bei Gell. II 24, 12; die abweichende Angabe bei Macrob. II 13 beruht auf Irrtum oder Verwechslung) und eine lex de libertinorum suffragiis (v. ill. 5), über deren Inhalt nichts Näheres bekannt [585] ist. (Consul) P. Decium praetorem transeunte ipso sedentem iussit assurgere eique vestem scidit sellam concidit, ne quis ad eum in ius iret, edixit (v. ill. 6). Bei Sallust heisst er (Iug. 25, 4) unter dem J. 642 = 112 consularis et tum senatus princeps, danach müsste er bereits von den Censoren des J. 639 = 115 zum Princeps senatus ernannt sein, denn die nächste Censur fällt ins J. 645 = 109; doch sind sichere Beispiele eines Princeps senatus, der nicht Censorius war, sonst nicht bekannt (vgl. Mommsen St.-R. III 970). Jedenfalls war er es in der Folgezeit bis zu seinem Lebensende (vgl. unten seine Worte gegen Q. Varius) und wird von den Schriftstellern sehr häufig Princeps senatus genannt. Im J. 642 = 112 wurde er als Mitglied der Senatscommission nach Africa gesandt, welche die Streitigkeiten zwischen Iugurtha und Adherbal schlichten sollte (Sall. Iug. 25, 4). Im folgenden Jahr ging er als Legatus (Sall. 28, 4. 40, 4) des Consuls L. Calpurnius Bestia nach Africa, liess sich gleich diesem und den übrigen Legaten von Iugurtha bestechen, und es wurde mit Iugurtha ein schmähliches Abkommen geschlossen (Sall. 28–29). Im J. 644 = 110 wurde durch die Rogation des C. Mamilius Limetanus ein ausserordentliches Gericht (quaestio) zur Untersuchung des hochverräterischen Verhaltens der Feldherren und Legaten gegenüber Iugurtha eingesetzt; obwohl die Mitschuld des Scaurus allgemein bekannt war, wusste er es sogar durchzusetzen, dass er selbst einer der drei Richter (quaesitores) wurde (Sall. 40). Doch nützte seine Fürsprache dem L. Bestia nichts (Cic. de orat. II 283, vgl. Brut. 128). Censor im J 645 = 109 mit M. Livius Drusus baute er als solcher die via Aemilia (v. ill. 8. Strab. V 217) und stellte den pons Mulvius her (v. ill. 8. Ammian. XXVII 3, 9). Als sein Amtsgenosse starb, weigerte er sich, sein Amt niederzulegen, wie es beim Tode eines der Censoren verfassungsmässig vorgeschrieben war, bis die Tribunen drohten, ihn ins Gefängnis abzuführen (Plut. q. R. 50). Im J. 650 = 104 wurde die Sorge für die Getreideverwaltung, welche eigentlich dem L. Saturninus als quaestor Ostiensis zukam, diesem genommen und als ausserordentliches Amt (cura annonae) dem Scaurus übertragen (Cic. har. resp. 43; p. Sest. 39). Von Priestertümern bekleidete er das Augurat (Ascon. p. 18).
Scaurus war während seines ganzen Lebens Anhänger und Vorkämpfer der optimatischen Partei; a C. Graccho usque ad Q. Varium seditiosis omnibus restitit quem numquam ulla vis, ullae minae, ulla invidia labefecit (Cic. Sest. 101; vgl. die ähnliche und falsch übertreibende Notiz v. ill. 9); beim Aufstand des Saturninus stellte er sich diesem bewaffnet in comito entgegen (Cic. p. Rab. perd. 21. 26; rhetorisch übertrieben von Val. Max. III 2, 18). In der politisch aufgeregten Zeit wurde er in zahlreiche Processe verwickelt. Der Volkstribun Cn. Domitius klagte ihn 650 = 104 an, quod eius opera sacra multa populi Romani deminuta esse diceret; crimini dabat sacra publica populi R. deum Penatium quae Lavini fierent opera eius minus recte casteque fieri; Scaurus wurde freigesprochen (Cic. Scaur. 1; Deiot. 31. [586] Ascon. p. 18. Val. Max. VI 5, 5. Dio fr. 92). Über seine Anklage durch Q. Servilius berichten Cic. p. Scaur. 2 reus est factus a Q. Servilio Caepione lege Servilia (um 643 = 111) - - P. Rutilio damnato (um 662 = 92) und dazu Ascon. p. 19 Q. Servilius Caepio Scaurum ob legationis Asiaticae invidiam adversus leges pecuniarum captarum reum fecit repetundarum - -. Scaurus tanta fuit continentia animi et magnitudine ut Caepionem contra reum detulerit et breviore die inquisitionis accepta effecerit, ut ille prior causam diceret, M. quoque Drusum tribunum plebis (663 = 91) cohortatus sit, ut iudicia commutaret. Von der legatio Asiatica ist sonst nichts bekannt, die Nachricht bei Val. Max. III 1, 8, er sei angeklagt, quod ad rege Mithridate ob rem publicam prodendam pecuniam accepisset hat wenig Wert, weil Valerius Maximus im weiteren fälschlich die Thatsachen aus dem Hochverratsprocess lege Varia vorbringt. Jene Anklage fällt 662/663 = 92/91. Zweifelhaft ist, ob die Anklage wegen Erpressungen von seiten des M. Brutus (Cic. p. Font. 38) als Mitankläger des Caepio erfolgte oder von ihr verschieden ist. Auf Anstiften Caepios forderte der Volkstribun Q. Varius auf Grund seines Gesetzes ut quaereretur de iis quorum ope consiliove socii contra populum R. arma sumpsissent den damals 72jährigen Scaurus zur Verantwortung; er verteidigte sich mit den Worten Q. Varius Hispanus M. Scaurum principem senatus socios in arma ait convocasse; M. Scaurus princeps senatus negat; testis nemo est; utri vos Quirites convenit credere? Der Tribun selbst liess ihn darauf unbehelligt ziehen (Ascon. p. 11. Quintil. V 12, 10. v. ill. 11). Doch scheint ihn dieser rhetorische Triumph nicht vor einer weiteren Verfolgung geschützt zu haben. Denn Ciceros Worte p. Scaur. 3 ab eodem (d. h. Q. Caepione) etiam lege Varia proditionis est in crimen vocatus, vexatus a. Q. Vario tribuno plebis est non multo ante sind nur so zu erklären, dass Caepio trotz jenes Vorganges eine neue Anklage erhob; Q. Caepio in M. Aemilium Scaurum lege Varia wird citiert bei Charis. 193, 19. 196, 7. 224, 21. Er trat vergeblich als Belastungszeuge in Processen gegen seine politischen Feinde C. Fimbria, C. Memmius auf (Cic. p. Font. 24. Val. Max. VIII 4, 2), ebenso gegen C. Norbanus (Cic. de orat. II 197. 203. Val. Max. 1. 1. ).
Cicero überhäufte ihn in seinen Reden und Schriften mit rühmenden Aussprüchen; doch sein Lob gilt in Wahrheit nur dem gefeierten Vormanne der Nobilität und fällt für die Beurteilung des Menschen kaum ins Gewicht. Als homo nobilis, impiger factiosus, avidus potentiae honoris divitiarum, ceterum vitia sua callide occultans wird er von Sall. Iug. 14, 4 geschildert, und wenngleich Sallust dem entgegengesetzten politischen Lager angehörte, so bestätigen doch die Thatsachen sein Urteil. Dass er in Geldangelegenheiten nicht skrupulös war, deutet gelegentlich selbst Cicero an (de orat. II 283; vgl. Mariani sodalici rapinarumque provincialium sinus Plin. n. h. XXXVI 116). Aber er wusste den äusseren Schein zu wahren und trug ein ernstes Wesen zur Schau (Cic. off. I 108, doch ad fam. I 4, 16 singularis vir tamen a Q. Metello [587] constantia et gravitate superatus). Der grosse Einfluss, den er auch beim Volke besass (Cic. Att. IV 16, 6) und die glänzende Stellung, zu der er aus Armut emporgestiegen war, beweisen, dass es ihm an Verstand, Thatkraft und Schlauheit nicht gefehlt hat. In der Wahl der Mittel war er ebenso wenig wählerisch wie die meisten seiner vornehmen Zeitgenossen. Sein äusseres Auftreten war würdevoll und selbstbewusst (Cic. de orat. II 257; Brut. 111. Ascon. p. 16, 14). Als Redner charakterisiert ihn Cic. Brut. 110 bis 116; die specifisch rednerische Begabung wird ihm abgesprochen, aber seine gravitas summa et naturalis quaedam auctoritas non ut causam sed ut testimonium dicere putares, cum pro reo diceret rühmend hervorgehoben. Seine Reden lagen Cicero noch vor (huius et orationes sunt 1. 1. 112), die gegen M. Brutus werden p. Font. 28 besonders erwähnt. Je zwei Citate aus M. Scaurus contra M. Brutum de pecuniis repetundis stehen bei Charis. p. 129, 11. 210, 3. aus contra Q. Caepionem actione II ebenda 147, 10. 12. Tres ad L. Fufidium libri scripti de vita ipsius, lectu sane utiles quos nemo legit (Cic. Brut. 112; vgl. Tac. Agr. 1. Plin. XXXIII 21); diese Memoiren werden von Historikern nur angeführt bei Valerius Maximus und Frontin; ausserdem stammen die genauen Angaben in der Schrift de viris illustribus (vgl. namentlich Varius Sucronensis § 11 gegenüber Hispanus bei Asconius) sicher mittelbar daraus. Sonst noch vereinzelte Grammatikercitate aus gemeinschaftlicher Quelle bei Charisius und Diomedes (Peter Rel. 185; Frgm. 120). Mit Scaurus beginnt die Reihe der optimatischen Denkwürdigkeiten der marianisch-sullanischen Zeit, welche die geschichtliche Überlieferung, von Sallust abgesehen, beherrschen.
Vermählt war Scaurus mit Caecilia Metalla, die als Witwe in zweiter Ehe Sulla heiratete; da sie im J. 667 = 87 bereits Sullas Gattin war (Plut. Sulla 6. 13. 22), so muss Scaurus zwischen 664/666 = 90/88 gestorben sein. Von den Kindern sind bekannt: a) M. Aemilius Scaurus Nr. 141; b) ein (nach dem Praenomen jüngerer) Sohn, vgl. Nr. 137; c) Aemilia, Gemahlin des M.’ Acilius Glabrio Nr. 154. Vereinzelte Notizen über Scaurus: Verteidigung eines Piso Cic. de orat. II 265, (Archias) audiebatur a M. Aemilio (p. Arch. 6), alienus C. Mario (prov. cons. 19), mihi quidem neque pueris nobis M. Scaurus C. Mario neque - - cedere videbatur; parvi enim sunt foris arma nisi est consilium domi (off. I 76), M. Scauri Tusculanum (p. Caec. 54). Scaurus weihte auf dem Capitol Tempel der Fides und Mens (nat. d. II 61, vgl. p. Scaur. 47. Plut. fort. Rom. 5. 10), kaufte dem Grammatiker Daphnis (Plin. n. h. VII 128); genannt wird Scaurus bei Senec. de benef. IV 31, 5. Ammian. XXX 4, 6.
Seit Drumann I 27 und Orelli Onom. Tull. p. 18 wird auch in den neuesten Handbüchern (z. B. Peter Rel. CCLVI. Teuffel-Schwabe RLG5 § 136, 10) die Angabe wiederholt, Scaurus sei im J. 647 = 107 Cos. II als suff. gewesen, nachdem L. Cassius Longinus im Kampf gegen die Tiguriner gefallen sei. Die f. Cap. haben aber einen suff., von dessen Namen nur Scaurus [588] erhalten ist, im J. 646, der als suff. eintrat, weil der eine ord. [DA]MN(atus) E(st); darum Ser[v]io Galba M. Scauro Obs. 40 und Cassiod., und dies ist nach Vell. II 12, 2. Liv. per. 67. Tac. Germ. 37 M. Aurelius Scaurus, worin die Überlieferung der Hss. übereinstimmt. Allerdings sagt Cicero Brut. 113 von Scaurus und P. Rutilius: cum una consulatum petivissent, non ille solum qui repulsam tulerat accusavit ambitus designatum competitorem, sed Scaurus etiam absolutus Rutilium in iudicium vocavit. Und an der Thatsache, dass Rutilius Rufus von Scaurus wegen Ambitus belangt wurde, ist auch darum nicht zu zweifeln, weil Cicero (de orat. II 280) eine Anekdote aus den Verhandlungen erzählt. Aber dies kann nur auf die Bewerbung um das Consulat vom J. 115 gehen. Dass Rutilius erst ein Jahrzehnt später wirklich zum Consulat gelangte, ist für jene Zeit bei einem homo novus nicht auffällig. Jedenfalls ist das zweite Consulat des Scaurus eine Phantasie.
[Klebs.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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