ART

3) Eine troisch-phrygische Berggöttin jungfräulichen Charakters (episch Ἀδρήστεια, Ἀδράστεια bei Aischylos, Menandros, Kallisthenes dem Skepsier und seinem Anhang, überhaupt den etymologisierenden Grammatikern und Philosophen).

Die Phoronis (frg. 2 Ki.) lässt an unbestimmtem Orte (ἔνθα) die ὀρείη Ἀδρηστείη mit ihren εὐπάλαμοι θεράποντες, den γοήτες Ἰδαῖοι Φρύγες ἄνδρες ὀρέστεροι, Kelmis, Damnameneus, Akmon (also den Daktylen s. u.) verehrt werden. Da der Ortseponymos Adrestos des Schiffskatalogs v. 825ff. als Sohn des Perkosiers Merops mit seinem Bruder Amphios zusammen die Mannschaften führt οἳ δ’ Ἀδρήεστειάν τ’ εἶχον καὶ δῆμον Ἀπαισοῦ καὶ Πιτύειαν ἔχον καὶ Τήρειον ὄρος αἰπύ, so ist die troische Hellespontküste von (Perkote) Lampsakos und Paisos das Kultgebiet der A. So erklärt auch der grosse Apollodoros περὶ νεῶν bei Strabon XIII 588 die χώρα Ἀδράστεια und Ἀδραστείας πεδίον, und μεταξὺ Πριάπου καὶ τοῦ Παρίου lässt der eingeborene Diogenes von Kyzikos (frg. 2, FHG 393) den Dienst der A. als einer der ‚Oresteiadischen Nymphen‘ heimisch sein. Der Gründer des Heiligtums (Νεμέσεως) war nach Kallisthenes bei Strabon a. a. O. wirklich der homerische Adrestos (in χώρα und πεδίον Ἀδραστείας, während Diogenes gar eine sonst unbekannte gleichnamige πόλις Ἀ. nannte).

Als jüngere Zweigstätte davon sieht H. Posnansky (Nemesis und A., in Breslauer Philol. Abhdl. V 2, 1890, 91) den Kult von Kyzikos an: Antimachos Thebaïs frg. 43 Ki. .. βῶμον δὲ οἱ εἵσατο πρῶτος Ἄδρηστος ποτάμοιο παρὰ ῥόον Αἰσήποιο, ἔνθα τετίμηται. Kyzikos war der erstgenannten Gegend durch den wirklichen Besitz eines Heiligtums überlegen, zu Apollodors oder des Skepsiers (? vgl. Gaede Demetrii Scepsii quae supersunt, Gryph. 1880, 61. Index II) Zeit wenigstens, während in Troas kein solches thatsächlich nachweisbar war (Strab. a. O.); die hesychische Ἀδράστου δρῦς· τόπος παρὰ Γρανικόν kann dies- wie jenseits des troischen Grenzflusses [407] gelegen haben. Nach Kyzikos verlegt auch das Schol. Apollon. Rhod. I 1116 das Νυσήϊον πεδίον, dessen Name auf die Διὸς ἔτι νήπια κουρίζοντος φίλη τρόφος Ἀδρήστεια ἄντρῳ ἐν Ἰδαίῳ gedeutet wird (ebenda III 133f.), der Verschmelzung mit dem kretischen Zeusmythos zuliebe (s. u.). Der grosse Apollodoros dagegen (frg. 147, FHG I 153) denkt an Phrygien, vielleicht das östliche, an das schon Aischylos (Niobe frg. 158) dachte, wenigstens kann man dort Βερέκυντα χῶρον, ἔνθ’ ἕδος Ἴδη τε trotz des damit zusammengenannten Ida nur mit der Burg Berekyntia am Sangarios identificieren.

A. wird eine Erscheinungsform der Μήτηρ ὀρείη sein (E. Meyer Gesch. d. Alt. I 302f. Posnansky 26. 68), die sowohl auf dem troischen Ida, als am adrestischen Τήρειον ὄρος Homers (Μήτηρ θεῶν Τηρείη Strab. VIII 589), sowohl auf dem Dindymon von Kyzikos am Aisepos wie auf dem von Pessinus am Sangarios verehrt wurde. Dagegen wird speciell die kyzikenische A. von Demetrios dem Skepsier (frg. 18 Gaede aus Harpokration s. Ἀδραστείαν) als eine Artemis bezeichnet. Mit dem (nach Marquardt Kyzikos 111. Posnansky 71) ursprünglich wohl ihr fremden kretischen Mythos von der Kindheit des Zeus (und Rhea = ὀ-Ῥείη) verschmilzt A. wohl unter Vermittlung der mehrdeutigen bald troischen, bald kretischen Bergnymphe Ida und der Idaeischen Daktylen (s. o. Phoronis und Aischylos) erst bei Kallimachos (Hymn. I 46ff.): A. löst als Amme die Ida und Amaltheia, die Κυρβάντων ἑτάραι, ab und pflegt das Kind λίκνῳ ἐνὶ χρυσέῳ. Ähnlich Apollonios v. Rhodos; III 135ff. schenkt A. dem Zeuskinde σφαῖραν εὐτρόχαλον καὶ χρυσέα κύκλα, welche Sternenglanz durch die Luft strahlen: mit der nephalischen Honigspeise (der Melissen) zusammen sämtlich Anzeichen, dass dieser ‚Zeus‘ eigentlich ein Helios λικνίτης mit Planetenkreisen und Sonnenkugel ist. Eine dritte Theokrasie vollzieht sich nach Posnansky 79 (vgl. 174) in Pergamon, wo, wie mancher andere troische Kult, so auch dieser eine neue Heimat gefunden zu haben scheint; wenigstens erkennt die A. in der herbei eilenden weiblichen Gestalt zwischen der auf dem Löwen reitenden Kybele und dem Kabeiros auf der Süd-Seite des Zeusaltars Puchstein S.-Ber. Akad. Berl. 1889, 330. Und dem auf Pergamon stark wirkenden attischen Einflusse wird es (nach Posnanskys Vermutung) gelungen sein, in der Attalidenstadt die asiatische A. mit der attischen Nemesis von Rhamnus in der Weise zusammenfliessen zu machen, wie dies zuerst Antimachos that, frg. 43 Ki. ἔστι δέ τις Νέμεσις, μεγάλη θεός … βῶμον δέ οἱ εἵσατο πρῶτος Ἄδρηστος (s. o.) .… τετίμηταί τε καὶ Ἀδρήστεια καλεῖται.

Gerade Athen hatte schon vor dem peloponnesischen Kriege sowohl einen Kult der Nemesis Urania (s. d.), als einen Kult der A. gehabt: GIG 273 (ergänzt von Boeckh, aus Ol. 89, 3); dazu CIA I 210 (Inventar) und 273d (Tempeleinkünfte). Trotz der Verschmelzung bei Antimachos war doch die attische Komödie des Menandros sich der Verschiedenheit der Nemesis und A. deutlich bewusst geblieben: Frg. Com. Att. III 93 Kock (aus Miller Mélanges 382) Ἀδράστεια [408] ἕτερα (Gomperz Jahrb. f. Philol. 1871, 328; die Hs. ἑταίρα) τῆς Νεμέσεως. Μένανδρος Μέθῃ· Ἀδράστεια καὶ θεὰ σκυθρωπὲ Νέμεσι, συγγιγνώσκετε (= Harpokrat. und Suidas mit Streichung des μή. Die Gleichsetzung und Verschmelzung beider Göttinnen (Strab. XIII 588. Plutarch. de sera num. vind. 22. Lukian. dial. meret. XII 12; apol. 6; conviv. 23. Philostr. Apoll. Tyan. I 25, 1. Libanios Narr. 4 p. 359 Westerm. Nonnos XLVIII 452. XXXVII 423. I 481 pass. Ammian. Marcell. XIV 11. Martian. Capella I 88. 64 u. a., s. Posnansky 79ff.) beruht auf der an die Tiergöttinnen Kybele und Artemis erinnernden Natur der A. einerseits und der Anlehnung der Rhamnusischen Nemesis mit ihren Hirschen an die Artemis ποτνία θηρῶν andererseits; ferner auf dem Umstande, dass beide als Totenrichterinnen galten, entsprechend der stoischen Etymologie der A. von ἀ-διδράσκειν (s. u.). So haben in Laodikeia, der Seleukidengründung am Maiandros, zwei Münzen des Caracalla (Jahrb. d. Inst. III T. 10 no. 18. 19) die ‚unentrinnbare‘ A. laufend mit vorgestreckten Händen in flatterndem Gewande auf Darstellungen von Zeus’ Kindheit: das eine Mal um das Kind aufzunehmen, das andere Mal es tragend, mit der σφαῖρα zu ihren Füssen. Der Mutterkult ist wohl der des westlich nahegelegenen Attuda (jetzt Assar, Hassar): Bull. hell. XI 1887, 348f. no. 5 θεᾶς Μητρὸς Ἀδράστου (sic), Ehrendecret an ihren Priester Karminios. Weitere Kulte zu Apameia laut Münzen des Valerian und Traian Decius, ähnlich der zweiten von Laodikeia (Overbeck KM II 1 T. V no. 16. 17a. Posnansky 167f.), Andros (zusammen mit Nemesis, Athen. Mitt. I 243); ebenso in Kos (Paton-Hicks Inscriptions of Kos no. 29. Dubois de Co insula, Paris 1884, 61. Dibbelt Quaest. Coae mythol. Greifsw. 1891, 67; enger Zusammenhang zwischen Andros und Kos: Dibbelt 32. 64); in Dacien (CIL III 944a, Weihinschrift an Adrasteia durch ein collegium utriclariorum), Mytilene (Bresosinschrift aus Tiberius Zeit: Conze Reise auf Lesbos T. XVII 1. Griech. Dialektinschr. I 255, 10), Kirrha (Statue im Tempel des Apollon, der Artemis und Leto: Paus. X 37, 8), Sikyon (s. am Schluss). In der rhapsodischen Theogonie des Orpheus hatte A., die bei Homeros und in der hesiodischen Theogonie nicht vorkommt, Kybeles Symbole, χαλκέα ῥόπτρα und τύμπανα ἠχήεντα, und sass mit ihrer Schwester, der εὐειδὴς Εἴδη (Ida), in der Vorhalle der Nyx, wo Zeus genährt wird, die νόμοι oder θεσμοὶ Ἀδραστείας gebend: Hermias comment. Platon. Phaedr. 148 Ast, Abel Orph. theog. frg. 109f. Proklos theol. Plat. IV 16, 206, Abel 111. O. Kern Arch. Jahrb. III 234ff. hat eine Darstellung davon schon in den von Pausanias s. g. Φαρμακεύτριαι der Kypsele wiedererkennen wollen so (neben Dike nur Adikia, Nyx mit Hypnos und Thanatos).

Genealogieen: Ausser der von Attuda: Mutter des Adrestos (vielleicht aber zu verbinden Mutter-Göttin des A.) die des Euripides (Rhesos 342): Tochter des Zeus; Schol. dazu: Tochter der Demeter (Nemesis?); Charax (Hellenika II frg. 2, FHG III 637): Tochter des Melisseus, Enkelin der zuerst in Troas herrschenden Ida (vom τόπος [409] Αδράστεια); Hermias (im Schol. Platon. Phaedr. 148): A. die Göttin und A. die Nymphe, Tochter des Melisseus und der Amaltheia; Hygin F. 182 trennt 1. A., Tochter des Okeanos, Schwester der Eidothea und der Amaltheia (alii A., Eidothea, Amaltheia Töchter des Melisseus); 2. A. und Ida, Ammen des Zeus, Dodonaeische Nymphen genannt (alii Naïades); Apollod. Bibl. I 1, 1, 6: A. und Ida, Töchter des Melisseus (= Plut. Quaest symp. III 9, 2, 2 nach παλαιοί). Nach Plutarch (de sera num. vind. 22): Tochter des Zeus von Ananke nach den Philosophen. Nach Platon ist sie Richterin im Totenreiche, wo sie die in der ersten Periode ihres Daseins untadelhaft befundenen Seelen frei von Leid erhält, den anderen Gelegenheit giebt ihren Mangel durch gute Leistungen auszugleichen (= Plut. de fato 4), ähnlich Pythagoras nach Philostrat. v. Apollon. VIII 7 p. 156 über den Ἀδραστείας θεσμός. Nach Chrysippos bei Plut. de Stoic. repugn. 47 ist A. = Heimarmene (Atropos, Ananke, Pepromene; vgl. Orpheus bei Proklos zu Platons Tim. V 323c, Abel Orph. theog. frg. 110); ähnlich frg. 36 Abel (= Theogonie des Hieronymos? Posnansky 73, 2): A. = Ananke. Im Gebet an Musaios v. 36 wird sie als ἄνασσα angerufen, zwischen Nike und Asklepios. Die Etymologieen stoischer Kreise kamen unabhängig diesen Abstractionen zu Hilfe (Posnansky 72); z. B. Chrysippos bei Plut. de Stoic. repugn. 47; übersichtlich bei Kornutos (theol. graec. comp. 13) a = ἀνέκφευκτος καὶ ἀναπόδρατος, b = ἀειδράστεια, παρὰ τὸ ἀεὶ δρᾶν τὸ καθ’ αὑτήν, c = πολυδράστεια (α intensivum); Parallelstellen bei Posnansky 89. Die Kunst hat ausser dem selbständigen Typus des Pergamenischen Altars und der Münzen von Laodikeia und Apameia Anlehnung an den Kybele-Typus durch Mauerkrone: so auf der dritten Seite der Ars Capitolina (Overbeck KM II 1, 328. Müller-Wieseler DAK II T. 62, 805.

Sprichwörtlich war Ἀδραστείας φθόνος wegen unvorsichtiger Rede; Aisch. Prom. 936 und Platon de republ. V 451: προσκυνῶ Ἀδράστειαν (vgl. Posnansky 75f.). Euripides Rhes. 342. 468: σὺν δ’ Ἀδραστείᾳ λέγω u. a. (Posnansky 77).

In allgemeinerem Sinne wird A. in nachchristlicher Zeit durch die Paroimiographen ἐπὶ τῶν δίκην μὴ ἐκφευγόντων mit dem argolischen Adrestosmythos in Verbindung gebracht, mit dem sie in der erhaltenen echten Überlieferung ausser aller Fühlung ist (Zenob. I 30; vgl. Paus. Lexikogr. bei Eustath. Il. II 828 p. 355. 29. Libanios Narr. 4 p. 359 Westerm. u. a., vgl. Posnansky 84ff.). Die von Pott (Kuhns Ztschr. V 279), Hoeck (Kreta I 193) u. a. (Posnansky 83ff.) gebilligte Etymologie des Antimachos, Kallisthenes, Demetrios v. Skepsis: Ἀδρήστεια sc. θεά = Göttin des Adrestos (nicht umgekehrt Ἄδρηστος von Ἀδρήστεια, wie Charon, Diogenes v. Kyzikos, Völcker Rh. Mus. I 1832, 210, Zoega Abh. 70 wollten) geht zunächst zwar nur den troischen Adrestos an; und daraufhin ergänzt Posnansky wirklich (84) geradezu Ἀδρήστεια sc. Κυβέλη. Dann müsste freilich Ἄδρηστος ein nur graecisierter ursprünglich asiatischer Name (= Adar: Pervanoglu Archeogr. Triest 1878/79, 149) oder die Übersetzung eines [410] solchen sein (so Roscher Myth. Lex. I 78. Preller-Plew Gr. M. I 340. Schömann Hes. Theog. 233 und E. Meyer, der die herodotische Sage von Adrastos und Atys, Sohn des Kroisos, für eine Umbildung der nordsyrischen von Atys-Adonis-Attis = Tammuz erklärt: Gesch. d. Alt. I 308f.). Dem ist entgegenzuhalten, dass man 1. für die Kybele eines asiatischen Ortes oder Ortsheros Adrestos eher die Namensform Ἀδραστήνη erwarten sollte; auch für ihre Schwester Ida ist ein correctes Ἰδήνα (Ἰδήνη) bezeugt (Kaibel epigr. gr. 812. Bechtel Bezzenb. Beitr. V 150), während das homerische (Il. V 412) Ἀδρηστίνη (vgl. Hesych. s. v.) nur die θυγάτηρ Ἀδρήστου = Αἰγιάλεια angeht, also weder asiatisch noch Umformung aus Ἀδρηστήνη ist. Ferner hat 2. die älteste Namensform Ἄδρηστος, -εια bedeutend engere Fühlung mit dem griechischen Idiom, als mit jener angeblichen asiatischen Urform Adar. Um die jedenfalls auffällige Homonymie mit dem argolischen Adrastos zu begreifen, hat man auch gar nicht nötig, mit Baumeister (de Atye et Adrasto, 1860) eine sonderbare Übertragung solch kleinasiatischen Gottes Adar-Adrestos nach Argolis schon für vorhomerische Zeit anzusetzen; denn der argolische kann ja der ältere sein. Unter diesem, freilich von Posnansky abgelehnten Gesichtswinkel erscheint 3. die Nachricht des Lysimachos von Alexandreia (Nostoi II frg. 10, FHG III 338) von der ῥίζα Ἀδράστεια auf dem Gipfel des argolischen Keraunion als nicht so wertlos und unglaubwürdig, wie Posnansky (68, 2) meint; namentlich in Verbindung mit der nemeischen πηγὴ Ἀδράστεια (Paus. II 15, 3), die Posnansky 83 nur als grammatische Analogie gelten lassen möchte. Ferner bringt 4. das troische Brüderpaar Adrestos und Ἄμφιος bei Homer die sikyonischen Adrastos und Ἀμφιάραος (Kurzname Ἄμφιος?) in Erinnerung (M. Mayer Giganten und Titanen 38. Dibbelt Quaest. Coae mythogr. 5. 10, 1, ähnlich wie der ‚Troer‘ Ἀ-πισάων das eleische Πῖσα: Maass GGA 1890, 346). Ganz unverächtlich ist aber jedenfalls die Homonymie des troischen Ἄπαισος-Παῖσος unter der Herrschaft des homerischen Adrestos mit dem argolischen Ἀπαισάντιον ὄρος (Demodokos Herakleia I, FEG 212f. Ki.). Aus Argolis ist auch nach dem daunischen Argyrippa-Arpi der Name Παῖσος (Steph. Byz. s. v.) übertragen, wie ja der Name des Diomedes und seines Nostos aus Troas gerade an dieser Gegend und der argolischen Heimat der Adrasteiawurzel haftet. Wenn Ἀπαισάντιον sonst auch Ἀπέσαντιον oder Ἀπέσας heisst, so nennt ähnlich Eustathios zu Il. II 827 p. 355, 1 das troische Ἀπαισός-Ἀπεσός. Wenn ferner 5. die A. von Paisos in unserer Überlieferung mit der phrygischen Berg- und Löwen-Mutter-Göttin beinahe eine einzige untrennbare Persönlichkeit bildet, so ist dem entsprechend am argolischen Ἀπαισάντιον-Ἀπέσας eine ‚Selene‘ als Berg- und Höhlengöttin localisiert, und zwar zugleich als Erzeugerin oder Entsenderin eines berühmten Löwen (des nemeischen Aphriso oder Amphidymon; s. d. Art.). In Sikyon sind auch gerade die beiden γόητες Kelmis und Damnameneus zu Hause, die schon im ältesten Zeugnis, dem Phoronisfragmente, als Gefolge der A. erscheinen. [411] Sie sind aus Sikyon (der Telchisstadt: Paus. II 5, 6) nicht blos, um den lykischen Lykos vermehrt, als ‚Telchines‘ nach Rhodos (Nonnos a. O.) übertragen worden, sondern ebenso, um den lyrnessisch-phrygischen Akmon von Akmonia vermehrt, nach Troas und Phrygien als ‚Idaeische‘ Daktylen. Ohnehin bringt die Angabe des Antimachos, dass die μεγάλη θεὸς Ἀδρήστου πάντα πρὸς Μακάρων ἔλαχεν, das Μακάρων ἕδρανον Sikyon des Kallimachos frg. 195 ins Gedächtnis. Wenn demgemäss Sikyon schon den Kernbestand des troischen A.-Dienstes umfasste, so wird man schwerlich einen asiatischen Adar zu bemühen haben; und vielleicht hatte der confuse Nonnos seine Ἀργολὶς Ἀδράστεια aus ebenso guten Quellen wie den ganzen Telchinenmythos (vgl. Jahrb. f. Philol. 1891, 165ff.). Durch diese These soll nicht Baumeisters etymologische Combination über Νέμεσις mit Νεμέα empfohlen werden, welche Posnansky 84 mit Recht abfertigt; dessen Abhandlung, die bis auf die Frage der Urheimat der A. beinahe erschöpfend zu nennen ist, liegt stofflich diesem Artikel zu Grunde.
[Tümpel.]

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