Julia Domna († 217 in Antiocheia) war die zweite Ehefrau des römischen Kaisers Septimius Severus (193–211) und die Mutter der Kaiser Caracalla (211–217) und Geta (Mitherrscher 211).
Herkunft
Julia Domna stammte aus der syrischen Stadt Emesa (heute Homs). Ihre Familie war dort sehr angesehen; es waren wohl Nachkommen des arabischen Fürstengeschlechts, das die Stadt noch im 1. Jahrhundert n. Chr. beherrscht hatte, bevor Emesa in die römische Provinz Syria eingegliedert wurde. In dieser Familie war das Amt des Oberpriesters des Sonnengottes Elagabal erblich, dessen Kult im religiösen Leben der Emesener eine zentrale Rolle spielte. Von Julias Vater Julius Bassianus ist nur bekannt, dass er dieses Amt ausgeübt hat.
Heirat, Mutterschaft und Aufstieg
Überregionale Bedeutung erlangte die Familie erst dadurch, dass Julia Domna den künftigen Kaiser Septimius Severus heiratete, dessen Aufstieg damals (die Ehe wurde wohl 187 geschlossen) noch nicht abzusehen war. In den frühen achtziger Jahren hatte er sich als Legionslegat (Kommandeur) der Legio IIII Scythica in Syrien aufgehalten und war wohl in dieser Zeit mit Julias Familie in Kontakt gekommen. Er soll sie deswegen als Gemahlin gewählt haben, weil ihr Horoskop ihr einen Herrscher als Gatten verhieß. Diese Überlieferung dürfte einen historischen Kern haben, denn Severus legte zeitlebens großen Wert auf Vorzeichen und Prophezeiungen.
Am 4. April 188 wurde Julias erster Sohn Caracalla geboren. Damals lebte das Ehepaar in Lugdunum, dem heutigen Lyon, dem Verwaltungssitz der Provinz Gallia Lugdunensis, deren Statthalter Septimius Severus war. Später hielt sich die Familie in Rom auf. Dort wurde am 7. März 189 der jüngere Sohn Geta geboren. Außerdem soll Septimius Severus zwei Töchter gehabt haben, die aber möglicherweise aus seiner ersten Ehe stammten. 191–- 193 war er Statthalter der Provinz Pannonia superior, in deren Hauptstadt Carnuntum (heute Petronell-Carnuntum in Niederösterreich) damals wohl auch Julia und die Kinder lebten. Am 9. April 193 wurde Septimius Severus in Carnuntum von den Truppen zum Kaiser ausgerufen, am 9. Juni zog er in Rom ein. Julia erhielt nun den Titel Augusta.
Rolle als Kaiserin
Als Kaiserin begleitete Julia mit den beiden Söhnen ihren Mann auf Reisen bzw. Feldzügen (195 Orientfeldzug, 197–202 Orientaufenthalt in Zusammenhang mit einem Feldzug gegen die Parther, 203 Afrikareise, 208–- 211 Britannienfeldzug). Seit April 195 trug sie den Ehrentitel mater castrorum (Mutter des Feldlagers). Ein gefährlicher Gegner Julias war der Prätorianerpräfekt Gaius Fulvius Plautianus, ein Landsmann des Kaisers aus dessen libyscher Heimatstadt Leptis Magna, der eine außerordentliche Machtstellung errang und sogar 202 die Heirat seiner Tochter Fulvia Plautilla mit dem Thronfolger Caracalla durchzusetzen vermochte. Er konnte es sich sogar erlauben, die Kaiserin respektlos zu behandeln. Erst 205 gelang es Caracalla, ihn mit einer Intrige zu stürzen und töten zu lassen. Daraufhin konnte Julia ihren Einfluss ausbauen. Die folgenden Jahre waren aber von dem Konflikt zwischen ihren beiden Söhnen Caracalla und Geta überschattet, die nach dem Willen ihres Vaters künftig gemeinsam herrschen sollten, aber einander hassten und sich nicht versöhnen ließen.
Das Krisenjahr 211
Nachdem Septimius Severus am 4. Februar 211 auf dem Britannienfeldzug in Eboracum (heute York) gestorben war, übernahmen Caracalla und Geta die Herrschaft, wobei Caracalla von Anfang an als der Ältere das entscheidende Wort hatte. Wegen ihrer Todfeindschaft trieb das Reich auf einen Bürgerkrieg zu. Der Geschichtsschreiber Herodian berichtet, dass sogar eine Reichsteilung erwogen wurde, wobei Geta die östliche Reichshälfte erhalten hätte; angeblich widersetzte sich Julia diesem Vorhaben und brachte es zum Scheitern. Ein solcher Plan war aber – falls er je bestand – ohnehin chancenlos, denn Caracalla war entschlossen, die Alleinherrschaft zu erlangen.
Im Dezember 211 gelang es Caracalla schließlich, den Bruder in einen Hinterhalt zu locken. Er überredete Julia, ihn zu einem Versöhnungsgespräch einzuladen. Leichtsinnigerweise meinte Geta, in Anwesenheit der Mutter vor seinem Bruder sicher zu sein, und erschien ohne seine Leibwache. Caracalla ließ ihn sofort in den Armen der ahnungslosen Julia töten, wobei auch sie verletzt wurde. Anschließend wurde über Geta die damnatio memoriae verhängt und die Tilgung seines Namens in allen öffentlichen Denkmälern und Schriftstücken mit größter Gründlichkeit betrieben. Caracalla ließ sogleich Tausende (angeblich etwa 20.000 Personen beiderlei Geschlechts) töten, die als Anhänger Getas galten. Es war bei Todesstrafe verboten, um Geta zu trauern, und das Verbot galt auch für Julia, die streng überwacht wurde. Dass eine Mutter keine Trauer um ihren Sohn zeigen durfte, galt auch nach damaligen Maßstäben als unmenschlich, und die Tragik der Lage, in der sich Julia befand, hat den zeitgenössischen Geschichtsschreiber Cassius Dio stark beeindruckt.
Rolle als Kaiserinmutter unter Caracalla
Aller Wahrscheinlichkeit nach war seit Getas Tod das Verhältnis zwischen Julia und Caracalla unheilbar zerrüttet. Äußerlich wurde sie aber weiterhin hoch geehrt und konnte sogar auf die Reichsverwaltung einen begrenzten Einfluss nehmen, dessen Ausmaß in der Forschung umstritten ist. Caracalla interessierte sich in erster Linie für militärische Angelegenheiten, aber es ist nicht anzunehmen, dass er die Verwaltung weitgehend dem Ermessen seiner Mutter überließ; vielmehr hat er sich stets alle wesentlichen Entscheidungen vorbehalten.
Im Gegensatz zu Caracalla, der kein Interesse an Kultur zeigte, war Julia Domna für das geistige Leben sehr aufgeschlossen. Um sie hatte sich schon zu Lebzeiten ihres Mannes ein Kreis von Literaten und philosophisch Interessierten gebildet. Zu ihnen gehörte der Schriftsteller Philostratos, der Autor einer romanhaften Lebensbeschreibung des pythagoreischen Philosophen Apollonios von Tyana, die er seiner Behauptung zufolge auf Julias Wunsch verfasste. Dieses Werk vollendete er aber erst nach Julias Tod.
Im Frühjahr 214 begab sich Caracalla mit seiner Mutter in den Osten des Reichs, von wo er nicht mehr zurückkehrte. Er trat wie ein Nachfolger Alexanders des Großen auf und wollte das Partherreich vernichten. Während er 216 einen wenig ergiebigen Feldzug unternahm, auf dem die Parther dem Kampf auswichen, und dann nach Edessa zurückkehrte, wo er den folgenden Winter verbrachte, blieb Julia in der Großstadt Antiocheia. Dort erhielt sie die Nachricht vom Tod ihres Sohnes, den ein Leibwächter am 8. April 217 auf Anstiften des Prätorianerpräfekten Macrinus ermordet hatte. Macrinus wurde zum Kaiser ausgerufen.
Tod
Mit Caracallas Tod starb die männliche Nachkommenschaft des Septimius Severus und Julias aus, und die Machtübernahme des neuen Kaisers Macrinus bedeutete einen Dynastiewechsel. Aus Trauer fügte Julia sich – einem damals verbreitetem Trauerbrauch gemäß – selbst Verletzungen zu, die dazu führten, dass ihr bereits schlechter Gesundheitszustand – sie litt an Brustkrebs – sich verschlimmerte. Entgegen ihren anfänglichen Befürchtungen beließ Macrinus ihr einige der mit ihrem Rang verbundene Privilegien. Daraufhin soll sie Hoffnung auf eine Schicksalswende, ja auf eine Rückkehr ins Machtzentrum geschöpft haben. Als Macrinus das bemerkte, befahl er ihr, Antiocheia zu verlassen. Nunmehr sah sie für sich keine Zukunft mehr und nahm, bereits stark geschwächt, keine Nahrung mehr zu sich, bis sie (offenbar noch im Frühjahr 217) starb. Dass sie zum Selbstmord gezwungen wurde, ist nicht anzunehmen.
Ihre energische und machtbewusste Schwester Julia Maesa, die Großmutter der künftigen Kaiser Elagabal und Severus Alexander, fand sich mit den neuen Verhältnissen nicht ab. Elagabal wurde als unehelicher Sohn Caracallas ausgegeben. So gelang es, mit severertreuen Truppen Macrinus zu stürzen und den erst vierzehnjährigen Elagabal zum neuen Kaiser zu machen. Damit fiel Julia Maesa eine politische Schlüsselrolle zu.
Der Leichnam Julia Domnas wurde zur Beisetzung nach Rom gebracht, und sie wurde im Rahmen des Kaiserkults zur Gottheit erhoben.
Legenden und Rezeption
Schon zu Caracallas Lebzeiten kursierten anscheinend Gerüchte über eine sexuelle Beziehung Caracallas zu seiner Mutter nach dem Tod seines Vaters. Die als spottlustig bekannten Einwohner der Stadt Alexandria in Ägypten verglichen Julia Domna mit Iokaste, der Mutter des mythischen Königs Ödipus, der seinen Vater erschlagen und dann seine Mutter geheiratet hatte. Dabei handelte es sich um eine von Gegnern Caracallas verbreitete Verleumdung. In Wirklichkeit war das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn nach dem Tod Getas schlecht, und nach dem Bericht des zeitgenössischen Geschichtsschreibers Cassius Dio hat sie Caracalla sogar gehasst. Inzest war ein Topos der Tyrannendarstellung und wurde schon Nero unterstellt.
Vom 4. Jahrhundert an wurde der Klatsch aber allgemein geglaubt, von vielen Quellen übernommen und verbreitet und dabei phantasievoll umgewandelt, erweitert und ausgeschmückt. Die meisten Quellen, darunter Aurelius Victor, Eutropius und die Epitome de Caesaribus machten aus Julia Domna die Stiefmutter Caracallas und behaupteten, er habe sie geheiratet. Diese phantastische Darstellung findet sich auch bei christlichen Autoren der patristischen Zeit (Orosius, Hieronymus) und prägte im Mittelalter das Bild Caracallas als eines hemmungslosen Unholds.
Bei Aurelius Victor erscheint Julia als schamloses Weib, das den Stiefsohn verführt. Solche Schilderungen entsprachen offenbar den Erwartungen des Lesepublikums. Als Rechtfertigung wird ihr in den Mund gelegt, dass ihm das, was er begehre, erlaubt sei. Dies war eine Anspielung auf den juristischen Grundsatz, dass der Kaiser über dem Gesetz steht (Princeps legibus solutus est; Ulpian, D. 1,3,31).
Ferner wurde Julia Domna von ihren Gegnern des Ehebruchs und der Verschwörung gegen ihren Ehemann bezichtigt; außerdem gab man ihr die Hauptschuld am Bürgerkrieg zwischen Septimius Severus und Clodius Albinus. Dabei dürfte es sich um freie Erfindungen handeln.
Eine moderne „Legende“ ist die im 19. und frühen 20. Jahrhundert verbreitete, heute überholte Auffassung, mit Julia Domna habe eine kulturelle Orientalisierung eingesetzt.
Literatur
Francesca Ghedini: Giulia Domna tra Oriente e Occidente. Le fonti archeologiche, Rom 1984, ISBN 88-7062-559-1.
Erich Kettenhofen: Die syrischen Augustae in der historischen Überlieferung, Bonn 1979, ISBN 3-7749-1466-4.
Rendel Schlüter: Die Bildnisse der Kaiserin Iulia Domna, Diss., Münster 1971.
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