"Süß und ehrenvoll ist es, für das Vaterland zu sterben." - Carmina 3, 2, 13
(Original lat.: "Dulce et decorum est pro patria mori")
Horaz (* 65 v. Chr.; † 8 v. Chr.), eigentlich Quintus Horatius Flaccus, ist neben Vergil einer der bedeutendsten römischen Dichter der „Augusteischen Zeit“, das heißt der Zeit zwischen 43 v. Chr. - 14 n. Chr., vom Tod Ciceros bis zum Tod des Augustus.
Leben
Über das Leben des Dichters ist uns aus den Beschreibungen des Sueton sowie auch aus Selbstaussagen relativ viel bekannt. Geboren wurde Quintus Horatius Flaccus (= Schlappohr) im Jahre 65 v. Chr. in der apulischen Stadt Venusia (Venosa). Sein Vater, ein ehemaliger Sklave, hatte es als coactor arentarius (Versteigerungsagent) zu einigem Wohlstand gebracht. Nach einer Übersiedlung nach Rom erhielt Horaz eine Ausbildung in der angesehenen Rednerschule des Grammatikers Orbilius. Anschließend schickte ihn der Vater zum Studium nach Athen. Nach der Ermordung Caesars schloss sich Horaz in Athen den Truppen der Caesarmörder Brutus und Cassius an und wurde Militärtribun. Nach der verlorenen Schlacht bei Philippi (42 v. Chr.) konnte er zwar nach Rom zurückkehren, allerdings war es mit seinen Karrierehoffnungen zu Ende. Der Besitz seines Vaters wurde enteignet. Er erkaufte sich eine Sekretärsstellung und hatte nun viel Zeit, sich der Dichtung zu widmen. Im Jahr 38 v. Chr. wurden Vergil und Varius auf Horaz aufmerksam und stellten ihn dem großen Gönner und Adeligen Maecenas vor. Dieser nahm sich des jungen Dichters an, und es entstand eine große Freundschaft zwischen den sehr verschiedenen Männern. Maecenas schenkte Horaz ein Landgut in den Sabinerbergen, was der Dichter durch angestrengtes dichterisches Schaffen vergalt. Im Jahre 8 v. Chr. starb Maecenas und noch im selben Jahr, am 27. November, auch Horaz.
Werke
Die künstlerische Entwicklung des Horaz kann in drei Stufen unterteilt werden:
Das temperamentvolle und angriffslustige Frühwerk, mit den Satiren und Epoden (42-30 v. Chr.)
Die klassische Reife, mit den Oden I-III und den Episteln I (31-20 v. Chr.)
Die Abgeklärtheit des späten Werkes, mit dem Carmen saeculare, den Oden IV und den Episteln II (18-13 v. Chr.)
Satiren
Die zwei Bücher der Satiren bestehen aus zehn beziehungsweise acht teilweise recht umfangreichen Einzelgedichten in Hexametern. Horaz selbst nannte sie Sermones („Gespräche“). Er spricht darin mit Maecenas, mit dem Leser, mit sich selbst, und führt die Personen im Dialog vor. Ziel dieser nicht unbedingt harmlosen Plaudereien ist, dem Leser mit Humor die unangenehme Wahrheit aufzuzeigen. Vorbild war ihm der römische Satiriker Lucilius.
Horaz war stets um das Wesentliche und Straffheit bemüht. So lautete sein Kunstprinzip: Vielfalt in der Beschränktheit. Zentrales Thema ist die rechte Lebensgestaltung. Die meisten Gedichte geißeln Laster, die sozialen Unfrieden stiften oder zumindest die menschlichen Beziehungen beeinträchtigen, wie zum Beispiel: Habgier, Ehebruch, Aberglaube, Schlemmerei ... Im Gegensatz zu Lucilius, der schonungslos hochgestellte Zeitgenossen anprangerte, musste sich Horaz in dieser Beziehung zurückhalten. Seine Ausfälle beschränkten sich auf verstorbene Personen, einflusslose Leute und stadtbekannte Außenseiter. Nicht selten stellte er stellvertretend für den Normalbürger auch sich selbst und seine Schwächen dar.
Epoden
Als Epoden (griechisch 𠇮podós“, Nachgesang, Refrain) werden die 17 Gedichte eines schmalen Buches bezeichnet. Epoden deshalb, weil jeweils ein Langvers mit einem refrainartigen Kurzvers abwechselt. Horaz nannte das Buch „Iambi“, obwohl nur elf Gedichte im iambischen und die übrigen sechs im daktylischen Rhythmus geschrieben sind. Urheber der Epodendichtung und Vorbild des Horaz war der Ionier Archilochos von Paros (um 650 v. Chr.). In Rom führte Horaz die Epodendichtung als Neuheit ein. Horaz dichtete einerseits für seinen Gönner Maecenas sowie andererseits für einen unbekannten Leserkreis. Deshalb waren wie schon bei den „Satiren“ auch hier Vorsicht und Rücksicht geboten. Selten nannte er Namen, und selbst dann waren es meist Decknamen. Die drei bekanntesten „Epoden“, die auch einen Übergang zur Dichtung der „Oden“ bilden, sind: „Sorge um Maecenas und den Ausgang des Krieges mit Antonius“, „Aufatmen über den Sieg bei Actium“ und „Winterliches Trinklied“.
Oden
Nach seinem Erfolg mit den „Satiren“ und „Epoden“ widmete sich Horaz der frühgriechischen Lieddichtung, deren Blütezeit etwa von 670-450 v. Chr. dauerte. Während sich die griechischen Lieddichter selbst Sänger oder Musendiener nannten, bürgerte sich später der Begriff Lyriker nach ihrem Hauptinstrument, der siebensaitigen Lyra, ein. Horaz schrieb vier Lyrikbücher, die „Carmina“, die insgesamt 104 Gedichte enthalten. Die ersten drei verfasste er um 23 v. Chr. und das vierte um 13 v. Chr. Im Gegensatz zu den nicht immer ganz ausgereiften „Epoden“ stellen die „Oden“ (Odé, Gesang) eine vollendete Meisterleistung dar. Themen sind wie schon bei den Griechen vor allem Liebe und Politik, aber auch Freundschaft, Alltäglichkeiten des Lebens und Fragen aus der Philosophie. Vorbild war unter anderem Alkaios, von dem er teilweise auch die Strophenform übernahm. Im großen Unterschied zu seinen griechischen Vorgängern war Horaz nur Dichter und nicht Musiker. Deshalb waren seine „Oden“ nicht vertont. Eine Ausnahme bildete nur das 17 v. Chr. für die Jahrhundertfeier, die den Beginn einer Friedensära einleiten sollte, verfasste „Carmen saeculare“. Wie auch schon die Chorlyriker liebte es Horaz, in einem Gedicht die verschiedensten Themen zusammenzufügen. Oft verwendete er verhaltene, hintergründige Aussagen. Mittel dazu waren treffende Bilder, Aussparungen, Offenlassungen und leise Untertöne. Viele seiner Gedichte beginnen wuchtig und klingen leicht und heiter aus. Beispiel: 1, 9.
Obwohl Horaz kurze Gedichte bevorzugte, sind auch zahlreiche längere Gedichte erhalten. Wichtig sind hier vor allem das „Carmen saeculare“ und die sechs „Römeroden“. Letztere mahnten das römische Volk an die alten mores maiorum: der Genügsamkeit, Tapferkeit, Treue, Standhaftigkeit, Gerechtigkeit und Ehrfurcht.
Episteln
Da die Oden nicht den erhofften Erfolg brachten, ließ Horaz ab 20 v. Chr. von der Lyrik ab und widmete sich dem ersten Buch der Epistulae („Episteln“). Zusammengesetzt aus 20 Briefgedichten im Hexameter, legte Horaz in diesem Buch seine Lebensphilosophie dar. Diese Lebensphilosophie geht nicht von abstrakten Begriffen aus, sondern vom einzelnen Menschen mit seinen Fehlern, Schwächen und Eigenheiten. Sie fordert nicht auf, über den eigenen Schatten zu springen, wohl aber, sich in der eigenen Art um ein rechtes Maß zu bemühmen, damit das Zusammenleben der Menschen erträglich bleibt. Vorbild für die „Epistulae“ waren ihm wahrscheinlich die Briefe des attischen Philosophen Epikur.
Im zweiten Buch der „Epistulae“ ab 13 v. Chr. betätigte sich Horaz als Literaturkritiker. Drei große Briefgedichte widmete er am Ende seiner Schaffenszeit diesem Thema. Zwei davon bilden das zweite Buch der „Epistulae“. Im ersten Brief an Augustus kritisiert der Dichter die gedankenlose Überbewertung der altrömischen Dichtung, vor allem des Dramas, und weist auf den Wert der neuen Klassik, mit den Werken von Vergil und Varius, hin. Im zweiten Brief (an Florus) entsagt er scheinbar der Dichtung zugunsten der Philosophie, nur um in Wahrheit auf die erdrückenden Anforderungen an einen Dichter hinzuweisen. Im dritten und längsten Literaturbrief (an die Pisonen), der als gesondertes Buch unter dem Titel De arte poetica überliefert ist, will Horaz als Dichter Rechenschaft ablegen und den Geschmack verständiger Leser bilden. Er will Dilettanten, Nachahmern und Modepoeten das Handwerk erschweren, aber echte Begabung auf ihrem harten Weg ermuntern.
Wirkungsgeschichte
Horaz wurde bald Schulautor, erhielt aber nicht die Breitenwirkung wie Vergil oder Ovid. Dennoch war Horaz besonders für den Gelehrtenkreis um Karl den Großen und später für die Humanisten von Bedeutung. Von größter Bedeutung war Horaz aber für die französischen Klassiker des 16. und 17. Jahrhunderts. Insbesondere versuchten Dichter und Kritiker wie Boileau oder Opitz, aus dem Brief De arte poetica eine programmatische Poetik zu (re)konstruieren, wie sie in dieser Systematik von Horaz kaum beabsichtigt war.
Bekannte Zitate
Lateinische Sprichwörter
»Pulvis et umbra sumus« - Staub und Schatten sind wir.
»Aurea mediocritas« - Die goldene Mitte.
»Carpe diem,quam minimum credula postero!« - Greif diesen Tag, nimmer traue dem nächsten!
»Sapere aude!« - Wage es, den Verstand zu benutzen!
»Odi profanum vulgus et arceo« - "Ich hasse den gemeinen Pöbel und meide ihn!"
»Dulce et decorum est pro patria mori« - Süß und ehrenvoll ist es, für das Vaterland zu sterben.
»Ut pictura poesis erit« - "Dichtung ist wie Malerei." Es ist dabei jedoch anzumerken, dass der programmatische Satz erst durch eine Änderung der Interpunktuation während der Tradierung entstand: ursprünglich lautete er "ut pictura poesis: erit quae ..." (ars poetica, 361-362) und bezeichnet nur eine deutlich schwächere Gleichstellung der Malerei mit der Dichtkunst; in seiner veränderten Form wurde er zum Programmsatz in der ut-pictura-poesis-Debatte von der Renaissance bis zur Aufklärung. Das Zitat ist angelehnt an den Ausspruch des Simonides: Dichtung als sprechende Malerei, Malerei als schweigende Dichtung (Plutarch).
»O matre pulchra filia pulchrior« - "O schönere Tochter einer schönen Mutter"
»Ille terrarum mihi praeter omnes angulus ridet« - Dieser Winkel der Erde lacht mich mehr als jeder andere an.
Später das Motto der dänischen Nationalhymne Der er et yndigt land.
»Aut prodesse volunt aut delectare poetae« - Die Dichter wollen entweder nützen oder unterhalten.
»Sic quia perpetuus nulli datur usus, et heres heredem alterius velut unda supervenit undam, quid vici prosunt aut horrea?«
- Wenn also kein Besitztum ewig währet und, Wellen gleich, ein Erbe stets des andern Erben verschlingt, was helfen große Güter dir und volle Scheunen?
»Graecia capta ferum victorem cepit et artes intulit agresti Latio« - Das bezwungene Griechenland bezwang den rohen Sieger und brächte die Künste in das bäuerische Latium.
»Si fractus inlabatur orbis inpavidum ferient ruinae« - Selbst wenn die Welt zerborsten einstürzt, werden die Trümmer einen Furchtlosen treffen.
Philosophie des Horaz
Horaz bezeichnete sich selbst als ein Schüler Epikurs. Dabei hängt er der epikureischen Lehre nicht auf orthodoxe Weise an, sondern hat für sich einige Grundprinzipien übernommen: Lust ist das einzige Gut und Schmerz das einzige Übel. Dabei ist die wahre Lust der Zustand vollkommener Ruhe und Ungestörtheit, das stille Glück im Garten (bzw. auf dem Lande), das sich aus dem Getriebe der Welt heraushält. Götter existieren, doch sie 'leben' glückselig und abgesondert von der Welt und üben keinen Einfluss auf sie aus.
Literatur
Ausgaben
Q. Horati Flacci Opera, edidit D. R. Shackleton Bailey. Teubner, 3. Aufl. Stuttgart 1995. Führende wissenschaftliche Textausgabe
Quintus Horatius Flaccus: Opera, lat./dt. Mit einem Nachwort hrsg. von Bernhard Kytzler. Reclam, Stuttgart 1992 u.ö. Handliche Prosaübersetzung
Sekundärliteratur
Andreas Heinrich Bucholtz: "Des vortreflichen Römischen Poeten Q. Horatius Flaccus", Universitätsdrucker Petrus Lucius Rinteln, 1639
Eduard Fraenkel: Horaz. Aus dem Engl. (Oxford 1957) von Gertrud und Erich Bayer. Wiss. Buchgesellschaft, Darmstadt 1963, 6. Aufl. 1983 (Klassische Gesamtdarstellung der Dichtung des Horaz)
Bernhard Kytzler: Horaz. Eine Einführung. Reclam, Stuttgart 1996, 2000 (Übersichtliche und gut verständliche Einführung)
Karl Numberger: Horaz, Lyrische Gedichte, Kommentar für Lehrer der Gymnasien und für Studierende, 3. Auflage, Aschendorff, Münster 1993
Hans Oppermann (Hrsg.): Wege zu Horaz. Darmstadt 1980.
Michael C. J. Putnam: Artifices of Eternity. Horace's Fourth Book of Odes. Cornell University Press, Ithaca und London 1986 (Glänzende 'Rehabilitation' des lange als zweitrangig betrachteten vierten Odenbuches)
Lindsay C. Watson: A commentary on Horace's Epodes. Oxford 2003
Lee, Rensselaer: ut pictura poesis. The Humanistic Theory of Painting, New York: 1967
Sprüche
Das eroberte Griechenland erobert den wilden Sieger und bringt die Künste und Wissenschaft in das bäuerliche Latium." - Briefe, II, I, 156f (über den kulturellen Einfluss der Griechen auf die Römer)
(Original lat.: "Graecia capta ferum victorem cepit et artes intulit agresti Latio.")
Im Wein liegt Wahrheit." - Satiren
(Original lat.: "In vino veritas.")
Antikes Griechenland
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