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Wischnu, (Ind. M.), einer der höchsten indischen Götter, die zweite Person der indischen Dreieinigkeit: der Erhalter. Sein Cultus ist in Indien sehr allgemein verbreitet; er ist das Alles durchdringende Wesen, die allgemeine Weltseele im Glauben seiner Verehrer. Unser Bild stellt diesen Gott, auf der Schlange Schecha liegend, vor. Sie hat sich in drei mächtige Ringe zusammen gerollt, einen Polsterthron bildend, und ihr fünffacher Kopf erhebt sich als Baldachin über dem Haupte des Gottes. Des Gottes Hauptschmuck ist pyramidal, und gleicht dem des Brama und anderer erhabener Götter: auf der Stirn trägt er drei weisse Striche, welche sich auf der Nasenwurzel zu einem Dreieck vereinigen, ein Symbol, das alle Bekenner seines Cultus tragen und täglich erneuern. Mit einer seiner Hände macht er das Zeichen der Beruhigung; in zweien andern Händen trägt er glänzende Edelsteine, wie er denn überhaupt sehr reich geschmückt ist. Ein langer Rosenkranz fällt ihm bis auf die Kniee herab. Seines Daseins höchster Zweck war die Beglückung der Welt, und zu dessen Erreichung hat er sich zehn Hauptverwandlungen unterworfen. - Die erste dieser Awataras (Verkörperungen) heisst Matsy awatara, d.i. W.'s Verkörperung als Fisch. Die Geschichte dieser Verwandlung ist unter Matsy awatara gegeben. - Ueber die zweite Verkörperung W.'s, als Schildkröte, s. man den Art. Kurma awatara. - In der dritten Incarnation, Wara awatara, rettete W., als Eber gestaltet, die Erde aus den sieben unterirdischen Welten (Patukas), wohin sie, in ein Blatt zusammengerollt, der furchtbare Riese Heraunhi Aksana geborgen hatte. Es ist diess wahrscheinlich ein Symbol der Urbarmachung der Erde nach einer Sündfluth; dem Eber werden Feuerzeichen beigelegt, weil Wasser und Feuer, oder Feuchtigkeit und Wärme, in Kampf und Verbindung mit einander das Feste hervorbringen. - W.'s vierte Verkörperung, Narasinha awatara (als Mensch- Löwe), geschah zur Bekämpfung eines Frevlers, der ihn und seine Macht geläugnet. Nachdem nämlich zwei Genien, die den Götterpalast hüteten, sieben heilige büssende Braminen (Maharschi) beleidigt, hatte einer der beiden bösen Genien sich zur Sühne allen möglichen Selbstpeinigungen unterworfen, war büssend von Stufe zu Stufe, und endlich, während 50 Millionen Jahren, zum Obersten aller bösen Geister gestiegen. Darauf, von Brama zum Herrscher des Weltalls gemacht, ward er übermüthig, denn ihm war Unverwundbarkeit vor Menschen und Thieren, selbst vor Götterhänden, Sicherheit im Himmel und auf Erden, bei Tag und Nacht, verliehen worden. Desshalb geschah auch weder von Gott, noch von Menschen, noch von einem Thiere, sondern von W. als Mensch-Löwe, als Halbthier, des Riesen Bezwingung; auch erfolgte sie weder bei Tag, noch bei Nacht, sondern in der Dämmerung, auch nicht in und nicht ausser dem Hause, sondern auf der Schwelle; des bösen Genius Sohn hatte, ein eifriger Verehrer W.'s, den Vater von dessen Allgegenwart zu überzeugen gesucht, dieser, ihn verspottend und dieselbe läugnend, hatte zum Beweise mit dem Schlachtbeil eine Granitsäule gespalten, fragend, ob W. auch dort sei. Da sprang nun W. in der schrecklichen Gestalt des Löwenmannes heraus und riss dem Frevler die Eingeweide aus dem Leibe, ihn damit erwürgend. - Wumana awatara ist die fünfte Verkörperung des W., in der Gestalt des Bramen oder Lingamzwerges. Der Riese Bali, ein Feind der Götter, lebt im Kampf mit diesen. Als bramanischer Zwerg erscheint W. vor ihm und bittet ihn um drei Fuss breit Landes, um daselbst den Göttern opfern zu dürfen; der Riese verspricht, die Bitte zu erfüllen, da nimmt der Gott seine Göttergestalt an, bedeckt mit einem Fuss die ganze Erde, mit dem andern den ganzen Raum zwischen Himmel und Erde, und wieder mit dem ersten tritt er des Riesen Kopf in die Patalas (Unterwelt). - Es folgt nun die sechste Verwandlung, Parashurama. In dem zweiten der vier Weltalter der Indier lebte ein heiliger Bramine. Dschamadagni, welchem Indra, der Sonnengott, die himmlische Kuh Kamdewa, zur Obhut
Indische Mythologie