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Yanis Varoufakis (griechisch Γιάνης Βαρουφάκης[1], Gianis Varoufakis; * 24. März 1961 in Athen) ist ein griechischer Wirtschaftswissenschaftler, der auch die australische Staatsangehörigkeit besitzt. Er ist Verfasser mehrerer Sachbücher und aktiver Blogger. Bei der Parlamentswahl 2015 wurde er für SYRIZA ins griechische Parlament gewählt und war vom 27. Januar[2] bis zum 6. Juli 2015[3] Finanzminister im Kabinett Alexis Tsipras.
Studium und Lehrtätigkeit
Nach dem Erwerb der Hochschulreife an der Privatschule Moraitis in Athen studierte Varoufakis Wirtschaftsmathematik an der Universität Essex[4] und mathematische Statistik an der Universität Birmingham. Zwischen 1983 und 1985 lehrte er zunächst in Essex, wo er zwei Jahre später in Ökonomie promoviert wurde. Von 1986 bis 1988 war er Fellow und Lehrkraft an der Universität Cambridge. Zudem dozierte er an den Universitäten von East Anglia, Glasgow und Sydney, bevor er im September 2000 als Professor für Ökonomie an die Nationale und Kapodistrias-Universität Athen berufen wurde. Ab 2013 lehrte er als Gastprofessor an der Lyndon B. Johnson School of Public Affairs der Universität Texas in Austin.[5]
Ökonomische Laufbahn
Kontakte zur Familie Papandreou
Zugang zur politischen Elite Griechenlands bekam Varoufakis im Alter von 17 Jahren. Bei der Parlamentswahl 1977 wurde mit Petros Moralis ein ehemaliger Mentor von Varoufakis ins griechische Parlament gewählt. Moralis war seinerzeit enger Vertrauter des Parteivorsitzenden der sozialdemokratischen PASOK, des späteren Ministerpräsidenten Andreas Papandreou. Um seinen Förderer an dessen neuer Wirkungsstätte zu erleben, suchte Varoufakis Moralis im Parlament auf. Dabei lernte er auch Papandreou persönlich kennen. Bereits 1975 trat Varoufakis' Mutter der Griechischen Frauen-Union bei, deren Vorsitz Papandreous Frau Margarita führte. Papandreou, promovierter Ökonom an der Harvard University, stellte Varoufakis für seine anstehende Bewerbung ein Empfehlungsschreiben aus. Im Jahr 2000 kehrte Varoufakis nach 23-jährigem Auslandsaufenthalt nach Griechenland zurück.
Als Anfang 2004 Giorgos Andrea Papandreou, der Sohn des 1996 verstorbenen Andreas Papandreou, den Vorsitz der PASOK übernahm, offerierte dieser Varoufakis eine Tätigkeit als Wirtschaftsberater der Partei. Im Dezember 2006 distanzierte sich Varoufakis jedoch von Papandreou, weil er die wirtschaftspolitische Haltung der PASOK nicht mitverantworten wolle. Ab 2007 befasste sich Varoufakis neben seinen Tätigkeiten an der Universität Athen primär mit der globalen Finanzkrise, die zum Auslöser der griechischen Staatsschuldenkrise wurde.[6]
Öffentliches Wirken
International bekannt wurde Varoufakis durch sein in sechs Sprachen übersetztes Buch The Global Minotaur (deutsch: Der globale Minotaurus) über die Entstehung der Finanzkrise.[7] Er verwendet darin die Metapher der Tribute an den Minotauros für seine zentrale These, dass seit dem Ende des Bretton-Woods-Systems Anfang der 1970er Jahre der größte Teil der Gewinne der deutschen, chinesischen und japanischen Industrie aus Exportüberschüssen in die USA zurückgeflossen sei und damit die stetig wachsende Verschuldung der USA erst ermöglicht habe. Der Verlag Zed Books zitierte die positive Rezeption des Buchs u. a. durch Steve Keen und Terry Eagleton.[8] Als Experte gab Varoufakis immer häufiger Interviews zur Weltwirtschafts- und Eurokrise im nationalen wie internationalen Fernsehen (z. B. auf den Sendern BBC, CNN, Sky News, RT und Bloomberg TV) und in der Presse. Sein Twitter-Account hatte vor seiner Ernennung zum Finanzminister fast 130.000 Follower.[9]
Als Papandreou sich im April 2010, nachdem er erst wenige Monate zuvor zum Ministerpräsidenten gewählt worden war, an die EU wandte, weil es seiner Regierung nicht gelungen war, der entstandenen Rezession entgegenzuwirken, und der Staat von den Kapitalmärkten so gut wie abgeschnitten war, wurde Varoufakis zu einem seiner schärfsten Kritiker. Die Minister der Eurozone beschlossen in Zusammenarbeit mit dem IWF, für griechische Kredite zu bürgen, wenn diese festgesetzte Spar- und Reformauflagen umsetzen würden, welche durch abgesandte Kontrolleure überwacht werden sollten. Diese Kontrollinstanz wurde später als Troika bekannt. Varoufakis erklärte, sein Land habe kein Liquiditätsproblem, es sei vielmehr schlicht pleite. Die gezahlten Gelder würden das Problem nur in die Zukunft verlagern, jedoch nicht lösen. Die auferlegten Maßnahmen hätten zur Folge, dass die bereits angeschlagene Wirtschaft völlig zum Erliegen komme. Er empfahl statt dessen, geliehene Summen zu reinvestieren. Wichtig war ihm zu betonen, dass sich seine Kritik gegen die Politik von Papandreou richtete und nicht gegen diesen als Person. Varoufakis trat immer häufiger im Fernsehen auf, und mit der Anzahl seiner Bewunderer stieg auch die Anzahl seiner Kritiker. Während die einen ihn dafür lobten, dass er auch schwierige Sachverhalte mit einfachen Worten wiedergeben könne, verurteilten ihn andere dafür, dass er sich zu sehr in die Politik einmische, von der er keine Ahnung habe und deren Komplexität er als Ganzes nicht verstehe.
Aufenthalt in den USA
Als im November 2011 der außen- wie innenpolitisch unter Druck geratene Papandreou zurücktrat und damit den Weg für eine Übergangsregierung unter dem Technokraten Loukas Papadimos freimachte, verurteilte Varoufakis diesen Schritt; damit verschärfe die neue Regierung die Austeritätspolitik ihrer Vorgänger. Das neugebildete Kabinett wurde auch von den bis dahin oppositionellen Konservativen unter Andonis Samaras getragen, die zuvor Papandreou für die aufkommende humanitäre Krise persönlich verantwortlich gemacht hatten, nun aber seine Politik fortführten.
Varoufakis selbst war inzwischen zu einer öffentlichen Person geworden. So trat er im Dezember 2011 in der Late Night Show Vradi auf und äußerte sich dort auch zu seinem Privatleben.[10] Einige Wochen zuvor hatte er, wie er in einem Blog erwähnte, eine E-Mail von Gabe Newell erhalten, Mitbegründer und Geschäftsführer des Softwareunternehmens Valve Corporation, der durch einen seiner Aufsätze zur Finanzkrise und seinen Blog auf ihn aufmerksam geworden war. Nach einem persönlichen Treffen bot ihm Newell eine Tätigkeit im Unternehmen an.[11] So wirkte er ab März 2012 zunächst ein Jahr lang als Ökonom und Analyst und ab März 2013 als Berater des Softwareentwicklers. Über die Ergebnisse seiner Forschungen berichtete er in einem hauseigenen Blog.[12] Seine Analysen flossen in Spiele wie Team Fortress 2, Dota 2 oder Counter-Strike: Global Offensive ein[13] und er forschte empirisch über die Vertriebsplattform Steam, die ihren Marktanteil im Oktober 2013 auf 75 % ausweiten konnte.[14] Darüber hinaus widmete er sich wieder der Lehre, ab 2013 als Gastprofessor an der University of Texas.
Auch dort verfolgte Varoufakis das politische Geschehen in Griechenland und berichtete darüber in Beiträgen, unter anderem für die New York Times und Boston Review. In einer seiner Kolumnen erklärte er, warum er und seine Partnerin Griechenland verlassen hätten; er machte die desolaten Umstände an den Fakultäten des Landes mit mehrfachen Gehaltskürzungen und mangelnden Arbeitsperspektiven auch für die Auswanderung vieler Absolventen und Kollegen verantwortlich. Er habe zudem Anfang 2012 mehrmals, telefonisch und schriftlich, anonyme Todesdrohungen erhalten, die sich nicht nur gegen ihn, sondern auch gegen seine Familie sowie seine im Ausland lebende Tochter gerichtet hätten.[15] Seit dem Regierungsantritt von Papadimos war er nicht mehr bei der staatlichen Rundfunk- und Fernsehanstalt ERT zu sehen; er protestierte jedoch im Juni 2013 gegen deren Schließung und bezeichnete den Schritt als „barbarisch“.[16] Hierzu veröffentlichte die Frankfurter Allgemeine Zeitung einige Tage später eine Übersetzung eines Beitrags von Varoufakis mit dem Titel „Warum das Staatsfernsehen ERT nicht sterben darf“.[17]
Wirtschaftspolitische Standpunkte
Varoufakis’ volkswirtschaftlicher Standpunkt wurde von einem Analysten als „John Maynard Keynes mit einem Hauch von Karl Marx“ beschrieben.[18] Die Neue Zürcher Zeitung bezeichnete ihn als Pragmatiker, der mit den europäischen Kollegen eine für beide Seiten akzeptable Lösung suchen wolle.[19] Varoufakis selbst begreift sich als dezidierter, aber unorthodoxer Marxist, wie er in einem Vortrag aus dem Jahre 2013 darlegte,[20] der 2015 als Artikel im Guardian leicht verändert wieder erschienen ist.[21] Er bekennt sich darin in der Substanz zu Karl Marx’ Analyse des Kapitalismus und als klarer Gegner sowohl des wirtschaftswissenschaftlichen Mainstreams („Neoliberalismus“) als auch des Keynesianismus. Seine Distanz zu Marx beschreibt er in dessen zu wenig kritischer Voraussicht der politischen Folgen seiner Theorie und andererseits einem Verhaftetsein an mathematischen Modellen, was zu einem gewissen deterministischen Denken führe.
Er ist ein strikter Gegner der Austeritätspolitik als Antwort auf die griechische Staatsschuldenkrise.[22] Seiner Ansicht nach „wurden hohe Verluste aus den Büchern der Banken auf die schwachen Schultern der griechischen Steuerzahler verschoben in dem vollen Bewusstsein, dass die Kosten, weil die griechischen Schultern zu schwach dafür waren, auf Deutschland, die Slowakei, Finnland, Portugal und so weiter überschwappen würden“. Nicht Griechenland sei gerettet worden, sondern Banken und verschiedene Hedgefonds. Da durch die drastischen Sparauflagen die Einkommen der Menschen um ein Viertel reduziert wurden und gleichzeitig die Lebenshaltungskosten stiegen, sei es sowohl für die öffentliche Hand als auch für den privaten Sektor in Griechenland unmöglich geworden, alte und neue Kredite zurückzuzahlen.[23]
In seinem erstmals 2010 zusammen mit Stuart Holland[24] und (ab der 4. Auflage 2013) mit James K. Galbraith veröffentlichten „A Modest Proposal for Resolving the Eurozone Crisis“[25] schlug Varoufakis die folgenden Punkte vor: die Banken der hochverschuldeten Staaten direkt unter die Aufsicht der EZB zu stellen, die Schulden der südeuropäischen Länder, sofern sie „Maastricht-konform“ sind (d. h. der Anteil, der unter 60 Prozent des BIP liegt) mit Unterstützung der EZB neu auf den Markt zu bringen, einen europäischen Investitionsfonds und ein Notprogramm finanziert aus Zinszahlungen auf Target2-Verbindlichkeiten. Die Autoren nennen ihren Vorschlag „modest“ (dt: bescheiden), weil sie der Ansicht sind, dass die europäischen Institutionen dadurch nicht grundsätzlich verändert würden. Den vorgeschlagenen Europäischen Investitionsfonds könne man, so Varoufakis Anfang 2015, auch „Merkel-Plan“ nennen – in Anlehnung an den „Marshall-Plan“ der 1950er Jahre.[26] Der Bremer Ökonom Hans-Heinrich Bass bezeichnete die Vorschläge von Varoufakis, Holland und Galbraith zustimmend als „unkonventionell, aber europa-konform“. Bass spricht im Zusammenhang mit der Umschuldung von einem „Reinwaschen“ eines Teils der Schulden, nämlich der „guten“, d. h. mit einem physischen Gegenwert (beispielsweise in der Infrastruktur) gesicherten, Schulden.[27] Demgegenüber bezeichnete der Journalist Christian Reiermann in Der Spiegel die Vorschläge als „Wolkenschiebereien“.[28] Der Text der drei Autoren ist am 27. Februar 2015 in deutscher Übersetzung erschienen unter dem Titel Bescheidener Vorschlag zur Lösung der Eurokrise.
Zu seiner Einschätzung der Zukunft der europäischen Gemeinschaftswährung erklärte Varoufakis:
„Der Euro ist nicht zukunftsfähig. Die Art und Weise, wie die EU diese Krise anging, war monumental idiotisch. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Situation nicht unter Kontrolle, Europas Bankensystem bleibt weiterhin fragmentiert, und wir bewegen uns eher in Richtung Nationalisierung der Politik als in Richtung Fiskalunion. Wenn wir Europas Probleme weiterhin so behandeln wie bisher, wird es in ein paar Jahren keinen Euro mehr geben.“
– Yanis Varoufakis: Interview[22] in profil
Politische Laufbahn
Kontakte zu Syriza
Auf die Frage, ob er sich selbst als Politiker vorstellen könne, entgegnete Varoufakis stets, dass er sich in der Rolle eines Vermittlers sehe, der sich als Ansprechpartner aller Parteien, mit Ausnahme der antidemokratischen, verstehe. Von daher stand er mit vielen Abgeordneten im Dialog, so auch mit Alexis Tsipras. Nachdem sich die Konservativen der Übergangsregierung Papadimos angeschlossen und Varoufakis seine neue Arbeitsstelle in den USA angetreten hatte, legte er zu den Parlamentswahlen 2012 seine neutrale Haltung erstmals ab und bekannte sich öffentlich zu den „radikalen Linken“ der Partei SYRIZA.[29] In ihnen sah er die demokratischste aller Möglichkeiten, Europa zu verbessern und das Land aus der Austerität (≈staatlichen Sparpolitik) zu führen. Als ihm Tsipras Anfang 2014 vorschlug, für die kommende Europawahl für Syriza zu kandidieren, lehnte Varoufakis ab. Er fühle sich geehrt, schrieb er in einem Beitrag, aber er sehe sich weiterhin nicht als Politiker. Als sich gegen Ende desselben Jahres dann abzeichnete, dass es zu einer vorgezogenen Parlamentswahl kommen könnte, forderte Tsipras Varoufakis auf, sich im Falle eines Wahlsiegs mit Syriza zusammen der Verantwortung zu stellen, um einen Weg aus der Krise zu finden. Inzwischen waren Griechenlands Staatsschulden größer als zu Beginn der Krise und das Land litt unter einer Massenarbeitslosigkeit von über 26 %, der höchsten in ganz Europa. Etwa 230.000 Unternehmen hatten seit Anfang 2010 Konkurs angemeldet, die Wirtschaftsleistung des Landes war um ein Viertel eingebrochen.[30] Varoufakis bekräftigte, eine Mitwirkung an einer Regierung mit Syriza wäre nur möglich, wenn sie vom griechischen Volk legitimiert und gewünscht wäre. So kandierte er für die Parlamentswahl 2015 im Wahlbezirk Athen B und wurde mit 135.638 Stimmen als Abgeordneter mit den meisten Stimmen bei dieser Wahl ins griechische Parlament gewählt.[31]
Finanzminister
Am 27. Januar 2015 berief der tags zuvor zum Ministerpräsidenten vereidigte Alexis Tsipras Varoufakis zum Finanzminister seines Kabinetts, unter anderem zuständig für die Verhandlungen mit den Partnern der Eurozone. Ihm zur Seite gestellt wurde Giannis Dragasakis, der die Aufsicht über die Bereiche Wirtschaft und Finanzen in der Regierung Tsipras führt.
In seiner ersten offiziellen Amtshandlung empfing er am 30. Januar 2015 Euro-Gruppenchef Jeroen Dijsselbloem, der nach Athen gereist war, um der neuen griechischen Regierung mitzuteilen, dass die Eurozone mit ihrer bisherigen Politik fortfahren werde, und um seinen Kollegen zu erklären, dass die Euro-Gruppe erwarte, dass die mit der vorherigen Regierung vereinbarten Regelungen auch von der neuen Regierung umgesetzt werden müssten und nicht verhandelbar seien. Dem entgegnete Varoufakis, sie seien gewählt worden, um mit den europäischen Partnern die Auflagen neu zu verhandeln; unter der neuen Regierung werde es keine weiteren Gehalts- und Rentenkürzungen geben, welche die Troika von der griechischen Regierung fordere. Als Dijsselbloem auf der anschließenden Pressekonferenz seine Position erneut bekräftigte und äußerte, einseitige Schritte oder das Ignorieren bisheriger Vereinbarungen seien kein Schritt nach vorne, kam es zum Eklat. Varoufakis teilte mit, dass man mit der Troika in der bisherigen Form nicht weiter zusammenarbeiten werde. Daraufhin wurde die Pressekonferenz beendet.[32][33] Damit war Varoufakis zum Gesicht der finanzpolitischen Krise geworden. Das mediale Interesse am griechischen Finanzminister stieg enorm; fortan berichtete vor allem die deutschsprachige Medienwelt zunächst fast täglich über Varoufakis, zum Missfallen mancher europäischer Kollegen. Zunehmend fand sich Varoufakis von seinen europäischen Kollegen isoliert, da sich die griechische Seite weiterhin weigerte, erneute Gehalts- und Rentenkürzungen zu akzeptieren, um die humanitäre Krise nicht weiter zu verschärfen. Ihren negativen Höhepunkt erlebten die Verhandlungen beim Eurogruppentreffen Ende April 2015 in Riga. Einige Diplomaten, die der Tagung beiwohnten, berichteten der Presse von persönlichen Beleidigungen gegenüber dem griechischen Finanzminister. Darauf angesprochen bestätigte Varoufakis zwar einen angeregten Dialog mit anderen Finanzministern, dementierte aber persönliche Beleidigungen gegenüber seiner Person. Überwiegend deutsche Medien berichteten dennoch, in Athen spiele man mit dem Gedanken, Varoufakis abzusetzen. Dem widersprach die griechische Regierung.[34] Um den Finanzminister in den weiteren Verhandlungen zu stärken, stellte Tsipras Efkleidis Tsakalotos – er ist stellvertretender Außenminister im Kabinett Tsipras, zuständig für internationale Wirtschaftsbeziehungen; er soll die Abläufe der Gespräche der einzelnen Gremien besser koordinieren – als Berater an Varoufakis' Seite.[35] Diesen Schritt interpretierten zahlreiche Medien im In- und Ausland als Teilentmachtung des Finanzministers. Dies war jedoch nicht die erste Medienkontroverse um seine Person.
Medienkontroversen
Varoufakis meinte in einem Interview,[36] dass die Kredite an Griechenland nicht funktionierten, sondern vielmehr in ein schwarzes Loch wanderten; dennoch würde unter anderem von Deutschland unverändert weitergezahlt. Er plädierte für einen klügeren Umgang mit den Ausgaben und verwahrte sich dagegen, vom deutschen Steuerzahler Geld zu leihen, um damit die EZB auszuzahlen. Aus diesem Zusammenhang heraus wurde von einigen Medien 2015 vielfach der Satz „Was immer die Deutschen sagen, sie werden zahlen“ so zitiert, als habe er Deutschland damit drohen wollen. Auf diese Mediendarstellung, die naturgemäß heftige Kritik heraufbeschwor,[37] antwortete Varoufakis, er hoffe, dass es sich bei dieser Darstellung nicht um Absicht handle.[38]
2013 erläuterte Varoufakis während eines Vortrags seinen Vorschlag, dass Griechenland im Januar 2010, wie unlängst Argentinien, die Zahlungsunfähigkeit gegenüber den Gläubigern hätte erklären sollen. Griechenland sei es heute jedoch nicht wie Argentinien möglich, dem IWF den Finger zu zeigen bzw. diese Option würde laut Varoufakis dem Land schaden. Als Hauptunterschiede zur Situation in Argentinien nannte er die griechische Wirtschaftsstruktur und die Gegebenheiten in der Eurozone, deren Mitglied Griechenland bleiben soll.[39] In Teilen der deutschen Medien wurde 2015 mit einem Ausschnitt daraus berichtet, Varoufakis habe den Deutschen für ihre Hilfszahlungen den Stinkefinger gezeigt. Dieser kritisierte wiederum, der Videoausschnitt sei „doctored“, wobei unklar blieb, ob er eine Bildfälschung oder eine falsche Darstellung durch die Zusammenfassung meinte.[40] Im Spiegel wurde Varoufakis später für diese Aussage kritisiert, denn er habe tatsächlich den Finger gezeigt, jedoch zugestimmt, dass die Geste in den Medien durch Auslassen des Kontextes irreführend eingeordnet wurde; er habe im Gegenteil eher gesagt, dass es 2013 keine Option sei, den Finger zu zeigen.[39]
Referendum und Rücktrittserklärung
Nachdem am 27. Juni 2015, Premierminister Tsipras ein Referendum über die Verhandlungen mit den Gläubigerinstitutionen angekündigt hatte, bat Varoufakis beim Eurogruppentreffen desselben Tages um eine Verlängerung des auslaufenden Programms um einige wenige Tage, damit das Referendum umgesetzt werden könne. Nachdem diese Forderung abgelehnt worden war, verließ die griechische Delegation das Eurogruppentreffen, während die Finanzminister der übrigen Staaten das Treffen fortsetzten. Auf Nachfrage erklärte Varoufakis, Jeroen Dijsselbloem habe ihn aufgefordert, die griechische Delegation möge den weiteren Beratungen fernbleiben. Dieser stellte das Fernbleiben des griechischen Finanzministers später jedoch als dessen Wunsch dar.[41]
Nach Bekanntgabe des Referendums hatte Varoufakis seinen Rücktritt für den Fall angekündigt, dass die Mehrheit der Wähler der Empfehlung der Regierung Tsipras, das Angebot der Eurogruppe abzulehnen, nicht folgen würde. Bei der Abstimmung am 5. Juli votierte mit 61,31 Prozent eine deutliche Mehrheit der Griechen mit Nein. Dennoch kündigte Varoufakis am 6. Juli 2015 zunächst per Twitter später in seinem Blog seinen Rücktritt noch für denselben Tag an[42] mit der Begründung, mehrere Mitglieder der Eurogruppe wünschten seine „Abwesenheit“ bei ihren Treffen; er wolle weiteren Verhandlungen aber nicht im Wege stehen.
Privatleben
Varoufakis war in erster Ehe mit einer Australierin griechischer Herkunft verheiratet. Nach elf Jahren trennte sich das Paar und seine Exfrau kehrte mit der gemeinsamen Tochter nach Australien zurück. Seit 2005 lebt er, inzwischen auch wieder verheiratet, mit der Künstlerin und Galeristin Danae Stratou zusammen.[43][44][45] 2010 gründete das Paar die gemeinnützige Organisation Vital Space, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, auf weltweit herrschende Missstände aufmerksam zu machen.[46]
Veröffentlichungen
mit David P. T. Young (Hrsg.): Conflict in Economics; Harvester Wheatsheaf, 1990, ISBN 0-7450-0559-4
Rational Conflict. Blackwell, 1991, ISBN 0-631-16606-8
mit Shaun P. Hargreaves Heap: Game Theory: A critical introduction; New York, Routledge 1995, ISBN 0-415-09403-8. Zweite überabeitete Auflage: Game Theory: A critical text, 2004, ISBN 0-415-25095-1
Foundations of Economics: A beginner’s companion. Routledge, 1998, ISBN 0-415-17892-4
(Hrsg.): Game Theory. Critical Concepts in the Social Sciences. 5 Bände. Routledge, 2001, ISBN 0-415-22240-0
mit Joseph Halevi und Nicholas J. Theocarakis: Modern Political Economics: Making sense of the post-2008 world. Routledge, 2011, ISBN 978-0-415-42888-0
The Global Minotaur: America, the True Origins of the Financial Crisis and the Future of the World Economy. Zed Books, 2011, ISBN 978-1-78032-014-4; 2. aktualisierte Auflage, 2013, ISBN 978-1-78032-450-0
Der globale Minotaurus. Amerika und die Zukunft der Weltwirtschaft. Aus dem Engl. von Ursel Schäfer. Kunstmann, München 2012, ISBN 978-3-88897-754-1
Vorabdruck in Le Monde diplomatique, 10. Februar 2012
König Minos an der Wall Street, Rezension von Christiane Müller-Lobeck in der taz, 15. März 2012
Economic Indeterminacy: A personal encounter with the economists’ most peculiar nemesis. Routledge, 2013, ISBN 978-0-415-66849-1
mit Stuart Holland & James K. Galbraith: A Modest Proposal for Resolving the Eurozone Crisis. Version 4.0. 2013 (PDF)
Bescheidener Vorschlag zur Lösung der Eurokrise. Kunstmann, München 2015, ISBN 978-3-95614-051-8[47]
Time for Change. Wie ich meiner Tochter die Wirtschaft erkläre. Aus dem Griech. von Birgit Hildebrand. Carl Hanser, München 2015 ISBN 978-3-44644-524-6
Auszug in Dschungel. Beilage zu jungle world, 29, 16. Juli 2015, S. 18 - 23
Rezension in Die Zeit, 9. Juli 2015 (Auszug daraus bei Perlentaucher)
Literatur
Charalambos Gantotis & Christiane Müller-Lobeck: Athener Wirtschaftsforscher über die Krise: „Die Deutschen drehen immer durch“. In: die tageszeitung. 23. April 2012 (Interview)
Andreas Hoffmann & Marc Goergen: „Wir werden sie zertrümmern!“ In: Stern. Nr. 8, 12. Februar 2015, S. 40–45 (Interview)
Steve Keen: My Friend Yanis, The Greek Minister Of Finance. In: Forbes Magazine. 31. Januar 2015
Matt Wade: Sydney left „indelible impression“ on new Greek finance minister Yanis Varoufakis. In: The Sydney Morning Herald. 31. Januar 2015
Philipp Metzger: Was will Varoufakis eigentlich?. In: dieZukunft April 2015 Yanis Varoufakis im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
Kurzbiografie und Rezensionen zu Werken von Yanis Varoufakis bei perlentaucher.de
Privater Blog von Yanis Varoufakis (englisch)
Curriculum Vitae of Yanis Varoufakis auf der Website der Universität von Athen (englisch)
Interview in Kulturzeit (3sat), 18. Juni 2012 (Video; 6:13 min)
Gespräch mit Yanis Varoufakis zur Eurokrise – Teil 1, Teil 2 von Roger Strassburg und Jens Berger in den NachDenkSeiten, 31. März/1. April 2014
Talking to Yanis Varoufakis – Gespräch von Harald Schumann mit Varoufakis, 2015. Vollständiges Interview aus der Dokumentation Macht ohne Kontrolle – Die Troika
Einzelnachweise
Warum sich Yanis mit einem N schreibt In: .iefimerida.gr, 28. Januar 2015 (griechisch)
Tsipras kürt Gegner der Sparpolitik zum Finanzminister In: Spiegel Online, 27. Januar 2015
FAZ.NET: Varoufakis tritt zurück. In: FAZ.net. 6. Juli 2015, abgerufen am 6. Juli 2015.
Rudi Novotny: „Er war immer geradeheraus“. In: Die Zeit. 28. Februar 2015, abgerufen am 28. Februar 2015.
University of Texas at Austin: Yanis Varoufakis
Der explosive Kontakt von Varoufakis zu Papandreou In: Time of Greece (griechisch)
Russell Shorto: The Way Greeks Live Now. In: The New York Times. 13. Februar 2012
Yanis Varoufakis: The Global Minotaur, 2011, Buchumschlag
Mathias Ohanian: Yanis Varoufakis: So tickt der griechische Anti-Merkel. In: Handelszeitung. 31. Januar 2015
Gastkommentar von Petros Kostopoulos: Als ich Varoufakis traf. In: 'Toratora.gr (griechisch).
Peter Steinlechner: Yanis Varoufakis: Griechischer Finanzminister hat für Valve gearbeitet. In: Golem.de. 28. Januar 2015
Valve Software: Valve Economics (englisch).
Valve: Ehemaliger Mitarbeiter wird Griechenlands neuer Finanzminister. In: Playnation.de
Varoufakis arbeitete in Spielebranche. In: n-tv.de, 28. Januar 2015
Yanis Varoufakis: Γιατί λείπω (griechisch) (deutsch: Warum Ich fehle). In: protagon.gr. 17. April 2012; Neuer griechischer Finanzminister. In: Spiegel Online
Griechenland schließt staatlichen Rundfunk ERT. In: Süddeutsche Zeitung. 12. Juni 2013
Yanis Varoufakis: Griechische Medien: Warum das Staatsfernsehen ERT nicht sterben darf. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 17. Juni 2013
Phillip Inman und Katie Allen Profile: Greece’s new finance minister Yanis Varoufakis The Guardian vom 26. Januar 2015
Marco Kauffmann: Griechenlands neuer Finanzminister – Wortgewaltiger Ökonomieprofessor, Neue Zürcher Zeitung vom 27. Januar 2015
Homepage yanisvaroufakis.eu: Confessions of an erratic marxist
Yanis Varoufakis: How I became an erratic Marxist. Guardian, abgerufen am 2. Juni 2015.
Anna Giulia Fink: Yanis Varoufakis: Griechenlands neuer Finanzminister im Interview. In: profil. 27. Januar 2015
Hauke Janssen: Faktencheck: Rettet Europa Griechenland – oder nur die Banken? In: Spiegel Online. 17. Februar 2015
Stuart Holland (* 1940) ist Visiting Professor of Economics an der Universität Coimbra (Portugal), war für die Labour Party Mitglied im Britischen Unterhaus und Berater von Jacques Delors; siehe auch en:Stuart Holland
Yanis Varoufakis, Stuart Holland & James K. Galbraith: A Modest Proposal for Resolving the Eurozone Crisis. Version 4.0. 2013 (PDF)
„Merkel-Plan“ soll Griechenland retten, Handelsblatt, 4. Februar 2015
Wie Yanis Varoufakis Griechenland retten will. In: TheEuropean.
Christian Reiermann: Vier Hiebe durch den gordischen Konten. In: Der Spiegel, 14. Februar 2015, S. 65.
Matthias Breitinger: Syriza handelt verantwortungsvoll In: Die Zeit, 6. Juni 2012 (Interview).
Massenarbeitslosigkeit auf Jahre hinaus In: Frankfurter Rundschau, 2. November 2014
Γιατί κατεβαίνω (griechisch) (dt: Warum ich kandidiere) In: protagon.gr, 9. Januar 2015
Βαθύ χάσμα μεταξύ Ευρωζώνης - κυβέρνησης (griechisch) (dt: Tiefer Spalt zwischen Eurozone und Regierung) In: kathimerini, 31. Januar 2015
Griechenland kündigt Zusammenarbeit mit Troika auf In: Der Tagesspiegel, 30. Januar 2015
«Αδειασμα» Βαρουφάκη από Τσίπρα προεξοφλούν τα διεθνή ΜΜΕ In: Ta Nea, 27. April 2015 (griechisch)
Tsipras spricht Varoufakis das Vertrauen aus In: SPON, 27. April 2015
La Tribune: La Grèce peut forcer l’Europe à changer, 20. Januar 2015
Bildblog: Im Zweifel gegen den Griechen, 4. Februar 2015
Marucs Gatzke, Mark Schieritz: Ich bin Finanzminister eines bankrotten Staates. In: Die Zeit, 4. Februar 2015 (Interview).
Peter Maxwill: Das sagte Varoufakis, als er den Stinkefinger zeigte. In: Spiegel Online, 17. März 2015
n-tv: Das Finger-Video von Varoufakis, 17. März 2015, in aktualisierte Form: Vorwurf steht weiter im Raum, 20. März 2015
Eurogroup: Έφυγε μόνος του ο Βαρουφάκης ή τον έδιωξαν; (deutsch: Eurogroup. Ging Varoufakis freiwillig oder musste er gehen); in: protothema.gr 27. Juni 2015 (griechisch)
Yanis Varoufakis: Minister No More. Blogpost. 6. Juli 2015, abgerufen am 6. Juli 2015
Οι γυναίκες και η ζωή του Γιάννη Βαρουφάκη (deutsch: Die Frauen und das Leben des Yanis Varoufakis); in: notosnet.gr; 29. Januar 2015
James Chessell: Yanis Varoufakis: The Aussie handling Greece’s new deal; in: The Australian Financial Review, 28. Januar 2015
Liz Alderman: Greece’s Feisty Finance Minister Tries a More Moderate Message; in: The New York Times, 30. Januar 2015
Website von Vital Space
sueddeutsche.de / Nikolaus Piper 7. März 2015: Rezension / Analyse
Antikes Griechenland
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