19) ὁ Ἐρασιστράτειος, Arzt in Alexandreia im [316] 3. Jhdt. v. Chr., Schüler des Erasistratos. Da er mit seinem Lehrer allezeit zusammen lebte, ja, seine Werke auf dessen Wohnung schrieb (Gal. XI 196/197), kann man ihn als Famulus des Erasistratos ansehen (Diels S.-Ber. Akad. Berl. 1893, 111, 3). Im Altertum wollten ihn einige (Diog. Laert. V 61) wegen dieses engen Verkehrs zum Zögling (τρόφιμος), andere (Gal. a. O.) sogar zum Sklaven des Erasistratos machen. In seinen therapeutischen Schriften verwarf er nach dem Vorgange seines Lehrers den Aderlaß (Gal. a. O.); u. a. bemerkte er, dieser Eingriff sei gefährlich, da man gar leicht statt der Vene die Arterie verletzen könne (Gal. XI 151) – eine Begründung, die bei dem Schüler eines Meisters der Anatomie allerdings seltsam anmutet. Wie Erasistratos, suchte auch S. den Sitz der Seele in den Hirnhäuten; Diels Doxogr. 204 hätte bei Tertull. de anima 15 in dem überlieferten Strato et Erasistratus die ersten beiden Wörter nicht eliminieren sollen, vgl. Wellmann Herm. XXXVI 143, 1. Soranos, der an dieser Stelle zugrunde liegt, kennt auch sonst unseren S., er tadelt seine Maßnahmen bei verhaltener Nachgeburt gyn. I 71 (243, 1 R.) und bei Gebärmuttervorfall II 85 (374, 8 R.). Die Hautkrankheit ἐλεφαντίασις, eine Art Aussatz, wird von S. zuerst erwähnt; er charakterisierte sie richtig als κακοχυμία, Oreib. IV 63, vgl. Wellmann Philol. Unters. XIV 24f. Erotianos (23, 8 Nachm.) zitiert, von unserem S. eine Erklärung des Wortes ἄμβη. Wenn Wellmann bei Susemihl Al. Lit. I 816 hieraus schließt, S. habe eine Erklärung schwerer Stellen bei Hippokrates' verfaßt, so ist diese Folgerung nicht zwingend; im Gegenteil wird das Zitat wahrscheinlicher aus einer Schrift Περὶ ἄρθρων stammen, wie man ja auch von S.s Schüler Apollonios von Memphis (s. o. Bd. II S. 149, 13ff.) eine solche kennt; natürlich braucht die Äußerung aber auch nur mündlich gefallen zu sein und kann von dem eben erwähnten Schüler in seinem Kommentar zitiert worden sein. Wellmann a. O. 816, 218 hält es auch für möglich, daß das Zitat des S. bei Ailios Promotos (Rohde Rh. Mus. XXVIII 283): ὁ δὲ Στρατών λέγει εἶναι βοτάνην (sc. τὸ ἐφήμερον) jenem angeblichen Hippokrateslexikon zuzuweisen ist. Aber auch hier müssen wir uns anders entscheiden. Da das ἐφήμερον ein bekanntes Gift ist, das in der iologischen Literatur eine große Rolle spielt, so werden wir das Zitat von vornherein in einer Schrift, in der von Giften die Rede ist, unterzubringen suchen. Nun hat, wie aus Aet. XIII 7 und Philumenos (9, 17. 27, 1. 28, 12. 30, 7. 36, 17. 40, 8 Wellm.) hervorgeht, ein S. auch über giftige Tiere geschrieben. Er ist zwar kein eigentlicher θηριακός – das beweist die Gegenüberstellung bei Philum. 27, 1: ἐν δὲ τοῖς Στρατώνας οὐ κεῖται περὶ διψάδος. ὡς δὲ παρὰ τοῖς θηριακοῖς ηὕρομεν –, sondern er scheint in der Weise eines Erasistratos oder Apollonios Mys hauptsächlich die βοηθήματα angegeben zu haben, wenn er auch gelegentlich sich auf die Beschreibung des Tieres und der Vergiftungssymptome eingelassen hat (Philum. 36, 17). Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß wir in dem S. bei Ailios Promotos und Philumenos-Aetios denselben Schriftsteller vor uns [317] haben. Wellmann Herm. XLII 380f. bezieht, ohne eine Begründung zu geben, die Stratonzitate bei Aetios und Philumenos auf den Berytier (s. Nr. 20). Aber mehrere Anzeichen weisen deutlich auf den Erasistrateer hin. Sein Lehrer schrieb Περὶ δυνάμεων καὶ θανασίμων (Ps. Diosc. II 74. 87. Schol. Nic. Al. 65), sein Schüler Apollonios von Memphis gab Mittel gegen Schlangen (Schol. Nic. Ther. 52. Gal. XIV 188). Die Erasistratoszitate bei Philumenos (24, 28. 28, 25. 35, 11), die Wellmann selbst auf S. zurückführt, passen am besten für den Famulus des Erasistratos. Wir sahen oben, daß Soranos wiederholt den S. benutzt hat; so werden wir in Soranos, der zweimal von Philumenos (33, 2. 37, 25) zitiert wird, den Vermittler zwischen S. und Philumenos erkennen. Hierzu stimmt aufs trefflichste, daß Ailios Promotos a. O. beide Schriftsteller zusammen erwähnt, so daß man den Eindruck hat, als ob Soranos an seiner Quelle Kritik übe: Soranos sagt, das ἐφήμερον sei ein Kunstprodukt (σύνθετον, vgl. Schol. Nic. Al. 249: σκευαστικὸν φάρμακον), Strabon hingegen sagt, es sei eine Pflanze (vgl. o. Bd. V S. 2753, 40). Wenn übrigens Aetios a. Ο. Στράτωνος θυμίαμα schreibt, während bei Philumenos (10, 18) an paralleler Stelle die verderbte Überlieferung lautet: σύνθετον θυμίαμα ολάου ὁ θηριακός, so wird kaum mit Wellmann Herm. XLIII 383 Φιλίνου oder Herm. XLVII 1, 1 Νικολάου ⟨τοῦ⟩ θηριακοῦ herzustellen sein, sondern einfach σύνθετον θυμίαμα ἄλλου θηριακόν, wobei man zur Vermeidung des Hiatus ἄλλου an die Spitze stellen kann. Gerade die anschließenden Rezepte mit ihrer ägyptischen Färbung (Philum. 10, 24f. Ichneumonsfett, abgestreifte Haut der Aspisschlange) stehen dem Erasistrateer S. gut zu Gesicht.
[Kind.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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