.
2) Magister militum und Praefectus praetorio von Africa unter Kaiser Iustinian. S. stammte aus der Ortschaft Solachon bei der armenischen Festung Dara an der Grenze von Mesopotamien (Procop. bell. Vand. I 11, 5; Theophylact. Simocatta II 3, 13. 4, 12). Vielleicht hatte Belisar, als er dort den Persern (530) eine siegreiche Schlacht lieferte, die Brauchbarkeit des Mannes als Anführer einer armenischen Föderatentruppe erprobt. In einem der nächsten Jahre hat S. die Konsulswürde erhalten, die damals eigentlich nur mehr ein käuflicher Titel war oder allenfalls dem Erwählten ohne besonderen Geldaufwand, da der Kaiser die meisten Auslagen bestritt, für die erste Woche des Jänner die Rolle eines Festkönigs einbrachte (vgl. Holmes Age of Iust. I 109f. II 484). Auf den Inschriften führt S. schon von 535 an den Titel exconsul (So CIL VIII 1863. 4677; auf der letzteren ist gloriosissimo exconsule dem Titel magister militum vorangestellt). Bei der Organisierung des Heeres, das mit Belisar an der Spitze zur Bekämpfung der Vandalen im Juni 533 nach Afrika segelte, fand S. als Federatenkommandant, wahrscheinlich wieder an der Spitze seiner Landsleute, Verwendung und wurde zugleich auch zum Domesticus, gewissermaßen als Generalstabschef (Diehl Afrique [942] byz. p. 17) des Feldherrn ausersehen; er gehörte zu den vertrautesten Offizieren Belisars (Proc. a. a. O.). Im März 534 war die Macht der Vandalen gebrochen durch den Sieg bei Decimum und die Einnahme Karthagos, das Land dem Reiche wiedergewonnen. Zur Berichterstattung an den Kaiser wurde S. abgesandt (bell. Vand. I 24, 19), noch in demselben Sommer jedoch wieder von diesem nach Karthago zurückbeordert, um Belisar zur Rechtfertigung wegen der gegen ihn in Konstantinopel kursierenden Beschuldigungen dahin zu berufen. Belisar übergab nun an S. den Oberbefehl; zugleich war ihm nun auch das Amt des praefectus praetorio Africae anvertraut, so daß er die militärische und die zivile Gewalt in seiner Person vereinigte. Damit wurde diese von Iustinian für die bedrohten Provinzen eingeführte Neuerung (Nov. 28 praef. Nov. 36, 37 vom J. 535. Vgl. Diehl Afrique byz. 97ff.) nun auch in der Diözese Afrika zur Anwendung gebracht und später beibehalten. (CIL VIII 4677 magister militum et praefectus Africae = στρα[τηγοῦ] κα[ὶ ἐπάρχου τῆς Αφρι]κῆς. 1863 praefectus Libyae 1864 p. [Libyae]; utriusque potestatis vir Vict. Tonn. a. 543).
In der kaum der Vandalenherrschaft entrissenen Provinz mußte S. nun neuerdings einen Kampf gegen die Berberstämme (Mauren) in der Bysacene und in Numidien aufnehmen; die Umwälzung in Libyen und darauf die Entfernung des gefürchteten Belisar hatte diese Stämme in Unruhe versetzt und zu wiederholten Raubzügen ermutigt.
Noch im Herbste 534 errang S. auf der Ebene von Mamma in der Bysacene einen schönen Erfolg gegen die unter den vier Häuptlingen Cutsina, Esdilasa, Iuphrut und Medesinissa vereinigten Berber, wobei die überlegene Kriegskunst der an Zahl weit schwächeren Byzantiner die Übermacht des Feindes überwand. Mit großer Beute kehrte S. nach Karthago zurück (Proc. bell. Vand. II 11. 12. Über eine maurische Weissagung, die einem bartlosen römischen Feldherrn den Sieg prophezeite ebd. 8, vgl. bell. Vand. I 11, danach war S. Eunuche). Der Eintritt der Regenzeit, besonders aber die bedrohliche Lage in Numidien und die schlechte Stimmung im Heere hinderten die weitere Ausnützung des Sieges, der für den Augenblick die Bysacene freigemacht hatte. In den ersten Monaten des J. 535 jedoch nahm S. den Feldzug wieder auf und brachte es durch einen kühnen Angriff am Berge Burgaon (vielleicht der Djebel Bon Ghanem), nahe der numidischen Grenze, zu einem entscheidenden Sieg, der die Abwanderung dieser Stämme nach Numidien zur Folge hatte. Nun wandte sich S. gegen Jabdas, den König am Mons Aurasius (Djebel Aures), gegen den er in den Häuptlingen Orthaias im Hodna und Massonas in Mauretanien Bundesgenossen gewonnen hatte. Doch begegnete der Guerillakrieg in dem wüsten Berglande und bei der Unzuverlässigkeit der Verbündeten und dem Mißtrauen der eigenen Truppen so großen Schwierigkeiten, daß S., eine Besatzung im Vorlande zurücklassend, die Operationen abbrach (bell. Vand. II 13 Diehl a. a. O. 72ff.). Den Winter benützte S. zur Reorganisierung seiner Truppen, die er zu genügender Schlagkraft ohne die unbrauchbaren maurischen Hilfstruppen [943] bringen wollte (bell. Vand. II 13), namentlich aber zum Baue der stattlichen Reihe von Festungen, die das byzantinische Numidien sichern sollten. Aus dieser Zeit stammen u. a. die Befestigungen von Tagura (CIL VIII 16 851; Tissot Géogr. de la prov. de l’Afr. II 383), Madaura (CIL VIII 4677), das wichtige, das fruchtbare Dreatal beherrschende Tipasa (Tissot II 424). Zum Schutz der Bysacene errichtete er damals das Kastell von Theveste (Tebessa, CIL VIII 1863), wo das von zwei mächtigen Türmen flankierte östliche Tor in der rechteckigen Umwallung heute noch S.s Namen trägt (Diehl a. O. 188 T. IV). Die Datierung dieser Bauten in das erwähnte Jahr ergibt sich daraus, daß die Bauinschriften S. als mag. mil. et praefectus Libyae bezeichnen, während die seiner späteren Bauperiode angehörenden ihn bis praefectus nennen. Die Inschrift von Theveste gibt ihm bereits den Titel patricius, der ihm also auch noch 535, wahrscheinlich nach dem glücklichen Feldzug in der Bysacene, verliehen wurde. Damals hob auch der Kaiser offiziell (schon Jänner 535 in Nov. 1) die Unterwerfung der Vandalen und der Mauren und die Beruhigung Afrikas (Nov. 36; so auch S.s Ansprache an die Soldaten bell. Vand. II 12) rühmend hervor. In diesem Zeitpunkte schickte S. auch Mannschaft nach Sardinien gegen die dort lebenden, gleichfalls aufständischen Mauren (bell. Vand. a. a. O.).
Die im Heere gährende Mißstimmung verdichtete sich indessen zu einer ausgebreiteten Verschwörung, die zu Ostern 536 in Karthago zum Ausbruch kam. S.s große Strenge im Dienste und seine weit mehr auf das Füllen der Staatskasse, wohl hauptsächlich zur Bestreitung der Baukosten für die Grenzkastelle, als auf Befriedigung der Beutegier des Heeres gerichtete Verwendung der eroberten Schätze erbitterte die Soldaten, sogar die Gardetruppen und viele seiner Offiziere gegen ihn. Auch hatte er die Ländereien der Vandalen für den Staat in Besitz genommen (nach Nov. 36), statt sie unter die vielfach mit Vandalinnen, den Witwen der früheren Besitzer, verheirateten Soldaten zu verteilen. Die Agitation der Arianer wegen des Verbotes des arianischen Gottesdienstes kam noch dazu. Da die Aufrührer auch an den Offizieren starken Rückhalt fanden und eine aus dem Orient eigenmächtig heimkehrende vandalische Föderatenabteilung sie verstärkte, wuchs der Aufstand zu einer Bewegung an, die den Bestand der Provinz für das byzantinische Reich ernstlich gefährdete (bell. Vand. II 14). Der Plan, S. bei der Osterfeier in der Kirche zu ermorden, kam wohl im entscheidenden Moment nicht zur Ausführung, sei es aus Scheu vor dem geweihten Orte oder aus einem Rest von Ehrfurcht vor dem verdienten Feldherrn (Prokop.). Nun begannen aber die Meuterer in Karthago und dessen Umgebung zu plündern. S.s Versuche sie durch einen der treu gebliebenen Offiziere, Theodorus von Kappadozien, beeinflussen zu lassen, blieben erfolglos. Sie drangen, raubend und mordend, in das Palatium ein; die Stadt war in höchster Gefahr. S. mußte das Asyl der Kirche im Palatium aufsuchen und floh in der nächsten Nacht mit seinem Sekretär, dem Geschichtsschreiber Prokopius, und noch fünf Begleitern über [944] die Bucht nach Missua. Ehe er sich hier nach Sizilien einschiffte, wo eben Belisar den Krieg gegen die Goten vorbereitete, traf er die nötigsten Verfügungen, indem er den erwähnten Theodorus zu seinem Stellvertreter in Karthago ernannte und durch Boten die Kommandanten in Numidien aufforderte, alles zu versuchen, um die Soldaten zum Gehorsam zurückzuführen. Belisar begab sich, von S. begleitet, eilends nach Karthago, wo Theodorus und die wenigen treugebliebenen Soldaten schon in höchster Bedrängnis mit Stotzas, dem Anführer der Aufständischen, unterhandelten. Belisars Ankunft verfehlte ihre Wirkung auf die kleine Schar nicht, auch die Rebellen zogen ab. Die kaum 2000 Mann starke byzantinische Armee folgte ihnen. Belisar erreichte sie an der Medjerda bei der Stadt Membresse (Medjez-el-Bab). In kurzem Gefecht ward die durch Vandalen und Sklaven beträchtlich verstärkte Aufrührerschar überrumpelt. Sie zog sich gegen Numidien zurück. S. ist offenbar von diesen Operationen ausgeschaltet geblieben, wie auch nach dem Berichte des Augenzeugen Prokopius, Belisar vor seiner Rückkehr nach Sizilien, wohl um der S. feindseligen Stimmung im Heere Rechnung zu tragen, das militärische Kommando in Karthago nicht ihm, sondern provisorisch an Theodorus und Ildiger übertrug (bell. Vand. II 15). S. führte wahrscheinlich die Zivilverwaltung weiter, bis der von Iustinian nach Africa mit besonders weitgehender Vollmacht entsandte Germanus auch diese übernahm. Er wurde von diesem nach Konstantinopel entlassen (Germanus succedit, Solomonem remittens ad principem. Marcell. com. contin. a. 536). Demnach (ebenso bell. Vand. II 19) befand sich S. in Konstantinopel, während der Patrizier Germanus in dreijährigem Kampfe (536–539) das aufgeregte Land zur Ruhe brachte. Jedenfalls kann S. in dieser Zeit die Präfektur über Africa nicht ausgeübt haben. Wenn in Nov. 66, 1 (v. April 538) S. als praefectus praetorio Africae erwähnt ist, so bezieht sich Iustinian hier auf eine verlorengegangene, in der verflossenen Amtsperiode an S. gerichtete Constitution. Ihr Datum ist aus der griechischen Constitution = Nov. 18 (vom 16. April 536) bekannt, auf die die Stelle anspielt (Diehl a. a. O. 597, 4).
Im J. 539 schickte Iustinian frische Truppen nach Africa, dessen vollständige Wiedereroberung ihm sehr am Herzen lag, und S. wurde neuerdings mit beiden früheren Ämtern in der Provinz betraut (CIL VIII 4799 patricius, magister militum et bis praefectus. Victor Tonn. a. 543. Diehl 417. 471). Er sorgte für die Disziplin im Heere durch Abschieben der Ruhestörer nach Konstantinopel oder zur Armee Belisars in Italien, und schuf neue Truppenverbände. Namentlich schied er die vandalischen Hüfstruppen aus, die an dem Aufstand beteiligt gewesen waren, und entfernte auch die Vandalenfrauen, die 536 durch ihre Ansprüche auf die Landgüter die Stimmung der Soldaten gegen ihn verschärft hatten (bell. Vand. II 19), aus der Stadt. Ein Jahr später zog er abermals zur Abwehr der neu andringenden Mauren zu Feld; Germanus hatte die drei letzten Jahre, mit der Niederschlagung der großen aufständischen Bewegung vollauf beschäftigt, nichts gegen sie unternommen. S. drang [945] mit bedeutenden Kräften gegen das wilde Aurasiumgebirge in Numidien vor, ließ sich aber diesmal nicht in das Bergland locken, sondern verwüstete die reichen Felder des Vorlandes und schlug endlich den mächtigsten der Maurenfürsten, Jabdas, in die Flucht (bell. Vand. II 19. Coripp. Joh. III 301ff.). Er eroberte Tamugade und Zerbule, ließ Besatzungen zur Sicherung des wiedergewonnenen Hochplateaus von Numidien zurück und rückte dann (541–542) gegen seinen ehemaligen Bundesgenossen Orthaias nach Mauretanien vor (bell. Vand. II 20). Auch hier (in Ermanglung näherer Angaben bei Prokop über diesen wichtigsten der Feldzüge S.s) zeigen die Inschriften, daß er das Land fest in Besitz nahm (CIL VIII 8805 Tubuna (Tobna). 8483 Sitifis (Setif); vgl. Carcopino Les ,Castella‘ in Revue Afr. 59, 2–22). Nach den mühseligen, halb erfolglosen Expeditionen der früheren Jahre war es ein glorreiches Ergebnis, ,dem Eeiche die alte römische Provinz Africa von Tripolitanien bis zur Grenze von Mauretania Caesariensis, vom Meere bis zum Gebiet der Chotten, dem Mons Aurasius und dem Hodna, wiedergewonnen zu haben‘ (Diehl Afr. byz. 91). Zur Anerkennung dieser Verdienste ehrte Iustinian auch die Verwandten S.s auf mancherlei Weise; im J. 543 ernannte er seinen Neffen Cyrus zum Statthalter in der Cyrenaica, den zweiten, Sergius, zum Dux in Tripolitanien. Die Anmaßung und Ungeschicklichkeit des letzteren verursachte die Erhebung des Stammes der Levathen an der Westgrenze von Tripolitanien, zu deren Niederschlagung Sergius S. zu Hilfe rief (bell. Vand. II 21). Den Levathen schloß sich einer der Maurenfürsten der Bysacene an, Antalas, dessen Bruder Guarizila S. wegen Aufruhrs hatte hinrichten lassen. Dieses undiplomatische Vorgehen sowie die strafweise Entziehung eines Jahrgeldes, das Antalas für seine oft bewiesene Treue gegen Byzanz bezog, hatte ihn zum Feinde gemacht. Von Theveste aus verhandelte S. zunächst, jedoch ohne Erfolg, mit den Mauren; endlich kam es zu einem Gefecht, in dem er siegte, dann aber zu einer Schlacht bei Cillium. Das byzantinische Heer versagte, teilweise mit Zurücklassung der Waffen fliehend (bell. Vand. II 21. Coripp. Joh. III 401–477. 1154). S. schlug sich tapfer, stürzte aber vom Pferde und wurde samt den ihn umgebenden Offizieren von den Feinden niedergehauen (544). Für die weiteren Phasen dieses die Ruhe in Afrika wieder ernstlich gefährdenden Kampfes und dessen Beendigung durch Areobindus vgl. Diehl 345ff.
Trotz mancher Mißerfolge kann man S. tüchtige militärische Fähigkeiten, große persönliche Tapferkeit und Organisationstalent nicht absprechen. Die wiederholten Rückschläge nach seinen Errungenschaften müssen der unzulänglichen Menge und Beschaffenheit der verfügbaren Streitkräfte zugeschrieben werden; daß er persönlich im Heere unbeliebt war, ist daraus erklärlich, daß er neben der Reformierung der Disziplin, die ohne Härte kaum durchzuführen war, alle verfügbaren Mittel, statt damit die Soldaten zu bedenken, dem Staatssäckel zuführte. Ohne diese Maßregel wäre seine gewaltige Bautätigkeit nicht zu bewerkstelligen gewesen. Seines [946] Kriegsruhmes gedenkt der Dichter Corippus in den lebendigen Schlachtenschilderungen seiner Johannis (besonders III 281ff.) wiederholt, trotzdem sein Held S.s Nachfolger Johannes Troglita ist, der S.s letzte Niederlage glänzend rächte; das liebliche Bild, das er von der friedlichen Entwicklung Afrikas entwirft, ist ein vielleicht hyperbolisches, aber doch nicht unwahres Zeugnis für ihn. Der zuverlässigere Prokopios hebt seine maßvolle Herrschaft hervor: ,er hat Africa vollkommen gesichert, indem er alle Städte mit Mauern bewehrte; er sah auf die Beobachtung der Gesetze und war tatsächlich der Schutz der innern Ordnung; unter seiner Verwaltung war Libyen, in Wohlstand gedeihend, mächtig und von Glück gesegnet (bell. Vand. II 19)‘. Die lange Linie von Grenzfestungen, deren Erbauung er in kurzer Zeit besorgte, ist eine bedeutende Leistung; mit ihrer Durchführung, die ein Ehrendenkmal der byzantinischen Verwaltung der Provinz Africa ist, bleibt S.s Name für immer verbunden.
Prokop erwähnt (bell. Vand. II 26) noch als Werk S.s ein befestigtes Männerkloster mit einer Kirche, das im Notfalle dem Statthalter als Zufluchtsort dienen sollte, nahe dem Meere in Karthago (es hieß Mandrakion Diehl 429). Eine ausführliche Schilderung von S. s Feldzügen und Bauten in Diehls Afrique byzant, ferner ders. Iustinien 152f. 178. Holmes Age of Iust. II 519.
[Nagl.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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