5) C. Rabirius. Hauptquelle für sein Leben ist Ciceros Rede pro C. Rabirio perduellionis reo ad Quirites (zitiert als Cic. nach der Ausgabe von Clark Oxford 1899); davon sind wohl unabhängig die Nachrichten über seinen Prozeß bei Suet. Caes. 12 und Dio XXXVII 26, 1ff. R. gehörte zum Ritterstand (Cic. 31, vgl. 20 und wohl auch das Fragm. bei Serv. Aen. I 13) und war, wie es scheint, in Campanien und Apulien begütert (Cic. 8; ad. Att. I 6, 1). 654 = 100 nahm er am Kampf gegen den Tribunen L. Saturninus teil; da er später angeklagt wurde, denselben eigenhändig erschlagen zu haben (Cic. 18ff. Dio a. O.), so muß er, auch wenn dies nicht richtig war, einen hervorragenden Anteil an der Niederwerfung der Revolution gehabt haben; vielleicht ist soviel wahr, daß er am Leichnam des Tribunen seine Wut ausließ (Auct. de vir. ill. 73, 12, vgl. Cic. 25). Wahrscheinlich gelangte er infolge dieses gesinnungstüchtigen Benehmens in den Senat (Dio a. O. Auct. de vir. ill. a. O. vorgreifend schon für 654 = 100); die höheren Ämter hat er jedoch gewiß nicht bekleidet. 664 = 90 begegnet im Consilium des Cn. Pompeius vor Asculum ein C. Rabeiri(us) C. f. Gal(eria) (Bull. com. XXXVIII [1910] 975), der gewiß mit diesem R. identisch ist. Es wird dieser Krieg sein, in dem er sich auszeichnete (Cic. 36) und das Kommando führte, auf Grund dessen ihm später der Vorwurf wegen Mißhandlung römischer Bürger gemacht wurde (Cic. 8. Mommsen Strafr. 31, 3). Gegen den Schützling der Nobilität richteten sich nun später die Angriffe der Gegenpartei: In den Prozeß seines Schwagers C. Curtius wegen Pekulat und Brandstiftung in einem Archiv (o. Bd. IV S. 1863) war er zwar nicht rechtlich, aber faktisch verwickelt (Cic. 8). Ihn selbst klagte C. Licinius Macer, nach Drumanns (IV² 207) grundloser Vermutung in seinem Tribunat 681 = 73, wegen Beschädigung von loca religiosa und luci an; das Gericht sprach ihn aber frei (Cic. 7). Der Hauptschlag gegen den alten und kinderlosen Mann (Cic. 2. 37) wurde 691 = 63 geführt; er bildet zugleich eine Episode in dem Kampf der Opposition mit der Staatsgewalt. Der juristische Verlauf des Prozesses, der nicht ganz klar liegt und viel behandelt ist (Drumann III² 150ff. Schanz Röm. Lit.-Gesch. I³ 250 mit Literatur. J. L. Sorachan-Davidson Problems of the roman criminal law [Oxford 1912] I 180–204), wird hier nach Mommsen gegeben. Der Volkstribun T. Labienus leitete, wohl in der ersten Hälfte des Jahres (Cic. ad Att. II 1, 3), mit ausgesprochen schikanösem, aber sich für besonders demokratisch ausgebendem (Cic. 11–15) Zurückgreifen auf eine veraltete Prozeßform (Cic. 13. 15. 17. Quint. V 13, 20. Dio XXXVII 27, 3) ein Perduellionsverfahren gegen ihn ein. Daß Caesar der eigentliche Urheber war (Suet. Caes. [25] 12. Dio XXXVII 37, 2), kann aus seinem tatsächlichen Hervortreten im Prozeß erschlossen sein, in dem ja Labienus als Neffe des mit Saturninus erschlagenen Q. Labienus (Cic. 14. 18. 20. 23) genügenden persönlichen Grund zur Anklage hatte, kann aber auch richtig sein, weil, offenbar mit Recht, der Prozeß als ein prinzipieller Angriff auf das Kriegsstandrecht des Senats aufgefaßt wurde (Cicero in d. Rede durchweg; vgl. in Pison. 4; or. 102. Dio XXXVII 26, 1ff.). Den rechtlichen Grund der Klage bildete aber nicht, wie Sueton anzudeuten scheint, schon allein die Teilnahme am Kampf, noch weniger die Cic. 6ff. genannten beiläufigen Vorwürfe, sondern einzig die Tötung des sacrosancten Tribunen (Cic. 18ff. Dio a. O. Mommsen Strafr. 581); erschwerend trat hinzu, daß ihm die fides publica gegeben worden war (Cic. 28). Nachdem zunächst durch Caesars Einfluß ein Volksbeschluß zustande gekommen war (Cic. 12 coegit. Dio XXXVII 27, 1 nach Mommsen Staatsr. II 616, 4), wurden gemäß demselben vom Praeter statt wie gewöhnlich vom Volk (Cic. 12. Dio XXXVII 27, 2) zwei Duovirn, C. und L. Caesar, ernannt, die nun unter C. Caesars Vorsitz (Mommsen Staatsr. II 618, 1), das mehr formal aufzufassende Todesurteil aussprachen (Cic. 12 erklärt von Mommsen Strafr. 155, 1; Staatsr. III 354, 6). Der wirkliche Entscheid hing vom Ausfall der Provokation ab (Suet. Dio). Als die Abstimmung einen für R. ungünstigen Verlauf zu nehmen drohte (Dio XXXVII 27, 3. 37, 2), ließ Cicero durch Metellus Celer, der Augur und Praetor war, obnuntiieren und vermittelst Herablassen der Fahne auf dem Ianiculum die Volksversammlung aufheben (so kann man Cic. 10f. 15. 17 und Dio XXXVII 27, 3 combinieren; vgl. Mommsen Staatsr. III 357. 387, 4). Labienus nahm die Anklage als tribunizischen Multprozeß wieder auf (Mommsen Strafr. 588; Staatsr. II 298, 3). Er erregte die Leidenschaft des Volkes durch Aufstellung eines Bildes des Saturninus (Cic. 25. Quintil. VI 1, 50) und gewährte der Verteidigung nur eine knappe Zeit (Cic. 6. 9. 17. 38). Aber die Nobilität schickte ihre ersten Redner vor: Hortensius wies nach, daß ein Sklave seinerzeit den Schergenlohn für die Ermordung erhalten hatte (Cic. 18. 31), und Cicero übernahm die prinzipielle Verteidigung des Kriegsstandrechts, z. T. unter Mißbilligung des Volkes (Cic. 18). Nach Sueton wurde R. vornehmlich wegen des parteiischen Benehmens Caesars freigesprochen. Wäre er verurteilt, d. h. verbannt worden (Cic. 37; vgl. Münzer Hermes XLVII (1912) 180, 1), so hätte nicht Nr. 6 sein Erbe und Adoptivsohn durch Testament werden können.
[Vonder Mühll.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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