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Phyllomanteia, die Erforschung der Zukunft mit Hilfe von Blättern, also eine Spielart der sog. mechanischen Divination (OZ II § 303ff § 298), verwandt mit dem divinatorischen Losziehen. Servius (Aen. III 444) sagt über die Blätterwahrsagung der Sibylle in Cumae: Tribus modis Sibylla Cumana futura praedicit aut voce aut scripto aut signis, i. e. quibusdam notis ut in obelisco Romano videmus, velut alii dicunt notis litterarum, ut per unam litteram significet aliquid, in foliis autem palmarum Sibyllam scribere [1026] solere testatur. Hierzu bietet der Zauberpapyrus Oxy. 886 (Pap. Mag. II 150 Preis. Laudien Griech. Pap. aus Ox. [1912] 29 nr. 42, vgl. 56) eine schlagende Parallele, wie folgende Übersetzung zeigt: ,Die große Isis, die Herrin, Abschrift eines heiligen Buches, das im Schatzhause des Hermes (ἐν τοῖς τοῦ Ἑρμοῦ ταμίοις) gefunden ward. Das Verfahren beruht auf den 29 Buchstaben, mit deren Hilfe Hermes und Isis ihren Bruder und Gatten Osiris (fanden), als sie ihn suchte: Rufe den Sonnengott und alle Götter in der Tiefe (τὸν Ἥλιον καὶ τοὺς ἐν βυθῷ θεοὺς πάντας) an bezüglich dessen, worüber du willst, daß dir ein Orakel zuteil werde (κληδονισθῆναι); dann nimm 29 Blätter einer männlichen Palme und schreib auf jedes Blatt einen Götternamen hinzu, und nachdem du gebetet hast, hebe sie zu zwei und zwei auf. Dasjenige, das zuletzt übrig bleibt, lies und du wirst dein Orakel finden hinsichtlich dessen, woran dir gelegen ist und du wirst (so) eine klare Offenbarung erhalten.‘ Man schrieb also auf 29 folia palmarum die 29 Buchstaben des koptischen bzw. demotischen Alphabets (der Papyrus gehört noch dem 3. Jhdt. n. Chr. an), d. h. auf jedes Blatt je eine Littera. Dazu mußte man noch, und zwar wieder auf jedes Blatt, je einen Götternamen hinzuschreiben (ἐπίγραψον ἐν ἑκάστῳ τῶν φύλλων τὰ τῶν θεῶν ὀνόματα), wahrscheinlich in der Weise, daß man auf jedes Blatt jenen Götternamen schrieb, der mit dem schon auf dem Blatte stehenden Buchstaben anlautete, z. B. a - Anup oder Amun, b - Besa, e - Ese (Isis), th - Thout (Thot-Hermes) usw. Vielleicht aber waren die Namen symbolisch, d. h. ideogrammatisch zu schreiben, also statt Re , statt Ḥor statt Anup usw., was den notae quaedam entsprechen würde, die nach Servius auf den sibyllinischen Palmblattorakeln den Zeichen auf dem ägyptischen Obelisken in Rom ähnelten. Da nun die verschiedenen Gottheiten dem Menschen teils günstig, teils ungünstig waren, ganz besonders auch bei bestimmten Anlässen im menschlichen Leben wie bei Geburt, Eintritt der Reife, Hochzeit, Kinderzeugung, Reisen, Kauf und Verkauf, Rechtshändeln, Aussat, Ernte, Krankheit, Tod u. dgl., erhielten die Blätter erst durch das Hinzuschreiben jener Götternamen ihre Vorbedeutung; die zuerst auf die Blätter geschriebenen, an sich wohl ganz indifferenten Buchstaben aber dienten vermutlich nur zur Kontrolle, daß man keinen der bedeutungsvollen Götternamen übergehe oder zweimal schreibe. Aus Gründen der Empfehlung erscheint dieser Zauber unter der Patronanz der beiden größten Zaubergottheiten der Ägypter, der Isis, die geradezu ,die Große der Zauberei‘ hieß, und des Toth-Hermes Trismegistos und von diesen beiden sei er erfunden worden, als sie den von Seth-Typhon heimtückisch ermordeten Osiris suchten und fanden, wovon auch die Griechen wußten, bei denen allerdings als Helfer an die Stelle des Thoth Anubis trat (bzw. seine Inkorporationen, die Hunde, Diod. I 87. Ailian. hist. an. X 45), während Thoth als ihr von Osiris bestellter Berater während der Dauer seiner Expedition ins Ausland (Diod. I 17). bzw. [1027] als ihr Erzieher erscheint (ders. I 27). Kurz erwähnt sind die φυλλομαντεῖα noch von Psellos (De op. daem. p. 42 Boiss.) und im Catal. des mss. alch. (VI 129).
[Th. Hopfner.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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