Nerikos (Νήρικος). In dem späten Odysseegesang XXIV 377 spricht Laertes von einem N. oder Nerikon, das er in seiner Jugend eingenommen habe; er nennt es ein ἐυκτίμενον πτολίεθον, [31] ἀκτὴν ἠπείροιο, vgl. o. Bd. XII S. 2237. Nach Strab. I p. 59. X p. 452 verlegten die Korinther, die im 7. Jhdt. nach Leukas kamen, die alte Siedlung (bei ihm Neritos genannt) an die Stelle, an der sie den Isthmus durchstachen und dadurch Leukas aus einer Halbinsel zu einer Insel machten, wohl zur militärischen Sicherung der Durchfahrt und damit die Bewohner den immer wieder versandenden Durchgang offen hielten (Plin. n. h. IV 5. Fougères Grèce 475. Partsch Peterm. Mitt. Erg.-H. 95, 6). Doch gab es nach Thuk. III 7, 5 noch im 5. Jhdt. v. Chr. einen (befestigten?) Ort N.; auf diesen wagte im J. 428 v. Chr. der athenische Feldherr Asopios einen Überfall, er wurde jedoch auf dem Rückwege von herbeigeeilten Landbewohnern und Wächtern erschlagen. Anscheinend hat also N. auch nach Gründung der Stadt Leukas weiterbestanden, wenn auch minder volkreich und ohne politische Bedeutung. (Ein Personennamen Νηρίκων im 1. Jhdt. v. Chr. in Tanagra: Bechtel Personennamen 559).
Die Lokalisierung macht Schwierigkeiten. Früher pflegte man N. in dem älteren Teil der Ruinen von Leukas selbst zu vermuten: Leake North. Greece III 15f. Aber N. muß so weit von der Stadt Leukas entfernt gelegen haben, daß Asopios hoffen konnte es zu nehmen, bevor aus der Hauptstadt, die er nicht anzugreifen wagte, wirksame Hilfe zur Stelle war; tatsächlich ist ja auch die Abwehr nur durch die Landbevölkerung und einige Wächter erfolgt. Lag N. auf der Insel Leukas, so steht nach dem Gang der Operationen - Asopios kam von Südosten und hatte die Unterstützung der Akarnanen - nur die Ost-, allenfalls die Südseite der Insel in Frage; vgl. Bursian Geogr. Griech. I 117. Demnach ist der Ansatz im Nordwesten von Leukas Rhangabé Hell. III 689 kaum möglich. Cramer Anc. Greece II 16 verlegt N. in den Süden der Insel nicht weit vom Kap Dukato, Oberhummer Akarnanien 31 sucht es im Südosten der Ruinen von Leukas, Herkenrath Athen. Mitt. XXXVI 207ff. in der Ebene des heutigen Nidri. Dörpfeld, der in den dort gefundenen Resten das alte Ithaka sieht, verlegt N. auf das Festland und betrachtet die Halbinsel Plagia als ἀκτὴ ἠπείροιο. Dabei befindet er sich im offenen Gegensatz zu fast allen antiken Schriftstellern, die mehr oder minder deutlich Leukas als ἀκτὴ (ἠπείροιο) oder ἤπειρος bezeichnen: Skyl. 34. Strab. I p. 59. X p. 452. Suid. s. v. Νήριτον Eustath. 306, 46. 1838, 63. 1964, 48. Nur Steph. Byz. setzt N. in Akarnanien an. Dörpfeld nimmt zwei N. an: das homerische bei Kechropoula (Palairos) Alt-Ithaka I 132ff. und das thukydideische (klassische) in einer Ruinenstätte nahe dem jetzigen Fort Ἅ. Γεώργιος (ebd. und 269ff.). Abgesehen von der Unwahrscheinlichkeit dieser Zweiteilung, die nirgends in der antiken Überlieferung eine Stütze findet, spricht auch der Verlauf der Operationen des J. 428 v. Chr. dagegen: Asopios hatte das Volksaufgebot der Akarnanen entlassen (Thuk. a. O.). Dies wäre sinnlos gewesen, wenn er es irgendwie zur Mitwirkung bei seinem Angriff auf N. oder auch nur zur Ablenkung der Gegner hätte brauchen können, d. h. wenn N. von Akarnanien aus zu Lande erreichbar war. Vgl. [32] ferner die Gegengründe von Herkenrath 208ff. Shewan Class. Quart. XXIV (1930) 136ff. Vielleicht haben wir in N. nicht nur den Namen der alten Stadt, sondern die vorgriechische Bezeichnung der (Halb)insel selbst (Eustath. 1838, 63. 1964, 48; vgl. v. Wilamowitz Hom. Unters. 73, 2. Herkenrath sowie Neriton Nr. 1 a. E.), während Leukas der griechische Namen ist (Streb. X p. 452. Partsch 7; vgl. o. Bd. XII S. 2254). Übrigens las man schon von Strabons Zeiten bis auf Eustathios häufig statt N. Neritos und umgekehrt: Lupercus bei Steph. Byz. s. Νήρικος und bei Eustath. Dion. Per. 492. Strab. X p. 452. Plin. n. h. IV 5. Vgl. ferner Myth. Lex. Neritos III 272: o. Bd. IX S. 2300; Bd. XII S. 2237). Eustath. 306. 46. 307, 18.
[Rudolf Herbst.]
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