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Licinius ist der Name eines römischen Geschlechts, das vielleicht unter allen plebeischen das angesehenste und bedeutendste war. Seinen etruskischen Ursprung hat bereits Lanzi 1789 erschlossen aus der zweisprachigen Aufschrift einer Aschenkiste, die dem Familiengrabe der Lecne bei Saena. (j. Siena.) entstammt: [C. L]icini C. [f. Nigri] | v. lecne v. | hapirnal (CIEtr. I 272: die etruskischen Inschriften des Grabes ebd. 265–278). Der Name war auch in Perusia, Volaterrae, Clusium, Volsinii‚ Tarquinii, Caere, Capena und anderen Orten Etruriens verbreitet und in seiner etruskischen Form noch in sullanischer Zeit dem römischen Theaterpublikum geläufig (s. o. Bd. VI S. 775, 37ff. Schulze Zur Gesch. röm. Eigennamen 108, 3. Münzer Röm. Adelsparteien 56). Unter dem ersten Consulat eines Liciniers sind in Rom etruskische Bühnenspiele eingeführt worden (Nr. 42), und noch einer der letzten Licinier hat sich der von Sulla tödlich getroffenen Etrusker angenommen (Nr. 112). In Rom erscheint der Name L. in den ersten Listen der Volkstribunen (Nr. 11 und 25) und kehrt in der Folge in den Verzeichnissen dieser Beamten so häufig wieder, wie kein anderer (vgl. Niccolini Fasti trib. pleb. [Pisa 1898] Register 59f). Diese stets erneute Übertragung der Vorstandschaft durch die Plebs und die weite Verzweigung des Geschlechts macht die Licinier geradezu zu einem plebeischen Gegenstück der Gens Cornelia, der berühmtesten und größten der patrizischen Gentes. Schon im Anfang des 4. Jhdts. v. Chr. waren sie mehrfach mit den Patriziern verschwägert und drangen in die bisher den Patriziern vorbehaltenen Oberämter des Gesamtvolkes unter den ersten ihrer Standesgenossen ein (s. Nr. 43 und 42 Röm. Adelspart. 10. 13). C. Licinius Stolo Nr 161 führte die Plebs zu dem Ansturm auf die patrizischen Vorrechte, der mit der Kapitulation des Gegners endete; aber nachdem er im J. 393=361 als der zweite seines Geschlechts zum Consulat aufgestiegen war, ist er gestürzt worden und hat das Geschlecht in seinen Fall mit hinabgerissen. Denn es ist nun für fünf Vierteljahrhunderte aus den Fasten und den Annalen verschwunden und begann erst im letzten Drittel des 3. Jhdts. sich wieder zu erheben. Die Habgier soll den Sturz jenes Demagogen verschuldet haben, und gewiß hat der materielle Wohlstand später den Liciniern wieder zu neuem Aufstieg verholfen; der von ihnen, der gegen Ende des 3. Jhdts. ihr Ansehen aufs neue begründet hat, ist der Reiche (Dives) zubenannt worden und hat diesen Beinamen seinen direkten Nachkommen hinterlassen (Nr. 68). Sein ererbtes Kognomen war Crassus, und vor ihm ist ein Varus als erster in der neuen Zeit zum Consulat gelangt (Nr. 174); nach den genealogischen Notizen der Fasti Cap. können diese zwei Licinier in dem Verhältnis von Oheim und Neffe zueinander stehen, so daß der Anfang der neueren Geschichte des Geschlechts folgender war [215] (vgl. den Stammbaum bei Nr. 50ff.): Ein P. Licinius hatte in der Zeit des ersten Punischen Kriege zwei Söhne, die nach ihren hervorstechenden körperlichen Eigenschaften als Crassus und Varus unterschieden wurden (vgl. Io. Lyd. de mag. I 23); von den Söhnen dieser Brüder haben dann zwei zusammen im J. 546 = 208 die Praetur geführt (Nr. 68 und 175). Eine weitere Verzweigung hat von den beiden Familien nur die der Crassi aufzuweisen. Im Gegensatz zu deren erblichem Beinamen hat dann später einmal ein anderer Licinier das Kognomen Macer erhalten (Nr. 112). Von körperlichen Eigenschaften abgeleitet ist unter den licinischen Beinamen außerdem Strabo (Nr. 166) und Calvus; in alter Zeit hatte so der neben Stolo hervorgetretene Ahnherr des Geschlechts geheißen (Nr 42); in sullanischer Zeit hat der geschichtskundige Macer dieses Kognomen Calvus für seinen Sohn wieder hervorgeholt (Nr. 113), während ein anderer Geschlechtsgenosse das längst abgekommene Stolo wieder annahm (Nr. 162). Eine ganze Anzahl von Beinamen, zum Teil aus dem Griechischen abgeleitet und kaum zu deuten, sind rein individuelle Spottnamen; ihre Träger gehören teilweise sicher, möglicherweise sämtlich zu den Crassi (Agelastus Nr. 59, Bucco Nr. 39, Damasippus Nr. 65, Hoplomachus Nr. 9], Philonicus Nr. 142, vgl. auch Imbrex Nr. 92 und Tegula Nr. 168). Das Haus der Crassi war das wichtigste von allen; mehrere seiner Angehörigen zählten jeweils zu den ersten Männern ihrer Zeit; es hat auch den Untergang des Freistaats überdauert (vgl. den Stammbaum Nr. 50ff., 56). Nächst den Crassi erlangten die Luculli den höchsten Ruhm (Nr. 99ff); doch schon ihre Blüte war von kürzerer Dauer, noch mehr die anderer Familien, wie der Nervae und Sacerdotes. Manche, wie die aus Lanuvium nach Rom übergesiedelten Murenae (Nr. 118 vgl. zum Beinamen Squillus Nr. 160), standen in loserer Verbindung mit dem Geschlecht (vgl. Gelzer Nobilität d. röm. Rep. 26f., 5), fanden aber vor Gericht dessen Beistand (vgl. die Verteidiger aus dem Hause der Crassi in den Prozessen des Licinia Nr. 181, des Macer Nr. 112. Murena Nr. 123). Am geistigen Leben haben verschiedene Licinier hervorragenden Anteil genommen (Nr. 55. 68. 69. 72. 104. 112. 113. 162 u.a.); Macer Nr. 112 hat auch ihrer Familiengeschichte eine große und nicht ganz ungefährliche Beachtung gewidmet. Ein Beweis für die Bedeutung des Geschlechts in der Gesellschaft ist es u. a., daß auffallend viele ihm entstammende Frauen bekannt sind. Bei den Männern sind die fast ausschließlich gebrauchten Vornamen C. L. M. P.; den Nervae ist A. eigentümlich. Der Name L. begegnet schon bei Cato im Namen einer Olivenart (olea Liciniana de agr. 6, 2; daraus Varro r. r. I 24, 2. Plin. n. h. XV 8. 13. 20), und in dem einer oberitalienischen Ortschaft (Forum Licini orig. frg. 40 Peter aus Plin. n. h. III 124, angezweifelt von Weiß o. Bd. VII S. 70f.), in sullanischer Zeit in dem eines Auktionslokals in der Subura (atria Licinia Cic. Quinct. 25, s. d.). Von älteren Inschriften aus Rom vgl. (außer später anzuführenden) z. B. L. Licinius L. I. CIL I² 989 und Ser. Licinius ebd. 1090; Licnia ebd. 1091 vermittelt zwischen etruskisch Lecene und lateinisch Licinius.
[Münzer.]

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