2) s. die Supplemente.
Nachträge und Berichtigungen
S. 1709, 42 zum Art. Kreon:
2) Κρέων (Κρείων Hom. Od. XI 269; Il. IX 84; vgl. XIX 240. Hesiod scut. 83; vgl. Pind. Isthm. III 82 [109]. Kinaithon in der Oidipodeia [frg. 2, im Schol. Eur. Phoin. 1760; vgl. Etym. M. 537, 6ff.]; Κράων auf einer Vase der Sammlung Jatta in Ruvo [vgl. Kretschmer Kuhns Zeitschr. XXIX [1888] 416f.) ist in der Labdakidensage woh! nichts weiter als der ‚Herrscher‘ gewesen, der als Füllfigur dient, um den Thron zu besetzen, wenn der König tot oder regierungsunfähig ist. In der alten Sage war er nicht zu einer selbständigen Persönlichkeit ausgebildet. – Deshalb konnte Sophokles ihn dreimal verschieden gestalten: als den anständigen Menschen des ,König Ödipus‘, als den eitlen Tyrannen der ,Antigone‘, als den Schurken des ,Oidiuus auf Kolonos‘ (Bruhn Antigone Einl. 6)
– Nach der Genealogie, die wir bei Sophokles Oid. Tyr. 69. 85. 1503; Antig. 156. 211. 1098 und überhaupt im Drama – Eur. Phoin. 11. 690 – vorfinden, ist er der Sohn des Menoikeus, vgl. Diod. IV 67. Schol. Eur. Phoin. 942. Menoikeus – Apollod. II, 4, 5, 2 ist er der mütterliche Großvater des Amphytrion – wie auch K. selbst erscheinen mit der thebanischen Heraklessage auf das engste verknüpft, Apollod. II 4, 5, 2. 4, 11, 2. Schon von Homer wird die K.-Tochter Megara als Gemahlin des Herakles erwähnt (Od. XI 269 mit Schol. und Eustath.); [1049] dieselbe nennt Pindar Kreiontis (Isthm. 3, 82, vgl. Schol.), und sie tritt in Eur. und Senec. Herc. fur. auf. Eur. Herc. f. 9, vgl. Hypothesis. Hyg. fab. 32. 241. Tn der Ἀσπίς 83ff. wird der Vater des Herakles Amphitryon, als er nach Theben kommt, von K. freundlichst aufgenommen und entsühnt. Apollod. II 4, 6. Höfer im Myth. Lex. 1416. Nach Diod. IV 10 wollte K. den Herakles, welcher die Boten des Minyerkönigs Erginos beschimpft und verstümmelt hatte, zuerst an diesen ausliefern. Nachdem aber Herakles ihm gegen die Minyer beigestanden und diese besiegt hatte, gab er aus Dankbarkeit ihm seine Tochter Megara zur Frau, Apollod. II 4, 11. Schol. Pind. Isthm. 3, 104. Hypoth. Eur. Herc. f. Tzetz. LLykophr. 33. Mythogr. Lat. II 158, p. 129 ed. Bode. Myth. Lex. 1417. Die Hochzeit ist auf der rf. Vase bei Gerhard Apul. Vasenb. 15 (Furtwängler Berl. Vasenkatal. 3257) dargestellt. Seine jüngste Tochter gibt K. dem Iphikles, dem Zwillingsbruder des Herakles. Hygin. fab. 72 gibt K. dem Herakles seine Tochter, nachdem dieser für Haimon, den Sohn des K., um Gnade gefleht hat, vgl. Welcker Griech. Tragöd. II 571. 696. Für die Beziehungen zwischen K. und Herakles vgl. auch die Darstellung auf zwei tarentinischen Vasen, in Ruvo (Heydemann Über eine nacheuripideische Antigone, Berlin 1868; Arch. Ztg. XXVIII (1870) Taf. 40, 2; Mon. d. Inst. X 27; Wiener Vorlegebl. 1889 Taf. 9, 14): und in Berlin (Gerhard Apul. Vasenb. Taf. 11; Arch. Ztg. a a. O. Taf. 40 1; Wiener Vorlegebl. a. a. O. Taf. 9, 12. Furtwängler Berl. Vasenkatal. 3240). Helbig Untersuchungen über die campanische Wandmalerei 178 u. Anm. 2; Arch. Jahrb. XXIX Taf. 13. C. Robert Oidipus I 382f. Robert I 168 hat es wahrscheinlich gemacht, daß die Genealogie, die wir im Drama vorfinden, schon aus dem Epos, der Oidipodie, stammt, mindestens K.s Vater Menoikeus. Beide scheinen mit der Heraklessage verknüpft. So liegt die Vermutung nahe, daß K. ursprünglich in die Heraklessage gehört und in die Oidipussage, die mit Laios und Oidipus ursprünglich nicht in Theben zu Hause war (vgl. Robert), ein Eindringling war. Robert I 59. Aus der Heraklessage übernahm man die Figur des K. – nach Robert anscheinend schon in der Oidipodie – in die Oidipussage und gab ihr die Rolle des Reichsverwesers nach Ermordung des Laios; vgl. auch Robert Griech. Heldensage⁴ III 880, 3.
Nun galt K. zugleich als Abkömmling der aus Kadmos’ Drachensaat entsprossenen Sparten. Aischylos Septem 474 wird Megareus, des K. Sohn, ein Abkömmling der Sparten genannt. Eur. Herc. fur. 4ff. und Schol. Phoin. 942 wird die Abkunft des K. selbst von den Sparten bezeugt; nach Timagoras Θηβαικά im Schol. Phoin. 670 = FHG IV 520 frg. 1 war ein K. neben Pelor, Echion, Udaios, Chthonios und Hypenor I einer der Sparten, offenbar der Ahnherr unseres K.; vgl. Schol. Statius Thebais 10 p. 468 ed. Cruceus (Paris 1618). Die Sparten waren in Theben bodenständig, und wenn K. als Spartenabkömmling und Vertreter eines ursprünglich in Theben herrschenden Geschlechts im Drama, so besonders in Sophokles’ Antigone (vgl. Robert I 355ff.) sich in der Opposition gegenüber den [1050] Labdakiden befindet, so klingt in diesem Gegensatz vielleicht noch die dunkle Erinnerung nach an den alten Gegensatz zwischen Thebens altem Herrschergeschlecht der Sparten und dem später eingedrungenen der Labdakiden. Wenn der Scholiast zu der Menoikensepisode der Phoinissen, v. 1010, bemerkt, Σωφιφάνης ὁ τραγικὸς ὑπὸ τοῦ Λαίου φησὶ τεθνηκέναι τὸν Μενοκέα, so kann – wie Robert I 493f. mit Recht vermutet – mit Menoikeus nur des K. und der Iokaste Vater, der Schwiegervater des Laios, gemeint sein; vielleicht, daß der Labdakide sich die Tochter des Sparten mit Gewalt nahm. Und ,wir hätten eine Motivierung für das Verhängnis des Labdakidenhauses‘. – K. verwaltete nun nach dem Tode des Laios das thebanische Land mit königlicher Vollmacht (vgl. Apollod. III 8, 1. Hyg. fab. 67). Daß er als solcher der Oidipodie entnommen ist, hat Robert I 168. 284 wahrscheinlich gemacht. Das setzt dann weiter voraus, daß er der Bruder der Königin ist (Schol. Eur. Phoin. 10. 942. Bei Diodor. IV 64 Λαίος . . . γήμας Ἰοκάστην τὴν Κρέοντος scheint Iokaste als Tochter des K. aufgefaßt zu sein), denn nur als solcher konnte er zur Reichsverweserschaft berufen werden. Daß K. bereits in der älteren Sage als Reichsverweser vorkam und nicht etwa erst von Sophokles in dieser Rolle eingeführt worden ist, beweist Pherekydes frg. 48 im Schol. zu Phoin. 53 (FHG I 85) l und die vorsophokleische Vase des Hermonax (Mon. d. Inst. VII, Taf. 45 Wien. Vorlegebl. 1889 Taf. 8, 10; vgl. Mahler Samml. ant. Vasen im österr. Mus. 336. Klein Vasen mit Meistersign. 201, 5. Robert I 52f. Abb. 20), auf welcher K. ,unverkennbar dargestellt ist, leicht kenntlich durch die feierliche Haltung und den Thronsitz‘. Robert 101. Hinter ihm steht Oidipus und löst eben das Rätsel. K. ist es denn auch gewesen und zwar wohl schon in der älteren Sage, der als Preis für die Überwältigung der Sphinx die Hand der Königin und die Königsherrschaft über Theben aussetzte; vgl. Eur. Phoin. 45ff. und Hypothes. 2. Apollod. III, S, 6. Ein einziges Fragment ist uns aus der Oidipodie erhalten (im Schol. zu Eur. Phoin. 760), in welchem es von der Sphinx heißt, daß sie K.s Sohn Haimon geraubt habe: ἀλλ’ ἔτι κάλλιστόν τε καὶ ἱμεροέστατον ἄλλων, παῖδα φίλον Κρείοντος ἀμύμονος Αἴμονα δῖον; woraus wir sehen, daß K. bereits in diesem Epos in den Kreis der Oidipussage eingeführt war (Robert 168). Das ist aber auch alles, was sich über die Figur des K. in der alten Sage und im Epos ermitteln läßt; vielleicht daß er überhaupt im Epos eine noch ziemlich schattenhafte Sagenfigur war, die erst durch die freie Gestaltung des Dramas, besonders des Sophokles zu einem Wesen von Fleisch und Blut wurde.
In den Septem des Aischylos (474ff.) wird K. in einer Weise erwähnt, daß er unmöglich als Bruder der Königin und früherer Reichsverweser gedacht sein kann, weswegen Robert I 247 vermutet, daß Aischylos seine K.-Figur wohl nicht aus der Oidipodie übernommen habe, wo K. der Schwager des Laios und Oidipus war, sondern aus der Thebais, wo K. zwar wohl auch von den Sparten stammen konnte, aber nicht mit Laios und Oidipus verschwägert gewesen zu sein brauchte. – Nach der Katastrophe, dem [1051] Selbstmord der Iokaste und der Selbstblendung des Oidipus, bedurften die Kinder eines ἐπίτροπος. Als solchen bot die Oidipodie die Figur des K. und übernahm sie Sophokles, der das Reichsverweseramt des K. dahin erweiterte, daß er ihm auch nach der Katastrophe dieses Amt überträgt, Oid. tyr. 1416ff. Um dies vorzubereiten, wird ihm auch in der Zwischenzeit während der Herrschaft des Oidipus Rang und Würde eines Königs zugeschrieben. Während er aber in Oidipus Tyr. nur eine mehr passive Nebenfigur, ein von den Verhältnissen getriebener Charakter ist, wird er in der Antigone der sehr aktive und schroffe Repräsentant des Staatsprinzips. In der Antigone ist er auch der Vormund seiner Nichten, wozu ihn Oidipus im Tyrann. 1503ff. gemacht hatte. Und nach dem Tode seiner Neffen ist ihm von neuem die Königswürde zugefallen. Wenn er v. 289ff. sagt, längst habe es Unzufriedene gegeben, die sich seinem Regiment nicht gefügt hätten (vgl. Bruhn 10), und sich in seiner Regierung nach den Ratschlägen des Teiresias gerichtet hat (988ff.), obwohl diese nach den sonstigen Voraussetzungen des Stückes kaum einen Tag alt ist, so flicht der Dichter einer psychologischen Pointe zuliebe hier Motive ein, wie er sie braucht, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, daß K. solche Beobachtungen unmöglich in 24 Stunden gemacht haben kann (Robert 358 und Anm. Tycho v. Wilamowitz Beobachtungen z. dramat. Technik d. Soph. 20). Als Träger des Staatsgedankens erblickt er in Polyneikes infolge seines Zuges gegen Theben den Feind des Staates, der damit aus der Geschlechtsgemeinschaft ausgeschieden ist. Von diesem Gesichtspunkt aus erläßt er das die Leiche des Polyneikes betreffende Bestattungsverbot (Antig. 27f., 198ff.), das vor Sophokles gar nicht oder wenigstens nicht in dieser Form vorhanden war (vgl. Plut. Demosth. 29. Demosth. LX, 8 p. 1391). Die Staatsraison ist es, welche Sühne heischt für den am Vaterland und seinen Göttern begangenen Verrat (197ff.). ,Wenn nun K. hiermit auch über das in Attika gültige Gesetz hinausgeht, das in ähnlichen Fällen nur die Bestattung in heimischer Erde, nicht die Bestattung überhaupt verbietet, und wenn der Chor.....nicht undeutlich zu verstehen gibt, daß er das Verbot nicht billigt (211ff.)‘ (Robert), so wird man diese Maßnahmen des K. doch vom Standpunkt des Staatsinteresses, das vor allem nach solcher Katastrophe ein energisches Regiment verlangt, zunächst zu verstehen suchen, um so mehr, als K. im Kampfe der Sieben gegen Theben, um Ares zu versöhnen und die Stadt zu retten, ja auch seinen Sohn Megareus auf den Rat des Teiresias opfert. Antig. 995. 1302f. Es kann nicht von einem persönlichen Haß des K. gegen Polyneikes die Rede sein, Bruhn 14. Aber Sophokles zeichnet K. nicht als den lauteren, energischen und konsequenten Vertreter des Staatsprinzips, sondern er gibt seiner Staatsraison eine stark persönliche Note dadurch, daß er ihn zugleich als den auf seine neue Königswürde eifersüchtigen Herrscher hinstellt, der darin, daß gleich sein erstes Gebot durch ein Weib und zwar eine Königstochter vom Labdakidenstammo übertreten wird, einen direkten Angriff auf seine Majestät, erblickt (484f.) [1052] und sein gekränktes königliches Selbstbewußtsein bis zur Wut steigert (734ff.). Der in weiser Fürsorge für das Gemeinwohl strenge Gesetze erlassende Herrscher entpuppt sich als egoistischer Autokrat, der durch sein nervöses Pochen auf seine Herrscherstellung seine eigene Unsicherheit verrät, und zeigt, daß er in Wirklichkeit seiner Stellung nicht gewachsen ist. Während v. Wilamowitz Hermes XXXIV 63 meint, daß K. in der Antigone und der des Oidipus Tyr. nach des Dichters Willen ein und dieselbe Person sein sollten, vermag ich mit Bruhn 22 das nicht zu glauben, vielmehr legen, wie Robert 348 ausführt, einzelne Charakterzüge des K. den Vergleich mit dem Oidipus des Oidipus Tyr. nahe, das schnelle Aufbrausen (280f.), die Neigung zu voreiligen Kombinationen (489f.), der Argwohn, der ihn überall Bestechung (1037ff. 1015ff.) und die Intrigen einer geheimen Oppositionspartei (289ff.) wittern läßt, vielleicht daß der Dichter in K. eine Karikatur des Oidipus hat zeichnen wollen. Er ist im Grunde ein eitler, selbstgefälliger Wüterich ohne alle innerliche Kraft und Größe. Während der Dichter im Oidipus Tyr. unbestimmt lassen konnte, ob K., der dort ja nur Nebenfigur ist, als kinderloser Witwer oder Junggeselle zu denken ist, verlangte es in der Antigone die Grundidee des Stückes, daß K., der die von Göttern und Menschen geforderte Geschlechtspflicht dem Staatsinteresse hintansetzt, dies an seinem eigenen Geschlechte büße, und so mußte ihm der Dichter in der Antigone Weib und Kind geben als Objekte, an denen das Schicksal seine Vergeltung üben konnte. So entlehnte er aus der Oidipodie den Haimon, den er nicht, wie dort, der Sphinx zum Opfer gefallen sein (vgl. Frag. Ep. S. G. frg. 2 und Peisandros im Schol. Eur. Phoin. 1760), sondern erst später geboren sein (627) und Selbstmord begehen läßt. Um ein Motiv für seinen Selbstmord zu haben, macht Sophokles den Haimon in freier Erfindung zum Bräutigam der Antigone (Kern Kl. Schriften II 106. Tycho v. Wilamowitz 42ff. Robert 349ff.). Auch führt er die Gattin des K., Eurydike, ein, wiederum lediglich, damit sie sich aus Verzweiflung über den Tod ihres letzten Kindes gleichfalls töte, und K. durch solches Unglück seine Strafe empfange. – Wieder in anderer Gestalt tritt uns K. im Oidipus Kol. entgegen; es reizte offenbar den Dichter, den von ihm erst eigentlich als dramatische Figur geschaffenen K. zum dritten Male, wiederum in abweichender Gestaltung vorzuführen. Im Oidipus Kol. ist er der vollendete Heuchler und Intrigant, dem jedes Mittel recht ist, um seine Absicht durchzusetzen. Er ist neben Eteokles König von Theben, Vormund über Antigone und Ismene. Bei Oidipus, dem verachteten, blinden Bettler, liegt die Entscheidung über den Ausgang des Krieges, und darum sind beide Parteien darauf bedacht, sich der Person des Oidipus zn bemächtigen und sich in den Besitz des segenbringenden Oidipusgrabes zu setzen. Von seiten der Thebaner zieht K. mit seinen Trabanten aus, um Oidipus zur Rückkehr in sein Vaterhaus zu bereden, eine Version, die sich aus keiner älteren Quelle belegen lälit. Mit mitleidsvollen Worten, ähnlich wie der K. des Oid. Tyr. 1422ff., [1053] spricht er zu Oidipus, doch ohne daß es ihm Ernst damit ist, vielmehr ist es ausgeklügelte Heuchelei, die ihn die Verse 740ff. sprechen läßt. Um seine Harmlosigkeit zu erhärten, verweist er auf sein hohes Alter; als betagter Greis tritt er auf, genau wie sein Schwager, der lebensmüde Oidipus. Dieser, der die Verstellungskünste des K. klaren Blickes durchschaut, weist seinen Antrag mit bestimmter Entschiedenheit ab. – So ist durch die Sophokleischen Tragödien aus der in der Sage und dem Epos noch ziemlich schattenhaften K.-Figur, aus dem Sproß des Spartengeschlechts und dem Bruder der Iokaste ein Wesen von Fleisch und Blut geworden. So lag es für Euripides, der in seinem ,Oidipus‘ ein Gegenstück zum Oidipus Tyr. des Sophokles schuf, nahe, diesen von seinem Vorgänger einmal betretenen Weg weiter zu verfolgen. Frg. 551 lautet:
φθόνος δ’ ὁ πολλῶν φρένα διαφθείρων βροτῶν
ἀπώλεσ’ αὐτὸν κἀμὲ συνδιώλεσεν,
Worte, die wie C. F. und G. Hermann richtig erkannt haben, von Iokaste auf den zugrunde gerichteten Oidipus gesprochen und gegen K. gerichtet sind; vgl. Welcker Griech. Trag. 544. Robert 310, dazu o. Bd. II S. 109, 9. Sie bezeugen uns den Ehrgeiz des K. als Triebfeder der ganzen Handlung. Und die Scholien zu Phoin. 61 bemerken: ἐν δὲ τῷ Οἰδίποδι οἱ Λαίου θεράποντες ἐτύφλωσαν αὐτόν.
frg. 545: ἡμεῖς δε Πολύβου παῖδ’ ἐρείσαντες πέδῳ ἐξομματοῦμεν καὶ διόλλυμεν κόρας.
Dieses Fragment, das offenbar aus dem Bericht einer der Λαίου θεράποντες stammt, lehrt uns, daß Oidipus von den alten Kriegern des Laios geblendet wurde; diese aber werden das nicht gewagt haben, ohne sich durch eine einflußreiche Persönlichkeit gedeckt zu wissen. Und das kann nur K. gewesen sein. Diese Verse also zwingen zu der Auffassung, daß die Blendung nicht nur mit dem Einverständnis, sondern jedenfalls auf die Veranlassung des K. vorgenommen wurde. Diese Vermutung – vgl. auch Robert 305ff. – wird gestützt durch die Darstellung auf einer Aschenurne aus Volterra im Museum von Florenz. Vgl. Körte Le urne etrusche II tv. 7, 1 p. 21ff. Danach homer. Becher 79 und Abbildg. bei Robert 307 (Abb. 48.). Trotz Bethe Theb. Heldenlieder 68f., 40 scheint die Mittelgruppe eine Darstellung zu den eben zitierten Versen zu geben. Vor Oidipus, der auf beiden Knieen liegend von einem Krieger mit Beihilfe zweier anderer geblendet wird, steht links in königlicher Tracht, das Szepter tragend, K., offenbar als die gebietende Persönlichkeit, auf deren Befehl die alten Krieger des Laios handeln. So ergibt sich für uns die Vermutung, daß Euripides in seinem ,Oidipus‘ eine Weiterbildung des in Sophokles’ Antigone so aktiv in die Handlung eingreifenden K. diesen ,zu einem aktiven Gegenspieler des Königs Oidipus gestaltet‘ und ihm selbst ehrgeizige Absichten auf den thebanischen Königsthron beigelegt habe. Somit ist ein dramatischer Konflikt von selbst gegeben, ein Konflikt zwischen K., dem Abkömmling des thebanischen Urgeschlechts der Sparten, dessen Schwester die Gattin des früheren Königs war und der selbst bis zur Überwindung der Sphinx eine Zeitlang den verwaisten Königsthron innegehabt [1054] hatte, und dem hergelaufenen Fremdling, hinter dem er nun zurückstehen sollte. Während bei Sophokles (vgl. Oid. Tyr. 248f.) K. neben Oidipus noch ein Scheinkönigtum bekleidete, scheint in Euripides’ Oidipus der Schwerpunkt der Handlung in dem Kampf zweier politischer Parteien gelegen zu haben, der altthebanischen, ihrem alten König nachtrauernden Partei, in welcher K. als der der alten Tradition und der berufene Nachfolger des Laios die Genossen für seine Pläne fand, auf der einen Seite und der für die glänzende Erscheinung des jungen Königs, des Retters in der Not, begeisterten Jugend auf der andern Seite. Auch in seiner Antigone scheint Euripides die Gestalt des K. frei weitergebildet zu haben: Er ist nach dem Aussterben des Labdakidengeschlechts König von Theben geworden. Sein Sohn Haimon liebt gegen den Willen des Königs Antigone, wie in der Sophokleischen Tragödie, rettet sie und vermählt sich heimlich mit ihr. Die Tragödie hatte einen versöhnenden Schluß, indem durch das Eingreifen des Dionysos – oder wie Robert 3S5ff. vermutet, des Herakles – der erzürnte König K. besänftigt wird, so daß er Antigone verzeiht, ihre Ehe mit Haimon anerkennt und das Kind ihrer Ehe als seinen Enkel annimmt. Daß Herakles es ist, der zum Schluß diese Wendung herbeigeführt hat, vermutet Robert wohl mit Recht, denn abgesehen davon, daß frg. 177, wo Dionysos apostrophiert wird, keinen sicheren Schluß auf das persönliche Eingreifen des Dionysos zuläßt (s. Vogel Szenen Euripideischer Tragödien in griech. Vasenb. 52), und daß K. ursprünglich in die Heraklessage gehört, spricht die Andeutung Hygins in fab. 72, welche, wenn auch nicht frei von allem Fremdartigen, so doch im großen ganzen den Inhalt unseres Dramas wiedergibt (vgl. Welcker Gr. Trag. II 503. Max Mayer De Euripidis mythopoeia 73. Robert 381ff.; anders freilich Heydemann Über eine nacheuripideische Antigone, Berlin 1868), dafür, daß Herakles aufgetreten ist. Diese Ansicht wird gestützt durch die zwei tarentinischen Vasen in Ruvo und Berlin (o. S. 1049). Dargestellt ist der Moment, wo Herakles den König K. um Gnade für Antigone bittet, und Robert hat sicherlich recht, wenn er meint, ein Maler hätte völlig von Sinnen sein müssen, wenn er als Vorwurf für seine Darstellung einen Moment wählen wollte, wo Herakles – wie bei Hygin steht – eine vergebliche Bitte tut. – In den Phoinissen verheißt Teiresias den Thebanern den Sieg, wenn K. einen seiner Söhne dem Ares opfere (911ff.). Der Dichter erfand nun eine neue Figur, indem er dem K. – neben Haimon und dem in der Thebais und bei Aischylos (o. S. 1049) erwähnten Megareus – einen dritten Sohn (vgL v. Wilamowitz De Eur. Heraclidis p. X. n. [Ind. lect. Griph. 1882]; Hermes XXVI 1891, 199) gab, der nach griechischer Sitte den Namen seines Großvaters trägt. Den Haimon wählte er nicht, weil er auch dessen Verlöbnis mit Antigone in sein Stück einflechten wollte. K. verweigert den Göttern dieses Opfer aus Liebe zu seinem Sohne und zu seinem Geschlecht. Es handelt sich jetzt nicht einmal mehr um die Frage: Staat oder Geschlecht (wie in Soph. Antigone; s. o. S. 1051), denn wenn Menoikeus geopfert wird, stirbt sein Geschlecht nicht aus. Vielmehr ist die Frage die, ob zur [1055] Rettung des Vaterlandes einer aus dem Geschlecht das Leben lassen soll: Das Vaterland oder mein Kind? Indem K. dies Opfer verweigert, erscheint er dem überzeugten und gesinnungstreuen Patrioten als verächtlicher Vaterlandsverräter. Während er in dem Konflikt zwischen Vaterlands- und Kindesliebe aus schwächlichem Egoismus der letzteren nachgibt und sich als ängstlicher Familienvater nicht zu der sittlichen Höhe und Kraft erheben kann, seinen Sohn dem Vaterland zu opfern, gibt sich der hochherzige Menoikeus zum Heile des Vaterlandes den Tod (vgl. Plut. Pelop. 21. Etym. M. 67, 45. Schol. Aristid. p. 113 Dnd. Stat. Theb. X 774ff. Schol. Stat. Theb. VII p. 824. In dem erwähnten Schol. Aristid. heißt es auch, daß Menoikeus von K. geopfert wird. Herodian. πεερὶ ἀκυρολογ, bei Boissonade Anecd. III 269 heißt es: Μενοικεὺς καὶ Κρέων ἑαυτοὺς ἀπέκτειναν, jedenfalls verderbt. Ilberg Mythol. Lex. II 1416). Den Opfertod des Menoikeus finden wir auf einigen Gemmen und einer etruskischen Aschenkiste. Auf den Gemmen (in Berlin, Toelken Verz. der antiken vertieft geschn. Steine IV 34 und 35. Overbeck Heroengall. S. 133, 52 und 53 Taf. VI 1) stößt sich Menoikeus ohne Zeugen, also wie bei Euripides, heimlich und ohne Vorwissen K.s das Schwert in die Brust. Auf der etruskischen Aschenkiste (im Mus. zu Volterra, Overbeck nr. 54 Taf. VI 2) opfert sich Menoikeus vor Zeugen, K. sucht sich von den übrigen Zeugen loszumachen und auf den Altar zuzueilen. Als ängstlicher Vater und schwächlicher Charakter zeigt sich K. in den Phoinissen auch Antigone gegenüber. Während er in Sophokles’ Antigone ihr Verlöbnis mit Haimon in gefühlloser Weise aufhebt, nachdem Antigone ihm zum Trotz den Polyneikes bestattet hat, löst er in den Phoinissen das Verhältnis aus erbärmlicher Angst um seinen Sohn, nachdem Antigone sich infolge der von K. verhängten Verbannung des Oidipus (vgl. Schol. Aristid. p. 77. Schol. Stat. Theb. p. 529) von ihrem Bräutigam losgesagt hat, um ihren Vater begleiten zu können, und gedroht hat, daß sie an Haimon, dem einzigen Kind, das ihm noch gebliehen, zur Danaide werden wolle (1672ff.). Die Szene zwischen K. und Antigone (Phoin. 1640ff.) findet sich als Schlußszene auf einem homerischen Becher im Brit. Mus. dargestellt. (Wolters Cat. of the vases IV G 104). – In den Hiketiden des Euripides verweigert K. nach dem Abzuge der Feinde den gefallenen Führern das Begräbnis (nicht, wie in den Phoinissen 1628ff., nur dem Polyneikes) und verlangt von Theseus, er solle den Adrastos nicht in seinem Lande dulden (467ff.). Doch erzwingt Theseus durch einen glänzenden Feldzug von ihm die Auslieferung der Leichen. Vgl. Pausan. I 39, 2, wonach K. nach dem Tode des Eteokles die Herrschaft nur als Vormund von dessen Sohn Laodamas geführt hat (s. ebd. IX 5, 13; 10, 3).
In der Thebais des Statius, in welcher sich die Fabel der Euripideischen Phoinissen wiederfindet, wird K. durch Theseus getötet, den Antigone zu Hilfe gerufen hat, XII 767ff.; vgl. auch Eur. Herc. fur. 31ff. und 546, wo der Tod des K. von der Hand des Lykos von Euboia erwähnt wird, der sich nach der Ermordung K.s auch der Herrschaft bemächtigt, und Seneca. Herc. fur. 372. Nikolaos Damaskenos (frg. 20, [1056] FHG III 369) dagegen läßt den K. nach des Herakles Wahnsinn noch am Leben sein.
Zu erwähnen ist noch, daß Hesiod (scut. 83 vgl. Schol. Hom. Il. XIV 323) Henioche als Gemahlin des K. nennt und Paus. IX 10, 3 Henioche und Pyrrha als Töchter des K. bezeichnet, deren Steinbilder beim Tempel des Apollon Ismenios in Theben standen.
Über K. in der Tragödie vgl. Aristot. poet, 14. Demosth. XVIII. 180. Plat. ep. 2 p. 493 Herch. Plat. Alkib. p. 151 b. Luc. Menipp. 16; de merc. cond. 5. Symons Die Sage vom thebanischen Kreon in der griechischen Poesie, Diss. Berlin.
An Darstellungen aus der Kunst ist außer den bereits angeführten noch zu erwähnen: Eine Lekythos aus Unteritalien (Brit. Mus. nr. 626): K. (? oder Teiresias oder Oidipus ?) die Sphinx befragend. – Das Ende der Szene zwischen K. und dem Wächter in Sophokles’ Antigone ist nach Wieseler Theatergeb. 9, 1 p. 52 (vgl. Helbig Wandgemälde nr. 1467 p. 351f.) vielleicht auf dem campanischen Wandgemälde im Museum zu Palermo zu erblicken.
[Humborg.]
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