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Karten (topographische, Land-, Erd-Karten, Erd- und Himmels-Globen). Landkarten wollen ein Erdbild in verständlicher (konventioneller) Zeichensprache geben. Eine Geschichte der Land-K. wird sich also auf einer Geschichte der Erdkunde aufbauen müssen; die antike Erdkunde liegt aber, insbesondere für die Zeit vor den punischen Kriegen, in spärlichen Trümmern vor uns. Es wird also überhaupt nicht viel Zusammenhängendes von der antiken K.-Zeichnung zu sagen sein. Das ist der Grund, weshalb für die Zwecke dieser R.E. eine Beschränkung auf die Anführung wirklich noch vorhandener oder wenigstens literarisch bezeugter K. und K.-Werke, demnach mit Ausschluß so ziemlich aller jener, wenn auch mit Wahrscheinlichkeit oder zum Teil sicher vorauszusetzenden Stücke, deren Kenntnis oder auch bloße Nennung uns nur der leidige Zufall bisher nicht gegönnt hat, angezeigt schien. Eine innere Verbindung dieser Bruchstücke und deren Begründung muß dem Artikel über Geographie der Alten vorbehalten bleiben. Hier soll bloß eine Übersicht, eine Art Inventur der einschlägigen und - vielleicht mit Ausnahme des ptolemäischen K.-Werkes - uns eigentlich stets nur durch Zufall erhaltenen K.-Materials, seines Inhalts und seiner Technik versucht werden, auch dies nur in äußerster Kürze, und ohne einer (unbedingt nötigen) Bearbeitung des Stoffes vorzugreifen. Die Literatur wird für jede einzelne K. oder K.-Gruppe absatzweise angeführt werden, eine zusammenhängende Darstellung wüßte ich nicht zu nennen, am ehesten noch Thédenat in Daremberg-Saglio Dict. IV s. Forma. Ein alphabetisches Register am Ende (S. 2148) soll die Benützung erleichtern.
A. Allgemeines, Grundrisse, Stadtpläne.

§ 1. Der geographische Unterricht der Elementarschule knüpft heutzutage an die Raumvorstellung an, die der Schüler im Schulzimmer und im Schulhaus gewonnen hat. Weiterhin verbindet er damit die nächste Umgebung, den betreffenden Stadtteil, die ganze Stadt usw. Das ist gewiß der gleiche Entwicklungsgang, den die Raumvorstellungen im Menschengeschlecht an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten genommen haben. Diese Entwicklung kann die Natur von gewissen höher gelegenen Punkten aus noch besonders fördern. Von einer [2023] kleinen Insel des Ägäischen Meeres oder von einem höhergelegenen Punkt im Maeandertal, z. B. von der Stätte des antiken Tralleis aus, hat man die K. förmlich zum Greifen vor Augen; man braucht sie bloß zu Papier zu bringen. Freilich ist das nur unter dem heiteren Himmel des Südens leicht und fast zu jeder Jahreszeit möglich. In unserem Klima, z. B. auf einem der Position des lydischen Tralleis in mancher Beziehung gut vergleichbaren Berggipfel wie dem Schloßberg nächst Krems oder noch besser dem noch höher und der Donau näher gelegenen Sandl aus, könnte man auch an klaren Tagen die K. zwar noch nachfühlen, nicht aber klar erschauen, da der Blick ins Stromtal und in die jenseits desselben liegende Landschaft durch Nebelbildung verschleiert zu werden pflegt.

Einfacher entstehen in hügeliger oder bergiger Landschaft charakteristische Landschaftsbilder, die zu den Grundriß-K., im Alltagsleben wenigstens, sich wie Aufrisse von Bauten zu deren Grundrissen verhalten, und jedenfalls gleich jenen lebhafter als diese auf die Fassungs- und Einbildungskraft wirken. Die Landschaftsbilder gehören streng genommen nicht in diesen Abschnitt; auch nicht, wenn sie

a) uns mangels anderer Überlieferung eine K. ersetzen müssen, wie z. B. die Städteveduten auf thrakischen oder syrischen Münzen; das Haterier-Relief mit Bauten an der Sacra via zu Rom Mon. d. Inst. V 7 oder bequemer z. B. bei Richter Topographie² 172 Abb.; oder die Reliefs von den Marmorschranken des Forums in Rom (Abb. Jordan Top, I 2. Bd. S. 222 Taf. 4); das Glasgefäß mit der Küste von Puteoli CIL XV 7008 = Kisa Das Glas im Altertum (1908) S. 543 Abb. 244, ein anderes mit Bruchstücken des Plans einer Stadt aus Köln Kisa S. 835 Abb. 336. Jordan in Arch. Ztg. 1868 Taf. 11; oder so und so viele Darstellungen von Villen und Stadtanlagen auf Wandmalereien oder auf Mosaikböden, vgl. z. B. die Mosaiken von Hammam (= Bad) Gruš, westlich von Arsacal (Karte II zu CIL VIII Dc), CIL VIII 10889-10891 = Tissot Géographie d’Afrique Rom. I (1884) Taf. 1 (zu S. 361) und Taf. 4 (zu S. 495), zu welchen Tafeln aber die Kritik S. Reinachs (ebd. II 789. 792) zu vergleichen ist;
oder b) wenn sie in einen Itinerarfaden eingeschaltet werden, wie z. B. im Matthaeus-Itinerar, wiederholt in Millers Mappae mundi III 85;
oder c) wenn sie in Szenen aneinandergereiht sind, wie auf dem großen Mosaik aus dem Fortunatempel in Praeneste (z. B. CIG 6131 b mit Abb. oder auf der großen Tafel XI-XIV in den Dissertazioni der päpstlichen Accademia di archeologia, II. Reihe Bd. X 1910), das Orazio Maruchi neulich geradezu als eine ,carta prospettica‘ von Ägypten und dessen Hinterland erklärt hat (ebd. p. 168: Kanal von Kanopos bei Alexandria, bis zum Tempel von Philai, weiter zu den Nilkatarakten und endlich zu den Bergen Äthiopiens und ihrer Negerbevölkerung). Über geographische Landschaftsbilder habe ich in den Mitt der geogr. Gesellschaft in Wien 1900, 341f. gesprochen; eine zusammenhängende Darstellung steht für die antike Kunstperiode noch immer aus. [2024]

§ 2. Eine Kritik der zahlreichen, bis ins 3. Jahrtausend zurückreichenden, z. T. sehr detaillierten vorgriechischen Baupläne auf ägyptischen Monumenten und Papyri sowie auf babylonischen und assyrischen Tontafeln und an der Statue des Gudea (in der Nähe Bagdads gefunden, jetzt im Louvre zu Paris, zugleich mit Darstellung der Maßeinheit und ihrer Unterabteilungen) gibt J. Stur in der Österr. Polytechn. Ztschr. VIII (1911) 229ff.; eine vollständiger kritische Sammlung wäre wünschenswert.

Festhalten an einem bestimmten Maßstab ist nicht einmal im Grundriß eines und desselben Gebäudes festzustellen, öfters wird durch Einzeichnen der Maßzahlen dieser Mangel gutenteils ausgeglichen. Lehrreich sind die Ausführungen von Lepsius zu einem der auf Turiner Papyri erhaltenen Situationspläne mit hieratischen Inschriften, und zwar zum Plan des Grabes Ramses IV. (Abh. Akad. Berl. 1867, 13f.), auf dem der Grundriß durch eingeklappte Aufrisse vervollständigt wird: ,Offenbar kam es dem Architekten, der den Plan verfertigte, nur darauf an, ein ungefähres aber doch verständliches Bild des Ganzen und seiner Abteilungen zu geben, das Genauere aber in die eingeschriebenen Zahlen zu legen. Die langgestreckten Eingangskorridore wurden sehr ansehnlich verkürzt, und zuweilen scheint es, daß man die Räume gerade nur groß genug zeichnete, um die Inschriften hineinschreiben zu können, was immer noch eine gewisse Proportion der verschiedenen Räume zuließ‘. Dazu kam das Bemühen, mit dem Grundriß ,zugleich eine Gesamtansicht der wirklichen Erscheinung zu gewähren, die im Grundriß allein verloren geht, und nach unserer Auffassung ganz verschiedene Zeichnungen verlangte‘. ,Ich habe, sagt Lepsius, an den Wänden von Felsengräbern von Tel el Amarna, die erst durch die preußische Expedition bekannt geworden sind, mehrere merkwürdige Darstellungen von Tempeln, Palästen, mächtigen Speichern und Gartenanlagen gefunden, und in den Denkmälerwerken (Abt. III 93-96. 101f.), publiziert, die aus der Zeit des Sonnenanbeters Amenophis IV. sind und in der genannten Art Grundriß und Aufriß mit einander in einer eigentümlichen, aber geregelten Weise verbinden.‘ Der Ägypter ,zeichnet den vollständigen Grundplan nach der Wirklichkeit. Die Aufrisse der Fassaden aber legt er, je nach dem dafür vorhandenen Platze, in ganzer Höhe hinein‘. Es sei noch besonders auf den Plan eines Goldbergwerkes Ramses’ II. (wiederholt veröffentlicht und bei Stur S. 283 Fig. 4 umgezeichnet) und auf einen Bauplan aus Bagdad vom 2. Jahrtausend v. Chr. (neue Aufnahme bei Stur S. 240 Fig. 14) hingewiesen als den ,einzigen, der in einem konsequent durchgeführten und zweifellos festgestellten Maßstabe gezeichnet erscheint‘. - Wenig einleuchten will das, was R. Frh. v. Lichtenberg Haus, Dorf, Stadt (1909) 106 über die Zugehörigkeit angeblicher Fassadeansichten von Häusern zu einem Grundriß der Stadt Knossos auf Kreta sagt.

§ 3. Die Fertigkeit, Grundrisse von Feldern und Bauten zu entwerfen, setzt gewisse geometrische und geodätische Kenntnisse voraus. Über die Theorie und Praxis, welche vor allem auf ägyptischem [2025] Boden durch die nach den Nilüberschwemmungen immer wieder nötigen Vermessungen entwickelt, aber auch in den hellenistischen Neugründungen und dann ganz besonders im römischen Reich gefördert worden ist, vgl. Hultsch o. Bd. VII S. 1211 (Geschichtliche Entwicklung der Feldmeßkunst) und Schulten ebd. 1886ff. (Die römischen Feldmesser); auch W. Schubart Einführung in die Papyruskunde (1918) 386. 399 und 162. Ich darf mich daher hier auf die Anführung folgender Punkte beschränken:

a) der beiden einzigen bisher aus Papyri der ptolemäisch-römischen Kulturperiode bekanntgewordenen Beispiele einer Flureinteilung,

α) Papyrus Lille 1 (herausgegeben von Jouguet I 1907 p. 16), vgl. Wilcken Archiv für Pap. V 218; einer Berechnung der Kosten für die Kanalisierung eines Grundstückes von 10 000 Aruren Flächeninhalt wird eine Zeichnung beigefügt (Westen oben), auf die das Elaborat mit den Worten ὡς διαγέγραπται ἐν τῷ πλινθείῳ Bezug nimmt; vom J. 259 v. Chr.;

β) das zweite Beispiel, das meines Wissens überhaupt bisher aus griechisch - römischen Papyri veröffentlicht worden ist, bildet eine Anzahl von kleinen und kleinsten Fragmenten aus Gebelen = Aphroditopolis, herausgegeben von Spiegelberg, Die demot. Papyri (= Cat. général des antiq. Égypt. du mus. du Caire XXXIX 1908) n. 31163 Taf. 105 als Stücke der ,Flur-K. von Aphroditopolis; wäre von dieser K. mehr vorhanden, so würde sie für die Geschichte der Kartographie von der größten Bedeutung sein; immerhin darf auch das Erhaltene das größte Interesse beanspruchen‘. Abdruck wiederholt von Preisigke in seinem Sammelbuch n. 4474. Soviel ein erster Blick lehrt (auch diese geringen Stücke sollten noch genauer besichtigt werden können), ist Land in ziemlich gleiche Parzellen geteilt, deren Aufschriften in griechischer Sprache (so Frg. e ἔδαφος ἀ[μ]|πελῶν)[ος] | Ἀφροδίτ[ης] | ....., so wird wohl zu ergänzen sein; auch einmal über zwei Parzellen gesetzt Frg. d Ἐριεῦτος τοῦ Πόρτ[ιτος] . . . ἀδελφοὶ ἔδα[φος] | usw.) oder griechisch und demotisch abgefaßt sind; daneben andere Fragmente mit Darstellung eines Flusses, eines Sees und eines Bassins (?) (die Wasserpartien in blauer Farbe mit Einfassung durch breite schwarze Striche), der Wüste (diese in gelber Farbe) und eines Torbaues (des Tors ,des Musikanten‘); ein Flußstück (a, leider nicht abgebildet) ist als μέγας [ποταμός?] bezeichnet. Über einer Parzellenreihe stehen die Wörter ....]. πολιν ἀναγρα(φ . . .),

b) eines Stückes der Flur-K. von Arausio CIL XII 1244 und p. 824, vereinigt von M. Weber Röm. Agrargesch. (1891) 279ff. und ,Anlage‘ (eine Acker-Centurie wird durch einen Wasserlauf gequert), von Mommsen Herm. XXVII 103ff. und namentlich von A. Schulten ebd. XLI 25ff. erläutert, von Mommsen richtiger in das 2. Jhdt. als von Schulten (dieser S. 44 etwa 20 v. Chr.) datiert. Streng genommen wird diese Grundriß-K. nicht mit unseren Flur-K. zu vergleichen, sondern eher als ein durch Zeichnung übersichtlicher gestaltetes Kataster- und Steuerbuch anzusehen sein.

c) P. Lentulus hat während seiner Praetur [2026] (160 v. Chr.) über Auftrag des Senats Ländereien in Kampanien für den Staat erworben; formamque agrorum in aes (überliefert ist est) incisam ad Libertatis (gemeint ist wahrscheinlich das Atrium Libertatis, Hülsen-Jordan Top. I 3. Bd. S. 167, 42) fixam reliquit, quam postea Sulla corrupit; so Granius Licinianus XXVIII p. 10, 2 Flemisch;

d) privates Skizzieren von Eigenbesitz hat anscheinend auch Horaz bei der Beschreibung seines Landgutes epist. I 16, 4 mit dem Vers scribetur tibi forma loquaciter et situs agri vor Augen; mehr darf man natürlich nicht in das Wortspiel hineinlesen;

e) die Flurkärtchen, welche den Schriften der Feldmesser angeschlossen sind, hat Schulten im Herm. XXXIII (1898) 534ff. untersucht und gegen das meist ihnen entgegengebrachte Mißtrauen verteidigt. Wenn seine Beweisführung schon nach der Natur des Gegenstandes weder lückenlos noch ganz frei von Gewalttätigkeit ausfallen konnte, so geht doch so viel aus ihr hervor, daß diese Kärtchen nicht in einer erheblich späteren Zeit und nicht erst aus dem Text, den sie illustrieren sollen, entstanden sein können; daß sie also (so gut wie die Illustrationen des ehemaligen Codex Spirensis der Notitia Dignitatum oder wie die gesamte Zeichnung der Tab. Peut.) antikes Gut seien, skizzenhafte Wiedergaben authentischer formae, daß aber allerdings ihre Überlieferung stark gelitten habe, genau so wie die Texte der römischen Feldmesser. Sie ,geben, bei starker Reduktion nur ein ungefähres Bild der alten formae; auf ihnen sind nicht die einzelnen Zenturien, sondern nur größere von der Zenturiation eximierte Parzellen wie die pascua publica, ferner Berge, Flüsse, Wege, Städte und die Namen der an das Territorium angrenzenden Gemeinden‘ eingetragen (Schulten Herm. XLI 39). Die Sammlung solcher Exzerpte aus den echten Flur-K. sei einem gewissen Balbus zuzuschreiben, qui temporibus Augusti omnium provinciarum et formas civitatium et summas compertas in commentariis contulit (Röm. Feldm. p. 239, 14), vgl. unten § 6.

§ 4. Von römischen Grundrissen und Bauplänen ist auf dem langen Wege, der bis zu dem allbekannten Bauriß für das Kloster von St. Gallen aus dem Anfang des 9. Jhdts. führt, so gut wie nichts erhalten[1]; dieser Grundriß, ohne Maßangaben und auch geometrisch nicht korrekt ausgeführt, bedeutet auf dem (selbstverständlich niemals, auch nicht in der Zeit der größten Verelendung der Menschheit in Land und Stadt vollständig verlassenen) Wege der handwerksmäßigen Überlieferung der Baumeister mindestens keinen Fortschritt gegenüber dem auf dem kapitolinischen Stadtplan geoffenbarten Können der römischen Feldmesser.

Erwähnt werden Grundrisse (formae)[2027] deren Entwerfen zu verschiedenen Malen; z. B. Aristoteles de partibus animalium III 5, 6 ἐν ταῖς οἰκοδομίαις παρὰ πᾶσαν τὴν τῶν θεμελίων ὑπογραφὴν λίθοι παραβέβληνται usw. (zum Geschäftsgang betreffend die Beurteilung von Bauplänen in Athen s. Puchstein o. Bd. II S. 550f.) Der jüngere Plinius gibt in seinem Brief an Mustius IX 39 eine porticus in Auftrag, zunächst nur ut formam secundum rationem loci scribas. Gellius trifft XIX 10, 2 Fronto in Verhandlung mit fabri aedium complures, die ihm ostendebant depictas in membranulis varias species balnearum; diese species können natürlich auch ebensogut Auf- und Grundrisse oder: Auf- oder Grundrisse bedeuten; ebenso wie Caesar Suet. 31 vor dem Übergang über den Rubicon, um die Umwelt über seine Pläne nicht zu früh aufzuklären, formam, qua ludum gladiatorium erat aedificaturus, consideravit. Hingegen beziehen sich die Absicht Neros Suet. 16 formam aedificiorum urbis novam excogitavit et ut ante insulas ae domus porticus essent, de quarum solariis incendia arcerentur, easque sumptu suo extruxit, und noch mehr der bewundernde Ausruf des Ausonius Mosella 299 qui potis pandere tectonicas per singula praedia formas? gewiß vorzugsweise auf den Prospekt und nicht auf die Innenteilung, also den Grundriß.

Vitruv gliedert die dispositio des Baumeisters I 2, 2: species dispositionis, quae Graece dicuntur ἰδέαι, sunt hae: ichnographia (Grundriß), orthographia (Aufriß), scaenographia (perspektivisches Bild); ichnographia est circini regulaeque modice continens usus, e qua capiuntur formarum in solis arearum descriptiones, was der Architekt Prestel I (1913) 19 so übersetzt: ,der Grundriß bildet die mit Handhabung von Zirkel und Lineal in verkleinerter Form aufgetragene Wiedergabe des Grundplans, nach welchem die Umfassungslinien der betreffenden Werkteile von der aufgezeichneten Bildfläche der jeweiligen Geschoße abgegriffen werden‘; ähnlich Choisy Vitruve II (1909) 18: ,d’après laquelle se saisissent les tracés des formes sur les sois des aires‘. - I 1 definiert Vitruv die technische Fertigkeit (fabrica) als die durch fortwährende und beharrliche Übung gewonnene Überlegung (meditatio), mittelst welcher ein beliebiges Baugebilde durch Handarbeit aus einem entsprechenden Stoffe nach vorliegenden Planzeichnungen (ad propositum deformationis) hergestellt wird.

§ 5. Erhalten sind auf Stein einige wenige Grundrisse von Gebäuden und Grabanlagen, leider ohne irgend ein sachliches Interesse, bloß als Vertreter ihrer Klasse für uns beachtenswert; vgl. dazu Hülsen Piante iconografiche incise in marmo, in Röm. Mitt. V 46ff.; außerdem ein Stück der Forma eines Wasserleitungsnetzes.

α) eine Marmorplatte, seit mindestens dem 17. Jhdt. im Museum von Perugia, aber vermutlich stadtrömischen Ursprungs, 77 ✕ 55 cm messend, etwa aus neronischer oder höchstens flavischer Zeit, von einem Grabbau herrührend: es sind drei Gebäude dargestellt, die Abmessungen genauer angegeben in Fuß und Hälften und Dritteln desselben; die Erbauer, anscheinend Schwester und Bruder (Hülsen a. a. O. 47, 2 hält sie für ein Ehepaar), formas aedifici custodiae [2028] et monimenti reliqueru[nt]. Während Jordan drei Projekte den Erben zur Wahl freistellen läßt, hat Hülsen die eigentliche Grabanlage (eine Prospektskizze S. 49 rekonstruiert) und zwei Stockwerke des Wächterhauses in den Grundrissen erkannt. Er muß zu diesem Zwecke allerdings die überlieferten Maße teilweise abändern (seine Zahlen auf den als Verbesserungen, gedachten Skizzen S. 50f.) und fällt ein scharfes Verdikt über die Ungenauigkeit des Steinmetzen. - CIL VI 8692 = 29847 a mit Abb. nach Hülsens Taf. III (nach dieser auch von Thédenat bei Daremberg et Saglio IV 1250 Fig. 3193 wiederholt), aber ohne Exzerpt aus Hülsens Ausführungen. - Früher Jordan Formae p. 65 Taf. 34, 1;

ß) zwei Bruchstücke einer großen Marmorplatte, aneinander schließend, zusammen 96 em lang, das größere Stück 85 cm breit, bei Rom an ) der Via Labicana gefunden. Jordan p. 65 Taf. 34, 4. Hülsen p. 53 Fig. 4 (nach diesem CIL VI 29847). Sie stammen gleichfalls von einem Grabbau und stellen diesen samt dem zugehörigen Garten (mit Beeten und Baumreihen) und den angrenzenden Wegen dar. Beischriften: via pu[blica], via privata, harundinetum, fossa, und Maßangaben, deren Nachprüfung Schwierigkeiten der Interpretation begegnet. Rekonstruktionsversuch bei Hülsen (S. 56) und sehr interessanter Hinweis auf eine Analogie in Ligoris neapolitanischen Kollektaneen (S. 57ff.);

γ) Mosaik aus Ostia, 2·20 ✕ 1·03 m; gleichfalls von einer Grabanlage, CIL XIV 607. Das Stück ist jetzt im Lapidarium der Sammlung Trau zu Wien, die ich mit Ausnahme gerade dieses einen heute unzugänglich verpackten Stückes ganz revidiert habe. - Ohne Beischriften und Maßangaben;

δ) Fragmente eines Mosaikbodens aus dem Praetorianerlager, über 5 m lang und auch von ansehnlicher Breite, eine Badeanlage darstellend, mit Maßangaben; Lanciani Bull. com. di Roma I (1872) 12 mit Bunttafel; nach dieser Jordan Taf. 34, 5 und CIL VI 29845;

ε) Fragment einer Marmorplatte aus Rom, 10 ✕ 8 cm messend, allseits gebrochen; Hülsen Röm. Mitt. V 304 mit Abb.; danach CIL VI 29846; mit Darstellung privater Bauten, denen die Namen der Eigentümer beigeschrieben waren. Lanciani Bull. com. di Roma XX 37 hat aus dem Fundort geschlossen, daß dieses Stück zu den Akten des Stadtpraefekten in der Nähe des Tempels der Tellus gehört habe; dieser Vermutung hat Hülsen Top. III 306, 54 sich angeschlossen;

ς) Fragment CIL VI 1261 (danach Jordan Taf. 34, 2 und Thédenat bei Daremberg et Saglio IV 1251 Fig. 3195), nur in alter Abschrift erhalten, das einzige Beispiel einer K., wie sie für die Verteilung der Wasserquoten an die Bezugsberechtigten nötig war; Beischriften von der Art wie C. Iuli Hymeti, Aufidiano (n. fundo [im Dativ], dem das Wasser zukommt), aquae (= Rohre) duae, ab hora secunda ad horam sextam; vgl. Mommsen Ges. Schriften III 87;

[ζ) Gegen das Fragment CIL XI 4419 (angeblich in Ameria in Umbrien gefunden) = Jordan Taf. 34, 3 bestehen schwere Bedenken, die Hülsen [2029] Röm. Mitt. V (1890) 60ff. ausgesprochen hat; Brancatelli dürfte unter dem frischen Eindruck, den der Fund der Bruchstücke des kapitolinischen Plans hervorgerufen hat, das anscheinend ganz insipide Stück gefälscht haben.]

§ 6. Fluroperationen und Vermessungen einzelner Häuser oder Häuserblöcke haben schließlich (sagen wir, um ein bestimmtes Datum auszusprechen) seit dem 5. Jhdt. oder 4. Jhdt v. Chr. erfahrenen Technikern kaum mehr nennenswerte Schwierigkeiten bereiten können. Auch Stadtpläne ließen in den neuen und meist kleinen Gründungen des makedonischen Imperiums, der hellenistischen Reiche und dann unter Roms Herrschaft in ihren regelmäßigen Linien übersichtlich (vgl. die Einleitung zum gedankenreichen Buch von Fr. Haverfield Ancient town-planning, Oxford 1913) und beinahe so einfach wie im römischen Marschlager sich entwerfen. Schwieriger lag die Sache bei großen volkreichen und noch in alter Art unregelmäßig erbauten Städten und beim Entwerfen von K. größerer Landgebiete.

Speziell werden wiederholt die Grundrisse (formae) der Kolonien von den Gromatikern erwähnt und Anweisungen für ihre Ausstattung gegeben. Wir erfahren, daß man ein Exemplar der forma zum Abschluß des Gründungsverfahrens in aere gemeißelt, id est in aereis tabulis aufgeschrieben habe. Es gilt in Streitfällen als Beweisinstrument. Ein zweites Originalduplikat auf Leinwand (mappa, linteum) wird in das sanctuarium oder tabularium des Kaisers gebracht, das als Zentralarchiv für solche Urkunden gilt. Qualescumque enim formae fuerint, si ambigatur de earum fide, ad sanctuarium principis revertendum erit (Sic. Flacc. Feldm. I 154f. Hygin. 202f. Front. p. 51); vgl. Rudorff Feldm. II 405 und Mommsen Herm. II (1867) 122 mit der Erklärung der wichtigen Parallele in einem auf Sardinien gefundenen Dekret CIL X 7852. O. Hirschfeld Kais. Verwaltungsbeamte 63, 2.

§ 7. Unter den Stadtplänenist der wichtigste und allein für uns greifbare der kapitolinische, so nach seiner langjährigen Aufbewahrung im kapitolinischen Museum zu Rom benannt, von keiner antiken Quelle erwähnt. Die Zeit seiner Aufstellung ist bestimmt durch die Bezeichnung eines Gebäudes (Jordan frg. 37 + 86, verbunden durch Lanciani Bull. com. di Roma XIII 1885 Taf. 22, danach Richter Topographie Taf. 1, 2) mit Severi et Antonini Aug[g.] nn.., also auf die J. 198-208. Es soll nicht gesagt werden, daß die Datierung bis 211, die allgemein geschrieben wird, deshalb nicht zutreffe, weil Geta in die Titulatur nicht mit einbezogen erscheint; denn die Bestimmung jenes Gebäudes ist unbekannt und ebensowenig ist zu entscheiden, ob seine engere Beziehung auf Vater und Bruder auch nach Getas Erhebung zum Augustus zulässig war[2]. Eine Einengung auf [2030] die Zeit nach dem J. 203 ist versucht worden, mit dem Hinweis auf die Dedikation des Septizonium (frg. 38 ein Stück des Grundrisses davon gerettet; daß frg. 34 mit den Schriftresten sept nicht hieher gehört, haben Jordan und neulich Hülsen in den Dissertazioni della pontificia accad. S. II Bd. XI 1914, 107 Anm. 2 festgestellt; Hülsen weist aber auch Jordans Deutung auf Sept[a Iulia] zurück), die in dieses Jahr fällt; aber die Einzeichnung des Septizoniums konnte erfolgen, sobald sein Bauplan gesichert war, und somit auch vor seiner Dedikation.

Die Ausführung des Stadtplans ist einheitlich erfolgt, von Ergänzungen oder Abänderungen hat sich keine Spur gezeigt.

Der Stadtplan war auf die Verkleidung einer Ziegelwand mit Platten aus karrarischem Marmor von ungleicher Stärke (Jordan Forma p. 10 a ohne Differenzierung: 8 cm, aber Hülsen a. a. O. erwähnt Stücke mit 5-6 und mit 4 cm Stärke; Lanciani: 10·5 - 4·5 cm) eingegraben. Die Platten sind länglich rechteckig und in parallelen Schichten durchwegs horizontal oder auch ebenso durchwegs hochkant gelagert und durch eiserne Nägel fest mit der Mauer verbunden gewesen. Von dieser Mauer selbst, die großenteils erhalten ist (photographische Ansicht Hülsen p. 104; Skizzierung der Schichten p. 105; beides vollständiger als Jordan Taf. 35, 1), war zwar der genannte Plattenbelag insgesamt abgestürzt, so daß die Neuzeit kein Stück des Stadtplans mehr hat abheben können; alle Bruchstücke, die an dieser Stelle wiedergefunden wurden, sind aus dem Schutt zu Füßen jener Mauer aufgelesen worden, und erneute Grabungen dürften aller Wahrscheinlichkeit nach noch weiteren Zuwachs aus demselben Bruch ergeben; aber die Löcher für die Nägel sind in der Mauer deutlich sichtbar geblieben.

So haben sich vorläufig zehn Lagen von 140 Platten in einer Gesamthöhe von 13·04 m für die Platten des Stadtplans ergeben, gelagert über einem Sockel von 3·50 m, zu dessen Marmorverkleidung anscheinend das in Parkers Archeology of Rome II (forum Romanum) Taf. 48 a abgebildete Material gehört. Die Breite erstreckt sich mindestens über 18 m, also ist eine Fläche von wenigstens 234 m², aller Wahrscheinlichkeit nach aber noch nicht unerheblich mehr für den Stadtplan zur Verfügung gestanden; Jordan z. B. hat mit 300 m² gerechnet. Die Platten sind von ansehnlicher Ausdehnung, wechseln aber in ihren Abmessungen (zwischen 225 ✕ 80 und 175 ✕ 70 cm); es ist nicht anzunehmen, daß die Ungleichheit der Größe die Güte der Übertragung der Zeichnung aus ihrer Vorlage (ihrem Konzept) auf den Stein gefördert haben könne.

Die Mauer, von der hier die Rede ist, gehört einem großen saalartigen Bau als Nordwand an, der im Winkel zwischen der Konstantinsbasilika und dem sog. Forum Pacis oder Vespasiani gelegen war, und dessen Achse mit der der Bauten der Kaiserfora überhaupt übereinstimmt, und war von dem Hof des genannten Tempels der Pax aus sichtbar; ich kann mir aber nicht vorstellen, wie die Besichtigung des Plans möglich gewesen sein soll, wenn auch an dieser Stelle der Säulenumgang (vgl. z. B. Richter Topogr. der Stadt Rom³ und [2031] Taf. 2. Kiepert-Hülsen Formae urbis Romae antiquae² 1912 Taf. 4) den Tempelhof einfrieden geholfen hätte. In diesen Saalbau und den anstoßenden Rundtempel für Romulus, den Sohn des Maxentius, ist von Papst Felix IV. im J. 527 eine Kirche der Hh. Cosmas und Damianus gestiftet worden, die im wesentlichen erhalten geblieben ist. Also ist jene Nordmauer, die einst den kapitolinischen Stadtplan getragen hat, heute die Nord- oder Rückwand der genannten Kirche. Man sollte meinen, daß der Saalbau, der nach seiner Grundform gewiß keinem Tempel angehört hat, in irgend einer Beziehung zu der Aufstellung des Stadtplans gestanden habe; G. B. de Rossi und Lanciani haben ihn aus dieser Vorstellung heraus als Katasterarchiv der Stadt Rom angesprochen und mit dem auch schon von älteren Gelehrten hiefür verwendeten templum sacrae Urbis geglichen (vgl. den liber pontif. 56 in urbe Roma in loco qui appellatur Via Sacra iuxta templum urbis Romae), welcher Name aber, wie Hülsen-Jordan Topogr. der Stadt Rom I 3. Bd. S. 6 hervorhebt, nicht antik bezeugt ist; um von anderen Annahmen (vgl. überhaupt Jordan Forma p. 9 a) abzusehen, hat Hülsen an die Bibliothek am Tempel der Pax gedacht und diese Bezeichnung auch in seinen und Kieperts Formae festgehalten.

Hier sind, wie wir von unserem ältesten Zeugen Panvinius erfahren, jedenfalls nach dem J. 1561, eine große Zahl von Bruchstücken des Stadtplans bei Erdbewegungen herausgebracht und in den Palast des Kardinals Alessandro Farnesi geschafft worden. Das Funddatum (1562) und die Örtlichkeit haben kürzlich durch zwei Briefe an den gleichzeitig lebenden Gelehrten Pietro Vellori (Hs. Brit. Mus. 10269. 10265; vgl. Hülsen in den Dissertazioni a. a. O. 102; ,horto contiguo con la chiesa di S. Cosimo et Damiano già Templum Urbis‘) ihre Bestätigung erhalten; einer der beiden Briefe spricht (in heller Übertreibung) von centomila pezzi, die damals gefunden worden seien. Eine weitere Bestätigung gaben Grabungen, über die der Architekt Tocco Ann. d. Inst. 1867, 408ff. berichtet hat; sie haben eine Anzahl neuer Fragmente zu Füßen der Nordmauer der genannten Kirche ergeben, darunter die Bruchstücke Jordan 10 und 11 der porticu[s] Liviae, die für die Kritik des Stadtplans von Bedeutung geworden sind. 1882 wurde an etwas entlegener Stelle, östlich vom Castortempel, aus zweiter Verwendung in einer mittelalterlichen Mauer ein Fragment von der Ostwand des Castortempels mit dem Rest der Beischrift [C]astoris entdeckt (Not. d. scavi 1882 Taf. 14 und Jordan in der Gratulationsschrift des Deutschen Instituts an Lepsius vom J. 1883, mit Tafel). 1884 und 1889 folgten weitere Streufunde vom Forum, 1891 staatliche Grabungen am ursprünglichen Standort (vgl. Röm. Mitt. 1891, 73ff. und 1892, 266 mit geringerer Ausbeute; ihre Fortsetzung befürwortet Hülsen in den Dissertazioni a. a. 119).

Ebensowohl für die Topographie des kaiserzeitlichen Rom wie für die Geschichte der antiken Kartographie haben die (1049) Bruchstücke des kapitolinischen Stadtplans, trotzdem sie nur einen geringen Teil (,kaum 1/15‘) des Ganzen uns gerettet [2032] haben, den höchsten Wert. Dieser Bedeutung entspricht nicht das Geschick, das über diesen Resten gewaltet hat. Denn so sehr sich jener Kardinal Farnese und Panvinius († 1569) für den Fund interessierten und für seine Bergung tätig waren, ist nur ein Teil des damals gewonnenen Materials bei seiner Übertragung ins kapitolinische Museum im J. 1742 noch auffindbar gewesen, und nicht wenige dieser Stücke sind nur mehr in vermindertem Umfang oder auch in ganz erbärmlich verstümmeltem Zustande an jenen ihren späteren Aufbewahrungsort gelangt; dort sind sie in die Wände des Treppenaufgangs eingemauert worden, so daß ihre Untersuchung erheblich behindert war, und an diesem Zustande ist lange nichts geändert worden, obwohl immer und immer wieder ihre Befreiung und anderweitige Unterbringung verlangt wurde. Dann sind im Jahr 1888 unerwarteterweise beim Abbruch einer jüngeren Mauer im Garten hinter dem Palazzo Farnese am Tiber 188 Stücke und im J. 1899 neuerlich über 400 Stücke wieder aufgefunden worden, die also augenscheinlich die Übersiedlung ins kapitolinische Museum versäumt hatten. Es ist damals prinzipiell beschlossen worden, das ganze Material aus dem kapitolinischen Museum an eine andere Stelle zu bringen und eine soweit es geht abschließende einheitliche Publikation vorzubereiten; aber nicht einmal Vorbereitungen zur Ausführung dieses Planes waren getroffen worden, und so sah sich der Herausgeber des zweiten Teiles des vierten Bandes der stadtrömischen Inschriften im J. 1902 gezwungen, auf eine Behandlung der Inschriften des Stadtplans zu verzichten, ,donec praeclarum monumentum incuria eorum, qui antiquitatibus urbis praesunt, eo statu in quem aetate Benedicti XIV redactum est permanet, neque fragmenta parieti extracta examinare et componere licet‘ (n. 36619); jetzt sieht man 177 Bruchstücke, deren Platz gesichert ist, in einen (an die Gartenwand des Konservatorenpalastes) gemalten Plan eingefügt; vgl. Lanciani in den Atti del Congresso di scienze storiche I (1907) 111ff. (mit Tafel).

Vermutlich gleich nach der ersten Auffindung, und dann wahrscheinlich durch den an ihr beteiligten Architekten Antonio Dosio, ist eine Abzeichnung aller oder wenigstens der wichtigeren Stücke des Planes und zugleich der Versuch, zusammengehörige Stücke zu vereinigen, erfolgt. Aber nur ein Teil (92) dieser Skizzen ist in dem Sammelband, der aus der Ursinischen in die Vatikanische Bibliothek (n. 3439) gelangt ist, erhalten. Als Bellori im J. 1673 die erste Veröffentlichung des Stadtplans besorgte (169 Fragmente), war dieser Sammelband schon deshalb für ihn von besonderer Wichtigkeit, da inzwischen eine Anzahl der Originalvorlagen verloren gegangen war. Belloris Publikation war maßgebend für die Unterbringung im kapitolinischen Museum im J. 1742; die Fragmente wurden in zwanzig Tafeln nach seinem Vorgang zusammengestellt; dabei wurde, was Bellori nur aus den Ursinischen Skizzen kennen gelernt hatte, oder was erst seit seinem Druck verloren gegangen war, auf Marmorplatten nachgeahmt und zur Unterscheidung von den antiken Fragmenten mit einem Stern bezeichnet: diese Nachbildungen haben [2033] gegenüber Belloris Druck oder Dosios Zeichnungen keinen wie immer gearteten wissenschaftlichen Wert. Außerdem wurde in weiteren sechs Feldern (Tafeln) aufgestellt, was Bellori nicht gesehen oder nicht beachtet hatte.

Der hervorragenden Bedeutung des Monuments hat Jordan in seiner Forma urbis Romae regionum XIV (1874) gerecht zu werden sich bemüht, und seine (von der Berliner Akademie der Wissenschaften erheblich unterstützte) Ausgabe ist von der größten Wichtigkeit für alle einschlägigen Studien geworden. Aber aller Fleiß und aller Scharfsinn, der auf sie verwendet worden ist, hat es nicht verhindern können, daß die Notwendigkeit einer neuerlichen Behandlung unter Heranziehung einerseits der noch nicht verwerteten zahllosen Bruchstücke des kapitolinischen Stadtplans, aber auch der aus ihrer Umklammerung wieder befreiten alten Fragmente, andererseits der vielen neuen mit dem Stadtplan in Verbindung stehenden Daten und Feststellungen, um die sich vor allen Hülsen, Lanciani und O. Richter bemüht haben, auf Schritt und Tritt verspürt werde. Auch die Untersuchung der generellen Fragen des kapitolinischen Stadtplans muß gründlich erneuert werden. - Die Jordansche Ausgabe umfaßt bereits nicht weniger als 426 durchgezählte Bruchstücke. Der Abdruck auf den Tafeln scheidet in lobenswerter Anschaulichkeit die noch erhaltenen Fragmente (auch die erhaltenen Teile von früher vollständiger aufbewahrten Fragmenten) von der übrigen Masse (vgl. S. 57): was an antiken Originalstücken erhalten ist, wird in schwarzgrauem dunklem Schablonendruck gegeben; die nach Belloris Zeichnungen rekonstruierten Stücke des kapitolinischen Museums in ähnlicher, aber heller gelblichgrauer Art; die Zeichnungen des alten Ursinischen Sammelkodex und Belloris Reproduktionen heben sich durch bloße Linienführung ohne Schablonenaufdruck ab, jene werden in zarteren Linien als diese angedeutet.

Für die Orientierung des Stadtplans kommt die Richtung der Schrift, die für die Besichtigung vom Platze vor der K. eingerichtet sein mußte (wenigstens sollte man diese Rücksicht auf die Beschauer in erster Linie gewahrt glauben), und die Feststellung der Plattenränder (Stoßkanten) in Betracht. Im großen und ganzen ist die Orientierung nach Süden durchgeführt; also ist der Tiber im Gegensatz zur Orientierung der modernen K. und ebenso im Gegensatz zu fast allen[3] sonstigen Orientierungen der antiken Kartographie, auf der rechten Seite des Stadtplans dargestellt, so etwa wie man ihn heute von Monte Mario (im NW der Stadt, jenseits des Tibers) sehen könnte. Es hängt mit der Frage des auf dem Plan angewendeten Maßstabs - oder vielmehr der Maßstäbe - zusammen, daß die Orientierung (ob gegen Süden oder Osten?) überhaupt in Zweifel gezogen werden konnte. Hülsen z. B. hat lange Zeit geschwankt, ob die Via Flaminia genau wagrecht oder eher genau senkrecht dargestellt sei. Er bezweifelt, ,ob der Zeichner des Planes überhaupt eine bis auf 45° [2034] genaue Orientierung beabsichtigt oder erreicht hat‘ (Rhein. Mus. XLIX 420, 1). Es scheint aber eine eigentlich sehr nahe liegende und natürliche Erklärung überhaupt von niemandem in Erwägung gezogen worden zu sein: nämlich der Standpunkt des Zeichners; die Fläche, über die er verfügt, wirkt wie ein Fenster, durch das er das römische Panorama betrachtet. Gewiß wird es eine besondere Absicht gewesen sein, die überhaupt diese Nordwand für die Ausführung des Planes wählen ließ. War sie aber einmal gewählt, so ergab sich von diesem Platz aus als ganz selbstverständliche Folge der Perspektive, daß Süden als das Fernziel des Blickes an die obere Linie kam. So war dann die allgemeine Disposition für den Inhalt gewonnen; wie weit für seine Einzelheiten aus dem Aufeinandertreffen der Vermessungen einzelner Bauten und Häuserblöcke (insulae) einerseits und des perspektivischen Rahmens andererseits Folgerungen sich ergeben haben, wird also wohl noch zu untersuchen sein.

Daß die ungefähre Südorientierung, die m. E. heute gesichert ist, für die Stadtpläne von Rom auch in der Folgezeit fortgewirkt hat, ersehen wir aus den mittelalterlichen Stadtplänen Roms (in der Hauptsache gesammelt von G. B. de Rossi Piante icnografiche e prospettiche di Roma anteriori al secolo XVI, Rom 1879); A. Elter De forma urbis Romae dissertatio posterior (= Bonn Univ. Progr. 1891) hat die gleiche Orientierung auch für die etwa einst vorhandenen noch älteren Stadtpläne Roms wahrscheinlich zu machen gesucht und auf die Durchzählung der 14 städtischen Regionen, aber auch weiter der elf Regionen Italiens und anderer nicht unter den gleichen Gesichtspunkt fallenden Einteilungen [4] und literarisch erwähnter Orientierungen nach ,links‘ und ,rechts‘, ,unten‘ und ,oben‘ ausgedehnt. Auch diese Frage bedarf einer Überprüfung; wenn z. B. Elter in der Dissertatio prior (= Bonn Univ. Progr. 1891) p. 20 dafür geltend macht, daß Tacitus hist. III 82 jene Kolonne der vespasianischen Armee, die bei den sallustianischen Gärten (also im NO Roms) in die Stadt eindringt, in partem sinistram Urbis sich wenden läßt, so muß dagegen eingewendet werden, daß Tacitus an einen Stadtplan nicht gedacht zu haben braucht, sondern ganz vernünftig aus der Anmarschrichtung des Heeres her seine Bezeichnung des linken Operationsflügels gewählt haben wird.

Der Maßstab, in welchem der Stadtplan entworfen ist, kann sowohl an verschiedenen Gebäuden, deren Reste sicher bestimmbar und meßbar sind, als auch an antiken Überlieferungen über die Maße einzelner Bauten nachgeprüft werden. Allgemein gilt als Regel, die noch neulich von Hülsen in den Dissertazioni a. a. O. 119 wiederholt und unter Hinweis auf eine spezielle Untersuchung (G. Schneider-Graziosi [2035] La identific. topogr. delle Horrea Germaniciana et Agrippiana dell’ ottava reg. Augustea, im Bull. com. di Roma XXXIX 1911, 150-172) erhärtet worden ist, daß die Grundrisse der einzelnen Gebäude mit verhältnismäßiger Korrektheit und anscheinender Genauigkeit in den Plan eingetragen wurden; wie detailliert sie außerdem sind, so daß unserer Meinung nach der Gesamteindruck für den Beschauer überwältigend und geradezu verwirrend wirken mußte, lehrt ein Blick in Jordans Ausgabe. Und trotzdem wechselt der Maßstab, wie die Übersicht in Jordans Forma p. 13 b lehrt, nicht bloß von Bau zu Bau, sondern vielleicht sogar im selben Bau; so hat Jordan aus sechs Bauten verschiedene Abstufungen zwischen den Verhältniszahlen 1 : 189 und 1 : 413 aufgestellt und sich dann allgemein für das Verhältnis 1 : 300 ausgesprochen, im Gegensatz zu Ludovico Caninas Schätzung auf 1 : 250; aber man gibt heute eher Caninas Wertung (Indicazione topografica di Roma, 1832, p. 30) den Vorzug, ohne sich darüber zu täuschen, daß der Stadtplan nicht auf Messungen in größerem Zusammenhange zurückgehen kann, sondern durch ,Zusammenverarbeitung‘[5] von Einzelaufnahmen entstanden sein muß. Daß der Tiberfluß, wie aus dem (in der Hauptsache hiefür uns nur durch Belloris Zeichnung erhaltenen) frg. 169 hervorgeht, viel zu breit dargestellt ist, und daß im allgemeinen die öffentlichen und Prachtbauten auf Kosten des Raumes, der von privaten Bauten bedeckt war, vergrößert und also etwas hervorgehoben zu sein scheinen (Hülsen hat für die Kaiserbauten auf dem Palatin einen noch etwas größeren Maßstab, 1 : 220, vorgeschlagen, Dissertazioni a. a. O. 109), hat gewiß mit dazu beigetragen, die Ungleichheit in der Anwendung des Maßstabes zu vermehren und zu vervielfältigen. Der Vorwurf braucht aber nicht die Elaborate der mensores, die dem Stadtplan zugrunde gelegt worden sind, zu treffen, sondern gebührt dem Redaktor des Stadtplans und z. T. vielleicht auch dem für die Übertragung auf die so ungleich großen Marmorplatten angewendeten Verfahren. Für Privathäuser hat Richter Top. 5 unter Hinweis auf seinen Aufsatz Insula Herm. XX 94f. geltend gemacht, daß nur bei Annahme eines Maßstabes 1 : 300 rationelle Abmessungen gewonnen werden können; ,die Frontbreite der drei nebeneinanderliegenden Häuser auf frg. 173 würde danach je einen halben Actus (ein Actus = 120 röm. Fuß) betragen, was doch schwerlich auf Zufall beruht‘. So sieht man den Maßstab von einer Baukategorie zur andern schwanken.

Übrigens hat Jordan an zwei (o. § 5 α und δ) anderen Grundrissen, die nichts mit dem kapitolinischen Stadtplan zu tun haben, Taf. 34, 1 = CIL VI 8692 = 29847 a mit Abbildung (auf Stein) und Taf. 34, 5 = CIL VI 29845 mit Abbildung (auf einem Mosaik) gezeigt, daß die Zeichnung nicht mit den beigeschriebenen Maßen stimmt, daß also mindestens beim Umzeichnen [2036] auf die uns erhaltenen Dokumente die Genauigkeit verloren gegangen sein muß; auf dem Stein wechselt der römische Fuß an den überprüften Stellen zwischen 2·22, 2·19, 1·7 und 1·5 cm[6], auf dem Mosaik nur zwischen 2, 1·9, 1·85 und 1·75 cm. Selbstverständlich wird die Frage des Maßstabes auf dem kapitolinischen Stadtplan durch weitere Nachprüfungen der seit Jordans Zeiten gewonnenen Messungen der antiken Baureste und durch Ergänzung aus den seit derselben Zeit gefundenen Fragmenten des Stadtplans genauere Antwort finden. Auch wird man die Erwartung besonderer Genauigkeit etwas einschränken müssen, wenn man sieht, wie wenig geradlinig die Mauern auf dem Stadtplan gezeichnet sind.

Einen überblick über die Verteilung der Fragmente auf die Wandfiäche und damit eine Vorstellung, wie viel oder wie wenig zur Zeit der Edition Jordans (1874) vorhanden war, gibt seine Taf. 37, 2 (vgl. auch 37, 1 und Lanciani Taf. a. a. O.). Er reicht nicht aus für die Feststellung des Umfanges, den der Stadtplan darstellen sollte. Die übliche Annahme (z. B. Canina Indicazione 173 oder Jordan Forma p. 10 a) geht dahin, daß die vierzehn augustischen Regionen vollständig dargestellt gewesen sind. Auch Richter Top.² 6 ist der gleichen Meinung. Aber er macht darauf aufmerksam, daß die verfügbare Wandfläche, etwa 13 m hoch und 20 m breit [7] gewesen sei, also ein Rechteck gebildet habe. ,Das Rom zur Zeit des Severus aber, das gleich dem zur Zeit des Plinius etwa bis an die Linie der nachmaligen aurelianischen Mauer zu rechnen ist[8], erfordert zu seiner Darstellung annähernd ein Quadrat, die Ost-Westlinie verhält sich zur Nord-Südlinie wie 11 zu 10, so daß also, einen einheitlichen Maßstab vorausgesetzt, die Stadt auf dem gegebenen Raum nur teilweise Platz gefunden hätte‘. Da Richter aber mit diesem Resultat nicht zufrieden ist, hilft er sich mit dem Hinweis auf die Weltkarte des Agrippa in der Porticus Polae, die er sich (wie sich immer mehr herausstellt: unrichtig) nach Maßgabe der uns angeblich in der Tabula Peutingeriana vorliegenden Kopie (oder sagen wir vorsichtiger Weise: Auswirkung) vorstellt: ,wie man mit solchen öffentlich ausgestellten Plänen verfuhr, d. h. wie man sie der Örtlichkeit, an der sie angebracht waren, anpaßte‘. Zu sehen sind heute Plätze und Straßen verschiedenster Breite, auch einmal ein Stück des Tiberbettes, ohne daß die Flußkonturen [2037] deutlich gemacht wären [9]; ebenso die Tiberinsel; ferner viele Häuserblöcke mit privaten Bauten, und vor allem die öffentlichen Gebäude, von denen glücklicherweise verhältnismäßig viele Stücke gerettet sind. Die Grundrisse sind nicht auf eine übersichtliche Gesamtwirkung gerichtet, wie man erwarten sollte, sondern bieten so ziemlich die ganze Inneneinrichtung eines Geschoßes (doch wohl, wo mehrere Geschoße vorhanden waren, des Erdgeschoßes) mit den Pfeilern und selbst den Treppen, die zum nächsten Stockwerk führten; alles offenbar mit der Absicht, die Vorstellung der größten Genauigkeit und Vollständigkeit zu erwecken, aber ohne die geringste Andeutung des Terrains; die Höhenunterschiede kann man allenfalls ab und zu aus der Eintragung von Treppen erkennen.

Zu den Bauten, wenigstens zu den Monumentalbauten, ist ziemlich oft, zu den Straßen sehr viel seltener die Bezeichnung in der kürzesten Form gefügt, z. B. (ich wähle nur vollständig erhaltene oder überblickbare Beischriften) aedis Iovis, aedis Iunonis, Libertatis, basil[ica] Ulpia, theatrum Marcelli, theatrum [Pomp]ei und [porticus Pompeia]na, ludus magnus, [th]ermae [Agrip]pae, balneum Caesaris, bal. Surae, h[or]rea Candelaria, horrea Lolliana, aquaeductium, area Radicaria, [cli]vus Victoria[e], inte[r d]uos pontes, [vicus Bu]blarius; diese Beischriften sind vereinigt CIL VI 29844 und 36619. Das Prinzip, nach welchem Legenden zugefügt worden oder unterblieben sind, ist nicht klar geworden. Die Schrift ist meist so gesetzt, daß sie von unten Stehenden bequem gelesen werden konnte, nämlich wenn sie sehr guter Augen sich erfreuten; z. B. ist die Beischrift area Radicaria, die etwa in 13 m Höhe über dem Erdboden sich befand, in Buchstaben von 3 cm Höhe geschrieben, und das noch über dieser Beischrift geschriebene mutatorium gar nur mit 2 cm Höhe; die größten Buchstaben zeigt frg. 54 [horrea G]alb[iana] mit 8·5 cm, in etwa derselben Gesichtshöhe angebracht. Über die Größe der Schrift scheint der Zeichner (oder vielleicht sogar der einzelne Arbeiter) also teils ganz willkürlich teils nach Maßgabe des Raumes verfügt zu haben. Gewöhnlich verläuft die Schrift mehr oder minder in horizontalen, einigemale auch in vertikalen Zeilen, gelegentlich aber sogar auch in jener von Freunden der Deutlichkeit verfehmten (Iulius Honorius in Rieses Geogr. Latini min. p. 24, 2: propter aliquos anfractus, ne intellectum forte legentis perturbet et vitio nobis acrostichis esset) Richtung, die man heute κιονηδὸν [10] nennt, akrostich auf den Beschauer gerichtet: c[i]rc[u]s m]ax[imus] (so jetzt vervollständigt bei Hülsen in den Dissertazioni a. a. O. 108 und Taf. 2) und vi[a nova] oder wie sonst gelesen werden [2038] soll, frg. 3; ebenso [vicus bu]blarius frg. 62, dessen Einreihung und Schriftrichtung noch nicht gesichert ist). Die Zeichnung offenbart eine - meinetwegen: gewollte - Flüchtigkeit und Gleichgültigkeit gegen schulmäßige Orthographie (vgl. die Zusammenstellung Jordans in seiner Forma S. 7) und illustriert so die Wandlung der Zeit, vgl. Adonaea, [G]recost[asis], Minerbae, aqueductium, Fil[ippi] u. a. Ob aus dieser Schreibweise ein Schluß auf nicht offizielle Redaktion besser möglich ist als aus der Formulierung der Beischrift Severi et Antonini Augg. nn. (o. S. 2029, 52) auf nicht kaiserliche Herstellung des Stadtplans, wird sich nicht leicht entscheiden lassen. O. Hirschfeld beanstandet letzteren Zweifel ganz entschieden, Kais. Verwalwaltungsbeamte (1905) 481, 3: ,Gewiß beweist das nur, was sich von selbst versteht, daß die Ausführung von irgend einem Beamten, wahrscheinlich dem Praefectus urbi, besorgt worden ist; der Auftrag dazu ist dagegen sicherlich vom Kaiser ausgegangen. Der Senat ist in der ganzen Kaiserzeit nicht und am wenigsten unter Septimius Severus in der Lage gewesen, die Initiative zu einem solchen Unternehmen zu ergreifen. Aus den im Text gegebenen Andeutungen erhellt wohl der Zusammenhang, in dem die Ausführung dieses Stadtplans zu den sonstigen Regierungsmaßregeln des Severus steht.‘ Gegen diese (aus Hirschfelds Untersuchungen 1877, 294, 2 wörtlich wiederholte) Kritik hat Jordan Top. I 45, 11 a eingewendet: ,Für die Behauptung Hirschfelds, daß der kapitolinische Plan mit einer ,genauen topographischen Aufnahme der ganzen Stadt‘ durch Severus in Verbindung stehe, fehlt der Beweis‘,

§ 8. Stadtpläne von Rom hat es gewiß auch in der Zeit vor Septimius Severus gegeben, in verschiedenen Formen und verschiedener Ausführlichkeit, sowohl amtlicher als privater Herstellung; aber das Selbstverständliche dokumentarisch zu erweisen, fehlen uns die Mittel. Da man aber auch monumentale Ausführung wie die des kapitolinischen Stadtplans aus früherer Zeit nicht vermissen will, hat

a) Elter eine solche für Augustus vorausgesetzt und sogar ihren Standort (Diss. post. p. 7 b: ,Augusti forma in porticu Pollae picta erat‘) und Details, vor allem aber ihre Orientierung (zwar auch gegen Süden, aber die Achse doch anders gelegt als von Sept. Severus) erörtert, aber ohne direkte Zeugnisse beibringen zu können; was übrigens das angebliche Unterbringen des Stadtplans in der Porticus Pollae betrifft, die nach Plinius n. h, III 17 die Weltkarte des Agrippa beherbergte, so fehlt jeder Anhalt für eine solche Annahme, wie denn Elter gelegentlich auch (Diss. I 14 a) mit Unrecht behauptet: ,(Augustum) formam una cum distributione Urbis instituisse constat.

b) hat Jordan Topogr. I 45 (= Forma p. 11 b) dem Kaiser Vespasian einen monumentalen Stadtplan zugeschrieben. Er hält mit Rücksicht darauf, daß der kapitolinische Plan auf der Area des vespasianischen Friedenstempels sich befunden zu haben scheint, für nicht unwahrscheinlich, daß der Plan eine eilfertige neue Kopie des amtlichen Stadtplans an Stelle der [2039] durch Brand zerstörten besseren ist, welche Vespasian zur Veranschaulichung seiner Stadtvermessung hier dem Publikum und zwar an der Wand der an den Platz vor dem Friedenstempel anstoßenden Stadtpräfektur ausgestellt hatte‘. Forma p. 11 b hatte er an seine Vermutung die Worte angeschlossen: ,hanc totam ratiocinationem dicat qui volet esse coniecturam ex coniectura serentis: hoc teneo non potuisse formam nostram fieri nisi ad fidem alicuius archetypi fide digni factamque ita esse ex consuetudine pervagata‘. Es ist ja auch allerdings zuzugeben, daß ein Riesenwerk wie es die Abfassung des kapitolinischen Plans (nicht das Eingraben auf den Stein) bedeutete, nur möglich war aufgrund einer langjährigen tralaticischen Übung[11]. Aber sowenig uns beifallen kann, wie die Dinge liegen, die interne amtliche Anlage von Stadtplänen unter Augustus und Vespasian in Abrede zu stellen, so ist doch die monumentale Ausfertigung und Ausstellung nicht ohne weiteres als selbstverständlich anzusehen; nicht einmal der Gedanke an eine solche Ausstellung braucht vor Sept. Severus aufgekommen zu sein. Wenigstens wird die Tatsache, daß kein Zeugnis für den vespasianischen Stadtplan, worauf übrigens auch schon O. Gilbert Gesch. und Topogr. der Stadt Rom III (1890) 30, 1 hingewiesen hat, oder vielmehr für die monumentale Ausfertigung des vespasianischen Stadtplans vorliegt, nicht einfach ignoriert werden dürfen. So hypothetisch die Aufstellung des Stadtplans durch Vespasian also auch ist, sie wird nahezu allgemein als gesichert angesehen, und der Architekt Boni hat eben diesem Plan Vespasians zwei Fragmente zugeschrieben, die oben (S. 2011 und S. 2037) erwähnten Stücke mit der [2040] Beischrift [C]astoris und mit [the]rmae [Agripjpas; er hat sie Not. d. scavi 1901, 62 Fig. 18 und 1900, 633 abgebildet und p. 634 als Grund für diese Zuweisung das abweichende Material (,marmo greco, forse venatura bianca dell’ Imezio‘) geltend gemacht, und die zweite Inschrift ist dann tatsächlich auch im CIL mit einer eigenen Nummer 36 620 vom kapitolinischen Plan abgesondert worden. Aber einmal zeigen beide Stücke die gleichartige (beabsichtigte oder unbeabsichtigte) Eilfertigkeit und den nämlichen Habitus wie die Fragmente des severischen Plans, und dann hat Hülsen bei seiner Erörterung des Fragments von den Agrippa-Thermen (Die Thermen des Agrippa, 1910, S. 15 abgebildet, S. 16 und Anm. 9 erörtert) sich überhaupt um diese Sonderstellung nicht gekümmert, sie also offenbar als irrig angesehen.

Literatur: Im allgemeinen H. Jordan Bericht über eine Untersuchung des sog. kapitolinischen Plans der Stadt Rom, in den M.-Ber. Akad. Berl. 1867, 526ff. und in seiner Topographie I 45f. und Otto Richter Top.² 3ff. Die ältere Literatur verzeichnet Jordan Forma urbis Romae regionum XIIII (Berlin 1874, wie bereits bemerkt die wichtigste, nur freilich durch die seitherigen Funde stark überholte Ausgabe) S. 2-6 sehr gewissenhaft. Hier sei von dieser älteren Literatur nur Jo. Petr. Bellori Fragmente vestigii veteris Romae et lapidibus Farnesianis nunc primum in lucem edita, Rom 1673 erwähnt (Neudruck in Graevius Thesaurus antiq. Rom. Bd. IV 1732); sonst noch die Untersuchung, die A. Trendelenburg über die Skizzen im Ursinischen Kodex in den Ann. d. Inst. 1872, 66ff. veröffentlicht hat. Behandlungen und Abbildungen einzelner Stücke des kapitolinischen Stadtplans sind überaus zahlreich; hoffentlich wird die Neuausgabe, die nun doch einmal kommen muß, diese (nun schon sehr verstreute und verzettelte) Literatur übersichtlich aufzählen.

§ 9. Ein vom kapitolinischen Plan verschiedener Stadtplan Roms muß als Quelle der konstantinischen Regionsbeschreibung angesehen werden: doch ist diese Frage heute nicht spruchreif, es genügt vorläufig, auf Hülsen Rhein. Mus. XLIX 416ff. hinzuweisen; ein Diagramm von der sechsten Region ebd. 419. Sie ist jedenfalls sehr viel reicher beschriftet gewesen und von dem kapitolinischen Plan stärker abgewichen, ganz abgesehen von dem in weit spätere Zeit weisenden Inhalt. Über diesen vorausgesetzten Stadtplan vgl. noch Hülsen Suppl.-Heft I S. 87f.: ebd. und auch Hultsch o. Bd. I S. 1857 Nr. 2 über die auf den Geometer Ammon zurückgeleitete Beschreibung der aurelianisch-honorianischen Stadtmauer.


B. Landschaftskarten.

§ 10. So wie der kapitolinische Plan durch Einfügen so und so vieler Einzelvermessungen von Bauwerken und Baukomplexen in ein allgemein gewonnenes Bild entstanden ist und also bei aller Anerkennung des auf das Detail aufgewendeten Fleißes in roher, unbefriedigender Empirik des Zusammenstoßens der einzelnen Teile erwachsen, aber außer den Längen der Mauern zwischen den Stadttoren und der Länge der Straßen von einem bestimmten Mittelpunkt bis zu den [2041] Toren keine größere und systematische, trigonometrische Vermessungen zur Voraussetzung hatte, so ist auch (und das ist doch wohl der nächste Schritt im K.-Zeichnen) ein Landschafts- oder ein Erdbild zunächst nicht anders entstanden, als dadurch, daß die Ergebnisse von Einzelmessungen in einen größeren Rahmen eingefügt wurden. Sowohl bei den Landschaften als beim Erdbild wurde ein solcher Rahmen durch Operationen gewonnen, die von der rein empirischen Tätigkeit des Vermessens von Ansiedlungen und Wegverbindungen verschieden waren: beim Erdbild durch die Erfahrungen der Astronomen, beim Landschaftsbild durch Kombination von Periplen und dem, was der Ausblick in das meerumgürtete Land von einem oder mehreren hochgelegenen Punkten lehren mochte: so daß Sizilien die Gestalt eines Dreiecks, Unterägypten die eines Delta habe, der Peloponnes einem Platanenblatt vergleichbar sei, Kypros einer Rindshaut, Sardinien einer Fußsohle (vgl. andere Beispiele bei H. Berger Gesch. d. wiss. Erdkunde bei den Griechen² 437), wie man denn es überhaupt liebte, einen mnemotechnischen oder didaktischen Behelf für die Grundform eines Landes durch Vergleich mit irgend einem Gegenstand sich zu schaffen [12].

Auf diese Art ist von zwei Grundlagen aus die K.-Technik entwickelt worden: als Landschafts- und als Welt-K.

§ 11. Man hat für das, was ich in die Gruppe der Landschafts-K. stellen möchte, ein paar Namen genannt. Aber sie schrumpfen bei näherer Betrachtung fast in nichts zusammen. Wenn Polyb. V 21, 7 verlangt, daß wer geschichtliche, insbesondere kriegerische Vorgänge darstellt, nicht übersehen dürfe τῆς τῶν τόπων ὑπογραφῆς, so meint er, wie sein eigenes Beispiel (sonst und durch die unmittelbar auf diese These folgende spezielle Betätigung: Skizzierung der Lage Spartas) beweist, damit nichts anderes als Darstellung der Landschaft und ihres Charakters durch Worte, nicht durch Zeichnung; übrigens verbietet der Zusammenhang des Kapitels ein derartiges Mißverständnis. Wenn im römischen Triumphzug simulacra montium, fluminum, proeliorum (Tac. ann. II’41), simulacrum captarum Syracusarum (Liv. XXVI 21), ἐν εἰκόσι τά τε αἰχμάλωτα φρούρια ἠσκημένα, πόλεισ τε καὶὄρη καὶ ποταμούς, λίμνας, θαλάσσας, τά τε σύμπαντα ὅσα ἑαλώκεσαν (Zonar. VII 21 ex.), um mich auf ein paar Beispiele zu beschränken, gezeigt wurden, so hätte natürlich sowohl die Landschaftsmalerei wie die Skizzierung von Grundrissen der bezwungenen Städte und K. der Landschaften ein dankbares Feld oder wenigstens einen lehrreicheren Erfolg gehabt, als das was wirklich geboten worden zu sein scheint: nämlich vorzugsweise die plastische [2042] Darstellung, z. B. in triumpho Caesaris eborea oppida translata, et post dies paucos Fabii Maximi lignea Quintil. VI 3, 61, oder wenn hi facta metallo oppida, vel montes captivaque flumina ferrent Claudian. de cons. Stil. III 22f., also wohl meist Personifikationen, wie uns solche aus Skulptur- und Malereiwerken zur Genüge, oder sagen wir ehrlich: bis zum Überdruß bekannt sind.

Wenn Varro r. r. I 2, 1 im Tempel der Tellus seine Freunde antrifft spectantes inpariete pictam Italiam, so braucht nicht eine K. Italiens gemeint zu soin, sondern gleichfalls eine Personifikation dieses Landes (Hülsen Topogr. III 324,5).

§ 12. Hingegen wird die Landesaufnahme von Äthiopien, die Kaiser Nero durch missi ab eo milites praetoriani cum tribuno ad explorandum (VI 181) erhält, forma ut diximus nuper allata Neroni principi raram arborem Meroen usque a Syene fine imperii per 996 m. p. nullamque nisi palmarum generis esse docuit Plin. n. h. XII 19, doch wohl einer K. oder wenigstens einer Itinerar-K. mit ausführlicheren Beischriften ähnlich gewesen sein.

So wird dann auch zu verstehen sein, was Plinius VI 40 vom Kriegszug des Corbulo in Armenien (54-62 n. Chr.) direkt eingesehen (oder durch eine kritisierende Zwischenstelle erfahren) hat: situs depicti et inde missi hoc nomen (n. portae Caspiae anstatt Caucasiae) inscriptum habent.

Soweit wirklich Provinz-K. in die Notitia dignitatum eingestreut sind, scheinen sie ganz schematisch gehalten zu sein; irgend eine brauchbare Würdigung dieser Kärtchen ist mir nicht bekannt ; ihre Untersuchung steht also noch aus, gleichviel ob sie die Arbeit lohnt oder nicht.

§ 13. So bleibt uns nur noch eine einzige Gruppe von Land-K. zu erwähnen, die dem Ausgang des Altertums angehört und dann bis ins Mittelalter gepflegt worden ist: Palästina und die umliegenden Landschaften, insbesondere Ägypten, in Erinnerung an die Geschichte der Juden und zur Veranschaulichung der für die Christen wichtigen Wallfahrtspunkte; die ganze Gattung soweit wir sehen nicht durch Juden (auch nie nur für das Alte Testament) gepflegt. Daß Eusebios von Kaisareia eine K. Palästinas entworfen, habe ich aus der Vorrede zu seinem Onomastikon geschlossen (Mitt. der geogr. Gesellsch. Wien 1900, 351ff.). Eusebios verspricht dort, die in der Bibel genannten Ortschaften {πόλεις καὶ κῶμαι) samt ihrer Aufteilung unter die Landschaften (d. i. die zwölf Stämme) und ihrer modernen Nomenklatur in alphabetischer Reihenfolge zu vereinigen (das tut er eben in der erhaltenen - vgl. Schwartz o. Bd. VI S. 1434f. - Schrift περὶ τῶν τοπικῶν ὀνομάτων τῶν ἐν τῇ θείᾳ γραφῆ[13]. Damit hatte er eine Arbeit zum Abschluß gebracht, die er mit der Exzerpierung der in der Bibel gegebenen hebräischen Bezeichnungen der Völker des ganzen Erdkreises und ihrer Übersetzung ins Griechische (über diese Schrift vgl. Klostermann Einleitg. zum III. Band der Berliner Ausgabe des Eusebios p. IX) eingeleitet und durch eine Aufnahme fortgesetzt [2043] hatte (καταγραφή, was von Hieronymus mit chorographia wiedergegeben wird), eine Aufnahme des alten Iudaea nach der Bibel und seiner Aufteilung auf die zwölf Stämme and außerdem ergänzt durch eine Umrißzeichnung der alten Metropole Iudaeas und ihres Heiligtums, auf der zu den einzelnen Örtlichkeiten die Merkstellen hinzugefügt seien:
Euseb. p. 2 (Klostermann)
ἐπὶ τούτοις ὡς ἐν γραφῆς τύπῳ τῆς πάλαι διαβοήτου μητροπόλεως αὐτῶν, λέγω δὲ τὴν Ἱερουσαλήμ, τοῦ τε ἐν αὐτῇ ἱεργοῦ τὴν εἰκόνα διαχαράξας μετὰ παραθέσεως τῶν εἰς τοὺς τόπους ὑπομνημάτων. Hieronymus p. 3
ipsius quoque Jerusalem templique in ea cum brevissima expositione picturam.

,Diese καταγραφή und die ὡς ἐν γραφῆς τύπῳ entworfene εἰκών müssen eine oder zwei K. gefüllt haben. Daran, daß die καταγραφή als K. zu verstehen sei, darf wohl nicht gerüttelt werden; denn wäre sie ein Buch, so wäre sie inhaltlich identisch mit dem Ortslexikon, das Eusebios doch erst nun nach Vollendung der καταγραφή schreiben zu wollen erklärt, und würde sich etwa nur in ihrer Anordnung von diesem Ortslexikon unterscheiden‘ (Kubitschek Mitt. der geogr. Ges. Wien 1900, 352f. Anders denkt über die καταγραφή Klostermann a. a. O. p. Xf.).

,Wenn das Mosaik von Madeba in allen wesentlichen Teilen seiner Legenden von Eusebios allein und vollständig abhängt, wenn die K. des Hieronymos die gleiche Disposition wie das Mosaik zeigt, und wenn ich richtig vermute, daß Eusebios ebenso wie das Mosaik die Bibelstellen neben die Ortsnamen als ,Merkbehelf‘ gesetzt habe, dann darf ich einen sehr hohen Grad von Wahrscheinlichkeit für den Satz beanspruchen, daß Eusebios jene K. Palästinas und seiner Nebenländer gezeichnet habe, von der die Hieronymos-X. uns einen mageren Auszug, das Mosaik eine viel getreuere Kopie bewahrt hat. Aus beiden vereinigten Behelfen könnten wir die eusebianische K. ungefähr wieder herstellen‘ (Kubitschek a. a. O. 353).

§ 14. Die Hieronymuskarte Palästinas. K. Miller hat aus einer Hieronymushandschrift des Britischen Museums (Adv. 10 049) f. 64 zwei K. (Ende des 12. Jhdts.) Mappae mundi III (1895) 1-21 veröffentlicht und Lichtbilder davon II Taf. 11 und 12 gegeben; eine (trotz ihrer Ausführlichkeit nicht ausreichende) Beschreibung findet sich dort; hingegen steht eine sachliche Würdigung aus und ist auch mir in der Eile dieser Abfassung nicht möglich. Die eine K. gibt ungefähr die östliche Hälfte dessen wieder, was die antiken Welt-K. zu umfassen pflegten. Wenn Miller (S. 2) richtig ,zuverlässige Spuren davon gesehen haben sollte, daß das Pergamentblatt früher ein Stück einer großen K. war‘, scheidet die Erörterung dieser K. aus diesem Zusammenhang zunächst aus. Die andere K. gibt Palästina ausführlicher, hingegen nur als eine Art Anhang und in sehr verkleinertem Maßstab Ägypten sowie die Landschaften östlich bis Indien, im Norden bis zum Schwarzen Meer, im Süden bis Abessynien. Miller hat die Abfassung dieser K. durch einen mittelalterlichen Abschreiber gewiß richtig als ausgeschlossen angesehen; er versucht, [2044] sie dem Hieronymos zuzuschreiben and als Illustration zu seiner Bearbeitung des eusebianischen Onomastikon, die in dieser Hs. enthalten ist, zu erklären. - Vgl. Kubitschek a. a. O. 351 und 374ff. Schulten Mosaikkarte von Madeba (1900) 63. Jacoby Das geograph. Mosaik von Madeba (1905) 33f.

§ 15. Eine Mosaikkarte des hl. Landes und Ägyptens wurde (unter dem Neubau der heutigen griechischen Kirche) zu Madeba (Μήδαβα), einer Stadt jenseits des Toten Meeres, aufgefunden und dann, soweit sie nicht durch diesen Neubau bereits zerstört war, seit dem J. 1896 gleich an Ort und Stelle konserviert. Die Abmessungen des erhaltenen Stückes sind 10•5 ✕ 5 m; innerhalb dieser Grenzen reicht die K. von dem Quellort (Αἰνών) bei Salem, wo der hl. Johannes die Taufe erteilt hatte, etwas nördlich von Archelais bis zum Nilstrom, dessen Delta noch umfassend, und andererseits von der (im ganzen und großen offenbar als horizontale Gerade behandelten) Meeresküste Palästinas und Ägyptens bis Charachmoba jenseits des Toten Meeres.

Die Grenzen der dargestellten Landschaften sind nur an der Meeresküste zu erkennen, bezw. durch diese gegeben; an allen anderen Seiten ist das Mosaik verstümmelt; die Lücken greifen auch vielfach tief in die sonst erhaltene Masse ein; auch sind schadhafte Flecken bereits in antiker Zeit durch gleichgültige Stopfmasse ausgefüllt worden. Dabei ist Ägypten, dessen Küste um etwa 45° (aus der K.-Fläche heraus statt gegen die Kirchentüre zu vielmehr gegen die Apsis) gedreht worden ist, um die palästinensische Küste so ziemlich in gerader Linie[14] fortzusetzen, nur wie ein Anhängsel zu der übrigen Landschaft behandelt und um etwa 2/3 des ihm gebührenden Raumes verkürzt. Für das eigentliche Palästina beträgt der Maßstab, soweit überhaupt (bei der starken Belastung der Fläche durch übergroße Vignetten und z. T. unsinnig lange Textstellen) von einem solchen die Rede sein kann, schätzungsweise etwa 1 : 15 000. Vorausgesetzt, daß die Breite des Raumes - auch in antiker Zeit war eine Kirche in ihn gelegt, und die Mauern der jetzigen griechischen Kirche sind gleich aus den antiken Mauerstümpfen aufgezogen worden - vollständig ausgenützt war und der Maßstab konform dem für das südliche Palästina verwendet ist, erhalten wir als Abschluß an der linken Längsseite der Kirche die Nordgrenze Phoinikiens; nimmt man aber an, daß auch im Norden der Maßstab so wie im Osten für Ägypten verkürzt worden sei, so kann man allenfalls in die Breite von Antiochia am Orontes gelangen, schon aber nicht in die von Smyrna oder Ephesos, oder gar in die Konstantinopels, welche Namen von vielleicht unzuverlässigen Zeugen vor Einleitung des Neubaus der Kirche gelesen worden sein sollen. Wenn aber eine noch engere Verbindung der Hieronymos-K. mit dem Mosaik bestanden haben sollte, so wäre es verkehrt, auf [2045] der so (a. O. 348) von mir formulierten Ansicht zu beharren, und weit eher angezeigt, mit der Möglichkeit zu rechnen, daß das Kyprische Meer auf dem Mosaik ähnlich wie auf der Hieronymus-K. eingebuchtet war und auch noch bei allerdings noch viel stärkerer Reduktion des Maßstabes Kleinasien Platz gefunden hat. Wie weit nach Osten die K. fortgesetzt gewesen sein kann (Kubitschek 364), wird wohl aus der noch zu erwartenden Bestandaufnahme von Guthe und Palmer erkannt werden. Die oben erwähnte Verkürzung Ägyptens, erinnert beispielsweise an moderne Eisenbahnplakate, welche die von der interessierten Bahnlinie durchschnittenen Landschaften, z. B. das Gebiet der Gotthardbahn, in stark übertreibendem und also erheblich größerem Maßstabe als die Zufahrtländer bringt und diese vielmehr stark einengt, hauptsächlich um möglichst viel Terrain auf derselben Plakatgröße ohne Einbuße für das interessierte Gebiet zu vereinigen.

§ 16. Absicht des Künstlers war, die Stätten des christlichen Kultus in Palästina in Verbindung mit den im Alten Testament genannten Örtlichkeiten zu bringen, ferner aber auch jene Orte aufzunehmen, die für die Israeliten vor ihrer Landnahme in Kanaan wichtig geworden waren: Sinai, die Stelle des Durchzuges durch das Tote Meer, das Land Gosen und das Königreich, in dem sie geschmachtet hatten. Über die Auswahl der Namen und Vignetten aus Ägypten vgl. Kubitschek Mitt. geogr. Ges. 1900, 364. Zu den Ortsnamen kommen vielfach längere Beischriften, die größtenteils (vgl. Kubitschek 354ff.) aus Eusebios’ Onomastikon wörtlich oder mit geringen stilistischen Veränderungen gezogen sind, z. B. steht neben
Θαμνά· ἔνθα ἔκειρεν Ἰούδας τὰ αὐτοῦ πρόβατα Eusebios p. 260 Lagarde
Θαμνά· ἔνθα ἔκειρεν Ἰούδας τὰ ἑαυτοῦ πρόβατα
Βεθσουρά· τὸ τοῦ ἁγίου Θιλ[ίππου]· ἔνθα λέγουσι βαπτισθῆναι Κανδάκην (Mißverständnis des K.-Zeichners[15]τὸν εὐνοῦχον p. 236 Βεθσούρ· ...ἔνθα καὶ πηγὴ ἀπὸ ὄρους ἐξιοῦσαδείκνυται, ἐν ᾗ λέγεται ὁ εὐνοῦχος Κανδάκης βεβαπτίσθαι ὑπὸ Θιλίππου}}

Auch sind die Stammesnamen der Israeliten, und zwar mit besonders großen Charakteren, eingesetzt; beigefügt sind Wahlsprüche aus dem Pentateuch oder dem Buch der Richter, z. B. Βενιαμίν· σκιάζει ὁ θεὸς ἐπ’ αὐτῷ (πάσας τὰς ἡμέρας hat der Septuagintatext mehr) καὶ ἀναμέσον τῶν ὁρίων αὐτοῦ κατέπαυσεν, entnommen aus Deuter. 33, 12 (dort statt ὁρίων vielmehr ὤμων).

§ 17. Die K. ist gegen Osten orientiert. Das mag ja zunächst als der regelmäßigen Tradition der mittelalterlichen K. entsprechend angesehen werden. Aber, ob diese Einschätzung nun das Richtige trifft oder nicht, so trägt die Mosaik-K. jedesfalls die Berechtigung zu dieser Orientierung in sich selbst. Denn die Kirche von Madeba ist nach altem Brauch gegen Osten orientiert; wer also durch die Türe eintrat, blickte geradeaus in der gleichen Richtung gegen den Altar und die Apsis der Kirche wie gegen das Ziel der K., die [2046] vor jenen beiden ausgebreitet lag; wer so die K. betrachtete, die, wie es scheint, ,im wesentlichen den Teil der Kirche bedeckte, der liturgischen Zwecken diente‘ (Jacoby S. 3), fand im Ausgangspunkt der Sonne und der Gestirne die natürliche Verbindung zwischen dem K.-Bild und seinem Original (Kubitschek a. O. 340). Dem entsprechend sind auch die erklärenden Beischriften (akrostich nur in Flußläufen) auf die West- als Fußlinie gestellt; sie waren also sämtlich von der Türseite aus zu lesen und insofern besser disponiert als auf dem kapitolinischen Stadtplan. Ebenso sind alle Bilder und Bildchen, Städte und Gebäude, Berge und Bäume, Tiere und Schiffe auf die West- als Grundlinie berechnet. Über den landschaftsmalerischen Charakter dieser Bildchen und Vignetten, und vor allem über die größeren Stadtveduten, von denen Jerusalem die bedeutendste und lehrreichste ist, vgl. Kubitschek a. O. 341–346. 365–368.

Literatur bis 1900 verzeichnet bei Kubitschek 373–377, bis 1904 bei P. Thomsen Bibliographie der Palästinaliteratur I (1908) 74ff., dann II (1911) 117. III (1916) 198. A. Schulten Die Mosaikkarte von Madeba und ihr Verhältnis zu den ältesten Karten u. Beschreibungen des hl. Landes (= Abh. Gött. Ges. d. Wiss. phil.-hist. Kl. N. F. IV 2) 1900. Konr. Miller Mappae mundi VI (1898) 148–154. W. Kubitschek Die Mosaikkarte Palästinas, Mitt. Geogr. Ges. Wien 1900, 335–380. A. Jacoby Das geogr. Mosaik von Madaba (= Stud. über christl. Denkmäler, herausg. von J. Fieker, Heft 3) 1905. Große Publikation (1/6 der Originalgröße) der K. in den Farben des Originals gezeichnet von P. Palmer und erläutert von H. Guthe im Auftrage des Deutschen Ver. z. Erforsch. Palästinas herausg. 1906; der zugehörige Text scheint noch nicht erschienen zu sein. – Über die Vignette von Jerusalem besonders J. Lagrange Revue biblique VI (1897) 490–492 (mit Bunttafel) und Or. Maruchi Nuovo Bull. di arch. cristiana V (1899) 43-50.

C. Karten der Oikumene (Weltkarten).

§ 18. Wenn wir uns wie billig auf gezeichnete K. beschränken und daher auch Homer mit den anderen allgemeinen Darstellungen der Oikumene und des Erdkörpers samt seinen Beziehungen zum Weltall weglassen, steht Anaximandros von Milet (s. Wellmann o. Bd. I S. 2085), ein jüngerer Zeitgenosse und Landsmann des Thales, am Anfang der ganzen Reihe. Das ist das Urteil des Eratosthenes (Strab. I 1, 11 C 7: τὸν μὲν οὖν ἐκδοῦναι πρῶτον γεωγραφικὸν πίνακα) und dann überhaupt Gemeingut der Literar- und Fachhistoriker; vgl. Agathemeros bei Müller Geogr. gr. min. II 471 πρῶτος ἐτόλμησε (über diese Wendung vgl. Berger Gesch. d. Erdk.² 25, 2) τὴν οἰκουμένην ἐν πίνακι γράψαι; Eustath. ebd. 208 und die Scholien zur Periegese des Dionysios ebd. 428; dazu Diog. Laert. II 1, 2. Die merkantile Bedeutung seiner Vaterstadt hat Anaximandros gewiß als eine starke Förderung seines Unternehmens empfunden; der Anreiz dazu war gerade damals dort wohl leichter als anderwärts gegeben. Auf seiner Erd-K. ,war das Mittelmeer bereits richtig als geschlossenes Becken gezeichnet, während er den Rand der Erde rings [2047] von Meer umgeben sein ließ, wohl ebensosehr in Anlehnung an die mythischen Vorstellungen vom Okeanos, wie durch geniale Generalisation der Nachrichten von dem äußeren Meer jenseits der Säulen des Herakles und des Isthmus von Suez. So wurde Anaximandros der Begründer der Geographie‘ Beloch Griech. Gesch. I 1² 437f. - Vgl. Müllenhoff-Roediger Deutsche Altertumskunde I 237. H. Berger Fragmente des Eratosthenes 41. 59 und Gesch. Erdk.² 25ff.

Mag nun Anaximandros wirklich zuerst versucht haben, eine wissenschaftlichen Anforderungen seiner Zeit entsprechende Erd-K. zu zeichnen, oder war er doch nicht der erste (denn es ist nicht wahrscheinlich, daß es so lange Zeit gebraucht habe, bis sich jemand angeregt fand, das Verkehrs- und Interessengebiet einer Handelsstadt, wie z. B. Milet es gewesen ist, in irgend eine Gesamtvorstellung der bewohnten oder überhaupt der gesamten Erde, im Geiste zunächst und dann bildlich, zu fügen), jedenfalls haben wir aus den folgenden Jahrhunderten kein greifbares Zeugnis dafür, daß dieser oder jener Grieche eine Erd-K. konstruiert habe. Freilich ist das eigentlich selbstverständlich, daß das K-Zeichnen nicht wieder unterlassen worden sei, und diese Kontinuierlichkeit wird noch wahrscheinlicher durch das, was wir von der kritischen Beschäftigung mit der K. des Anaximandros - oder nennen wir sie, von Anaximandros absehend und seine ionischen Landsleute als seine Nachfolger, Kritiker oder Verteidiger berücksichtigend so: - mit der ionischen K.[16] ermitteln können.

§ 19. Es würde also, das müssen wir uns eingestehen, unseren entwicklungsgeschichtlichen Erfahrungen widersprechen, wenn die K. Anaximanders den Anfang der griechischen K.-Reihe bedeutete. Es genügt vollkommen anzunehmen, daß die Kunde von noch älteren K. nur etwa deshalb sich nicht erhalten hat, weil überhaupt zuerst der Entwurf Anaximanders eine gewisse Publizität erlangte oder weil dieser die Ansprüche des Publikums aus irgend einem Grund mehr befriedigte als die vorausgegangenen Versuche.

Ein gewisses Aufsehen hat eine Entdeckung hervorgerufen, die W. H. Roscher in einer dem hippokrateischen Corpus einverleibten Schrift περὶ ἑβδομάδων (vgl. über sie Gossen o. Bd. VIII S. 1825) gemacht und in einer Anzahl von Aufsätzen vertreten hat: Die Hebdomadenlehre der griechischen Philosophen und Ärzte (= Abh. Sächs. Gesellsch. XXIV 6, 1906) 9ff.; Über Alter, [2048] Ursprung und Bedeutung der hippokrateischen Schrift von der Siebenzahl (= XXVIII 5 1911), Die neuentdeckte Schrift eines altmilesischen Naturphilosophen des 6. Jhdts. v. Chr. (Memnon V. 1911) 149ff. und Das Alter der Welt-K. in ,Hippokrates‘ περὶ ἑβδομάδων und die Reichs-K. des Darios Hystaspis (= Philol. LXX 1911) 529ff. Die ersten Kapitel dieser Schrift haben ,einen überaus wertvollen Abschnitt aus einem philosophischen Werk der altmilesischen Schule‘ (Memnon a. O. 151) uns erhalten. Wie Kapitel 11 (Harder Rh. Mus. XLVIII 1893, 644. Roscher Memnon V 166) sagt, ,zerfällt auch die ganze Erde in 7 Teile:

1. sie hat als Kopf und Gesicht die Peloponnesos, den Wohnort wohlgesinnter Männer;
2. den Isthmos, entsprechend dem Rückenmark (? Hals?)
3. Ionien als Zwerchfell [also als Sitz aller Intelligenz und Kultur]
4. den Hellespont als Schenkel
5. den thrakischen und kimmerischen Bosporos als Füße
6. Ägypten und das ägyptische Meer als [oberen] Bauch
7. Pontos Euxeinos und Maiotis als unteren Bauch [vesica?] und Mastdarm‘.

Das ist eine bildliche Vorstellung, ein Vergleich, und kann erst auf dem Weg über eine gezeichnete K. entstanden sein, sowie z. B. der Vergleich Europas mit einer Frau im Reifrock, an der ein Hund (Skandinavien) emporspringt, uns als Kindern nur aus der Betrachtung einer Land-K. Europas einfallen konnte. Soweit werden wir Roscher Recht geben müssen und uns auch mit seiner Datierung jener K. einverstanden erklären, die älter sein müsse als die Anaximanders, weil sie sicher weniger als diese enthalten habe. Sie ignoriere nämlich völlig Athen und das persische Reich, ebenso die westlichen Ansiedlungen der Griechen auf Sizilien und in Italien, ,wo bekanntlich die Milesier sehr wenig verkehrten‘, hebe ,dagegen das besondere Kolonial- und Handelsgebiet der Milesier, nämlich die Küsten des Hellespontos, der beiden Bospori, des Pontos Euxeinos und der Maiotis, endlich Ägyptens (Naukratis) sehr energisch hervor‘; in diese Zeit vor dem Aufstieg Athens und vor der Bezwingung und Zerstörung Milets durch die Perser passe es recht gut, daß Sparta (Peleponnes) und Megara (Isthmos) noch blühen. Sind schon Roschers Schlüsse ex silentio auf Inhalt und Umfang jener K. revisionsbedürftig, so ist sicher seine Vorstellung von der Verrenkung des Körpers (doch wohl der Ge oder der Oikumene) unhaltbar, die er durch Vergleich mit einer ägyptischen Darstellung des Erdgottes Qêb (im Tempel von Philai; ,wie ein Jongleur auf dem Boden, mit hinterwärts gekehrten Beinen liegende männliche Gestalt‘, Brugsch Rel. und Myth. d. alten Ägypter S. 218, abgebildet S. 211) zu stützen versucht; unhaltbar, auch weil sie dem hellenischen Gefühl von Natürlichkeit und Einfachheit zuwiderläuft. Ohne den 7. und letzten Teil dieser Einteilung könnte der Typus vollkommen dem später geläufigen Bild einer auf dem Boden sitzenden oder gelagerten Erdgottheit entsprechen; in der Charakterisierung dieses 7. Teils als vesica? und [2049] longabo (so schreibt Roscher beharrlich) wird wohl irgend ein Fehler stecken.

§ 20. Hingegen wird die Reichs-K. des Dareios I., deren Existenz aber nicht etwa damit prinzipiell geleugnet werden soll, nicht aus der Inschrift und dem Relief des Dareiosgrabes zu entwickeln sein. Die 28 Vertreter der von Dareios unterworfenen Landschaften sind dort zwar in geographischer Folge gezeichnet; eine derartige Anordnung führt aber noch lange nicht auf ,eine förmliche, vom altpersischen Standpunkt aus entworfene Erd-K.‘; ebensowenig klingt es überzeugend, daß diese angebliche, zwischen den Jahren 500 und 486 gezeichnete ,Reichs-K. des Dareios größtenteils denselben Inhalt wie die περίοδος γῆς des Hekataios‘[17] gehabt habe, und daß Hekataios sie für sein Werk mitverwendet habe, ,worauf schon die Zahlen der Parasangen hinweisen‘ (Philol. a. O. 536); daß auf einer so alten K. Straßenzüge, noch dazu mit Entfernungsangaben, eingezeichnet worden seien, klingt so unwahrscheinlich als möglich; es ist vielmehr weit wahrscheinlicher, daß die Entfernungsangaben der großen Königstraße von Ephesos nach Susa, Herodot V 52-54 (nur auf diese bezieht sich Herodot ausdrücklich), entsprechend der gewöhnlichen Annahme, so auch z. B. in Stein’s Kommentar, von Herodot aus einem Buchitinerar abgelesen worden sind.

§ 21. Stellen, an denen Herodot[18] Kritik an [2050] der ionischen Welt-K. übt, zählt Berger² 35, 3 und 4 auf. Die Hauptstelle, welche auch auf Aristoteles meteor. II 5, 13 (vgl. dazu Berger² 36, 1, aber auch Berichte a. a. O. 129) bestimmend eingewirkt hat, ist IV 36: γελῶ δὲ ὁρέων γῆς περιόδους γράψαντας πολλοὺς ἤδη καὶ οὐδένα νόον ἐχόντως ἐξηγησάμενον· οἳ ὠκέανόν τε ῥέοντα γράφουσι πέριξ τὴν γῆς ἐοῦσαν κυκλοτερέα ὡς ἀπὸ τόρνου (= wie auf der Drehscheibe, oder wie mit dem Zirkel) καὶ τὴν Ἀσίην τῇ Εὐρώπῃ ποιεύντων ἴσην. Daß die ,πολλοί‘ diese ihre Meinung gerade durch Zeichnung und nicht, sowie Herodot seine geographischen Ansichten vertritt, bloß durch das geschriebene Wort (wenigstens bei der Veröffentlichung ihrer Werke[19] zum Ausdruck gebracht haben, geht freilich aus der zu allgemein gehaltenen Fassung der Stelle nicht hervor.

Nur daß K. der Erde in Herodots Jahrhundert bereits in größerer Zahl verbreitet waren, muß für uns außer Zweifel stehen. Sokrates führt (Aelian. var. hist. III 28) den Alkibiades ἔς τινα τῆς πόλεως τόπον, ἔνθα ἐνέκειτο πινάκιον ἔχον γῆς περίοδον, und heißt ihn zunächst Attika und dann seinen eigenen Grundbesitz darauf suchen. - Aristophanes verspottet und höhnt den Unterricht der Sokrateischen Schule, in der der naiv-unwissende Strepsiades sich von einem Schüler des Hauses eine Erd-K. vorweisen läßt (Wolken 206 ff.): αὔτη δέ σοι γῆς περίοδος πάσης· ὁρᾷς· αἵδε μὲν Ἀθῆναι. Der schon erfahrene Schüler zeigt auf Attika, das lang hingestreckte Euboia und auf Lakedaimon; daß diese Namen auf der K. standen, bezw. daß diese Annahme den Zuschauern zugemutet werden durfte, kann uns nicht weiter wundernehmen; freilich daß auch des Strepsiades Dorfgenossen, Κικκυνῆς δημόται, auf der K. verzeichnet waren, während auf jener früheren der Ackerbesitz des Alkibiades nicht ausgewiesen war, ist scherzhafte Übertreibung des Autors. Zur Zeit der Aufführung der Wolken muß also der größeren Zahl der attischen Bürger eine K. nicht mehr etwas ganz Ungewohntes und Fremdartiges gewesen sein. Während also für Athen, das übrigens in dieser Zeit, wenigstens soviel wir sehen, auf die Entwicklung der Kartographie keinen Einfluß ausübt, zwei K. von unserer Überlieferung genannt oder erdichtet werden, war eine dritte angeblich nach Sparta gebracht worden (um 500 v. Chr.), und zwar von einem Milesier; Aristagoras nämlich flüchtet nach Sparta und verhandelt mit König Kleomenes, ὡς Λακεδαιμόνιοι λέγουσι, fügt Herodot seinem Bericht V 49 bei, ἔχων χάλκεον πίνακα ἐν τῷ τῆς γῆς ἁπάσης περίοδος ἐνετέτμητο καὶ [2051] θάλασσά τε πᾶσα καὶ ποταμοὶ πάντες. Bestimmteres über den Inhalt der K. erfahren wir ein paar Zeilen weiter, da Aristagoras dem Spartaner den Angriffsplan gegen das persische Reich entwickelt, δεικὺς ἐς τῆς γῆς τὴν περίοδον, τὴν ἐφέρετο ἐν τῷ πίνακι ἐντετμημένην. Er weist mit dem Finger auf die Wohnsitze der Ioner, Lyder, Phryger, Kappadoker, Kiliker und das angrenzende Meer, weiter auf die Insel Kypros, dann auf die Armenier, die Matiener, das kissische Land, dann auf den Fluß Choaspes und endlich auf die Residenz des Großkönigs, Susa.

In das Zeitalter Alexanders d. Gr. und die folgenden Jahrzehnte führen zwei Erwähnungen von K., die gleich hier angefügt werden können; die eine bei Aristoteles meteor. I 13 δῆλον δ’ ἐστὶ τοῦτο θεωμένοις τὰς τῆς γῆς περιόδους, ταύτας γὰρ ἐκ τοῦ πυνθάνεσθαι παρ’ ἑκάστων οὕτως ἀνέγραψαν, ὅσων μὴ συμβέβηκεν αὐτόπτας γενέσθαι τοὺς λέγοντας (dazu bemerkt Müllenhoff Deutsche Altertumsk. 1² 226: ,eine andere Auffassung läßt der Ausdruck θεωνέβιθς τ. τ. γ. π., wenngleich darauf λέγοντας folgt, kaum zu, als daß dem Text der alten γῆς περίοδοι regelmäßig bildliche Darstellungen oder K. beigegeben waren‘), die andere im Testament Theophrasts, Diog. Laert. V 2, 14, wo angeordnet wird ἀναθεῖναι δὲ καὶ τοὺς πίνακας, ἐν οἷς αἱ τῆς γῆς περίοδοί εἰσιν, εἰς τὴν κάτω στοάν.

§ 22. Die ionische K. scheint bestimmend gewesen zu sein für Ephoros und Dikaiarchos. Sie muß innere Vorzüge besessen haben, die ihre Verwendbarkeit auch in noch späterer Zeit und selbst nach der reformatorischen Tätigkeit des Eratosthenes, die für die Gestaltung des Erdbildes in großen Zügen auf grund eines reicheren und weit über die Kenntnisse der früheren Jahrhunderte hinausgreifenden Materials große Fortschritte erzielt hatte, so daß Hipparchos, der strenge Kritiker, angeblich oder anscheinend aus Verdruß über Eratosthenes’ Zurückbleiben hinter den Anforderungen der Astronomie, lieber die weitere Verwendung der alten K., d. i. der K. nach dem alten unmathematischen System empfiehlt (κελεύει ἡμᾶς τοῖς ἀρχαίοις πίναξι προσέχειν), die doch einer sehr viel stärkeren Durchbesserung bedürfen, als die K. des Eratosthenes (ὁ Ἐρατοσθένους πίναξ; Strab. II 1, 38 C 90; vgl. Berger Gesch. Erdk.² 109.

§ 23. Daß Ephoros seiner Darstellung eine K. beizufügen genötigt gewesen wäre, ist nicht anzunehmen. Über die geographischen Vorstellungen des Ephoros, die vor allem im 4. und 5. Buch seiner Ἱστορίαι niedergelegt waren, hat Schwartz o. Bd. VI S. 4f. und 13 gehandelt, über Dikaiarch Martini o. Bd. V S. 559ff.; über beide vor allen Berger Gesch. Erdk. 237 und 370ff. (vgl. auch sonst sein alphab. Verz.).

Anders liegt es bei Dikaiarch, der technisches Können bewiesen hat und also auch eher sich mit der Aufgabe des K.-Zeichnens befreunden mochte; ferner haben seine Erdmessungen geradezu zu einer Umzeichnung der Land- und Meerkonturen herausgefordert. Es ist aber nicht nötig, daß seine Neuzeichnung des Erdbildes etwa die bisherigen K.-Versuche überflüssig gemacht habe; Dikaiarchs K. brauchte bloß davon abzusehen, den Inhalt der früheren Versuche ganz [2052] oder auch nur großenteils aufzunehmen; und je höher wir den Mann einzuschätzen lernen, umso weniger ist anzunehmen, daß er seinen Versuch mit dem - auch noch etwa ungeprüften oder für die der Forschung neu gewonnenen Landgebiete noch gleichmäßig zu ergänzenden - Ballast des Details der früheren K. belastet habe. Ich bin daher nicht in der Lage, eine ausdrückliche Berufung auf diese K. in den Worten Ciceros ad Att. VI 2, 3 zu erkennen: Peleponnesias civitates orrmes maritimas esse hominis nonnequam, sed etiam tuo iudicio probati, Dicaearchi, tabulis credidi, meine vielmehr, daß die tabulae Listen seien, auf die das fast unmittelbar darauf folgende τῷ τῶν νέων (nämlich νεοκτίστων) καταλόγῳ hinweist.

Wichtig für die Zeichnung des Dikaiarch ist
a) die gerade Linie, die er durch das Mittelländische Meer und weiterhin durch das Asien angeblich durchquerende Gebirge legt, Agathem. 1, 5 bei Müller Geogr. gr. min. II 472 Δικαίαρχος δ’ ὁρίζει τὴν γῆν οὐχ ὕδασιν, ἀλλὰ τομῇ εὐθείἁ, ἀκράτῳ ἀπὸ Στηλῶν διὰ Σαρδοῦς, Σικελίας, Πελοποννήσου, Ἰωνίας (?) Καρίας, Λυκίας, Παμφυλίας, Κιλικίας καὶ Ταύρου ἑξῆς ἕως Ἰμάου ὄρους· τῶν τοίνυν τόπων τὸ μὲν βόρειον τὸ δὲ νότιον ὀνομάζει. Diese Linie, das sonst sog. διάφραγμα (Boll o. Bd. V S. 341f.), übernimmt dann Eratosthenes in sein System. Von dieser Linie entfallen (Strab. II 4, 2 C 105) auf das Stück von den Säulen bis zum Peloponnes 10 000 Stadien (von der sizilischen Meerenge bis zum Peloponnes 3000); über die Bedeutung dieser Maße (Berger² 374. Über die glückliche Wahl und wissenschaftliche Bedeutung dieser Linie stellt Urteile zusammen S. Günther Gesch. d. Erdk. (= Die Erdkunde, herausg. von M. (Klar I 1904) 24, 3. Sie bildet fortan die Hauptlinie der antiken Geographie, vgl. Ptol. I 21, 2 τὸν διὰ Ῥόδου γραφησόμενον (παράλληλον), ἐφ’ οὗ καὶ τῶν κατὰ μῆκος διαστάσεων αἱ πλεῖσται γεγόνασιν ἐξετάσεις.

b) daß er die von Demokritos aufgestellte Proportion von Länge zu Breite der Oikumene wie 3 : 2 billigte, Agathem. I 2 bei Müller a. O. 471, so daß also die Nordsüdlinie 2/3 der Ostwestlinie betrage.

c) Sehr ansprechend ist die Vermutung Bergers (Eratosth. S. 173f. und ausführlicher dargelegt Gesch. Erdk.² 370ff.), daß die von Kleomedes I 8 p. 42f. Balfour (78 Ziegler) ohne Gewährsmann überlieferte Messung des durch Syene und Lysimacheia laufenden Meridians auf Dikaiarch zurückgehe; daß also schon Dikaiarch das von Strab. II 5, 16 C 120 geforderte Verfahren eingeschlagen habe, zwei einander rechtwinklig schneidende Haupt- oder Richtlinien in das Erdbild zu fügen. - Nach Bergers Vorschlag entspricht der Meridianbogen Lysimachia-Syene mit 20 000 Stadien 4/60 des größten Erdkreises; vom Meridianbogen Syene-Äquator würde das Stück bis Meroe 1/60 Erdkreis = 5000 Stadien betragen und weiter und im unbewohnbaren Teil der Tropen 3/60 Erdkreis ausmachen, Lysimacheia-Polarkreis 3/60 Erdkreis = 15 000 Stadien, endlich das wegen der Kälte unbewohnbare Gebiet noch 4/60 Kreis = 20 000 Stadien; die Oikumene wäre also (Meroe-Polarkreis) 40 000 Stadien breit, 60 000 lang.

[2053] § 24. Was Eratosthenes, der Dikaiarch zeitlich ablöst und in Fragen der Erd-K. trotz aller Selbständigkeit in diesem Belange doch auf dessen Schultern zu stehen scheint, für die Frage des Erdbildes zu bedeuten habe, ist von Knaack o. Bd. VI S. 366-375 scharf umrissen; dort auch die Literatur, zu der das Wichtigste Berger Die geograph. Fragmente d. Eratosthenes (1880) und einzelnes weiter ausführend Gesch. Erdk.² 384ff. beigetragen hat. Das K.-Bild hat Knaack a. O. 368-374 ausführlich erörtert und die Urteile der folgenden Geographen und Astronomen dazu gefügt, so daß hier nicht gut mehr als eine Rekapitulation der Hauptpunkte der Einteilung seiner K. der Oikumene gegeben werden kann:

a) Rechtwinklig schneiden einander auf Rhodos die beiden Hauptlinien, der Meridian durch Syene und der Parallelkreis durch Alexandria. Der Meridian mißt von Meroe bis Alexandreia 10 000 Stadien, bis zum Hellespont 8100, bis zum Borysthenes 5000, bis zum Kreis von Thule 11 500; und andererseits südwärts von Meroe bis zur Zimtküste 3400; zusammen 38 000 Stadien (Strab. I 4, 2 C 63). Das (heute sog.) Diaphragma [20] mißt durch Indien bis zur Indusmündung 19 000, bis zu den Kaspischen Toren 14 000, bis zum Euphrat 10 000, bis zum Nil 5000, bis zur kanobischen Nilmündung 1300, bis Karthago 13 500, bis zu den Säulen 8000, also zusammen 70 800 Stadien, nicht gerechnet eine jenseits der Säulen noch auf Westeuropa entfallende Strecke von mindestens 3000 Stadien (Strab. I 4, 5 C 64). Dazu schlägt Eratosthenes noch, der Grund wird uns von Strabon nicht recht klar gemacht, im Westen und im Osten je 2000 Stadien; somit insgesamt 77 800 Stadien. Also ein Verhältnis der Breite der Oikumene zur Länge rund wie 1 : 2.

Parallel zu diesen beiden Hauptlinien zieht Eratosthenes noch durch die oben angezeigten Punkte, also durchaus nicht in gleichen Entfernungen, eine kleine Zahl von Meridianen und Parallelkreisen[WS 1]. Eratosthenes ist also noch sehr entfernt von einem geometrischen K.-Netz, und daß sich seine Meridiane und Parallelkreise als gerade Linien unter rechten Winkeln treffen, muß der Richtigkeit seiner Zeichnung, wie er sie sich dachte, starken Eintrag machen. Ebenso war das Bestreben des Eratosthenes, die Richtlinien durch bedeutende Namen zu führen, also vielleicht mnemotechnische Stützen zu schaffen, nur auf Kosten der Genauigkeit möglich, wie er denn z. B. Rom und Karthago auf den nämlichen Meridian legte (Strab. II 1, 40 C 93).

Auf die σφραγίδες des Eratosthenes brauche ich hier überhaupt nicht einzugehen, dann hat auch Knaack o. Bd. VI S. 370ff. über sie gehandelt. Nur zum Terminus möchte ich eine Bemerkung machen, weil Knaack 370, 45 ebenso wie Berger Fragm. Eratosth. 223, 3 und Gesch. Erdk.² 346, Günther Gesch. Erdk. 24, 5 und tutti quanti, die sich mit seiner Entstehung befaßt haben, etwas übersehen haben oder vielmehr nach dem Stande unseres Wissens [2054] nicht leicht erkennen konnten: Es handelt sich nämlich nicht um einen ,poetisch gefärbten Vergleich, dessen Grund und Sinn schwer zu erraten ist‘, sondern um einen nüchternen Ausdruck des Geschäftslebens in Ägypten, dem wir in den Papyri nicht selten begegnen. Das Wort bedeutet nämlich, in Fortbildung seines ursprünglichen Sinnes, einen durch Grenzsteine abgemarkten Acker und weiterhin auch eine mehr oder minder große Zahl zusammenliegender einzelner Grundstücke, ,welche durch einander Privateigentum oder Staatseigentum sein könnten‘, gleich bedeutend mit μερίς ,Dorfflurbezirk‘; vgl. Preisigke Straßburger Papyri I 90f. und 14. Mitteis Chrestomathie nr. 149, 10. Croenert in Wesselys Studien zur Pal. und Pap.-Kunde IV (1905) 91. Auch die Durchzählung der σφραγῖδες ist im Alltagsleben bezeugt.

Rekonstruktionen seiner K. sind mehrmals versucht worden, so von Ukert Geographie der Gr. und R. I 2 (1816) Tf. 2, Forbiger Geographie I (1842) Taf. 4. Ch. Müller im Anhang zur Didotschen Ausgabe des Strab. (1858) Tf. 1, von Vivien de St. Martin im Atlas zu seiner Histoire de la Géographie (1874) Tf. 2, 5, von Spruner-Sieglin Atlas ant Taf. I 2; vgl. auch die Skizze bei Berger Gesch. Erdk.² 400 Fig. 9.

Die Bedeutung seines Werkes für die Zeitgenossen und die folgenden Geschlechter geht sowohl aus seiner starken Benützung wie aus den Entgegnungen hervor, die in größerer Zahl nachweisbar sind; u. a. hat Polybios sich mit der Prüfung Dikaiarchs und des Eratosthenes (τὸν τελευταῖον πραγματευσάμενον περὶ γεωγραφίας, Strab. II 4, 1 C 104) befaßt, und Strabon hat so oft in seiner Geographie Stellung zu Eratosthenes genommen, daß wir aus ihm uns einen guten Teil seiner Ansichten, freilich, wie es bei Strabons Art und Selbständigkeit nicht anders zu erwarten ist, nicht ausreichend rekonstruieren können.

§ 25. Die schwache Seite des Eratosthenes hat Hipparchos (s. Rehm o. Bd. VIII S. 1666ff. und besonders über seine Stellung zur Geographie 1677ff.), einer der größten, wenn nicht der größte Astronom des Altertums, erfaßt, indem er immer und immer wieder auf den Mangel einer astronomischen Fundierung seiner Geographie hinwies; durch diese Kritik hat Hipparch der Kartographie den größten Dienst erwiesen, allerdings zunächst ohne durchgreifenden Erfolg.

Er lehrte, niemand solle sich mit Geographie befassen (Strab. I 1, 12 C 7) ἄνευ τῆς τῶν οὐρανίων καὶ τῆς τῶν ἐκλειπτικῶν τηρήσεων (Beobachtungen von Finsternissen) ἐπικρίσεως. Denn ob Alexandreia nördlich oder südlich von Babylon liege und welcher Längenunterschied zwischen beiden Orten sei, könne man nicht beurteilen χωρὶς τῆς διὰ τῶν κλιμάτων ἐπισκέψεως, und die Entfernung zweier Orte nach West oder Ost könne nicht genauer bestimmt werden πλὴν εἰ διὰ τῶν ἐκλειπτικῶν ἡλίου καὶ σελήνης συγκρίσεων. Er verlangt dementsprechend die Sammlung und Feststellung der astronomischen Bestimmungen von Breite und Länge wichtiger Orte; für die Ermittlung der Länge solle eine Art Nachrichtendienst organisiert werden; über [2055] das Technische dieser Forderungen Berger Die geogr. Fragmente des Hipparch (1869) 29-32. Er sieht von einer speziellen Einteilung der Oikumene, wie sie noch Eratosthenes vorgenommen hat, ab und teilt den Meridianbogen vom Äquator bis zum Pole, damit auf die von der babylonischen Astronomie aufgestellte Einteilung des größten Kreises in 360° gestützt, in 90° ein; ,er verzeichnete nämlich, wie er selbst auseinandersetzt, die verschiedenen Stellungen der Gestirne am Himmel für jeden einzelnen Punkt der Erde, wie sie sich auf unserem Meridianviertel, d. h. vom Äquator bis zum Nordpol, bieten‘; ,wenn nun jemand den größten Erdkreis in 360 Abschnitte teilt, so entfallen 700 Stadien auf jeden einzelnen Abschnitt; mit diesem Maß berechnet er die Entfernungen auf dem genannten Meridian von Meroe; er beginnt bei den Bewohnern des Äquators, schreitet weiterhin zu je 700 Stadien die Wohngebiete auf dem genannten Meridian ab und versucht nun die Himmelserscheinungen (φαινόμενα) jedes einzelnen Wohngebietes aufzuzählen‘ (Strab. II 5, 34 C 132). Also ist sein größter Erdkreis mit 252 000 Stadien gerade so bemessen wie durch Eratosthenes; also hat er sich hierin diesem angeschlossen (Strab. II 5, 7 C 113 ὑποθέμενος τὸ μέγεθος τῆς γῆς ὅπερ εἶπεν Ἐρατοσθένης), aber nur vorläufig; denn die Verhältnisse der (φαινόμενα zu jedem einzelnen Wohngebiete werden durch die Messung der Landstrecke nicht berührt[21].

Aus einer wichtigen, aber nicht klar genug vorgetragenen Bemerkung eines Zeitgenossen des Kaisers Arcadius, des Bischofs Synesios de dono astrolabii p. 310 B Petav. = Migne LXVI 1584 σφαιρικῆς ἐπιφανείας ἐξάπλωσιν [die Entfaltung, Aufrollung der Kugelfläche] ταυτότητα λόγων ἐν ἑτερότητι τῶν σχημάτων τηροῦσαν (die Erhaltung des gleichen Verhältnisses bei Anwendung einer anderen Schreibfläche) ᾐνίξατο μὲν Ἵππαρχος ὁ παμπάλαιος καὶ ἐπέθετό γε πρῶτος τῷ σκέμματι, welche Stelle sich allerdings nicht auf eine Erd-K., sondern eine Stern-K. bezieht, aber begreiflicherweise das nämliche Problem betrifft, hat Gosselin Recherches sur le Système de la géographie d’Hipparche (1798) 48f.[22] die Gradteilung einer Kugelfläche durch Hipparch zu einem Gradnetz ausgestaltet sehen wollen, was Berger Frgm. Hipp. 35 und Gesch. Erdk.² 477 bedingt gelten läßt; vgl. Günther Gesch. Erdk. 24 und [2056] wieder einschränkend) 19, 4[23]; anders Rehm o. VIII S. 1678. Hipparch hat keine neue Erd-K. gezeichnet (richtiger würde man sagen: veröffentlicht), Berger a. O. 73ff.; damit soll aber nicht prinzipiell in Abrede gestellt werden, daß er seine Ausführungen durch irgendwelche Skizzierung faßlicher gemacht hat, und daß eine solche Skizze ungefähr soviel enthalten haben mag, als Vivien de St. Martin in seinem Atlas dressé pour l’hist. de la géogr. (1874) Taf. 2, 6 (in zwei Übersichten) zusammengestellt hat. Wenn er trotzdem in dieser kurzgefaßten Darstellung der Geschichte der Erd-K. einen Platz erhalten hat, so liegt das daran, daß Hipparchs Prinzipien der K.-Zeichnung auf Marinos und Ptolemaios den größten Einfluß gehabt haben. Hipparch selbst hat es mit diesen Forderungen so ernst genommen, daß er des Eratosthenes zwischen der Überzeugung des Mathematikers und der Praxis der Geographen vermittelnde K. als halbschlächtig verwarf und direkt aufforderte, bevor astronomische Fixpunkte in genügender Anzahl dem Geographen zur Verfügung stünden, auf die Herstellung einer neuen Erd-K. zu verzichten und sich auf τοὺς ἀρχαίους πίνακας zu beschränken (Strab. II 1, 5 C 69. 12 C 71); vgl. o. § 22.

§ 26. Die beiden letzten Jahrhunderte v. Chr. haben die Kenntnis der Oikumene, insbesondere im ganzen Westen, in den Donaulandschaften, im armenisch-pontischen Bergland, in Mesopotamien und jenseits desselben, in den syrisch-arabischen Gebieten und in den hinter den alten Kulturgebieten auf dem afrikanischen Kontinent gegen Süden gelagerten Strichen erweitert und vertieft. Typisch ist dafür, was wir an Fortschritten der geographischen Kenntnis über den Donaulauf ermitteln können. Es sei nur erwähnt,

a) was auch Brandis o. Bd. IV S. 2121, in dem besten bisher über den Danubius geschriebenen Aufsatz, deutlich auseinandersetzt, daß die Gabelung des Ister in einen gegen das Schwarze Meer strebenden Lauf und einen zweiten Arm, der in die Adria führt, erst durch Diodor IV 56, 8 und dann durch Strabon bekämpft wird [24]. Offenbar mit Recht pflichtet Brandis Diodors Auffassung bei, daß die Aufhellung dieses Irrtums aus den Kriegen der Römer gegen die Istrer gewonnen worden sei.

b) Was Brandis noch nicht bemerkt hat, so daß seine Interpretation des von Gell. X 7, 1 erhaltenen Sallustfragments mißlungen ist (a. O. 2106), nicht einmal noch Caesar hat erkannt, daß Danuvius und Hister Teile desselben Stromlaufes sind. Wie ahnungslos Caesar der Sache [2057] gegenübersteht, ist zwar eigentlich nicht aus seinen Worten bell. Gall. VI 25, 5 zu erkennen gewesen, wohl aber aus Diod. V 25, 4, der Donau und Rhein εἰς τὸν Ὠκεανόν laufen läßt. Erst die schwierige und umfassend organisierte Expedition des Augustus vom J. 35/4 v. Chr. kann den richtigen Aufschluß gebracht haben, wie jetzt auch F. G. de Pachtere Salluste et la découverte du Danube (in den Mélanges d’arch. et hist XXVIII 1908) 79ff. erkannt hat.

Mindestens ebensowichtig als die vielen länderkundlichen Entdeckungen dieser beiden Jahrhunderte, die zur Ergänzung und dichteren Ausfüllung der älteren K. verwendet worden sein müssen (eine ausdrückliche Bestätigung fehlt, jeder Zuwachs begegnet uns vorläufig bloß für die Schilderung durch Wort und Schrift, nicht auch durch die K.-Zeichnung), war das allgemeine Interesse, das die geographische Literatur seit Eratosthenes und der an ihn anknüpfenden Literatur in weiteren Kreisen gewonnen hatte. Eratosthenes hatte zu Hipparch geführt, und dieser zur Erkenntnis der mathematischen und astronomischen Zusammenhänge, die wir auch heute als maßgebende Regel für die Zeichnung von Erd-K. ansehen. Auf diesem Wege war ein Haltmachen nicht möglich, so lange die hellenische Wissenschaft freie Pflege fand. Der neue Weg war zur Diskussion gestellt, und zwei Erscheinungen bezeichnen ihn, Marinos von Tyros und Claudius Ptolemaios aus Alexandreia. Was wir von dem erstgenannten wissen, verdanken wir ausschließlich letzterem Mann, der als ein wahrer König der Wissenschaft uns erscheint, Jahrhunderte lang bis in die neuere Zeit über den Bestand der kartographischen Disziplin dort wo sie gepflegt wird herrscht, und dessen Bezeichnung als rex Macedonum in späterer Zeit, wenn sie auch auf einem Irrtum beruht, die hohe Achtung bekundet, die die untergeordneten Skribenten vor seiner Erscheinung empfunden haben mögen[25].

§ 27. Allerdings blieb der Widerstand gegen die mathematische Richtung der Geographie, die durch Dikaiarchos und Eratosthenes inauguriert und durch Hipparchos so wesentlich gekräftigt worden war, seitens jener nicht aus, die diesen Weg für zu schwierig und als aussichtslose Theorie ansahen und die die Aufgabe der Geographie in der Verarbeitung der durch die Zeitverhältni8se neu gewonnenen Elemente der Länder- und Völkerkunde und überhaupt in der Verbreitung allgemeiner Kenntnisse von den Wohnsitzen und den Kulturbedingungen der Menschheit erblickten. Da die Vertreter dieser Reaktion nicht zur Entwerfung neuer Erd-K. gelangten, und da wie gesagt für diese meine Darstellung das wenn auch eigentlich äußerliche Erfordernis maßgebend erscheint, [2058] daß die faktisch ausgeführten K. uns auch wirklich bezeugt seien, soll ihrer nur im Vorbeigehen gedacht werden. Ihr bedeutendster Vertreter ist Polybios (vgl. seine Würdigung als Gegner des mathematischen Neuaufbaus der Kartographie bei Berger Gesch. Erdk.² 514ff.), dessen Stellung uns allerdings umso merkwürdiger vorkommt, als seine mathematische Schulung und seine praktische Tätigkeit als Techniker ihm eher als manchem seiner unmathematischen Nachfolger das Eingehen auf die neue Tendenz hätten ermöglichen müssen. Die wichtigsten seiner Nachfolger sind Artemidoros aus Ephesos (s. Berger o. Bd. II S. 1330 und Gesch. Erdk.² 527ff.), Poseidonios der ,Rhodier‘ aus dem syrischen Apameia, dieser schon stark einlenkend (vgl. Berger a. O. 551ff.), endlich unsere Hauptquelle für die Kenntnis dieser ganzen Entwicklung, Strabon aus Amaseia (Berger 539ff.), der wie Poseidonios auch als Historiker an Polybios anknüpfte. Die polybianische Richtung der Geographie ist aus dem starken Einfluß des römischen Staatsgedankens abgeleitet worden und aus den praktischen Bedürfnissen des Lebens. Als typisch kann angesehen werden, daß ein vornehmer Herr wie Cicero, der sowie von anderen Disziplinen auch von der Geographie kosten und sie am liebsten in gefälliger und allgemein verständlicher Form, sowie das bei Dilettanten in allen möglichen Fächern auch heute der Fall ist, darstellen möchte (ad Att. II 6), durch das Studium der mathematisch-wissenschaftlichen Literatur abgeschreckt wird; von Serapions geographischem Buch, das ihm Atticus zugeschickt hatte, schreibt er diesem (H 4, 1) offenherzig: millesimam partem vix intelligo. Am schärfsten hat diesen Gegensatz zwischen der durch Eratosthenes, Hipparchos und Ptolemaios vertretenen Richtung und dem römischen Betriebe der Geographie J. Partsch in dem oft zitierten Satz (Darstellung Europas in dem geographischen Werk des Agrippa 1875, 80) formuliert: ,Der gewaltige Unterschied zwischen einem Eratosthenes, der die Maße der Erde in den Sternen las, und einem Agrippa, der aus den Ziffern der Meilensteine berechnete, wie lang und breit jede Provinz sei, ist nichts Anderes als der Typus des Gegensatzes des hellenischen und des römischen Geistes‘.

§ 28. Das allgemeine Interesse des Publikums an Erd-K. muß damals groß gewesen sein. Wir erkennen dies ebensowohl für die römische wie für die griechische Kulturhälfte der damaligen Zeit. Für die erstere s. u. S. 2100ff., für die griechische bezeugt es der Plural, den Ptolemaios sowohl von οἱ ἀκριβέστεροι πίνακες neben Marinos’ K. (I 19) als auch dort gebraucht, wo er von jenen (νῦν οἱ πλεῖστοι) spricht, die bei der Bearbeitung des kartographischen Nachlasses des Marinos (ἐπὶ τοῦ κατὰ τὸν Μαρῖνον πίνακος) sich abgemüht hatten (I 18, 3). Es soll nie vergessen werden, und insbesondere bei technischen Dingen, daß wir nur zufällige und abgerissene Sätze und Zeugnisse über die Entwicklung des antiken Lebens und meist ebenso über die der antiken Wissenschaften besitzen. Vgl. Kubitschek Num. Ztschr. Wien XLVII (1914) 212.
§ 29. Die Zeit des Marinos aus Tyros (s. d.) bestimmt [2059] stimmt sich ungefähr daraus, daß Ptolem. I 6, 1 ihn als ὕστατος τῶν καθ’ ἡμᾶς bezeichnet, und daraus, daß von zwei durch ihn benützten Expeditionen eines Septimius Flaccus, der στρατευσάμενος aus dem Lande der Garamanten nach Aithiopien gelangte, und eines Iulius Maternus, der von Leptis magna aus mit einem Könige der Garamanten nach Agisymba im Lande Aithiopien zog (I 8, 4 und 10, 2), die erstere vielleicht unter die Regierung Domitians zu setzen ist (Feldzug eines Flaccus gegen die Nasamonen Zonar. XI 19 P. 587, vgl. Synkellos P 343 d zum J. 75 seit der Geburt Christi). Leider lassen sich die etwa sonstigen jüngsten Schriftsteller und Reiseberichte, die Marinos benützt hat, mit unseren Mitteln ebensowenig bestimmen als jener Μάης ὁ καὶ Τιτιανός, ἀνὴρ Μακεδὼν καὶ ἐκ πατρὸς ἔμπορος (Ptolem. Ι 11, 6), der einen Karawanenhandel ins Land der Serer unterhielt; vgl. über diesen Mann und seine Erkundungen A. Herrmann Die Seidenstraßen vom alten China nach dem Röm. Reich (Mitt. der Geogr. Ges. Wien LVIII 1915) 480ff.

Marinos hat ein Erdbild in mehreren Auflagen, so nimmt man an (s. darüber u. S. 2060f.), zu entwerfen unternommen und diesen Versuch durch längere Auseinandersetzungen (συντάξεις) unterstüzt, in denen er sein Material (ebensowohl Reiseberichte als astronomische Beobachtungen und mathematische Erwägungen) darlegte. Ptolemaios billigt im großen und ganzen das Verfahren dieses seines nächsten Vorgängers (I 19), äußert aber einerseits gegen die Vollständigkeit und Zuverlässigkeit seines Materials verschiedene Bedenken und beklagt andererseits, daß das Verständnis seines Buches durch Mangel an Ökonomie, durch Kompliziertheit und Zusammenhangsrisse (τὸ πολύχουν καὶ ποικίλον τῶν συνταξέων I 15, 1 und τὸ πολύχουν καὶ τὸ κεχωρισμένον τ. σ. 17, 1) sowie durch Widersprüche in seinen Ansätzen leide. Es ist nun freilich eine alte Erfahrung, daß Leute, die selbst nicht gut imstand sind mit der Feder umzugehen (vgl. über die stilistische Kunst des Ptolemaios A. J. Letronne Oeuvres choisies II. Ser. Bd. I 1883 S. 129 und die ausführliche, aber nicht bis zu einem scharfumschriebenen Urteil verdichtete Würdigung der Sprache und Ausdrucksmöglichkeit des Ptolemaios durch F. Boll N. Jahrb. Suppl. XXI 1894, 170ff.), am ehesten über die Ungelenkigkeit der anderen sich aufhalten; aber sein Tadel ist ja vielleicht berechtigt, nur schließlich für diesen Zusammenhang gleichgültig, wichtiger sind die sachlichen Einwände des Ptolemaios.

Marinos ist der erste gewesen, der das in seinen Anfängen auf Dikaiarch und Eratosthenes (§ 23f.) zurückgehende Koordinatensystem ganz regelmäßig über die den Alten bekannte Erdfläche ausdehnte. Das Liniennetz, das Strab. II 5, 10 C 116 vorschwebt, ist davon verschieden. Ihrer Länge nach veranschlagte Marinos die Erdfläche zu 15 Stunden, also 225° des Vollkreises von 360° nach babylonischer Rechnung; Ptolemaios hat diese Länge zu groß gefunden und auf 12 Stundenabschnitte = 180° angesetzt, dabei aber immer noch um 40° die Wirklichkeit überschätzt. Die Breite der Oikumene mißt Marinos vom südlichen Wendekreis (Ptolem. I 7, 2) bis zum Kreis von Thule, [2060] 63° nördl. Br.; Ptolemaios schließt den Süden schon um 7° früher (weiter nördlich) ab; es sieht fast so aus, als ob ein Bedürfnis nach Symmetrie ihn veranlaßt hätte, die Entfernung des durch Meroe laufenden Parallelkreises südlich vom Äquator aufzutragen, um an die Grenzen der Oikumene zu gelangen. Marinos hat durch Meridiane die Stundenabschnitte auf seiner K. sinnfällig gemacht, also 16 Meridiane in gleichen Abständen gezogen und somit wohl auch die Parallelkreise nur nach Gruppen, acht nördlich und zwei südlich vom Äquator, in Abständen von je einer Stunde Unterschied in der Dauer des längsten Tages (Ehrenburg Über die K.-Einteilung des Marinos von Tyros, in Gerland’s Beiträgen zur Geophysik III 1896, 476ff., angeführt von Th. Schöne Die Gradnetze des Ptol. im ersten Buch seiner Geographie, Osterprogr. des kgl. Gymn. zu Chemnitz 1909, 11; vgl. Vital Kartenentwurfslehre [1903] 15. 61).

Meridiane und Parallelkreise schneiden einander rechtwinklig, die K. des Marinos war also eine rechteckige Platt-K. ,Ihre Projektionsfläche‘, sagt Schöne a. O. anschaulich, ,ist zu denken als der Mantel eines geraden Zylinders, der die Kugelfläche im Parallel von Rhodus (wo der längste Tag 14½ Stunden dauert) schneidet.‘ Der Parallel von Rhodos (36° Breite) wird so abgeteilt, daß die Stunden-Meridiane, die ihn treffen, um je 4/5 eines Meridiangrades voneinander abstehen; da dann natürlich auch die anderen Paralellen von diesen Meridianen unter rechten Winkeln und also mit der gleichen Teilung getroffen werden, verzerrt sich das K.-Bild gegen Norden bin, wo die Quoten der Parallelen immer kleiner werden sollten, und gegen Süden, wo sie wachsen sollten. Also ist, obzwar die zylindrische Projektion für kleinere Landflächen ebensowenig von Ptolemaios als von anderen verschmäht worden ist, die Vorstellung, daß das K.-Bild der Oikumene, von der Erdkugel abgehoben, so in zureichendem Verfahren auf die platte Fläche übertragen werden könne, nicht aufrecht zu halten; dieser Forderung kann, wie Ptol I 20, 8 bemerkt, nur dann entsprochen werden, wenn sowie auf der Erdkugel selbst so im reduzierten Abbild, gleichviel ob auf einer Kugel oder auf einer flachen Tafel, die Bogenstücke der Parallelkreise sich ἔγγιστα für den Äquator auf 115, für Rhodus auf 93 und für Thule (63°) auf 52 Teile beziehen.

Τῶν ἐκδόσεων αὐτοῦ τῆς τοῦ γεωγραφικοῦ πίνακος διορθώσεως πλειόνων οὐσῶν sagt Ptolem. I 6. Somit ist der Titel der Begleitschrift Ἡ τοῦ γεωγρ. πίνακος διόρθωσις und nicht ὁ γεωγρ. πίναξ. Das hat schon Letronne a. O. 140 richtig erkannt. Dann ist aber die Frage erlaubt, ob bloß die Begleitschrift erschienen ist oder auch die K.; Berger z. B. Gesch. Erdk.² 615 interpretiert Ptolem. I 17, 1: οὐκ ἐπέστησει τούτοις μὲν καὶ τοῖς τοιούτοις (n. durch die in den vorausgehenden Kapiteln des Ptolemaios aufgedeckten Widersprüche des Marinos) ὁ Μαρῖνος, ἤτοι διὰ τὸ πολύχουν καὶ κεχωρισμένον τῶν συντάξεων ἢ διὰ τὸ μὴ φθάσαι καὶ κατὰ τὴν τελευταίαν ἔκδοσιν, ὡς αὐτός φησι, πίνακα καταγράψαι, δι’ οὖ καὶ τὴν τῶν κλιμάτων (Parallele oder vielmehr Parallelzonen) καὶ τὴν τῶν ὡριαίων [2061] (Meridiane) μόνως ἐποιήσατο διόρθωσιν, so ,daß bei der endgültigen Zeichnung der K., die den ersten Ausgaben beigefügt waren, manche Schwierigkeiten und Mißverhältnisse erst zu Tage kamen und solche Widersprüche zwischen Text und K. entstehen ließen, wie sie Ptolemaios . . . gesammelt hat‘.. Aber ,wie Ptolemaios ausdrücklich hervorhebt, er hatte selbst gesagt, er habe die K. zur letzten Ausgabe seiner Berichtigungen nicht fertig bringen können. Nur die Grundlagen für diese letzte Karte, die wahrscheinlich wie der vorausgehende Text wieder neue und wichtige Änderungen bringen sollte, konnte er noch vollenden, die von Ptolemaios berichtete Berechnung der größten Länge und Breite und die auch von diesem erwähnte Berichtigung der Klimata und der Stundenabschnitte, der Parallele, und der Meridiane mit den wichtigsten geographischen Punkten der Länge und Breite‘, und dazu die Beweisführung in der Anm. 4; richtiger hat Grashof in der Wilbergschen Ausgabe S. 55 δι’ οὖ auf πίνακα bezogen und zu ἐποιήσατο ein ἄν dazugedacht. Was Berger gegen Grashof einwendet, ist kaum verständlich, seine Ansicht: ,das ungewöhnliche Wort μόνως sei als schärfer gewählter Ausdruck für die Herausgabe der Tabelle ohne K. erträglich‘ abzuweisen, und meiner Meinung nach beziehen sich die Worte ὡς αὐτός φησι bloß auf τελευταία: Marinos hatte diese Ausgabe seiner Διόρθωσις ausdrücklich als letzten Versuch bezeichnet, bevor er an die Vollendung der geplanten K. sich mache; diese K. hätte den Beweis für die Richtigkeit des Ganzen unter Berücksichtigung des neuen, allgemein umfassenden Gradnetzes und der einzelnen Berichtigungen und Bereicherungen aus den Erfahrungen der letzten Decennien erbringen müssen; das wäre eine K. so gedacht, wie sie Strab. II 5, 10 C 116 sich denkt, der für eine Platt-K. zum mindesten 7 Fuß (τὴν διάμετρον aus dem Vorhergehenden hieher zu denken, gemeint sind also 7 Fuß Breite, s. u. S. 2146 Anm. *) fordert. Da wäre das Material dann übersichtlich zusammen verarbeitet gewesen, das man sich damals an verschiedenen Stellen der συντάξεις des Marinos zusammensuchen mußte; Länge und Breite desselben Ortes sei aus zwei verschiedenen συντάξεις zu vereinigen, deren eine die Meridiane, die andere die Parallelen erörtere; eigentlich müsse man für jeden einzelnen Punkt alle Kapitel des ganzen Werkes heranziehen (I 18, 4). Daher gehen die meisten, wenn sie (offenbar: für irgend eine Landschaft, irgend einen geographischen Zusammenhang) aus den ὑπομνήματα des Marinos sich eine Skizze selbst zusammenstellen (ἀπσχεδιάσασι), ganz in die Irre, wenn sie kein παράδειγμα auf Grund seines Werkes (οὐκ ἐπιτυχοῦσι μὲν ἀπὸ τῆς ὑστάτης συντάξεως παραδείγματος, συντάξεως ist nicht identisch mit ἐκδόσεως, die ein paar Zeilen früher erwähnten πρότερα und ὕστερα παραδείγματα sind K.-Entwürfe aus der Zeit vor Marinos) aufgefunden haben. Ich denke, Privatfleiß wird das eine oder das andere παράδειγμα auf Grund der Διόρθωσις des Marinos genau so geschaffen haben, wie später einmal Agathodaimon (§ 52) K. nach des Ptolemaios Ὑφήγησις entworfen hat.

§ 30. Claudius Ptolemaeus (s. Ptolemaios) hat in seiner Μεγάλη Σύνταξις, dem Almagest, [2062] dessen Abfassungszeit ungefähr durch sein spätestes Beobachtungsdatum, 8. September 150[26] gegeben wird, II 13 p. 188 Heiberg das Kapitel von den ,Tabellen der Winkel und Bogen von Parallel zu Parallel‘ mit den Worten geschlossen (umschreibende Übersetzung von Manitius Handb. I 129): ,Nun fehlt an den nötigen Unterlagen nur noch die Feststellung der geographischen Lage der namhaftesten Städte (ἐπισημίας ἀξίων πόλεων) jeder Provinz nach Länge und Breite zur Berechnung der für ihren Horizont eintretenden Himmelserscheinungen. Die Tabelle mit den hierauf bezüglichen Angaben werden wir aber erst als Anhang eines besonderen geographischen Werkes (ἔκθεσιν ἐξαιρέτου καὶ γεωγραφικῆς ἐχομένην πραγματείας) veröffentlichen, und zwar im engen Anschluß an die Forderungen der Männer, die sich ganz besonders durch wissenschaftliche Leistungen um dieses Gebiet verdient gemacht haben. Dieses Verzeichnis soll die nötigen Angaben enthalten, wieviel Grade jede Stadt auf dem durch sie gehenden Meridian Abstand vom Äquator hat, und wie viele Grade dieser Meridian von dem durch Alexandria gezogenen nach Osten oder Westen auf dem Äquator entfernt ist‘.[27] In seiner γεωγρ. ὑφήγησις wird allerdings der Nullmeridian nicht durch Alexandria gezogen, diese Stadt liegt vielmehr 60° 30’ (IV 5, 4). Aber im letzten Buch dieser Geographie c. 3–28 gibt er, worauf er c. 2, 1 vorbereitet hat, für eine größere Zahl von διάσημοι πόλεις den längsten Tag, aus dem mit Hilfe eines Verzeichnisses der Klimata wenigstens ungefähr [28] und mit der Formel im Almagest II 3[29] genauer die Entfernung [2063] vom Äquator berechnet werden kann, und die Entfernung vom Meridian, der durch Alexandria läuft, z. B. für Elaius und Sestos c 11 Ende, El. ἔχει τξν μεγίστην ἡμέραν ὡρῶν ιε (= 15 Standen) καὶ διέστηκεν Ἀλεξανδρείας πρὸς δύσεις μιᾶς ὥρας τρίτῳ, und Sestos hat einen längsten Tag von 15½ Stunden und die nämliche Entfernung von Alexandreia, wie Elaius.

Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß das 8. Buch entweder so wie es heute vorliegt oder in nicht wesentlich anderer Form damals bereits abgefaßt war. So wird es gekommen sein, daß die Angaben dieses 8. Buches sich oft genug nicht mit denen der früheren (d. h. voranstehenden, aber später abgefaßten) Bücher decken (Berger Gesch. Erdk.² 644 beruft sich auf die von A. Roscher Ptolem. und die Handelsstraßen in Zentralafrika 1857, 13f. 16. 21 vorgetragene Erklärung, diese Verschiedenheiten ließen sich ,aus dem Zwang der Schwierigkeiten‘ ableiten, ,die bei der Konstruktion der großen Karte zu überwinden waren‘) oder ihnen gegenüber nur Näherungswerte bezeichnen. Um auf das oben angeführte Beispiel von Elaius und Sestos zurückzugreifen, so bietet Ptolemaios im eigentlichen Text seiner Geographie III 11, 9

für Elaius 54° 30’ Länge und 40° 45’ Breite
für Sestos 54° 55’ Länge und 41° 15’ Breite

Der längste Tag von 15 Stunden für Elaius entspricht nach der Tafel in der Geographie des Ptolemaios einer Breite von 40° 55’; der von 15½ Stunden für Sestos würde gar auf eine Breite von 45° führen, also viel zu weit nördlich; somit muß hier die Überlieferung irgendwie richtig gestellt und jedenfalls aufgehellt werden[30]; hier spielt wieder die Unsicherheit der hsl. Überlieferung mit, ein Umstand, der die Benützung der ptolemäischen Geographie ja auch sonst sehr erschwert. Die Differenz gegenüber dem Meridian von Alexandreia: 1/3 Meridianstunde = 5°, für beide Städte gleichartig angegeben, würde
auf 55° führen, wenn man sich an die Angabe des 8. Buches hält (15, 10), daß Alexandreia vier Stunden vom Nullmeridian, der διὰ τῶν Μακάρων νήσων läuft, gegen Osten entfernt sei, und
auf 55° 30’, wenn man IV 5, 4: Alexandreia 60° 30’ berücksichtigt

§ 31. Es wird also wohl geraten sein, mit Berger (a. O. 616) den nach Mannert von Forbiger I 417f. empfohlenen Gedanken abzulehnen, Ptolemaios habe durch ,dieses recht umsichtige und weise Verfahren‘ ,eine Kontrolle der [2064] frühern Bücher zur Entdeckung aller Abweichungen und Fehler in den Zahlen‘ ermöglichen wollen; für uns allerdings dient dieses VIII. Buch ,gleichsam‘ (Forbiger I 417) zu einer solchen Kontrolle; ,man schmeichelt sich wohl gar mit der seltsamen Idee, als sei dasselbe zum Besten späterer Kritiker hinzugefügt‘ (Roscher 14). Wenn Forbiger dann, Mannert folgend, den ,trostlosen Zustand‘ beklagt, ,in welchem gerade das 8. Buch in Bezug auf die Zahlen uns überliefert worden sei‘, der also ,die Sache immer noch bedeutend erschwere, so daß hier vor allen Dingen eine Berichtigung des Textes durch genaue Vergleichung der Hss. Not tue‘, so möge man beachten, daß diese Klage heute gerade noch so zutrifft wie vor 76 Jahren; und es bleibt die Frage wieder offen, ob nicht etwa Krankheit oder der Tod des Ptolemaios die Vollendung des ganzen Werkes und die Ausgleichung der Differenzen behindert oder (was, falls an eine solche Ausgleichung nicht zu denken war, doch rätlich erscheinen mußte), den Leser über die mit der gleichzeitigen Publikation dieses Abschnitts verbundene Absicht des Verfassers aufzuklären, etwa nach c. 2, 1. So wie es der Nachwelt überliefert worden ist, sieht es sich ganz als ein älteres, stehen gebliebenes Elaborat an, das nur nicht mehr durch eine den Büchern II–VII entsprechendere Fassung ersetzt worden ist.

Berger (644) wollte ,einen ersten geographischen Plan‘ darin erkennen, ,der später bei den Vorarbeiten für die Erdkunde durch die notwendig gewordene, bis ins einzelne durchgeführte Anlehnung an die Arbeit des Vorgängers Marinos zurückgedrängt wurde und auch bei der Wiederaufnahme zu dem besonderen Zwecke der Entwerfung von Spezialkarten Änderungen erlitten habe‘. Ob das aber gerade einen ,geographischen Plan‘ verraten soll, und ob diese Listen nicht vielmehr Handtafeln waren, wie sie der Astronom brauchte?

§ 32. Die πρόχειροι κανόνες des Ptolemaios sind uns verloren (vgl. Heiberg Ausgabe des Ptolem, II p. 191 der Proll.); erhalten ist nur ihre διάταξις καὶ ψηφοφορία, an denselben Syros [31] gerichtet wie der Almagest; was aber in solchen Handtafeln sich finden konnte, erkennen wir aus den unter Ptolemaios’ Namen überlieferten an Theons Nachlaß anschließenden, unter denen wir selbst eine Regententafel finden, die allerdings dem Astronomen gute Dienste erweisen mußte[32] [2065] Nun heißt es in jener διάταξις c. 1 p. 159 Heiberg: περιέχουσι δὲ οἱ μὲν πρῶτοι κανόνες τῆς καθ’ ἡμᾶς οἰκουμένης ἐπισημοτέρων πόλεων τὰς κατὰ μῆκος καὶ πλάτος ἐποχάς. Ob dem nun die Form des oben (§ 31) nach Hudson zitierten Verzeichnisses der πόλεις ἐπίσημοι oder die des 8. Buches der Geographie mehr entspricht, wüßte ich nicht zu entscheiden.

§ 33. Die acht Bücher der Geographie sind uns ein kostbares Vermächtnis des Altertums, das der Gegenwart als Quelle der historischen Geographie dient, vorangegangenen Zeitläuften als praktisches Handbuch zum unmittelbaren Gebrauch gegolten hat. Selbst seine Fehler sind nützlich geworden. Es ist bemerkt worden (z. B. Mannert I 134 und H. Berger Ber. Ges. Wiss. Leipzig L 1898. 87ff.), daß die Entdeckung Amerikas durch Columbus direkt auf einen Fehler des Ptolemaios, auf die übergroße Ausdehnung der Länge (§ 42) zurückzuführen sei. Man hat in der Zeit der Renaissance und der großen geographischen Entdeckungen so und so oft die Geographie in Verbindung mit den Erfahrungen der eigenen Zeit neu herausgegeben und damit eigentlich, wenn auch nicht buchstäblich, den Wunsch des Verfassers respektiert: man möge, wenn vollere Erkundung Verbesserungen ermögliche, entsprechende Zusätze ἐν τοῖς ἐχομένοις διαλείμμασι τῶν σελιδίων II 1, 3 machen. Es dürfte also das Urexemplar der Geographie, deren Text sich ach so sehr auch sonst von jenem entfernt hat, ähnlich wie die Regententafeln und Stadtverzeichnisse der πρόχειροι κανόνες eingerichtet gewesen sein: von Ornamenten eingefaßte Tafeln, deren unterster Teil – je nach Größe des Kapitels mehr oder minder – von Schrift freigelassen war.

§ 34. Die Geographie des Ptolemaios ist aber gar nicht einmal eine Geographie, sondern ausschließlich Begleitschrift etwa eines K.-Werkes. Ptolemaios definiert 11, 1 die γεωγραφία als zeichnerische Nachahmung (μίμησις διὰ γραφῆς) der Oikumene und unterscheidet sie von der χωρογραφία, die nicht das Ganze, sondern nur Ausschnitte aus dem Ganzen wiedergebe (ἐκτίθεται), so ziemlich alles und auch die kleinsten Objekte (zeichnerisch) darstellend (συναπογραφομένη), vergleichbar dem Verhältnis des zeichnerischen Nachahmens (μιμεῖσθαι) eines menschlichn Kopfes einerseits and andererseits bloß von Ohr oder Auge; die χωρογραφία kann niemand ausüben, εἰ μ}η γραφικὸς ἀνήρ, während der Geograph der Zeichenkunst eher entraten kann, da er durch bloße Linien (διὰ ψιλῶν τῶν γραμμῶν) und durch Zeichen (παρασημειώσεις) die Situation und die gesamte Konfiguration (τοὺς καθόλου σχηματισμούς) zur Darstellung bringen kann; wenn Ptolemaios so von der Geographie denkt, dann ist seine ὑφήγησις γεωγραφική nicht eine Anleitung, die Erde zu beschreiben, sondern sie zu zeichnen; sie ist kein Handbuch der Geographie[33], sondern der K.-Lehre. [2066] So sehr ist Ptolemaios von diesem Gedanken beherrscht, daß er bei der Begehung der Landschaften (ταῖς τῶν σατραπειῶν ἢ ἐπαρχιῶν περιγραφαῖς) den bunten Kram von Charakterisierung der berührten Völker sich verbittet (παραιτησάμενοι τὸ πολύχουν τῶν περὶ τὰς ἰδιοτροπίας τῶν ἐθνῶν ἱστορηθέντων II 1, 7) und als Gewinn für die Benutzer voraussieht, sie würden richtige Zeichnungen einer oder mehrerer Landschaften entwerfen können (κατὰ πίνακας ἀπογράφεσθαι τὰ μέρη τῆς οἰκουμένης ἀνὰ μίαν ἢ καὶ πλείους ἐπαρχίας ἢ σατραπείας, ὡς ἂν ἐφαρμόζωσι ταῖς συμμετρίασις τῶν πινάκων, μετὰ τοῦ προσήκοντος λόγου τε καὶ σχηματισμοῦ τῶν ὑφ’ ἑκάστου πίνακος περιλαμβανομένων πρὸς ἄλληλα usw.). So sehr steht er als Zeichner seiner Aufgabe gegenüber, daß er das lebendige Verhältnis der Flüsse zueinander gewissermaßen absichtlich verkennt und die Nebenflüsse aus den Strömen ableitet und gegen ihre Quelle hinaufführt; manches Unheil ist durch Gelehrte und Lokaltopographen, die sich bloß etwa mit einem einzelnen Kapitel seiner Geographie befaßten und nicht diese wunderliche Art des Verfassers erfaßt hatten, entstanden. Eine sonst tüchtige Arbeit von A. Buchner, Einwohner Deutschlands (München 1839), deren erster Teil ,des Ptolemaios Germanien, Vindelicien, Noricum und Pannonien‘ behandelt, ist dadurch zu wüsten Konjekturen gezwungen worden, und obwohl schon Ukert II 2, 167, 81 auf das Verfahren des Ptolemaios aufmerksam gemacht hatte, mußte Zangemeister Westd. Ztschr. III (1884) 321, 1 auch noch Bergk in der gleichen Richtung belehren; vgl. auch Berger Gesch. Erdk.² 642, 2[34]. Stürenburg Flußufer (1897) S. 5f. 33f.

§ 35. Eigentlich könnte man schon aus dieser Stellung des Ptolemaios zu den üblichen Erdbeschreibungen des Altertums, als deren vornehmste und anmutigste Vertreterin innerhalb des uns erhaltenen Materials die des Strabon erscheint, einen [2067] Schluß auf das Interesse des Ptolemaios an geographischer Forschung und seine Schulung auf diesem Gebiete sich erlauben. Sein Interesse braucht auf diesem Gebiete nicht größer gewesen zu sein als auf dem historischen; der Königskanon in den nicht direkt unter seinem Namen laufenden πρόχειροι κανόνες, den wir doch wohl auf seinen Namen buchen dürfen, ist ein vorzügliches Elaborat, aber, wie wir immer deutlicher erkennen, tralatizisches Gut, das wenigstens unter den Ptolemäern und noch mehr unter der römischen Herrschaft auch durch das Bedürfnis des praktischen Lebens in bestimmter und prägnanter Form sich fortentwickelt hat. Eine solche Tabelle gehörte zum Handwerkszeug des Astronomen gerade so wie eine Erd-K., diese, um die Beobachtungen siderischer Vorgänge und Verfinsterungen verwenden zu können. Je besser die Erd-K. geraten war, um so wertvoller mußte sie dem Astronomen sein; also war es für ihn angezeigt, ein sicheres Urteil über ihren Wert und ihre Zuverlässigkeit zu gewinnen, und auch dies mußte für die Astronomen immer wieder einen besonderen Anreiz bilden, aus der eigenen Disziplin heraus zu ihrer Verbesserung beizutragen. Sowie einst Eratosthenes und dann Hipparchos, so hat auch Ptolemaios Stolz darein setzen dürfen, seine eminente Meisterschaft als Astronom bei der Ausgestaltung der Erd-K. zu betätigen, für die die Kräfte der eher für kulturgeschichtliche, politische und ethnographische Geographie gerüsteten und mit einer gewissen Neigung zum Weltbummler oder zum Cicerone behafteten Schriftsteller nicht ausgereicht hatten; man merkt dem ,unmathematischen‘ Strabon an, wie wenig Freude ihm im Gefühl seiner unzulänglichen Beherrschung der astronomischen Grundfragen die Anerkennung der geometrischen Richtung der physischen Geographie bereitet hat, und versteht dann umso besser die Reaktion durch (Marinos und) Ptolemaios.

Wenn die Tetrabifelos, wie Boll doch wohl erwiesen hat, wirklich von dem Verfasser der ptolemaischen Geographie geschrieben worden ist, so haben wir in ihr einen früheren Zustand der geographischen Kenntnisse des Ptolemaios anzuerkennen, die von dem, was der Almagest und die Geographie bedeuten, um Jahrhunderte zurückzuliegen scheint. ,So paradox es scheint‘, sagt Boll 204: ,der berühmte Bearbeiter der Geographie des Marinos hat sich in der Tetrabiblos dabei beruhigt, ohne jedes Hinzutun neuerer Kenntnis ein Weltbild zu wiederholen, das ungefähr der K. des Strabon entspricht‘. ,Daß diese Tatsache unter den Historikern der alten Geographie meines Wissens niemand, selbst Berger[35] nicht, verzeichnet und ebensowenig ein Philologe von der doch nicht ganz unbedeutenden Ethnographie Kenntnis genommen hat, ist nur ein Beweis mehr für die Vergessenheit, in der die astrologischen Werke der Alten so lange geruht haben‘; vgl. Boll a. O. 204–214, der auf die aus der Kreuzung eines Hauptmeridians durch das eratosthenische Diaphragma (dieses läuft [2068] ἀπὸ τοῦ Ἡρακλείου πορθμοῦ μέχρι τοῦ Ἰσσικοῦ κόλπου καὶ τῆς ἐφεξῆς πρὸς ἀνατολὰς ὀρεινῆς ῥαχείας, jener ὑπὸ τοῦ Ἀραβικοῦ κόλπου διὰ τοῦ Αἰγαίου πελάγους καὶ Πόντου καὶ Μαιωτίδος λίμνης II 2, die Stelle ist bei Boll 195 ganz ausgeschrieben) entstandene Vierteilung der Oikumene als Grundlage der astrologischen Geographie und [213, 1] vielleicht auch der Vierteilung bei Iulius Honorius (s. Kubitschek o. Bd. X S. 622f.) hinweist und (übrigens nach meiner Meinung unwahrscheinlich) die Abfassung der Tetrabiblos zwischen die des Almagest und die der Geographie verlegen will.

§ 36. Steht Ptolemaios also in der Tetrabiblos noch auf einem durch die Wissenschaft damals längst überholten Standpunkt, so muß er dann die Fortschritte der geographischen Studien erst in späteren Jahren kennen und würdigen gelernt haben; es erscheint nur etwas unheimlich, daß ein junger begabter Astronom die Reformgedanken Hipparchs nicht schon in einem früheren Stadium eingesehen und zu würdigen verstanden haben sollte. Aber sei dem wie immer, dann hat Ptolemaios es jedenfalls vermocht, bei Fortsetzung seiner Studien nicht nur andere Quellen in sich aufzunehmen und zu verarbeiten, sondern auch auf dieser Grundlage in magistralem Vordringen den Höhenpunkt der antiken Kartographie zu erreichen. Daß Hipparch, der als Astronom dem Ptolemaios überlegen war, auf die Entwicklung der physischen Geographie und der Kartographie keinen größeren Einfluß sichtbar genommen hat, wird doch wohl seinen Grund darin haben, daß er seiner Zeit in gewissem Sinn vorangeeilt war und das geographische Material zu wenig ausgestaltet vorgefunden hatte. Und es würde mit unserer Auffassung des Ptolemaios sich ganz gut vereinen lassen, daß Ptolemaios die intensive Beschäftigung mit den Fragen der K.-Zeichnung einer Gelegenheit zu verdanken hatte, die ihn mit den Studien des Marinos und mit den Bemühungen jener, die nach Marinos’ Nachlaß eine Erd-K. zu entwerfen unternommen hatten, bekannt machte. Auf jeden Fall war Ptolemaios, soviel wir urteilen können, der richtige Mann, um des Marinos Ideen zu erfüllen und zu verbessern, soweit nämlich die mathematische Eignung dafür in Betracht kam; inwieweit bei der Verarbeitung von Reiseberichten und Kriegszügen, können wir nicht ebenso sicher beurteilen, schon aus dem Grund; weil wir in dieser Hinsicht in die Arbeitsweise auch des Marinos keinen Einblick haben.

Ptolemaios erklärt (119) als sein Programm:

1. generell sich an die Anschauung des Marinos zu halten (τὴν γνώμην τοῦ ἀνδρὸς δἰ ὅλης τῆς συντάξεως τηρήσωμεν), abgesehen von gelegentlichen Corrigenda,

2. τὰ μὴ παρ’ αὐτοῦ δῆλα γενόμενα d. i. also wohl: was Marinos nicht genügend klar ausgeführt hatte[36], soweit möglich, in gehöriger [2069] Weise einzutragen (ἐφ’ ὅσον εὔπορον ἦν δεόντως ἐγγραφῇ), und zwar mit Hilfe von Berichten Ortskundiger (διὰ τῆς ἀπὸ τῶν ἐντυγχανόντων ἱστοριίας) und von genaueren K. Aber er nennt dann nirgends die Quellen, die er zur Vervollständigung des von Marinos übernommenen Materials herangezogen hat, und bezeichnet auch nicht die Stellen, an denen er solcher Quellen nicht entraten zu können gemeint hat; so dürfen wir wohl, ohne Ptolemaios damit Unrecht zu tun fürchten zu müssen, behaupten, daß Ptolemaios auch nicht entfernt eine richtige Vorstellung von den Aufgaben historischer und aktenmäßiger Quellenforschung gehabt habe; in dieser Beziehung steht er tief unter Strabon, um uns nur auf Geographen zu beschränken, und ohne daß wir vergessen, daß Strabon in seiner senilen Nörgelei einen Zug offenbart, der des Ptolemaios anscheinend vornehmer Art vollkommen fremd ist und auch nirgend in des Ptolemaios Verhalten gegen Marinos zutage tritt. – Vgl. auch Berger Gesch. Erdk.² 617f. über diesen Grundmangel des Ptolemaios im ganzen Bereich seiner Schriftstellerei. Boll a. O. 202 zum Volk der Amazonen Ptolem. V 8, 13: ,für Ptolemaios merkwürdig genug, da doch schon der nüchterne Strab. XI 5, 3 sich gegen die alten Märchen sehr lebhaft aufgelehnt hat‘. Das schärfste Urteil über die Quellenforschung des Ptolemaios hat Müllenhoff Deutsche Altertumskunde III (1892) 95 gefällt: ,Die einfache verständige Methode, von der Eratosthenes das erste glänzende und für alle Zeiten giltige Beispiel gegeben hat, die auch noch Strabons größtes Verdienst ausmacht, zuerst die verhältnismäßig bestunterrichteten, neuesten Zeugen nach sorgsamer Prüfung auszuwählen und auf sie seine Darstellung zu gründen, alles Fremdartige aber und mit ihnen Unvereinbare fern zu halten, existierte für Marinus nicht. Altes und Neues galt ihm ungefähr gleich. Unbedenklich verband er beides, um nur keine Lücken zu lassen und den Schein der Vollständigkeit und der Vollkommenheit der Kunde überall zu wahren. Schlimmer als Poeten und Prunkredner stellte er als K.-Zeichner die Dinge auch da noch als genau ermittelte, nach Maß und Zahl bestimmte Tatsachen hin, wo jede Kunde aufhörte und er nicht die geringste Gewißheit haben konnte. Den Mathematiker Ptolemaios, der sein Werk in die uns vorliegende Gestalt brachte, trifft dann wenigstens der Vorwurf gedankenloser, handwerksmäßiger Arbeit, die sich jeder Nachprüfung des Einzelnen entschlug. Diese Systematiker sind erst die wahren Sudelköche der alten Geographie, und alles was der Admiral Plinius etwa Ähnliches geleistet hat, ist gegen sie nur ein Kinderspiel‘. Diese auch heute noch lesenswerte (1866 geschriebene) Kritik war veranlaßt durch den Unmut über die Behandlung des Gebietes zwischen dem Schwarzen Meer und dem Uralgebirge: ,Die volle Klarheit und Sicherheit entgeht uns durch die gewissenlose Willkür, mit der der Geograph das ihm vorliegende, wertvolle Material behandelt hat‘ (S. 100).

§ 37. Es kann nicht Aufgabe eines Artikels dieser R.-E. über die antiken K. sein, die Art und den Umfang der Erweiterung des geographischen Wissens in den beiden Jahrhunderten vor Ptolemaios [2070] (oder richtiger vor Marinos) zu skizzieren, [37] wie er auch für die früheren Stadien der Kartographie solchen Erörterungen aus dem Weg gegangen ist. Aber einen Punkt hier zu berühren, scheint rätlich zu sein: nämlich die Frage, ob Ptolemaios [38] zuzutrauen sei, daß er das Material für das freie Germanien selbst zusammengetragen und nicht vielmehr aus irgendwelchen Darstellungen der germanischen Feldzüge des Augustus und Tiberius geschöpft habe (s. § 40). Man hat nicht weniger als 93 Ansiedlungen im sog. freien Germanien bei ihm gezählt, darunter viele Orte, deren Namen wir nur bei ihm begegnen [39]. Dagegen ist zunächst zu halten, daß er z. B. in Kleinasien, also einem Lande, das räumlich nicht so entfernt von seiner Heimat und kulturell ihm verständlicher sein mußte, uns immer wieder in Verlegenheit setzt. Statt daß er uns mehr oder minder einwandfrei über die Lage der Örtlichkeiten zueinander unterrichtet, müssen wir, sobald wir nur sonst in den Besitz genauerer topographischer Vorstellungen einer Gegend gelangt sind, uns immer wieder nach Möglichkeiten umsehen, unter denen des Ptolemaios Angaben entschuldbar wären; man hilft sich dann meist mit der Annahme, Ptolemaios habe die Örtlichkeiten nach bestem Wissen und Gewissen auf Grund von Itinerarien so oder so angeordnet, und wird ja bei solchen Versuchen, die Unebenheiten bei Ptolemaios zu erklären, sich sicherlich meist auf dem richtigen Wege finden. Freilich, wären diese Unebenheiten nicht bemerkbar, so verfiele man ja überhaupt nicht auf den Gedanken, Erklärungen für den Besitzstand des Ptolemaios zu suchen. So hat denn z. B. William Ramsay The historical geography of Asia minor (1890) 68–70. 73. 95. 195. 258 sehr skeptisch das Verständnis des Ptolemaios bei Benützung seiner Quellen für die Positionen der einzelnen Örtlichkeiten und ihre Einordnung in die Verwaltung und Landeseinteilung behandelt, seine Autorität unter Umständen für eher gefährlich als nützlich erklärt und die Verbindung seiner Quellenzeugnisse als ,unintelligent and self-contradictory‘ bezeichnet, und angesichts seiner eigenen Erfahrungen in Kleinasien (S. 96) als Regel ausgesprochen: ,Während die Benützung des Ptolemaios so schwierig fällt und trotz Aufwand der äußersten Vorsicht zu Mißgriffen verleitet, kann Strabon kaum allzuhoch gepriesen werden. Dieses Mannes Zeugnis ist natürlich für Kleinasien vielleicht noch höher einzuschätzen als für irgend eine andere Landschaft. Seine kurzen Beschreibungen sind wunderbar genau und, wenn man als Augenzeuge sie prüft, wunderbar klar. Ich bin kaum jemals in die Versuchung gekommen, ihnen den Fehler der Unbestimmtheit anzumerken‘.

§ 38. Für das Heimatland des Ptolemaios, Ägypten, [2071] ten, hat W. Schwarz Der Geograph Claudius Ptolemaeus, Rh. Mus. XLVIII (1893) 258–274 die Positionen überprüft und dabei den starren Formalismus aufgedeckt, der das Verfahren des Ptolemaios beherrscht. So wird erklärlich, daß das Bild des Landes (vgl. den Entwurf von G. Parthey Zur Erdk. des a. Ägyptens [= Abh. Akad. Berl. 1858 S. 515/7] Taf. 4) sich fortwährend verzerrt. Sebennytos z. B. (im Delta) wird um 20 Bogenminuten südlicher als Bubastos angesetzt, während es in Wirklichkeit 25’ nördlicher liegt[40]. Hierasykaminos liegt mit 23° 40’ und ebenso der kleinere Katarakt mit 23° 45’ nördlicher als Philai 23° 30’, während in Wirklichkeit Philai der nördlichste dieser drei Punkte ist. Nun hat zwar Schwarz die Sache damit mildern oder bessern wollen, daß er die Reihenfolge der Namen bei Ptolem. IV 5, 33 durch Verschieben des ersten Ortsnamens abänderte, die Reihenfolge der Positionen selbst aber beließ.
Überlieferte Folge: nach Schwarz zu ordnen:
Ἰερὰ Συκάμινος 61° 45’ Länge 23° 40’ Breite Φίλαι
Φίλαι 61° 40’ Länge 23° 30’ Breite Μετακομψώ und Ψέλκις
{ {\displaystyle \left.{\begin{aligned}\\\\\\\end{aligned}}\right\{} Μετακομψώ
unddiesemgegenüberaml.Nilufer
Ψέλκις 61° 40’ Länge 23° 5’ Breite

61° 30’ Länge 23° 5’ } \left. \begin{align} \\ \\ \\ \end{align} \right\} Ἰερὰ Συκάμινος

Wenn wir diese Änderung der Namen, die übrigens auch schon Grashof (bei Wilberg S. 290, 7) vorgeschlagen hat (anders haben Müller-Fischer Ausg. S. 727f. und Wilberg die Stelle erklärt), akzeptieren, wobei wir uns aber nicht verhehlen dürfen, daß sie nicht aus der handschriftlichen Überlieferung, sondern bloß aus einem Mißgriff des Ptolemaios oder seiner direkten oder indirekten Quelle erklärt werden kann, also nicht als eine Verbesserung unseres Ptolemaiostextes angesehen werden dürfte, so würden wir Syene mit 23° 50’ und Philai mit 23° 40’ nördl. Br. bestimmt sehen; also würden beide Orte in der Luftlinie, wenn sie genau nördlich übereinander lägen, um 10 Bogenminuten von einander entfernt sein, also um rund 83 Stadien = etwa 15,4 km; da außerdem Ptolemaios die Länge Syenes mit 62°, die von Philai (wenn wir den Vorschlag von Schwarz annehmen) mit 61° 45’ bemißt, beträgt die Längendifferenz 15 Minuten eines allerdings kleineren Bogens, die direkte Entfernung beider Orte somit ungefähr 14 Minutenbogen des größten Kreises, d. i. 116 Stadien oder 21,5 km. Und nun liegen sie faktisch nur etwa 8 km auseinander, also um 5 Bogenminuten, um nach Art des Ptolemaios und mit seinem geringsten Maß zu rechnen[41]. Es kann also Ptolemaios sich kaum einer besonderen Kenntnis seines eigenen Heimatlandes rühmen. Er wird einen dem Strabons ähnlichen Bericht, der XVII 1, 50 C 818 ,in einem Wagen (ἀπήνἡ) durch eine sehr flache Gegend mit etwa 100 Stadien‘ gelangt ist und vielleicht die Dauer des Weges, längs dem er sich für Granitfindlinge interessierte, überschätzt hat, benützt und nicht weiter nachgeprüft haben.

Starres Schematisieren tritt in der Behandlung [2072] des Nilstromes in der Strecke von seinem Eintritt ins Delta bis zum sog. kleinen Katarakt hervor; der Strom bildet innerhalb dieser Strecke etwa ein ς, obendrein mit einer starken Ausbeugung ostwärts (südlich von der Mitte dieser Sichellinie). Aber Ptolemaios setzt nach Schwarz, dessen Aufstellungen allerdings zum Teil wenig begründet sind und daher einmal im ganzen Zusammenhang nachgeprüft werden müßten, Orte, die am Ostufer liegen, unter 62° an, solche am Westufer unter 61° 50’, und veranschlagt Krümmungen, die nicht einfach ignoriert werden konnten, mit den kleinsten Größen, die ihm zur Verfügung standen, also mit 5 und 10 Gradminuten. So kommt es, daß die große Krümmung des Nil in der Thebais und Heptanomis (die Krümmung des oben Z. 21 verwendeten Sichelzeichens ς) so wenig Einfluß auf das Kartenbild hat, daß Ptolemaios beispielsweise mit 62° bis 62° 15’ die Länge für Orte bemißt, welche wie Babylon, Akoris, Antinoupolis, Panopolis, Kainepolis in jener Sichelkrümmung liegen, deren Pfeilhöhe ungefähr mit anderthalb Graden zu bemessen gewesen wäre.

§ 39. Was man dem älteren Plinius für die geographischen Bücher seiner Naturgeschichte vorhalten darf, daß er seine Kollektaneen in allzu großer Eile aus den ihm am leichtesten zugänglichen Quellen gezogen habe, mochten diese auch schon längst durch den Gang der politisch-administrativen oder kulturellen Entwicklung überholt worden sein, und daß er sie nur sehr unvollkommen und ungleich mit den Zuständen zu seiner eigenen Zeit ausgeglichen habe, statt sich einmal eine vollständige Übersicht über die Verhältnisse der Gegenwart etwa aus amtlichem Material zu verschaffen, eben dasselbe gilt für Ptolemaios. Soweit ich die Literatur überblicke, glaube ich eigentlich bei so ziemlich jeder Partie seiner Geographie den Verdacht geäußert gefunden zu haben, daß Ptolemaios Berichte benütze, die mehr oder minder hinter seiner Zeit zurückliegen. Man ist überrascht zu sehen, daß Dacien bei ihm so etwa dargestellt wird, wie es vor der römischen Okkupation bestanden haben mag, also nach einer damals schon mindestens seit einem halben Jahrhundert veralteten Vorlage; daran ändert die Modernisierung durch Einfügen neu hinzugekommener Ansiedlungen wie Ulpianum und Praetoria Augusta III 8, 4 nichts weiter. Man wundert sich, daß bei Ptolemaios die Grenzen der Provinzen ohne genügende Rücksicht [2073] auf die wirkliche Ordnung seiner Zeit, die ja doch nicht durch Belieben und Willkür, sondern aus den praktischen Forderungen der Zeit erwachsen war, gezogen werden; eine zusammenfassende Darstellung der Provinzeinteilung bei Ptolemaios fehlt leider.

Dabei weiß Ptolemaios und verlangt es selber (z. B. I 5), daß der Geograph auch auf die neuesten Berichte achten solle (ταῖς ὑστάταις τῶν καθ’ ἡμᾶς παραδόσεων ὡς ἐπίπαν προσέχειν). Über diesen Widerspruch zwischen Einsicht und ihrer Betätigung sich zu entrüsten, wäre aber wahrlich unbillig. Ptolemaios ist zwar, wie wir aus seinem Namen erkennen, römischer Bürger; aus dieser Rechtsstellung aber den Schluß zu ziehen, daß amtliches Material ihm leicht zugänglich gewesen sei, wäre verfehlt, wie wieder das Beispiel des älteren Plinius zeigt, der trotz seiner amtlichen Laufbahn offenbar nicht leicht erreichen konnte, was wir wünschten, daß er es kennen gelernt hätte; dann wohnte Ptolemaios in Ägypten, einem Land, das immer noch in Sonderstellung verharrte, und dessen Leben, die dort wohnenden römischen Bürger und selbst die römischen Legionare mit eingeschlossen, wie uns die Papyri zeigen, eine besondere Färbung zeigt. Man hätte auch nie verlangen dürfen, daß Ptolemaios, ein zur Zeit der Abfassung seiner Geographie gewiß schon bejahrter Mann, durch Reisen oder durch Archivstudien zuverlässiges geographisches Material hätte gewinnen sollen. Nicht das Sammeln des Materials, sondern seine Verarbeitung vom Standpunkt des astronomisch geschulten Mathematikers, der die Verteilung der einzelnen Örtlichkeiten auf die Oberfläche der Erdkugel nachweisen wollte, war seine Aufgabe und sein Ziel; es darf endlich nicht außer acht gelassen werden, daß, wenn Ptolemaios unsere Bedenken geteilt hätte, wir nicht in den Besitz dieses größten und bedeutendsten geographischen Apparats gelangt wären, den wir aus dem Altertum kennen.

Wenn wir aber nun auch immer wenigstens erführen, woher Ptolemaios sein Material bezogen hat! Oder dort, wo er dasselbe etwa in Bausch und Bogen aus Marinos genommen hat, woher dieser oder dessen nächste Quelle (denn auch Marinos hat, wie wir aus seinen verschiedenen ἐκδόσεις erraten dürfen, mindestens ebensosehr das Verarbeiten als das Aufsammeln des geographischen Materials betrieben) ihren Stoff gezogen hat. Wir erkennen deutlich, und auch Ptolemaios deutet dies an, daß der ihm zur Verfügung stehende Stoff verschiedenartig und verschiedenwertig sei: großenteils Reisebeschreibungen, Kriegszüge, Periplen, und nur zum geringsten Teil astronomische Beobachtungen und Schätzungen, und unter diesen letzteren sind natürlich die wenigsten – vielleicht nicht einmal alle aus Ägypten – durch Ptolemaios selbst ermittelt worden. Was wir an Ptolemaios gewinnen, wenn wir das von ihm verarbeitete Material wenigstens gliedern und auf die einzelnen Gewährsmänner zurückführen können, haben A. Roscher Ptolemaeus und die Handelsstraßen in Zentralafrika, ein Beitrag zur Erklärung der ältesten uns erhaltenen Weltkarte (1857) und neulich Ad. Schulten Eine neue Römerspur in Westfalen, [2074] in den Bonner Jahrb. CXXIV (1918) 92ff. gezeigt; vgl. auch den methodisch wichtigen Aufsatz von K. Zangemeister Drei röm. Meilensteine aus dem 1. Jhdt., in der Westd. Ztschr. III (1884) 320ff.

Die Aufgabe des Geographen ist es, sagt Roscher in seiner trefflichen Einleitung S. 3, die Messungen der Ingenieure oder die Itinerare der Reisenden zur Welt-K. zu kombinieren. ,Seine Aufgabe ist leicht in dem Fall, wo über bekannte Gegenden eine genügende Menge von Spezial-K. vorliegen; dieselben verschmelzen ohne Schwierigkeit zu einem Ganzen, dessen einzelne Teile auch das kundige Auge nicht mehr herauszufinden vermag. Wo dagegen über einen wenig bekannten Erdteil nur unzulängliches Material zu Gebote steht, da ist es fast allemal der Geograph, welcher die Irrtümer hervorruft, und nicht der Chorograph‘. Er sieht es daher als seine Aufgabe an, ,das Material nachzuweisen, welches Ptolemaios beim Entwurf seiner K. von Afrika benutzte, zu erklären, wie dasselbe hätte kombiniert werden müssen, und aus was für Gründen dies nicht in einem einzigen Fall auch nur halbwegs richtig geschehen ist‘. Die Situation war für Ptolemaios besonders bei Ländern schwierig, aus denen zu seiner Zeit nicht mehr oder nur wenig regelmäßig Verbindungen aufrecht erhalten wurden, und für die seine Zeitgenossen kein weiteres Interesse zeigten. Das gilt ebenso wie für Zentralafrika so auch für das sog. freie Germanien.

§ 40. Gerade dieses Kapitel hat die modernen Forscher und vor allen die Lokalantiquare beschäftigt. War das Volk, das dem Zusammenleben in geschlossenen Ansiedlungen so abhold war, nun doch schon zur Bildung von Städten gelangt? Für welche Zeit gilt das von Ptolemaios entworfene Bild? Bei jeder Stadt erscheinen Länge und Breite in bestimmten Zahlen, und vor diesen Zahlenkolumnen scheint alle Kritik ersterben zu müssen. Aber, wenn Ptolemaios schon im Lande, in welchem er wohnte, oder im nahen Kleinasien mit seinen Ortsbestimmungen in die Irre gehen konnte, was wir ihm so und so oftmal mit Hilfe von Inschrift- oder Münzfunden oder an der Hand anderer Schriftsteller nachweisen können [42], wird es dann wohl besser um die Richtigkeit seiner Geographie im fernen Deutschland stehen, für das nur unsere übrige Überlieferung so viel ärmer und einseitiger erscheint? Man gewinnt heute leicht für das Germanien des Ptolemaios die Empfindung, daß weniger doch vielleicht auch hier mehr gewesen wäre. Aber man steht einer so bedeutenden wissenschaftlichen Persönlichkeit gegenüber, daß man mit Tadel und Kritik sich vorsehen muß, um nicht selbst zu straucheln. Ptolemaios sagt es zwar nirgends, aber er kann doch das alles nur mit einer gewissen Reservatio mentalis geschrieben [2075] haben, etwa so: ,Wenn das, was ich an Daten vorgefunden habe, richtig ist, so ist es nach meinen Grundsätzen so und so in das Erdbild hinein zu verarbeiten‘.

Sehr wichtig ist der zuerst von Herm. Müller Marken des Vaterlandes I (1887) geäußerte Verdacht, daß Ptolem. II 11,12 das gleich hinter Φλημούμ mit 28° 45’ Länge und 54° 45’ Breite folgende Σιατουτανδα mit 29° 20’ Länge und 54° 20’ Breite trotz der Positionsangabe direkt aus Tac. ann. IV 72 stammt, wo Apronius . . . exercitum Rheno devectum Frisiis intulit, soluto iam castelli (n. Flevum, Ptolem. Φλημούμ mit Positionsangabe) obsidio et ad sua tutanda digressis rebellibus. Dieser Verdacht war trotz aller Leugnungs- und Verteidigungsversuche nicht mehr zu entkräften gewesen und ist jetzt durch eine treffliche Untersuchung Schultens, die einen bedeutenden Fortschritt in der Geographie Germaniens zu augusteischer Zeit bezeichnet, soweit unterstützt worden, daß wir nun klarer zu sehen beginnen (Bonner Jahrbücher 1917).

Schulten sieht, worin ihm K. Müller in der Ptolemaeusausgabe vorgearbeitet hatte, in den drei Orten Βογάδιον, Στερεόντιον, Φεύγαρον und in dem gewiß mit dem Flußnamen zusammenhängenden Λουππία (II 11, 12) vier Kastelle, welche zum Schutz der an der Lippe von Vetera aus gezogenen Straßenlinie angelegt worden waren. Aus demselben Abschnitt holte Schulten fünf andere Orte von der Etappenstraße an der Weser und zeigt, daß also die K. des Ptolemaios ,mit vollkommener Deutlichkeit die beiden Operationslinien der Germanenkriege unter Augustus und Tiberius und ihre Lager verzeichnet‘. Was dann noch in diesem κλίμα Germaniens übrig bleibt, darunter auch Μουνίτιον, das nun dem lat. munitio ganz verzweifelt ähnlich sieht, und Ναυαλία, das ja doch wohl als castra navalia zu erklären sein wird, ist sehr wenig und vermehrt nicht die aus der Sachlage sich ergebende Beobachtung: ,Ptolemaios verzeichnet also zwischen Rhein, Nordsee, Lippe, Weser nur die römischen Lager, welche in den germanischen Kriegen vorkommen. Man erkennt, daß er die Namen aus den Berichten über jene Feldzüge schöpft‘ (S. 93). ,Es hat sich also aus der bisher so wenig beachteten K. des Ptolemaios eine ganze Reihe römischer Lager aus der Zeit der Germanenkriege unter Augustus und Tiberius I feststellen lassen. Wahrscheinlich nennt die K. alle Lager, welche damals erbaut worden sind. Ptolemaios oder vielmehr Marinus hatte keinen Grund, sein einziges Material für das Innere Germaniens zu verkürzen‘ (99f.).

Das Versehen, das im taciteischen sua tutanda einen Ortsnamen erblickte, braucht nicht einmal unbedingt aus mangelhafter Beherrschung des Lateinischen erklärt zu werden. Und selbst wenn in solcher Mangelhaftigkeit seine Ursache zu erkennen sein sollte, so ist noch lange nicht nötig, den Ptolemaios eher als den Marinos mit ihr zu belasten. Ist es aber schon dem Marinos passiert, so wird damit, wenn man nicht annehmen will, daß Tacitus einen so gesuchten Ausdruck aus irgend einem älteren Bericht unverändert herübergenommen hat, das späteste Lebensdatum für Marinos konstruiert. Aber ob nun Marinos [2076] oder Ptolemaios mit dem Mißverständnis des taciteischen sua tutanda zu belasten sein wird, jedenfalls gibt die Pedanterie, die durchaus beim Übertragen dieses Satzes auf den Globus nach Länge und Breite fragt und beide Zahlen aus dem Nichts greift, ernsthaft zu denken.

In diesem Fall mag ja also Ptolemaios durch Marinos gedeckt sein. Aber im Buch VIII ist er, so meinen wir alle, unbestritten Hausherr; die Breitenbeobachtungen hat er doch jedenfalls nicht von Marinos herübergenommen; es ist ja wie gesagt (o. S. 2064) möglich, daß das Verzeichnis der πόλεις ἐπίσημοι in Buch VIII der Kern und der älteste Teil der Geographie des Ptolemaios ist. Diese Gruppe müßte freilich, was bisher nicht geschehen zu sein scheint, einmal näher gewürdigt werden; weniger wegen dessen, was sie enthält, als wegen jener Namen, die in ihr fehlen.

§ 41. Wie weltfremd scheint doch der Mann gewesen zu sein, der um die Mitte des 2. Jhdts. unserer Zeitrechnung

α) für die Landschaften an der oberen und mittleren Donau bis einschließlich Dalmatiens 15 πόλεις ἐπίσημοι feststellte:
in Raetien Brigantium
     Vindelicien Augusta Vindelicorum
     Noricum Arela[p]e und Iulium Carnicum
     Oberpannonien Poetovio, Scarbantia und Emona
     Unterpannonien Σέρβινον, Murs[a], Sirmium
     Illyrien Iader, Σιδρῶνα, Salona, Nar[o]na, Scardona

[Von den hier aufgezählten Orten gehören übrigens Iulium Carnicum und Emona überhaupt nicht in diesen Rahmen, sondern nach Italien; Σέρβινον ist von Müller wohl richtig in Σερβίτιον umgewandelt worden (vgl. seine Anm. zu II 15, 4), und die Identifikation von Σιδρῶνα beschäftigt uns noch, vgl. Müller zu Ptolem. II 16, 6 und Jelić 194f.; wir vermögen gar nicht, uns von irgend einer besonderen Bedeutung von Städten wie Sidrona und Servitium eine zustimmende Vorstellung zu bilden!]

β) für Italien gar bloß 10, selbst für Ägypten nur 11, für Kleinasien aber 44 Namen eben solcher πόλεις kannte!

Man hat diese Ungleichheit der Behandlung von Stadtwerten verschiedener Ländergebiete so zu erklären gesucht, daß man in ἐπίσημος einen Sinn legte, der dem Worte eigentlich ganz fern liegt, aber vom Standpunkt des Sprechenden, für den nur das bemerkenswert zu sein braucht, was gerade ihn als Astronomen interessierte, begreiflich scheinen kann, nämlich daß für diese Orte Breitenbeobachtungen dem Ptolemaios vorgelegen seien. So Rοscher S. 14. Freilich ist eine Prüfung dieser Annahme bisher nicht in größerem Zusammenhang erfolgt, und bei Einzelbehandlung solcher Daten können Bedenken durch den Hinweis auf das Fehlen einer kritischen Ausgabe oder auf Verderbnisse der Überlieferung gewöhnlich zum Verstummen gebracht werden. Rοscher hat allerdings auch hier gleich vorgebaut und, ohne durch Einzelheiten einen Beweis zu versuchen, angenommen, daß ,die ursprünglichen Beobachtungen uns jedoch [2077] nicht immer unverfälscht überliefert seien‘; er konstruiert Fälle, in denen Ptolemaios die ihm vorliegenden astronomischen Beobachtungen für falsch gehalten und sie nach seinen K. verbessern zu sollen gemeint habe, und will ,echte‘ und ,untergeschobene‘ Beobachtungen unterscheiden. Eben das ist wohl der allerschwerste Vorwurf, der einem Forscher gemacht werden kann, nämlich daß er sein Beobachtungsmaterial mit Rücksicht auf seine Beweisführung ummodelt. Freilich hat auch Berger² 415 durch Hipparch sich bestimmen lassen, ,bei jeder Breitenangabe des Eratosthenes zu unterscheiden, ob sie selbständig aufgefaßt und darum so scharf als möglich angegeben war, oder ob sie im Zusammenhange der allgemeinen K.-Konstruktion auftrat und sich darum der notwendigen Abrundung fügen mußte, welche die parallele und meridionale Verbindung naher und entlegener, bald besser, bald schlechter, bald gar nicht astronomisch zu bestimmender Orte unausbleiblich mit sich brachte‘. Es kann mir nicht beifallen, die fehlenden Untersuchungen hier in aller Eile nachzutragen, und ich will daher nur anhangsweise darauf hinweisen, daß z. B. die von der übrigen Überlieferung abweichende Notiz, Ptolemaios stamme aus Ptolemais Hermeiu, schon aus dem Grund in Zweifel gezogen worden ist, weil die Breitenbestimmung (richtiger 26° 20’)
Geogr. IV 5, 31 (vgl. I 23) 27° 10’ Breite  – (vgl. Geogr. I 23, 7: Parallel)
Almag. II 6 p. 108 27° 12’ Breite, längster Tag 133/4 Stunden
Geogr. VIII 15, 13 – längster Tag 133/4 Stunden

um fast einen Grad in die Irre gehe, also nicht von Ptolemaios, der doch gewiß nicht unterlassen haben würde (?), die Breite seiner Vaterstadt festzustellen, herrühren könne.

§ 42a. Eine stärkere Beleuchtung verträgt der Ort Andriake, der Hafen der Stadt Myra (Μυρέων ἐπίνειον Appian. bell. civ. IV 82). Er ist mir aufgefallen, weil ich dieser Tage mich mit einer Inschrift seines Kornspeichers beschäftigt habe (Wien. Num. Ztschr. LI 1918). Von Myra aus ist er in einer Gehstunde auf ziemlich ebenem Alluvialboden leicht zu erreichen; was aus ihm werden konnte, verdankte er der Stadt Myra. Also war seine eigene Bedeutung gewiß nur sehr untergeordneter Art (vgl. Hirschfeld o. Bd. I S. 2140f.). Und nun weiß Ptolemaios aus Lykien, auf das von den 44 πόλεις ἐπίσημοι nicht weniger als 4 entfallen, keine andere Auswahl zu treffen, als folgende [ich füge zum Vergleich sowohl die Belege aus dem (leider etwas verworrenen) Kapitel V 3 der Geographie und aus dem z. B. von Hudson, s. o. § 30, publizierten Sonderheft der Πόλεις ἐπίσημοι an]:
Tag-
länge die Entfernung vom Meridian
(60° 30’) von Alexandreia Breite Länge Breite Länge
VIII 17, 22 Πάταρα 14½ ὑπὸ τὸν αὐτόν V 3, 2 36° 60° 30’ Πόλ. ἐ. 36° 60° 30’
23 Μύρα 145/12 μικρόν gegen Osten 3 36° 40’ 61° 36° 20’ 61°
24 Ἀνδριάκη 145/12 ἔγγιστα 2 36° 35’ 60° 50’? 36° 25’ 60° 10’
25 Λίμυρα 145/12 βραχύ gegen Osten 3 36° 35’ 61° 25’? 36° 35’ 61° 25’

Also war die Breitenbestimmung, ob sie nun in Myra oder in Andriake ausgeführt worden ist, im Material des Ptolemaios zweimal verzeichnet, einmal für Myra, das anderemal für seine Vorstadt, und Ptolemaios behält die Dublette. Si magna licet componere parvis, denkt man an Athen und seinen Hafen im Peiraieus, der übrigens weiter von der Hauptstadt entfernt ist als Andriake von Myra; aber man würde vergeblich den Peiraieus neben Athen im Verzeichnis der πόλεις ἐπίσημοι des Buchs VIII suchen, während er sowie auch Munychia sich in der eigentlichen Geographie (III 14, 7) neben Athen finden.

§ 42b. Die K. der Oikumene, die Ptolemaios vor sich gleichviel ob ganz oder bloß in ihren Hauptzügen ausgeführt sieht, umfaßt (I 23f.) 12 Stundenabschnitte, also 180°, und erscheint (I 24, 1) auf einer Fläche, die nahezu doppelt so breit (lang) als hoch genommen worden int. Marinos hat den Grad des größten Erdkreises mit 500 Stadien berechnet, was Ptolemaios einfach akzeptiert, weil diese Schätzung der bisherigen Praxis entspricht, ὅ τι ταῖς ὁμολογουμέναις ἀναμετρήσεσι συμφωνόν ἐστι (I 11, 2; Vgl. VII 5, 12, ὅπερ ἐκ τῶν ἀκριβεστέρων ἀναμετρήσεων κατελήφθη [43]; [2078] daher wird auf dem Parallel von Rhodos, der 4/5 des größten Kreises ausmacht, der Grad mit [2079] 400 (τετρακοσίους ἔγγιστα σταδίους) Stadien gemessen (ebd.), und das auf der K. erscheinende Bogenstück dieses Parallels ist auf 72 000 Stadien (I 24, 5) in veranschlagen; diese Einschätzung des Bogengrades auf Rhodos möge etwas ungenau sein, aber ,was infolge des Verhältnisses der Parallelen darüber hinausgeht, kann wegen seiner Geringfügigkeit bei der das Ganze umfassenden Berechnung unberücksichtigt bleiben‘ (I 11) 2.

Besondere Schwierigkeiten fand Ptolemaios in den Längenbestimmungen. ,Die Verfinsterungen des Mondes, sagt Peschel-Ruge Gesch. Entd.² (1877) 644f., ehemals das brauchbarste Mittel, den Unterschied der örtlichen Tageszeiten oder die geographischen Längen zu finden, hatten selbst einem Kepler zwischen Portugal und Konstantinopel der Wahrheit sich nur auf drei Grade zu nähern erlaubt. Außerdem aber erwarben sich solche Ermittelungen niemals das Vertrauen der K.-Zeichner. Zwei Beobachter, die neben einander den Mond im Fernrohr überwachten, stimmten gewöhnlich über den Zeitpunkt des Beginnes wie des Endes der Verfinsterung nicht überein.‘ Ptolemaios führt Klage darüber, daß nicht mehr Mondesfinsternisse zur selben Zeit an verschiedenen Stellen der Erde verfolgt und berichtet worden seien (τὸ μὴ πλείους τῶν ὑπὸ τὸν αὐτὸν χρόνον ἐν διαφόροις τόποις τετηρημένων σεληνιακῶν ἐκλείψεων ἀναγραφῆς ἠξιῶσθαι) außer τὴν ἐν μὲνἈρβήλοις πέμπτης ὥρας φανεῖσαν, ἐν δὲ Καρχηδόνι δευτέρας, usw. (I 4); vgl J. G. Cuno Forsch. im Gebiete der alten Völkerkde. I (1871) 169ff. und Peschel-Ruge² 48, 2. Dem entsprechend hat Ptolemaios offenbar - er selbst verliert über die Sache weiter kein Wort -
Geogr. IV 3, 2 die Länge Karthagos mit 34° 50’
VI 1 die Länge Arbelas mit 80°
bestimmt; der Unterschied von 45° 10’

entspricht einer Zeitdifferenz von 3 Stunden 1½ Minuten; der Minuten-Überschuß, der in Längenmaß ausgedrückt etwa 160 Stadien = 32 km ausmacht, muß wohl ausreichen, um die Entfernung (Pt. VI 1, 5) von Arbela nach Gaugamela, wo doch eigentlich die Schlacht und wohl auch die Mondbeobachtung stattgefunden hat, zu decken (und hätte daher o. Bd. VII S. 862 von Streck angezogen werden können). Peschel bemerkt, daß vielmehr zwischen Karthago und Arbela (h. Erbil) 34° 2’ liegen, also der Zeitunterschied nicht 3 Stunden, sondern bloß 2 Stunden 16 Minuten 8 Sekunden ausmachen könne. Vgl. jetzt die Berechnungen von F. Ginzel Spezieller Kanon d. Sonnen- u. Mondfinsternisse (1899) 184 zum 20. Sept. 331 v. Chr.

Dieselbe Finsternis berichtet Plinius n. h. II 180 (apud Arbilam magni Alexandri victoria luna defecisse noctis secunda hora est prodita, eademque in Sicilia exoriens), zusammen mit [2080] einer sowohl in Campanien als auch in Corbulos Lager auf armenischem Boden am 30. April 59 n. Chr. beobachteten Sonnenfinsternis (Ginzel a. O. 201), in Verschiedenem, wie man sieht, nicht mit Ptolemaios übereinstimmend.

Das war das ganze Material, das Ptolemaios für die Längenunterschiede zwischen ,Karthago‘ und ,Arbela‘ zur Verfügung stand! (Sonstige Behelfe hat Ptolemaios, vgl. Peschel a. O. 49, nicht zu benützen ,gewagt‘.) Also um nicht weniger als ein halbes Jahrtausend zurückliegend und aus einer Zeit, in der die Bestimmung von Stunden noch nicht genau erfolgen konnte! Da hat es doch meines Erachtens ganz den Anschein, als ob es doch auch an Ptolemaios gelegen war, wenn er nicht mehr Material für die Längenbestimmungen aus Mondfinsternissen erreicht hat; in dieser Vermutung bestärkt der Verdacht, daß Ptolemaios diese Beobachtung nicht selbst in der Literatur gefunden, sondern aus Hipparch abgeschrieben hat; ,daß sie Hipparch benutzt habe, ist nicht ausdrücklich gesagt, aber doch wohl dem Zusammenhange nach, der an die Bemühungen desselben um die Polhöhe anknüpft, einigermaßeni verständlich‘ (so, überaus vorsichtig, Berger Geogr. Fragm. des Hipparch 1869 S. 34[44].

Mit dieser fehlerhaften Längenbestimmung steht im Einklang, was Peschel² 56 hervorhebt: ihre Geltung sei umso weniger in Zweifel gezogen, worden, als ,Marinos und Ptolemaios die [vom Reisenden im Gebiete des Mittelländischen Meeres] allzugroß überlieferten Entfernungen in geographische Längen nach ihrem allzu kleinen Maße des Erdbogens verwandelt haben. So gelangten beide durch doppelte Steigerung des Fehlers zu einer Ausdehnung des Mittelmeeres über 62 Längegrade, die in Wahrheit nur 41° 41’ beträgt‘.

§ 42c. Der Grad wird in 60 Minuten geteilt; der geringste Bruchteil, der in den Positionskatalogen des Ptolemaios erscheint, ist 5, geschrieben ιβ" (= Bruch|1|12}}); die Bruchteile der Grade werden also überhaupt höchstens zu Zwölfteln abgestuft. Es finden sich somit bei Ptolemaios Pauly-Wissowa X,2, 2090 b1.jpg (= 1 2 \textstyle \frac{1}{2}° oder 30’), γ" (= 1 3 {\displaystyle \textstyle {\frac {1}{3}}}° oder 20’), δ" (= (= 1 4 \textstyle \frac{1}{4} oder 15’), ς" (= (= 1 6 \textstyle \frac{1}{6} oder 10’); diese Zeichen können kombiniert werden, z. B. Pauly-Wissowa X,2, 2090 b1.jpg γ" ιβ" (= 1 2 + 1 3 + 1 12 {\displaystyle \textstyle {\frac {1}{2}}+{\frac {1}{3}}+{\frac {1}{12}}}, d. i. 11 12 {\displaystyle \textstyle {\frac {11}{12}}}° oder 55’); zu beachten ist noch das δίμυιρον (= 2/3° = 40’, das im 8. Buch wiederholt ausgeschrieben, gewöhnlich aber (immer selbstverständlich, wenn es mit Zahlzeichen verbunden wird) durch das Zeichen γο" (so in den heutigen Drucken; in den Hss. Pauly-Wissowa X,2, 2090 b2.jpg, was hieratische Sigle, vgl. Sethe Von Zahlen (1916) S. 92, oder Fortbildung der durchstrichenen Ziffer B=2 Teile, d. i. 2/3, sein mag) symbolisiert wird.

§ 42d. Nun sollten wir wissen, wie groß wir das Stadion zu nehmen haben. Ist die Ableitung [2081] der Messung des Marinos aus der des Poseidonios richtig, so hätten wir damit zu rechnen, daß nach Hultsch Metr.² 64 ,dieser das Grundmaß des Eratosthenes beibehielt‘, und daß für Eratosthenes zwei Ansätze vorgeschlagen werden, 180 m (Hultsch S. 63, 3) und 157·5 m (S. 61, ,so zuverlässig wie nur irgend eine Reduktion partikulärer Maße der Gegenwart auf das Metermaß‘). Ich halte daran fest, daß Poseidonios als Nichtägypter und als Fortsetzer der Geschichtschreibung des Polybios so wie dieser gerechnet hat; da wir nun wissen, daß Polybios 81/3 Stadien auf die römische Meile gerechnet (Strab. VII 7, 4 C 322 und VII frg. 57) und vielleicht (vgl. Hultsch 65) mitunter für rasches Rechnen diesen Betrag auf rund 8 Stadien herabgesetzt hat (III 39, 8), und daß Strabon, ein jüngerer Fortsetzer des polybianischen Geschichtswerkes, 8 Stadien auf die Meile rechnete (VII 7, 4), ὡς οἱ πολλοί, so setze ich auch für Marinos und Ptolemaios als Umrechnungszahl 177·5 bis 184·9 m voraus, oder vielmehr bloß letztere, weil sie dem kaiserzeitlichen Gebrauch entsprochen zu haben scheint. Dann mißt ein 500 Stadien fassender Gradbogen 92·45 km (wir messen heute einen Meridiangrad mit rund 111 km) und der geringste Bruchteil, den Ptolemaios in Rechnung setzt, sein Zwölftel = fünf Minuten, also = 7·7 km. - Anders rechnet H. v. Mžik Mitt. Geogr. Ges. Wien LVIII (1915) 175f.


§ 43. Das K.-Netz und dessen Projektionen. Hatte Marinos seine K. der Oikumene mit einem schütteren Netz von parallelen einander rechtwinklig schneidenden Koordinaten überzogen: Meridianen und Parallelen, deren Teilung auf das Verhältnis 5:4 gestimmt war, das für den Parallelkreis von Rhodos zutrifft, so hat Ptolemaios sein Netz dichter gezogen und als Forderung die gleichzeitige Berücksichtigung der Bogengrößen auf den Parallelkreisen von Thule und Rhodos und auf dem Äquator aufgestellt. Dichter wird das Netz dadurch, daß Ptolemaios

a) zum Unterschied von Marinos, der Meridiane je nach einem Stundenabschnitt gezogen hatte, schon je nach 1/3 Stunde einen Meridian zeichnet, und

b) daß er nördlich vom Äquator mehr Parallelen als Marinos zieht, und zwar so, daß das Fortschreiten des längsten Tages als maßgebend angesehen wird: je eine Viertelstunde Zuwachs zeigt die Punkte an, durch die die Parallelen nördlich vom Äquator bis zum vierzehnten Parallelkreis (-Bogen) (τὸν δὲ ιδ’ ὥραις τρισὶ καὶ ἡμίσει διαφέρειν ἀπέχοντα μοίρας με, somit dauert der längste Tag auf der Zone XIV um 3½ Stunden länger als der Tag auf dem Äquator, also 15½ Stunden, und man hat 45° nördlicher Breite erreicht; dieser Parallel läuft nach dem Almagest II 6 διὰ μέσου Πόντου, mitten durch das Schwarze Meer) zu ziehen sind; die Parallelen XV bis XIX werden dort gezeichnet, wo der längste Tag um je eine halbe Stunde größer geworden ist; die beiden letzten Parallelen XX und XXI (dieser mit 8 Stunden Zunahme, also 20 Stunden Dauer für den längsten Tag, in 63° Breite, γραφόμενον διὰ τῆς Θούλης) folgen je nach einer weiteren Stunde. Stundentabellen nach Ptolemaios’ Geographie I 23 und Almagest II 6 haben Verschiedene entworfen, s. o. S. 2062 Anm. ***).

[2082] Am leichtesten und richtigsten läßt sich dieses Koordinatennetz auf einer Nachbildung der Erdrundung durchführen, also auf einem Erdglobus oder auf einem der Oikumene oder auch nur einem Teil derselben entsprechenden Kugelstück. Schwieriger ist es, ein Verfahren zu ermitteln, bei welchem das richtige Verhältnis auch auf eine Tafel oder auf ein Blatt Papier hinübergerettet werden kann. Vollkommen ist kein Verfahren.

§ 44. Ptolemaios empfiehlt, aller Wahrscheinlichkeit nach nach Hipparchs Vorgang (o. S. 2055f. und Berger Gesch. Erdk.² 476f.), eine Kegelprojektion (gute Veranschaulichung des Prinzips durch Bergers Fig. 16 auf S. 632). Einem Rechteck, dessen Grundlinie doppelt so lang als die andere Seite ist, soll die Oikumene eingeschrieben werden. Die Grundlinie wird halbiert, im Halbierungspunkt die Höhe errichtet und über das Rechteck noch soweit verlängert, daß die Verlängerung zur Höhe selbst sich wie 34: 975/12 oder zur ganzen Linie wie 34:1315/12 verhält. Der Endpunkt der Verlängerung wäre als eine Art Nordpol für den Zeichner anzusehen, und er beschreibt (schlägt) mit einem Radius von 52 Teilen (eben jenen Teilen, die den Verhältniszahlen 34, 975/12, 1315/12 zugrunde liegen) den Parallelkreis von Thule, mit 79 Teilen den von Rhodos, mit 115 den Äquator. Südlich des Äquators wird mit einem noch um 165/12 längeren Radius (also mit der ganzen Linie, die durch Verlängerung der Höhe des Rechtecks bis zum (oben so genannten) Nordpol entstanden war), derjenige Parallel gezogen, der als der südlichste der Oikumene angesehen werden darf und genau soweit vom Äquator absteht, wie dieser vom Parallelkreis von Meroe (d. i. 16° 25’ nach Geogr. I 23 oder 16° 27’ nach dem Almagest).

Die Mittellinie (die Höhe, die in der Mitte des Rechtecks auf die Grundlinie gezogen worden ist) gilt als Mittelmeridian (ἡ τοῦ μέσου μεσημβρινοῦ γραμμή). Auf dem Parallelkreis von Rhodos, dessen Länge, wie bereits gesagt, zu einem Meridiankreis sich wie 4 : 5 verhält, werden in Abständen von 4 jener Teile, in die die Mittellinie (Verhältniszahlen 34, 975/12, 1315/12) geteilt war, die Meridiane als gerade Linien (vom Nordpol der Zeichnung aus, somit als Kreishalbmesser) gezogen, so daß durch sie gerade die Drittelstundenabschnitte markiert werden. Für den südlich vom Äquator gezogenen Parallel, den von Agisymba, gilt natürlich dieselbe Einteilung wie für den gleichweit vom Äquator nordwärts abstehenden Meroeparallel; ,die nach Süden geneigte Lage wird aus der geänderten Richtung ersichtlich gemacht‘. Vgl. dazu Berger Gesch. Erdk.² 635. Es folgen noch Bemerkungen über die übersichtlichste Art, die Einteilung nach Breite- und Längegraden auf der Tafel anzubringen, und die Stellen, an denen Einzeichnungen in die K. erfolgen sollen, rasch und zutreffend aufzufinden. Diese Kegelprojektion formuliert Schöne (unter Hinweis auf die oben angeführte Abbildung bei Berger) a. O. S. 24 in folgender Weise: ,Die Projektionsfläche ist dabei der Mantel eines geraden Kegels, der die Kugel im Mittelparallel der K. berührt, für den hier der Parallel von Rhodos eintritt. Seine Spitze ist auf der K. das Zentrum der [2083] Parallelkreise und der Schnittpunkt aller Meridiane; diese erscheinen als gerade Seitenlinien des Kegels. Weil die Kugel innerhalb des Kegels liegt, müssen bei der Übertragung die Parallelkreise mit Ausnahme des Berührungskreises zu lang ausfallen‘; vgl. die Fachliteratur ebd. bei Schöne. Urteile von Technikern: Artur Vital Kartenentwurfslehre (= Die Erdkunde, herausg. von M. Klar XXVI 1903) 14. 18f. H. Wagner Lehrb. der Geogr. I⁷ (1903) § 103. – Die zeichnerische Wiedergabe dieses Kartennetzes z. B. bei Wilberg Taf. zu Heft 1 Fig. 8. Forbiger I 406. Berger Gesch. Erdk.² 633. Schöne S. 6; die Hss. zeigen, soweit ich sie überblicke (Müller hat es unterlassen, in seiner Ausgabe auch nur ein Wort über die Figur zu verlieren, wohl weil er die Behandlung für ein Begleitwort einer bisher nicht erschienenen Tafel mit den zur Geogr. gehörenden Illustrationen aufsparte), eine schematische, übrigens gut verständliche Figur ohne ausführlichere Einzeichnung des Koordinatennetzes.

§ 45. Eine zweite Art der Projektion verwendet Ptolemaios selbst beim Zeichnen; ihr gegenüber biete die eben (§ 44) dargestellte geringere Schwierigkeiten und also würde diese auch vermutlich häufiger von anderen verwendet werden. Da nun nach dem leichteren System die in den Hss. des Ptolemaios gezeichnete Welt-K. gezeichnet ist, als deren Verfasser der Alexandriner Agathodaimon sich bezeichnet, ist klar, daß dieser Agathodaimon nicht von Ptolemaios mit ihrer Entwerfung betraut worden sein kann (vgl. Schöne S. 28 und 16).

Das zweite Verfahren stellt auch die Meridiane (außer dem Mittelmeridian) als gekrümmte Linien dar, und zwar so, wie wenn das Auge auf den Schnittpunkt des Mittelmeridians und des die Breite der Oikumene ungefähr halbierenden Parallels von Syene, d. i. des nördlichen Wendekreises, gerichtet wäre und wenn zugleich die Verlängerung der Sehlinie den Mittelpunkt der Erdkugel träfe. Das Verfahren wird I 24, 9ff. auseinandergesetzt und führt zu einer noch größeren Ähnlichkeit mit der Erscheinung auf der Kugel; dann wird nur ein Meridian, nämlich der mittelste, dessen Ebene durch die Achse des Sehstrahlenkegels geht, als Gerade erscheinen, ,während die zu beiden Seiten von ihm alle konkav gegen ihn gekrümmt erscheinen, und zwar die weiter von ihm entfernten stärker. Das wird ja auch hier unter dem gehörigen Verhältnis der Krümmungen gewahrt. Ferner sichert auch die genaue Abmessung der Parallelbogen gegeneinander das eigentliche Verhältnis nicht bloß auf dem Äquator und dem Parallel von Thule wie dort, sondern auch auf den andern mit möglichster Annäherung, wie man bei einer Probe sehen kann, und die genaue Abmessung der ganzen Breite gegen die ganze Länge das eigentliche Verhältnis nicht bloß wieder auf dem über Rhodos gezeichneten Parallel, wie dort, sondern ziemlich auf allen überhaupt‘ (19; Übersetzung nach Schöne). Urteile von Technikern: Vital S. 16. 82. Wagner § 104. Zeichnerische Wiedergabe dieses Verfahrens z. B. bei Wilberg a. O. Fig. 10. Forbiger I 409. Berger 637. Schöne 9.

Zu beiden Arten des Projektionsverfahrens [2084] vgl. die Bemerkungen in Wilbergs Ausgabe (von ihm und Grashof), die auch heute noch Beachtung verdienen, und Mollweide Die Mappierungskunst des Claud. Ptol., in der Monatl. Korresp zur Beförderung der Erd- und Himmelskunde, herausg. von Frh. v. Zach XI (1805) 15ff. und XII (1805) 13ff.

§ 46. Eine dritte Projektionsart, die mit der Flachzeichnung (ἒν ἐπιπέδῳ) der Oikumene innerhalb einer Armillarsphäre zusammenhängt, so daß sie auf der Erdkugel zwischen den Reifen des Äquators und des nördlichen Wendekreises sichtbar wird, geht VII 6 von dem Gedanken aus, daß zwar der Durchschnittspunkt des Hauptmeridians mit dem Parallel von Syene, nicht aber auch der Erdmittelpunkt in der Sehlinie zu liegen kommen ; diese beiden Linien erscheinen uns als Gerade, die übrigen Meridiane und Parallelkreise konkav zu den beiden geraden Hauptlinien. – Vgl. Mollweide a. a. O. und Berger² 638f. Eine Abbildung auch bei Nobbe Ausg. II S. 189. Berger bezweifelt, daß die Darstellung VII 6f. korrekt überliefert ist. Vgl. auch Jos. Fischer Ptolemaeus und Agathodaemon 86f.

§ 47. Den Inhalt der K. zählt Ptolemaios im Text der Bücher II–VII 4 auf; nicht ein Wort fügt er weiter seinen Namenslisten bei, außer was zur Abgrenzung der einzelnen K.-Gebiete unumgänglich nötig erscheint. VII 5 gibt eine allgemeine Charakterisierung der Welt-K. (ὑπογραφὴ κεφαλαιώδης τοῦ τῆς οἰκουμένης πίνακος), das bisher Gesagte kurz zusammenfassend. Wichtig ist (VII 5, 1) der Satz καὶ αὐτοὶ προσεπενοήσαμεν, τὰ μὲν ἑωρακότες, τὰ δὲ καὶ παρ’ αὐτῶν (n. τῶν ἀρχαιοτέρων, des Marinos wird nicht Erwähnung getan) ἀκριβῶς ἐκλαβόντες, πίνακος ὥσπερ τρόπον πάσης τῆς οἰκουμένης ὑποτυπῶσαι. Obwohl schließlich dieser Satz nicht gerade eine vollzogene Handlung bekunden muß, sondern ebenso leicht ein Versprechen enthalten kann, so kann es doch nur selbstverständlich scheinen, daß Ptolemaios sein Buch doch eben nur in Verbindung mit dem Entwurf entweder einer alles umfassenden K. oder – und das ist wohl glaubhafter – einer Übersichts- und so und sovieler Einzel-K. abzufassen in der Lage war.

Der Text von Buch II–VII 4 umfaßt in anscheinend 82 Kapiteln die einzelnen Landgebiete, und zwar so, daß zunächst die Begrenzung derselben mit den entsprechenden Positionsangaben vorgetragen wird; es folgt in strenger Ordnung die jeweilige Gliederung des Gesamtbezirkes, mit Angabe der Völker und schließlich der Städte, auch diese in fester Ordnung, so daß die an der Küste oder an einem Hauptstrom gelegenen vorangehen und die πόλεις μεσόγειοι oder ἀπὸ τοῦ ποταμοῦ hinterdrein kommen. Klarer werden wir über die Gliederung und ihre hsl. Bekundung urteilen können, wenn erst einmal eine kritische Ausgabe mit einer vernünftigen Würdigung des Stammbaumes der Hss. vorliegen wird. Vorher wäre alles Reden umsonst. Jetzt muß es genügen, aus Ptolemaios’ Einleitung zum II. Buch die Regel zu wiederholen, die er dem Leser, stets die Handlichkeit (τὸ εὔχρηστον) seiner Arbeit suchend, einschärft: seine Darstellung schreitet wie bei der gewöhnlichen Richtung des Schreibens vor, stets rechtshin; früher komme also der [2085] Norden denn der Süden, früher der Westen als der Osten; dieses Prinzip seiner Aufzählung kann daher auch textkritisch bei der Feststellung fraglicher Positionszahlen eine Rolle spielen.

Da erfahrungsgemäß die früheren K.-Zeichner, dort, wo zahlreiche Eintragungen vorlagen, aus Raumnot und auf Kosten der mit Detail weniger belasteten Landschaften, die Partien mit vieler Schrift übermäßig ausgedehnt, die andern zu sehr eingeengt und so das K.-Bild entstellt haben, schlägt er (VIII 1) Einzel-K. vor, aber offenbar nur, um das Zusammenhalten des Ganzen (wir möchten heute sagen: des ganzen Atlanten) zu ermöglichen. Für diese sei nicht Festhalten an demselben Maßstab nötig, sowie wenn einer den Kopf allein oder bloß die Band zu zeichnen hat, er nicht gehalten ist, den gleichen Maßstab anzuwenden, wie das bei der Abzeichnung [2086] der ganzen menschlichen Gestalt sich von selbst verstehe. Auch versündige man sich nicht an der Richtigkeit des Einzellandbildes, wenn man sein Netz aus geraden Linien herstelle, nicht aus Bogen, und es empfehle sich hier, das Verhältnis der Teilung der Parallelen zu den Meridianen nach jener Norm zu richten, die für den jeweils mittleren Parallel der Landschaft als richtig anzusehen sei (VIII 1, 5f.). Er verlange für Europa 10, für Libven 4, für Asien 12 K. (VIII 2, 1), verspricht die Begrenzung jedes einzelnen K.-Bildes und für die πόλεις ἐπίσημοι die größte Tageslänge und die Entfernung vom Meridian von Alexandreia zu geben (während er in den früheren Büchern vom westlichsten Meridian der Weltkarte an gezählt hat). Das sind folgende Blätter (πινακες)[45]: [2085]
I Europa 1 αἱ Βρετανικαὶ νῆσοι 11 †:20 9
2 ἡ Ἱσπανία πᾶσα 3:4 † 10
3 αἱ Γαλλίαι 2:3 10
4 ἡ Μεγάλη Γερμανίαι 3:5 4
5 Ῥαιτία, Οὐινδελικία, Νωρικόν, αἱ δύο Παννονίαι, ἡ Ἰλλυρίς 43:5 60
6 Ἰταλία, ἡ Κύρνος νῆσος 3:4 12
7 Σαρδώ, Σικελία 4:5 10
8 Σαρματία, Ταυρικὴ Χερσόνησος 11:20 5
9 Ἰάζυγες Μετανάσται, Δακία, αἱ δύο Μυσίαι, Θρᾴκη, Χερσόνησος 43:60 16
10 Μακεδονία, Ἤπειρος, Ἀχαία, Πελοπόννησος, Κρήτη, Εὔβοια 7:9 25
II Afrika 1 αἱ δύο Μαυριτανίαι 13:15 10
2 Ἀφρική 13:15 13
3 Κυρηναική, Αἴγυπτος 33:60 17
4 ἡ ἐντὸς Λιβύη, Αἰθιοπία 1:1 12
III Asia 1 Πόντος, Βιθυνία, ἡ ἰδίως Ἀσία, Γαλατία, Παμφυλία, Καππαδοκία, Κιλικία 3:4 44
2 Σαρματία ἡ ἐν Ἀσίᾳ 7:12 5
3 Κολχίς, Ἰβηρία, Ἀλβανία, ἡ Μεγάλη Ἀρμενία 14:15 12
4 Κύπρος, Συρία, Ἰουδαία, Ἀραβία (Πετρ. und Ἔρ.), Βαβυλωνία, Μεσοποταμία 5:6 28
5 Ἀσσυρία, Σουσιανή, Μηδία, Περσίς, Παρθία, ἡ Ἔρημος Καρμανία 4:5 17
6 ἡ Εὐδαίμων Ἀραβία, Καρμανία 11:12 21
7 Ὑρκανία, Μαργιανή, Βακτριανή, Σογδιανοί, Σάκαι, ἡ ἐντὸς Ἰμάου Σκυθία 2:3 14
8 ἡ ἐκτὸς Ἰμάου Σκυθία, Σηρική 2:3 6
9 Ἀρεία, Παροπανισάδαι, Δραγγιανή, Ἀραχωσία, Γεδρωνία 13:15 12
10 ἡ ἐντὸς Γάγγου Ἰνδική 11:12 17
11 ἡ ἐκτὸς Γάγγου Ἰνδική, Σῖναι †1:1 11
† ἔγγιστα fügt Ptolemaios zur Zahl oder zum Verhältnis. Summe 358

Die Summe 358 der πόλεις ἐπίσημοι setzt sich aus 116 europäischen, 52 afrikanischen und 190 asiatischen Namen zusammen; überliefert scheinen, soweit ich mich orientieren kann, in der dem VIII. Buch vorausgehenden Inhaltsübersicht die Zahlen 118 + 42 + 190 = 350, somit bloß die der asiatischen in Übereinstimmung mit den Einzelposten; das weist auf irgend eine empfindliche Störung der Überlieferung hin, die zu definieren vorläufig kaum irgendwelche Aussicht besteht. Ist uns schon der Einblick in die ersten sechs Bücher der Geographie durch das Fehlen des Stammbaums der Hss. erschwert, so ist uns für die beiden letzten Bücher nicht einmal die lectio varia bekannt!

§ 48. Ein Aneinanderstoßen der 26 Einzelblätter in einem Gesamtbild, wie wir doch heutzutage [2086] z. B. Meßtischblätter oder Generalstabs-K. in dieser Absicht aneinander reihen, ist schon deshalb vollständig ausgeschlossen, weil der Autor um des handlichen Formats [46] seines Atlas willen den Maßstab so und so oft mal auswechselt. Man kann Ptolemaios aber auch dann, wenn er denselben Maßstab hätte festhalten wollen oder können, nicht zumuten, er wolle jemandem empfehlen, z. B. seine Blätter V und VI von Europa (V = Donaulandschaften bis einschließlich Illyriens [2087] und VI = Italien) aneinander zu stoßen; die äußersten Punkte [47] beider Blätter fallen:
für V 34° und 47° Länge, 41° und 48° Br.,
VI 27° 30' und 43° Länge, 38° und 45° 20’ Br.;
diese K., nur ganz roh auf Quadrate der Linie eines Äquatorialgrades mit 68·6 für K. V und 85·25 für K. VI umgerechnet, decken sich also mit der zwischen 34° und 43° Länge sowie zwischen 41° und 45° 20’ Breite liegenden Fläche, also mit mehr als der Hälfte von K. V und mit etwa 6/13 von K. VI; die Nordlinie dieser gemeinsamen Fläche wurde auf K. VI mit dem Maß 45 : 60, auf K. V mit 43 : 60 für den Grad des Parallelkreises gezogen sein.

Noch krasser stellt sich dies bei der letzten Tafel Libyens, die das gesamte südlich von Mauretanien, Afrika und Ägypten gelegene libysche Festland umfassen soll, also in der vollen Breite sich hinziehen muß, die die drei, den Nordstreifen Afrikas bildenden libyschen K. I–III zusammen einnehmen. Ein Wahren des gleichen Maßstabes, der etwa bei jenen drei K. angewendet wäre, würde ein breites Band mit wenig Schrift bringen; das wäre aber gegen die Absicht des Verfassers, der doch nur deshalb die Ausführung von Einzel-K. empfiehlt, um eben eine ungleiche Verteilung der Schrift auf die Fläche und die daraus sich ergebenden Verlegenheiten oder Eigenmächtigkeiten der Zeichner zu verhüten. Übrigens mag Ptolemaios sich die Ausführung so gedacht haben, wie die Hss. der Geographie es zeigen, die (vgl. z. B. die Tafel aus dem Kodex vom Berg Athos bei Langlois) auf der vierten K. von Libyen das ganze Festland darstellen, also einschließlich der nördlichen Landschaften, die jetzt bei ihrer Wiederholung nur wenig Schrift erhalten.

Lehrreich ist in dieser Beziehung die Übersichts-K. Nordenskjölds im Faksimile-Atlas p. 1; hier sind die Rahmen der 26 Einzelk. in die Gesamt-K. eingetragen.

Eine Vorschrift betreffend den Maßstab der K. gibt Ptolemaios (vernünftigerweise) nicht. Es mußten also Ptolemaios, da er wie gesagt nicht das bloße Anstoßen der Blätter beabsichtigt hat, bei der Unvollkommenheit der menschlichen Technik diese Mittel genügen, um das geistige Auge die richtigen Beziehungen schauen zu lassen. Es mußte ihm genügen, ihm, der stets das εὔχρηστον seiner Mittel und Wege erwog, und bei dem aller Wahrscheinlichkeit nach die Beschäftigung mit der Geographie bloß als mathematisches Problem und Hilfeleistung für den Astronomen, also gewissermaßen auch als ein Teil der πρόχειροι κανόνες für diesen in Betracht kam, die einzelnen Blätter durchzuzählen und handlich aneinander zu reihen; dann wohl auf einer Papyrusrolle, die nicht einmal so hoch wie die K.-Blätter der uns vorliegenden Pergament-Hss. der Geographie zu sein brauchte; im Urbinas ist die K.-Höhe (Jelić S. 169) 52 cm, im Kodex vom Berg Athos (außer für das jetzt von Fischer veröffentlichte Übersichtsblatt, das fast die ganze – 37 cm – Höhe der Hs. einzunehmen [2088] scheint) nicht über 25 cm, im Vindobonensis Gr. 1 wechselt sie zwischen 34 und 52 cm. Übrigens braucht uns das Format des Papyrus keine Sorge zu bereiten, wenn wir auf den Genfer Papyrus Lat. 1 mit den Resten einer Buchführung bei der Legio III Cyr. aus domitianischer Zeit blicken; noch weniger natürlich die Breite des Papyrus, für welche die Analogie unserer Pergament-Hss. einen bequemen Vergleich gibt; im Vindobonensis finden sich 21 K., die sich über zwei oder mindestens anderthalb Blattseiten erstrecken, und 5 K., die bloß eine Seite in Anspruch nehmen (vgl. auch die photographische Reproduktion der Hs. von Watopedi).

§ 49. Hat Ptolemaios seine Karte oder Karten gezeichnet? Die Frage scheint überflüssig; denn wie soll er sie sonst ausgeschrieben haben? Das ist doch nicht denkbar, daß er den Inhalt einer seiner K. oder eines seiner Buchkapitel bloß vor seinem geistigen Auge sich so klar vergegenwärtigen konnte, daß er ihn mit Bogengraden und -Minuten (bis auf 5’, die sein kleinstes Maß bilden) in den Text der γεωγραφικὴ ὑφήγησις korrekt hätte hinüberbringen können. Und wenn er das selbst bei einer einzelnen K. vermocht hätte, dann hätte er doch sicher nicht den Anschluß eines neuen Kärtchens oder Kapitels an jenes frühere ungefährdet zustande gebracht. Es hat nun auch niemand je daran gezweifelt, daß Ptolemaios für sich selbst die K. entworfen hat, vielleicht – obwohl gar nichts darauf hinweist – durch einen Zeichner unterstützt: natürlich eine Platt-K.; denn obwohl Ptolemaios der sphärischen Darstellung (der auf dem Globus) vor der Platt-K. den entschiedenen Vorzug einräumt, so hätte er sie nicht leicht in seiner Studierstube verwenden können; auch nicht, wenn er sich auf jenes Stück der Kugel beschränkte, das für die Darstellung der Oikumene ausreichte. Die Tabula Peutingeriana mißt 6·8 ✕ 0·34 = 2 312 m2; sie enthält angeblich 5000 Namen, Ptolemaios’ Geographie angeblich (anscheinend etwas zu hoch angesetzt) 8000. Würden einfach diese Verhältnisse miteinander verglichen (denn unter die Schriftgröße der Tab. Peut. kann bei seinem Entwurf kaum gegangen worden sein), so wäre ein Modell von 2·7 ✕ 1·35 m Fläche (= halbe Kugelzone) und 0·9 m Tiefe (= dem Kugelradius) nötig gewesen; da aber ein Gradnetz entworfen und innerhalb derselben übersichtlich bei weit reicherer Innenzeichnung die Einzeldaten untergebracht werden sollten, wird wohl reichlich das Doppelte des Flächenraums nötig geworden sein, was auf eine Fläche von 3·8 ✕ 1·9 m auf eine Tiefe von 1·2 und eine Rückenfläche von 2·4 m Länge führt und ein Gerüst voraussetzt, das ständig vor der zum Zeichnen bestimmten Fläche stand.

§ 50. Eine andere Frage ist es, ob Ptolemaios die Platt-K.: eine Übersichts-K. und eine Anzahl von K., wie er sie im 8. Buch vorschlägt, seinem Buche als Illustration beigefügt wissen wollte. Und hier gehen die Meinungen auseinander. Ptolemaios selbst sagt gar nichts davon, daß er seinem Buche K. beifügen wolle; das muß doch sehr auffallen. I 18 spricht er von der Ausführung der K., aber nicht von der durch ihn fertig gestellten, sondern er gibt bloß die ὑφήγησις [2089] dazu; er erklärt es als seine Pflicht, über die Methode des K.-Zeichnens zu sprechen, τὰ κατὰ τὴν ἔφοδον τῆς καταγραφῆς. Es gebe zwei Arten, die auf sphärischer Fläche und die als Plattbild. Es lasse sich zeigen, daß auch wenn kein K.-Bild vorliege (καὶ μὴ προϋποκειμένης εἰκόνος) man trotzdem mit großer Leichtigkeit ἀπὸ μόνης τῆς διὰ τῶν ὑπομνημάτων παραθέσεως (also auf Grund seines Textbuches) die K. selbst entwerfen könne. Bei der Übertragung von einer Vorlage auf ein neues Blatt werde naturgemäß die Zeichnung in etwas modifiziert, und so würden die Kopien schließlich bis zur Unkenntlichkeit von dem Vorbild abweichen: τό τε γὰρ ἀεὶ μεταφέρειν ἀπὸ τῶν προτέρων πραδειγμάτων ἐπὶ τὰ ὕστερα διὰ τῆς κατὰ μικρὸν πραλλαγῆς εἰς ἀξιόλογον εἴωθεν ἐξάγειν ἀνομοιότητα τὰς μεταβολάς. Was nun bei Ptolemaios folgt, würde allerdings auch gegen die Möglichkeit sprechen, einen Zeichnungsversuch bloß auf eine ὑφήγσις zu stützen. Aber der nächste Satz zeigt gleich, daß der im Schreiben wenig gewandte Autor nicht seine eigene ὑφήγσις dabei im Auge hat, von der er erst c. 19 sprechen will, sondern die des Marinos, deren Unübersichtlichkeit alle bisherigen Versuche anderer, mathematisch richtige K. zu entwerfen, vereitelt habe.

Kann der Herausgeber einer K. bei so ausführlichem Bericht über die zur K. führenden Wege so ganz und gar darauf verzichten, von seiner eigenen Zeichnung auch nicht ein Wort zu sagen? Es ist also nicht weiter zu verwundern, daß die Publikationsabsicht und das Publikationsfaktum rundweg bestritten worden ist. Das hat Berger² 640ff. in seiner zurückhaltenden Art, aber entschieden genug getan; schärfer hat diese Ansicht K. Kretschmer formuliert int Petermanns Mitt. 1914, I 142f. Er beruft sich darauf, daß den Hauptteil des Textbuchs des Ptolemaios das Verzeichnis der Ortsnamen mit ihren Längen und Breiten bilde. ,Diese Art der Darstellung ist etwas ganz Ungewöhnliches. So hat weder vor ihm noch nach ihm ein Autor geschrieben, weder Eratosthenes, noch Strabon, auch sein Gewährsmann Marinos nicht. Man merkt hier den Astronomen heraus, der den trockenen Ton seiner starren Kataloge längst gewohnt war, und der den Versuch macht, dieses Verfahren auch in die Geographie einzuführen. Es war so auch die Möglichkeit gegeben, späterhin bei Erweiterung der Kenntnisse das Zahlenmaterial immer richtiger zu fassen und zu verbessern und damit die Grundlage der K. sicherer zu gestalten. Durch diese langen und breiten Tabellen war aber der ganze K.-Inhalt so unzweideutig festgelegt worden, daß jeder sich seine K. selbst herstellen konnte, wenn er es nötig hatte.‘ ,Einen zwingenden Beweis‘ gegen die Ansicht, daß Ptolemaios seinem Buche K. beigegeben habe, will Kretschmer aus der Beischrift [auf der Welt-K.] ableiten, daß Agathodaimon τὴν οἰκουμένην πᾶσαν auf Grund der 8 Bücher ὑπετύπωσεν, ,entworfen habe‘; also könne er sie nicht vorgefunden haben. Dieser Beweisgrund wird allerdings nicht als ,zwingend‘ angesehen werden können, weil man mit der Möglichkeit rechnen muß, daß die K. in der Zeit nach Ptolemaios verloren gegangen seien, und daß [2090] Agathodaimon ebendeshalb zu ihrem Ersatz sich veranlaßt sah.

,Um nun, fährt Kretschmer fort, die Vermutung auszuschließen, daß Agathodaimon die K. erstmalig entworfen habe, sucht man die Konstruktion der K. nach dem Ptolemaiostext als ein Ding der Unmöglichkeit hinzustellen. Ja auch ein in der Kartographie bewanderter Zeichner der Jetztzeit sollte dieses nicht fertig bringen können.‘ Kretschmer führt ein Beispiel (Tarraco) an und bemerkt, was schließlich jeder, der mit dem Buch des Ptolemaios zu tun hat, längst gewußt hat, daß die Daten des Ptolemaios für eine bestimmte Einzeichnung in die K. ausreichten. ,Ist das schwer? Nein. Jeder Gymnasiast würde die Karte spielend erledigen. Nicht schwer ist es, höchstens langweilig. Schwierigkeiten könnten sich ergeben aus unzureichenden Angaben für Gebirge, Flüsse usw. Bei vielen Flüssen gibt Ptolemaios nur die Lage der Quelle und der Mündung an, so z. B. für die Weichsel. Nach nur zwei Positionsangaben läßt sich natürlich ein Strom, der noch dazu große Bogen beschreibt wie die Weichsel, nicht wiedergeben. Das können wir heute nicht, das konnte Agathodaimon nicht und schließlich Ptolemaios selbst nicht. Man kann daher nur annehmen, daß ihm ausführlicheres Material fehlte, und daß es ihm nur darum zu tun war, die ungefähre Lage und Richtung anzudeuten.‘ Das sind alles jedermann geläufige Tatsachen, und auch die Schlußfolgerung könnte man zur Ergänzung des ohnehin schon fast feststehenden Urteils über das Verhältnis des Ptolemaios zur Illustrierung seines Buches annehmen, freilich unter einer wichtigen Bedingung: nämlich daß Ptolemaios auf den K., die er zur Ergänzung seines eigenen Entwurfs heranzog, Flüsse nur selten – etwa die wichtigsten – eingezeichnet gefunden hat. Es wird ja ohnehin niemand Herodots naive Übertreibung ernst nehmen, nach dessen Zeugnis schon die ionische K. (o. S. 2051 Z. 1) ,alle Flüsse‘ verzeichnet!

Auch läßt sich aus dem Argument der Flüsse und der Gestaltung der Küsten und Landesgrenzen eher ein Schluß gegen grundsätzliche K.-Losigkeit gewinnen: eigentlich wären die Benutzer der Geographie des Ptolemaios besser beraten gewesen, wenn sie außer dem Katalog der Positionen auch eine K. gezeichnet vorgefunden hätten; damit hätten sie ein viel lebendigeres Bild erhalten, und Ptolemaios hätte eine gewisse Kontrolle der K. auch in späteren Kopien dadurch gesichert, daß er außer der Mündung und eventuell dem Einlaufe eines Nebenflusses, wie er das ja oft genug tut, auch die Quelle durch Angabe der Positionen festlegte. Schließlich würde die Einzeichnung von Flüssen in das K.-Bild eine Hilfe für den Zeichner gebildet und die anliegenden Orte gebunden, also selbst wieder ungefähr wie ein Koordinatensystem gewirkt haben. Bei ganz großen Flüssen gibt Ptolem. auch für die Biegungen die nötigen Zahlen; aber sehr ungleich; beispielsweise für den Rhein, den er fast als geraden Lauf zeichnet, auch nicht ein einziges Mal, für die Donau auf einer größeren Anzahl, wie denn überhaupt dieser Fluß in der Darstellung des Ptolemaios noch bevorzugter erscheint als selbst die beiden Hauptströme Indiens oder der Nil.

[2091] § 51: Also z. B. werden (II 15, 1) innerhalb der beiden das Gesamtbild des Donaulaufes nach unseren Begriffen am stärksten charakterisierenden Beugungen einmal oberhalb von Waizen und [2092] Budapest und dann wieder unterhalb der Drau- und Savemündung nicht weniger als sieben Daten (und z. T. sehr viel wortreicher als in irgend einer anderen Partie der Geographie) angeführt:
{ {\displaystyle \left.{\begin{aligned}\\\\\end{aligned}}\right\{} ἡ κατὰ Κούρταν καμπή
τὸ ἀρκτικώτατον τοῦ Δανουβίου ποταμοῦ 42°
42° 30’ Länge
     „ 47°
48° †) Breite
     „
τὸ κατὰ τὴν ἐκτροπὴν τοῦ πρὸς δυσμὰς ἐκτεινομένου ποταμοῦ, ὃς διὰ
     τῶν δύο Παννονιῶν ἐρχόμενος καὶ σχισθεὶς κατὰ Καρρόδουνον
     πόλιν ὡς ἐπὶ τὸ Κέτιον ὄρος κατὰ μὲν τὸ ἀρκτικώτερον μέρος
     καλεῖται Σαουαρίας, κατὰ δὲ μεσημβρινώτερον Δάρος 44° 20’      „ 45° 40’      „
ἡ κατὰ Κόρνακον ἐπιστροφὴ τοῦ Δανουβίου ποταμοῦ 44° 20’      „ 45° 15’      „
ἡ κατὰ Ἀκούμινκον ἐπιστροφὴ 45°      „ 45° 20’      „
ἡ κατὰ Ῥιττιον ἐπιστροφὴ 45° 30’      „ 45°      „
τὸ κατὰ τὴν ἐκτροπὴν Σαούου τοῦ ποταμοῦ, ὃς καὶ ἐκτεινόμενος διὰ
     τῶν δύο Παννονιῶν συνάπτει τῷ Κετίῳ ὄρει πρότερον ἐπὶ τὰς
     ἄρκτους ἐπιστραφείς, εἶτα πρὸς δυσμάς 45°      „ 44° 30’      „

†) Dieselben Daten wiederholt Ptolem. II 11, 3:
ἡ κατὰ Κούρταν καμπή
ἡ ἐφεξῆς ἐπιστροφὴ κατὰ Κάρπιν καὶ ἀρκτικωτάτη πασῶν 42°
42° 30’ Länge
     „ 47°
48° Breite
     „

Auf diesen Flußlauf werde ich unten (S. 2096) noch einmal zurückkommen. Vorher mag noch darauf verwiesen werden, daß an Nebenflüssen der Donau aufgezählt werden (ein Beispiel: II 11, 3 τὸ κατὰ τὴν ἐκτροπὴν τοῦ πρὸς μεσημβρίαν φέροντος ποταμοῦ, ὃς καλεῖται Αἶνος = Inn, 34° Länge und 47° 20' Breite; ἐκτροπήν und πρὸς μεσημβρίαν statt εἰσβολήν und ἄρκτους, o. S. 2066 erklärt)? im Oberlauf je drei rechts- und linksseitig; im unteren Lauf bekommt der Fluß von beiden Seiten je vier Nebenflüsse. Die rechtsseitigen des Oberlaufs Lech, Inn und Raab dürfen als die bedeutendsten angesehen werden, und das Ausbleiben von Iller, Isar, Traun und Ens gibt kaum zu einer Bemerkung Anlaß. Die linksseitigen des Oberlaufs notiert er ohne Namen (als πρῶτος und δεύτερος sowie ὁ παρὰ τὴν Λοῦναν Ὕλην πρὸς ἄρκτους φέρων ποταμός); offenbar benützte er, bezw. sein Gewährsmann, hier die Kopie einer K., auf der die Namen ausgefallen waren, oder eine K., auf der die Namen verblaßt waren. Die modernen Identifikationsversuche dieser Flüsse können als für unseren Zusammenhang entbehrlich übergangen werden; für den letzten der drei Flüsse gibt Ptolemaios die Position 39° 30’ Länge und 47° 20’ Breite, er müßte also in den Donaustrom zwischen Carnuntum 39 ° Länge 47 ° Breite und Flexum (Ungarisch-Altenburg) 40° und 47° 15 einmünden, kann also insofern mit dem Marchfluß identifiziert [2092] werden. Dann fehlen also immerhin die ansehnlichen Nebenflüsse, die die Donau aus dem nordungarischen Bergland erhält: Waag, Neutra, Eipel.

Dann folgen in deutlicher Abhängigkeit von einer (vielleicht durch Verblassung verwirrten) Land-K. und im einzelnen zu Bedenken Anlaß gebend Drau [48] und Save.

Im Zusammenhang damit muß auch gleich noch des Drinos gedacht werden, den der Savestrom von Süden her erhält; dieser Drinos komme, sagt Ptolemaios (II 16, 4) aus der nämlichen Quellgegend wie der Drilon, der an der dalmatischen Küste zwischen Ulkinion (Dulcigno) und Lissos (Lješ) münde und ἀπό τε τοῦ Σκάρδου ὄρους (Position 47° Länge und 41° 40’ Breite, II 16, 1) καὶ ἀπὸ τοῦ (τοῦ fehlt in der besten Hs., dem Vaticanus X) ἑτέρου ὄρους (τοῦ setzt Wilberg hier ein) κειμένου παρὰ μέσην τὴν ἄνω Μυσίας (Position 45° 40’ Länge und 42° 40’ Breite) herabfließt; es ist evident, daß Ptolemaios auch hier den Namen auf der K. gesucht, aber nicht gefunden oder nicht entziffert hat.

Unterhalb der Savemündung verzeichnet Ptolemaios zwei Namen, und zwar statt des Margus einen uns ganz unbekannten Moschios und ferner einen kleineren Grenzfluß, nicht aber Timok und Isker. Von den großen Zuflüssen, die die Donau von der Theißmündung an erhält: Theiß mit ihren Zuflüssen, Temes, Schyl, Aluta usw. bis Sereth und Pruth, nennt Ptolemaios den

Tibiskos 46° Länge 44° 15’ Breite; der nächste Ort an der rechten Seite des Stromes wäre Tricornium 46° und 44° 10’ Breite,

Rabosos 49° Länge 43° 30’ Breite (44° 30’ Vat X); der nächste Ort gegenüber Ratiaria 49° und 43° 20’,

Aluta 50° 15’ Länge 44° Breite; die nächsten Orte am Ufer gegenüber Regianum 50° und 43° 40’ und Oescus (mit dem recht veraltet anmutenden Zusatz: der Triballer) 51° und 44°,

Hierasos (Position weder III 8, 2 noch III 10, 7 angegeben, an ersterer Stelle aber durch κατὰ Δινογέτειαν mit der Position dieser Stadt genauer bestimmt):

Wie man sieht, ist der Osten des Stromgebietes der Donau sehr viel stiefmütterlicher als der Westen behandelt, und eigentlich gar kein Niederschlag aus der Kriegsgeschichte Traians in ihm zu erkennen. Vor allem hätte man den (rechtsseitigen) Iantrafluß, an welchem der Kaiser Nikopolis gegründet hat, erwartet.

§ 52. Nun tragen die Hss. des Ptolemaios, solche mit K. und ohne diese, anscheinend aber sämtliche, [2093] die Schluß-Subscription: Ἐκ τῶν Κλαυδίου Πτολεμαίου γεωγραφικῶν βιβλίων ὀκτὼ τὴν οἰκουμένην πᾶσαν Ἀγαθὸς Δαίμων Ἁλεξανδρεὺς μηχανικὸς ὑπετύπωσα[49]; es folgen dann 7 Hexameter[50], die sich auf eine K. der Oikumene beziehen (Beginn ἐν γραμμαῖς τὸν κόσμον ἀριθμηθέντα νόησον), im übrigen für uns inhaltsleer; die wenig liebevollen Bemerkungen, die der Dichter den Aethiopen, Deutschen, Sarmaten (diese vergleicht er Schweinen) und Skythen widmet, erlauben keinen bestimmten Schluß auf Zeit oder Wohnort des Agathodaimon; doch ist ein früheres Datum, z. B. das 4. oder 5. Jhdt., wahrscheinlich viel annehmbarer als ein Spätdatum. Dieser theophore Name ist in Ägypten nicht selten[51] (Dinse S. 754 irrt), in der Literaturgeschichte kommt angeblich im 5. Jhdt noch ein Grammatiker Agathodaimon vor (vgl. Fabricius Bibliotheca Graeca V 272), den wir mit diesem μηχανικός[52] (= Künstler, Ingenieur) zu verbinden keinen Anlaß haben. Man hat so ziemlich allgemein unseren Agathodaimon als Verfasser und Zeichner der K. angesehen, die in unseren Ptolemaios-Hss. erhalten sind. Seine Zeit zu bestimmen sind wir nicht in der Lage. ,Den ersten Aufschluß‘ über ihn hält Josef Fischer aus einer Hs. der Ambrosiana zur Veröffentlichung bereit (Petermanns Mitteil. 1914, II 287). Literatur bringt Berger o. Bd. I S. 747. Die Subscription und das Gedicht druckt Jelić aus dem Vatic. Urb. S. 213 ab, dazu die Lichtbilder Taf. V und VI.

§ 53. K. sind nur einem Teil unserer Ptolemaios-Hss. angeschlossen, und anscheinend nicht den besten. Sie umfassen eine Übersichts-K. der Oikumene, soviel ich übersehe, stets am Schluß des Buches VII untergebracht (und also durch die Breite eines ganzen Buches von den zugehörigen Versen des Agathodaimon getrennt!) und

(A) entweder 26 Ländergruppen, im engsten Anschluß an die von Ptolemaios im VIII. Buch vorgenommene Gliederung oder

(B) 63 Einzel-K., die sich ideell in die 26 Ländergruppen des Buches VIII einreihen, aber da sie in verschiedenem Maßstab gezeichnet sind, [2094] genau so wenig durch einfaches Aneinanderstoßen zu solchen Ländergruppen der Redaktion A vereinigen lassen, wie die K. der Redaktion A durch bloßes Zusammenrücken zu einer Gesamtübersicht der Oikumene verbunden werden können, und außerdem Übersichtsblätter von Europa, ferner von Afrika, sowie endlich von Asien in zwei Teilen (Nord- und Südasien).

Zur Redaktion A der K. gehören ein Venetus Marcianus (s. XII/XIII), die Hs. von Watopedi (bei Müller L) und der Vat. Urb. 82, beide des 13./14. Jhdts. (die Datierung des Urb. ins 11./12. Jhdt. durch Jelić ist nicht aufrechtzuhalten), Hss. des 15. Jhdts., wie der Vindobonensis (bei Müller M), werden als erst in Italien abgeleitet nicht mitgezählt;

zur Redaktion B zwei Hss. des 14. Jhdts.: ein Florentinus Laurentianus (Müller Ω) und ein Mediolanensis Ambrosianus, und zwei des 15. Jhdts.: eine in London und eine in Konstantinopel; und abgeleitete der spätesten Zeit;

die 63 Einzel-K. nicht (wie die A-Redaktion) als Atlasanhang am Schluß des ganzen Werkes, sondern im Text je an der zugehörigen Stelle und nur die vier Übersichtskarten am Schlusse des Werkes.

Überhaupt, wenn die jüngsten Hss. mitgezählt werden, enthalten unter etwa 30 griechischen Hss. der Geographie nur 13 das ganze K.-Werk oder einen Teil desselben; vgl. Dinse S. 748f.

Es überrascht, daß Fischer die B-Redaktion für älter, ,für Abkömmlinge der Urformen der ptolemaeischen Länderzeichnung‘, ansieht, Dinse S. 750; es überrascht, weil der ptolemaeische Text keinen Anhalt für die Teilung des Erdbildes in 63 Einzel-K. zu gewähren scheint, und man wird wohl Fischers Ausführungen abwarten müssen, um zu dieser Ansicht Stellung nehmen zu können. Aber auch die 26 K. der A-Redaktion leitet Fischer direkt von Ptolemaios’ Handexemplar ab. Hingegen weist er das Übersichtsblatt der Oikumene, das wir ohnehin so wie es mit seiner Projektionsart vor uns liegt, nicht gut Ptolemaios zuschreiben können (vgl. o. S. 2083), Agathodaimon zu. Eine solche Beschränkung der Tätigkeit des Agathodaimon auf die Zusammenstellung der K. der Oikumene kann weder aus dem Wortlaut der Subscription noch aus der Breitspurigkeit der folgenden Hexameter direkt widerlegt werden; es ist auch nicht unsere Sacbe, Agathodaimon gegen die Zuweisung einer Rolle zu verteidigen, die ganz an den seligen Ballhorn erinnert Aber die Beweisführung Fischers steht noch aus, und so ohne weiteres braucht man die bisherige Ansicht, Übersichts-K. und die 26 Einzelblätter auf Grund des 8. Buches bildeten ein Ganzes, nicht aufzugeben. Auch die Frage ob die 63 Einzelblätter der B-Redaktion, von denen vor Fischer niemand besondere Notiz genommen hat, doch etwa nichts anderes als eine der verschiedenen Einzelphasen der späteren Entwicklung der ptolemaeischen Geographie darstellen, wird bis zur Vorlage des Materials und der Beweise als unentschieden gelten müssen.

§ 54. Dinse ist (S. 747) der Ansicht, daß von ,philologischer Seite nicht einmal der Versuch gemacht worden sei, den Wert der hsl. mit Ptolemaios‘ Geographie verbundenen K. ,für die Richtigstellung des Textes voll auszuschöpfen‘. Wenn das nur [2095] auch wahr wäre und wir also für den Text nun ein neues Hilfsmittel erwarten dürften! Aber offenbar ist es anderen genau so ergangen wie mir, daß in welcher Hs. immer ich den Text der Bücher II—VII mit den K. verglichen habe, die K. die ganze Verderbnis des Textes mitgemacht zu haben schienen, so daß ich also annehmen mußte, daß der Text des Ptolemaios schon arg gelitten habe, bevor jemand (also etwa wohl Agathodaimon) die K. zu Ptolemaios aufgrund des Textes entworfen habe. Zu welcher Zeit das geschehen sein kann, bleibt so lange unklar, als nicht eine genügende Übersicht der lectio varia und der Textgeschichte vorliegt. Wenn Dinse S. 753 daraus, daß ,der Khalif Al Mamum nach Masudis Zeugnis um die Wende des 8. zum 9. Jhdt. solche K. besessen‘ habe[53] und daß ,ein allerdings kartenloser, dem 13. Jhdt. angehöriger Ptolemaios Kodex der Vaticana‘ die Hs., aus der er abgeschrieben worden ist, als aus 134 Blättern Text und 27 K. bestehend beschreibt und [2096] ,innere Anzeichen‘ darauf führen, daß diese Vorlage im 4. oder 6. Jhdt. entstanden sei, — gut, dann war der Text der Geographie eben schon vor der Zeit des Khalifen Al Mamum und sogar schon im 4./5. Jhdt. so jämmerlich zugerichtet, wie wir ihn aus unseren Hss. ableiten müssen. Also fiele die entscheidende Verschlechterung des Textes in die Zeit zwischen Ptolemaios und das ,4./5. Jhdt.‘ Nur das wird man klarmachen und daran festhalten müssen, daß die K. jede und jede Dummheit der Textverschlechterung treu wiedergeben, daß sie also nur aufgrund dieses Textes gezeichnet worden sein können.

§ 55. Es muß mir hier genügen, auf zwei Daten hinzuweisen, die schon heute leicht auf Bl. V der europäischen K. nachgeprüft werden können, dem einzigen, für das auch Urb. 82 (bei Jelić) in guter Abbildung vorliegt. Ptolemaios beschreibt als an der Donau gelegen (ὑπὸ μὲν τὸν Δανούβιον ποταμόν)
II 13, 3 Ἀρελάτη (so X, Ἀρεδάτη die anderen
Hss., zu lesen ist Ἀρελάπη = Pöchlarn) 35° Länge 47° Breite
Κλαυδιούιον (gemeint ist aller Wahrscheinlichkeit [54]
Κλαύδιον Ἰούαον = Salzburg) 36° (oder 36½° X Länge 46° 40’      „
II 14, 3 Οὐιλιόβονα (gemeint ist Vindobona), λεγίων ι’ Γερμανική [55] 37° 45’ Länge 46° 20’      „
Καρνοῦς 39°      „ 47°      „
Φλέξον, λεγίων ιδ’ Γερμανική[56] 40°      „ 47° 15’      „

Der uns offenbare Fehler in der Breitenbestimmung von Wien genügte für den K.-Zeichner, um unbekümmert um den klaren Text der Geographie die Stadt von der Donau weg und zwischen die Quellflüsse der Drau (,Savarias‘ und ,Daros‘) zu verlegen. Müller hat auf der Abbildung bei Langlois die Stadt auf der K. des Athous an dieser ganz unmöglichen Stelle verzeichnet gesehen (also wieder ein Fall, der gegen Dinses Behauptung S. 747 spricht), sich aber dadurch nicht veranlaßt erklärt, daraufhin den Versuch aufzugeben, eine nördlichere Breite anzunehmen, die die Stadt wieder an die Donau rückt; allerdings hätte er die Änderung durch [2096] anderen Druck ersichtlich machen sollen. — Daß das angebliche Claudivium und Arlape mit einander vielleicht den Platz gegenüber der Kolonne der Positionen tauschen sollen, um die Situation zu retten, trifft vielleicht schon den Autor, braucht also nicht die K.-Zeichner zu belasten.

Ein zweiter Fall ist Celeia, das Ptolemaios mit 45° 80’ Breite, wie aus der Abfolge der Zahlen in der Kolonne der Positionen hervorgeht und auch durch einige Hss. des Ptolemaios bezeugt wird (nicht einmal das kann man aus Müllers l. var. erkennen, aus Wilbergs l. var. ersieht man ihre Vertretung durch mehre Parisini und einen Palatinus); nun haben die meisten Hss. die Breite 46° 30', und sofort zeigt sich in den K. die Verrückung um einen vollen Grad nordwärts, so daß Müller bemerkt (auch dieser Fall spricht gegen Dinse S. 747): ,pravam hanc positionem codex Athous etiam in tabula habet, ubi Celeia ad Danubium [richtiger wäre propius oder prope Danubium gewesen] ponitur, a Vindobona, quae perperam 46° 20’ collocatur, versus occasum aestivum‘. Beide Fälle (Vindobona und Celeia) sind in allen Hss. und ebenso in den ältesten Drucken nach den hsl. erhaltenen K., die mir im Laufe der Jahre zugesichte gekommen sind, genau so falsch wie im Athous eingezeichnet.

Daß Gutschmid sich ebensowenig Nutzen für die Textkritik der ptolemaeischen Geographie aus den K. versprochen hat, wird u. S. 2098 erwähnt. Von diesem Standpunkt aus ist auch Nordenskjölds (p. 6 a) vermittelnde Stellung (Ptolemaios habe allerdings einen Atlas veröffentlicht, Agathodaimon habe dann später bei Herstellung eines künstlerisch oder kalligraphisch besser ausgestatteten Exemplars seinen Anteil [2097] geltend machen wollen: so wie wir die Subscriptionen des 4. und 5. Jdts. zu antiken Autoren zu fassen gewohnt sind) abzulehnen.

§ 66. Auf die Einrichtung der Spezial-K. (natürlich der 26 des Ptolem. B. VIII) kann ich nur unter der Voraussetzung eingehen, daß sie noch im Altertum gezeichnet worden sind, also wenigstens vor saec. V./VI. Sehr sauber und anschaulich ist ein Blatt der Urbinatischen Hs. des Vatikan (Europa K. V) bei Jelić abgebildet und S. 170f. erläutert; der Vergleich mit der entsprechenden K. im Vindobonensis M, einer Abschrift jener Urbinatischen, verstärkt den Gesamteindruck dieser Abbildung für mich, der nur eine nicht allzudeutliche Erinnerung an die Hs. im Vatikan behalten hat, ganz erheblich. Die K. der Hs. von Watopedi ist beiden gegenüber schon stark degeneriert. Der Eindruck, den der Lichtdruck bei Jelić macht, ist sehr verschieden von dem Bild, das die gesamte römische K.-Tradition einschließlich des Mosaiks von Madeba und der Tabula Peutingeriana bietet. Nicht bloß durch das Gradnetz, das die K.-Fläche gliedert, und die Grad-Ein- und Unterteilung des K.-Rahmens, sondern auch durch die bestimmte Abgrenzung der Provinzen (mittels Linien und obendrein mittels Wechsels der Flächenbemalung) und durch den Anschein, daß der Verlauf der Flußlinien und Bergzüge ganz dem Zufall entzogen und vielmehr in den Dienst einer bestimmten Auffassung gestellt sei, sowie ferner durch die künstlerische Gestaltung der Stadtvignetten und der Bergsymbole. Diese unterscheiden sich am meisten von dem sonst auf mittelalterlichen K. üblichen Typus; sie sind nämlich nicht als Dreiecke oder in Wellenform (,Maulwurfshaufen‘), sondern als flache Steine mit abgeschrofften Seitenwänden gezeichnet; indes vgl. auch E. Oberhummer Die Entstehung der Alpen.-K., Ztschr. D.-Ö. Alpenverein 1901, 24f., vgl. auch H. v. Mžik Über die Darstellung und Farben der Gebirge auf den arabischen K., Mitt. Geogr. Ges. Wien LVIII (1915) 162. Die Stadtvignetten aber, ganz verschieden von den sonst gebräuchlichen, stellen etwas wie die Façade eines stattlichen Baues dar, dann wenn die betreffende Stadt auch unter den πόλεις ἐπίσημοι des Buchs VIII erscheint, mit drei flach abgeschlossenen Zinnentürmchen (also auch in der Zeichnung von den übrigen Stadtvignetten deutlich unterschieden); inmitten dieser ebenso einförmigen als klobigen Vignetten wird die Beziehung auf die Positionsangabe der Geographie durch einen dicken Punkt hergestellt, der irgendwo inmitten der Vignette untergebracht wird. Übrigens scheinen die Hss. in der Ausstattung der Vignetten, soviel ich sehe, nicht unbedeutende Unterschiede, natürlich innerhalb des durch die Überlieferung gegebenen Rahmens, aufzuweisen. So fehlte in der prächtigen Wiener Hs. M vom J. 1454, die Jelić als Abschrift des Vatic. Urbinas bezeichnet hat, die Unterscheidung der Vignetten für die πόλεις ἐπίσημοι und für die übrigen Städte; Stadtbilder hat die Hs. M bloß auf der Karte Taprobanes; aber das sind komplizierte, phantastische Produkte mittelalterlicher Anschauung.

Lesenswert (aber nicht durchwegs richtig) sind die Bemerkungen Nordenskjölds über [2098] das Fortleben der ptolemäischen Tradition der K.-Anlage (auch bei Orientierung mit Norden = oben) und K.-Zeichen über die Hss. und Drucke hinaus bis in die neueren K.: ,the principles of geography may be said still to be published with Ptolemys alphabet‘. Es habe auch das erziehlich mitgewirkt, daß die ptolemäischen Einzel-K. außer dem Lande, das sie zur Darstellung bringen sollten, auch noch so viel von den in den Rahmen desselben Vierecks fallenden Nachbarländern (wenn auch mit sparsamerer Innenzeichnung und Beschriftung) brachten, daß für die zeichnerischen Füllsel mit Schiffen, Königen, Ungeheuern usw., wie sie in der übrigen K.-Tradition des Mittelalters (vgl. z. B. Baudris Verse 753f. u. § 77) gang und gäbe war, kein Platz übrig blieb.

§ 57. Literatur zu Ptolemaios’ Karten. Zunächst die Ausgaben von Nobbe (1843—1845), Wilberg und Grashof (1838—1845, umfaßt bloß die B. I—VI; nach Mitteilung A. v. Gutschmids lag noch 1881 der hsl. Apparat Wilbergs beim Verleger Baedeker, Zangemeister Westd. Ztschr. III 1884, 323, 5. v. Gutschmid gewann aus seiner Durchsicht den Eindruck, ,daß gerade die mit K. versehenen Hss. stark interpolierte Texte enthielten, weil sie nach den bereits durch freie Kombination entstandenen K. [irrig] redigiert worden seien‘), K. Müller (1883 und aus seinen Papieren fortgesetzt durch K. Fischer 1901, umfaßt bloß Buch I—V). Praktisch ohne Bedeutung ist die ganz selten gewordene Ausgabe und Übersetzung von Buch I und Schluß von Buch VII durch den Abbé Halma; umso wichtiger die o. S. 2066 zitierte Kritik dieses (von mir nicht gesehenen) Buches durch A. J. Letronne. Die Ausgabe Nobbes ist zwar vollständig, aber ohne l. var. und erbärmlich schlecht gedruckt; seine größere Ausgabe mit der l. var. ist nicht zum Druck gelangt. Die Wilbergs ist für ihre Zeit vortrefflich, stützt sich aber leider (wenigstens anfänglich) bloß auf die Pariser Hss.; die Müllersche hat einen reichen Apparat an Hss., aber keine Vorstellung vom Verhältnis der Hss. zueinander; diese Führungslosigkeit und der Mangel einer ordentlichen Korrektur des Drucks ertötet vieles von dem Guten, das das umfassende Wissen des Verfassers im Kommentar (übrigens einem Mischmasch von Lectio varia und Exegese) bietet.

Die Herstellung des Stammbaums ist das erste Erfordernis einer neuen Ausgabe; ich habe mich lange um seine Ermittelung bemüht, wäre aber bei dem häufigen Versagen des Müllerschen Apparats auch noch zu einer mehr wöchentlichen Bereisung der Bibliotheken genötigt gewesen, in denen die maßgebenden Hss. liegen.

Die hsl. erhaltenen K. der ptolemaeischen Geographie will J. Fischer (in Feldkirch) herausgeben, vgl. Fischer in Petermanns Mitt. 1914, II 287; Dinse hat die K. des Vaticanus Urb. 82 bei Fischer vor dem J. 1913 im Druck vollendet gesehen. Die des Klosters Watopedi (μοναστήριον τοῦ Βατοπεδίου) auf dem Berg Athos haben Sewastianoff und Langlois Géographie de Ptolémée, reproduction photolithographique du manuscrit Grec du monastère de Vatopedi (1867) in Farbendruck herausgegeben; die aus dieser Hs. entwendete und ins Britische Museum [2099] gebrachte Welt-K. hat Fischer Ptolemaeus und Agathodaemon Tf. 2 in Lichtdruck nachgetragen. Eine der K. (= Europa V) des Vaticanus Urb. hat wie gesagt Jelić in Lichtdruck veröffentlicht Wiss. Mitt. aus Bosnien und der Hercegowina VII (1900) Tf. 7.

§ 58. Die zahlreichen Drucke der Geographie des Ptolemaios im Zeitalter der geographischen Entdeckungen gehen in der Hauptsache auf Neuzeichnungen durch Arnold Buckinck (Ausgabe Rom 1478), durch den Benediktinermönch des Klosters Reichenbach Dominus Nicolaus, Nicolaus Germanus oder gewöhnlicher Donis genannt (Ausgabe Ulm 1482), Sebastian Münster (Ausgabe Basel 1540), Gerhard Kremer oder latinisiert Mercator (Köln 1578) zurück. Ausführlicher unterrichtet über diese ,Ausgrabung‘ (so S. 17, dieses Wort muß aber im Hinblick auf die gelehrte Tätigkeit der Araber und [Berger Ber. Ges. Wiss. Leipzig 1898 S. 88] auf die italienische Kartographie während des frühen Mittelalters eingeschränkt werden) und die Palingenesie der Geographie des Ptolemaios Günther Gesch. der Erdk. 100ff. (er zitiert 102, 1 Winsor A Bibliography of Ptolemy’s Geography 1884); Vivien Histoire de la Géographie 209f., insbesondere aber A. E. v. Nordenskjöld Facsimileatlas, englische Übersetzung (1889) S. 9-29, und überhaupt über Ptolemaios S. 1-61. Großenteils werden in jenem Zeitalter der großen geographischen Entdeckungen diesen K. moderne K. der entsprechenden Landschaften gegenüber gestellt und die neuentdeckten angeschlossen. Es ist lebendiges und fruchtbares Treiben in dieser Tätigkeit; man lernte damals bei Ptolemaios genau so wie etwa bei Galen oder Aristoteles. – Dann wurde, als der alte Lehrmeister seine Gaben nicht mehr unmittelbar dem Leben der Gegenwart nutzbringend machen konnte, die Beschäftigung mit ihm seltener und etwa für die Philologen berechnet: Orbis antiqui tabulae geogr. sec. Cl. Ptolemaeum cum indice philologico absolutissimo (Amsterdam 1730) apud Wetstenios et Smith. – Cl. Ptolemaei geographia, tabulae XXXVI a Carolo Mullero instructae (1901), bietet die Übersichts-K. und die 10 europäischen, die 4 afrikanischen, aber bloß 4 von den 12 asiatischen K., ohne auf dem Titelblatt oder sonst irgendwo diese Beschränkung zu verraten; jeder Rekonstruktion einer ptolemaeischen K. ist ein ziemlich überladenes K.-Bild in neuerer Zeichnung gegenübergestellt; daß Müllers Zeichnungen korrekter als die der holländischen Drucker ausgefallen wären, oder daß die Zeichnung der verschiedenen Blätter richtig zusammengienge, kann nicht behauptet werden. Öfter wird noch die Welt-K. des Ptolemaios neu gezeichnet, ich zitiere bloß Forbiger I zu S. 418 (dieser aber auch die einzelnen Erdteile: Asien II zu S. 38, Afrika zu S. 764 und Europa zu S. 888); Vivien Atlas historique Taf. 2, 7; Spruner-Menke³ (1862) auf Taf. 1 mit Gegenüberstellung einer modernen K., Spruner-Sieglin Taf. 1, 6 usw.; hauptsächlich aber neulich R. Kiepert im ansehnlichen Format der Volltafeln seiner Formae orbis (35 : orbis terrarum und 36: Europa). Nachzeichnung von Einzel-K. in großer Zahl, z. B. von H. Kiepert Atlas von Hellas u. d. hell. Kolon. (1872) Taf. XIV und XV.

[2100] Andere Literatur hier anzuführen erübrigt sich; sie ist unübersehbar und großenteils auch, namentlich die aus lokaltopographischen Erörterungen entstandene[WS 2], für den einzelnen schwer erreichbar. Die neuesten allgemein gehaltenen Darstellungen geben J. Fischer Ptolemaeus und Agathodaemon, II. Anhang zu Hans v. Mžik, Afrika nach der arabischen Bearbeitung von Muhammad ibn Musa al-Hwarizmi (= Denkschr. Akad. Wien LIX 4, 1916) 71ff. P. Dinse Die hsl. Ptolemaios-K. und die Agathodaemonfrage, Ztschr. der Ges. f. Erdk., Berlin 1913, 745ff. K. Kretschmer, o. S. 2098f. zitiert. A. Hermann Marinus. Ptolemaios und ihre K., Ztschr. Ges. Erdk., Berlin 1914, 780ff.
[Kubitschek.]

,Auf vier großen Pergamentblättern, die zusammen etwa ¾ m² messen, mit roter Tinte gezeichnet‘, abgebildet und beschrieben von F. Keller Bauriß des Klosters St. Gallen vom J. 820 (1844) oder (Neuaufnahme) von O. Henne am Rhyn Kulturgesch. des deutschen Volkes I (1886) 124f. mit Doppeltafel.
Wenn jetzt Schneider-Graziosis Vorschlag, der Bull. com. di Roma XXXIX 169 die Genetive von einem aus der Grundform des Gebäudes deutlich ablesbaren horrea abhängig zu denken empfiehlt, das Richtige trifft, ist zugleich die engere Datierung gesichert.
Eine Ausnahme scheinen Provinzkärtchen der Notitia dignitatum zu bilden.
Vorausgegangen war ich selbst für das die Durchzählnng der Tribus, der Stadtregionen Roms und der augustischen Regionen Italiens beherrschende System, De Romanarum tribuum origine ac propagatione (= Abh. des Arch. epigr. Seminars der Univ. Wien III 1882) p. 52ff. und 203; dagegen Elter p. 21.
Diesen Terminus entnehme ich einer Rostocker Doktordissertation des damaligen Hauptmanns F. Mouths Linienmessung auf Karten, 1912 S. 2.
Irgend ein Druck- oder Rechenfehler steckt hier in Jordans Ziffern.
Die Zahlen sind wie bereits oben (S. 2030) gesagt, nur Näherungswerte, genauer wäre vielleicht: mindestens 13 und bis 23 m.
Richter meint, wie gesagt, das Rom der vierzehn Regionen. - Übrigens sei noch bemerkt, daß auch nicht eine Spur der Regioneneinteilung auf dem kapitolinischen Plan vorhanden ist. Wenn die augustischen Regionen an ihren Stellen wenigstens namhaft gemacht waren (es soll gar nicht von Abgrenzung der Bezirke gegeneinander die Rede sein), so müßten sich Reste dieser Nennungen gefunden haben.
Die Frage, ob der Fluß und vielleicht auch anderes etwa mit Farbe kenntlicher gemacht worden ist, scheint nicht aufgeworfen worden zu sein.
Ich glaube nicht, daß dieser (übrigens sonst gut verwendbare und verständliche) Terminus - wenigstens im Sinn des antiken Wortgebrauches - richtig verwendet ist.
Aus demselben Grund ist, worauf noch besonders hingewiesen werden soll, auch nicht denkbar, daß in Severus’ Zeit der vespasianische Stadtplan, der um etwa 5/4 Jahrhunderte älter war und jedenfalls vor der großen Bautätigkeit der Kaiser seit Domitian lag, einfach in aller Eile wiederholt worden sein kann. Es muß für die Ausstellung des Planes durch Severus, gleichviel ob schon von Vespasian ein Stadtplan ausgestellt worden war oder nicht, auf die amtlich ständig fortgesetzte Tätigkeit der mensores im Katasterarchiv zurückgegriffen worden sein. - Die Frage, ob die beiden (heute wieder verlorenen) Bruchstücke der Inschrift CIL VI 935 (vgl. dazu p. 3070), die im 16. und 17. Jhdt. bei Sa. Maria Nova nächst dem Templum Pacis gefunden worden sind und der Wiederherstellung eines nicht näher bezeichneten Baues des Kaisers Vespasian aus dem J. 78 durch [impp. Caess. S]everus et Antoninus Pii Augg. Felices gedenken, gerade auf diesen Bau, an dessen Nordwand der Stadtplan angebracht war, sich beziehen, hat Hülsen (der übrigens an die Ersetzung des vespasianischen Plans durch Sept. Severus zu glauben scheint, Das Forum Romanum² 1905 S. 20) Topogr. I 3. Bd. S. 7 im Zweifel gezogen. Vgl. dazu Jordan Forma p. 8 b und Lanciani Bull. com. 1882, 29ff. (Degli antichi edifizi componenti la chiesa dei SS. Cosma e Damiano).
Sehr gut Berger² 85: ,Alle griechischen Geographen haben sich teils aus didaktischen, teils aus geometrischen Gründen angelegen sein lassen, jede geographische Konfiguration von allgemeinem wie von besonderem Inhalte, auf ein charakteristisch scharfes und möglichst einfaches Schema zurückzuführen, vor dessen Grundlinien alle, auch sehr hervorstechende Sondergestaltungen fallen mußten‘.
Vgl. dazu Kubitschek ,Ein Straßennetz, zu Eusebios’ Onomastikon?‘ in den Österr. Jahresh.. VIII (1905) 119-127.
Es ist aber zu beachten, daß bei den ὄροι Αἰγύπτου καὶ Παλαιστίνης das Meer, von dem dort auf dem Mosaik ein kleines Stück erhalten ist, genau so wie das Egiptium mare auf der Hieronymos-K. einbuchtet.
Das Mißverständnis sucht Jacoby durch Parallelen zu entlasten oder zu erklären, S. 66.
Das ist der Terminus, den Berger Gesch. Erdk.² 101 eingeführt hat. ,Wenn wir von einer ionischen K. reden, können wir darunter nur eine Kartengattung meinen, deren einzelne Exemplare neben gleichbedeutenden Hauptmerkmalen die Spuren des allmählichen Fortschritts wohl in gar vielfachen Abweichungen der Einzelbilder zur Schau getragen haben mögen.‘ - Als bequemer Name, und weil wir ja doch nicht imstande sind, den Anteil Anaximanders aus dem herauszuschälen, was Herodot (gelegentlich als Ἴωνες bezeichnend) aus den K.-Werken oder Schriften seiner Vorgänger anführt oder bekämpft, mag er einstweilen gelten.
Roscher meint damit das Vorbild der K. des Aristagoras (vgl. u. S. ) und beruft sich für eine Erd-K. des Hekataios auf Müller FHG I proll. p. XII b; vgl. über diese angebliche K. auch Vivien de S. Martin Histoire de la géographie (1875) 76f; Max Schmid Zur Gesch. der geogr. Lit. bei Gr. u. R. (Pr. Berlin, Askan. Gymn. 1887) 12. Berger Gesch. Erdk.² 90. F. Jacoby o. Bd. VII S. 2700ff. Für mich, entfällt mit Rücksicht auf die eingangs dieses Artikels angekündigte Beschränkung auf jenes Material, das als K. gesichert ist, und nicht etwa in einem kartenlosen Geschichtswerk oder was immer für einer Περίοδος τῆς γῆς gestanden haben kann, also vielmehr in eine Geschichte der Geographie gehört, jeder Anlaß mich hier weiter mit diesem Thema zu befassen. - Eine primitive Welt-K. auf einer babylonischen Tafel des Britischen Museums hat F. E. Peiser in Ztschr. f. Assyriolog. IV (1889) 361ff. veröffentlicht und abgebildet; ,vielleicht mythologischen Zwecken dienend‘. Peiser hält sie für jünger als das 9. Jhdt. v. Chr. Ebendaher hat W. Schultz Altjonische Mystik I (= Stud. z. ant. Kultur II/III 1907) 145f. Abbildung und Beschreibung wiederholt und mit einer chinesischen Erd-K. (abgeb. S. 147) verglichen; er will in dieser babylonischen K. ,ein ungefähres Bild davon, in welchem Stile die Erd-K. des Thales [?!] gehalten sein mochte, erkennen und rekonstruiert (Abb. S. 154) die Erd-K. des Thales ,auf Grund des bisherigen Ergebnisses‘.
,Er ist nicht der erste Geograph‘ (sagt Berger Ber. Ges. Wiss. Leipzig 1898, 127), ,wie man ihn so lange fälschlich genannt hat, ... er ist ein Gegner der ionischen Geographie und ein Verächter der pythagoreischen, der Typus des mathematisch ungebildeten Publikums jener Zeit, das von der Astronomie nur den Kalender, von der Geometrie nur die Ackervermessung, von der Geographie nur nützliche Kenntnis der Länder und Völker zulassen wollte, mit denen man in Verbindung stand.‘
Allerdings will Max Schmidt a. a. O. 12, 56 aus den (unmittelbar auf den angeführten Satz) bei Herodot folgenden Worten ἐν ὀλίγοισι γὰρ ἐγὼ δηλώσω μέγαθός τε ἑκάτης αὐτέων, καὶ οἵη τίς ἐστι ἐς γραφὴν ἑκάστη) schließen, ,daß hier die Rede von K. sei‘, weil ἐς γραφήν angeblich ,zur Abbildung‘ bedeute.
Über die Geschichte dieses Terminus technicus der antiken Geographie unterrichtet bündig Boll o. Bd. V S. 341f.
Die in ihrer Einfachheit geniale eratosthenische Lösung der Frage, wie ein Meridianbogen durch den Sonnenschatten gemessen werden könne; die Bestimmung des Winkels der Schattenlängen am Tag der Sommersonnenwende und damit des Bogenstückes zwischen Syene und Alexandreia auf 1/50 des größten Erdkreises; und die Vermessung dieses Bogenstückes durch die mensores regiit Ptolemaei auf 5000 Stadien haben Ideler Abh. Akad. Berl. 1825, 176ff. und Berger Gesch. Erdk.² 407-409 bündig und klar dargestellt.
Gosselins Abhandlung ist mir während der Abfassung dieser Zeilen nicht wieder zur Verfügung gestanden. Ebensowenig konnte ich B. Kolbe Der Bischof Synesios von Kyrene als Physiker und Astronom (1850) einsehen.
,Hipparch ist der Erfinder der stereographischen Abbildung, deren bezeichnende Eigenschaft die ist, daß jeder Kreis des sphärischen Originals auch in der Kopie wieder zum Kreise werden muß‘, mit Berufung auf R. Wolf Gesch. der Astronomie (1897) 60ff.
Nur eine Richtigstellung sei hier erlaubt; ebd. 2121, 26 wird als letzter Vertreter der Bifurkation Cornelius Nepos genannt, und dafür auf Plin. n. h. III 127 verwiesen. Aber wir kennen noch einen Späteren, der bei der Behandlung der Ostküste des Adriatischen Meers die gleiche Vorstellung äußert, nämlich Mela II 57 und 63.
Nordenskjöld Faksimile-Atlas S. 6, 1 verweist auch auf das Titelblatt der Prachthand-Schrift in Venedig, das Ptolemaios in königlicher Tracht darstellt. Natürlich hilft, so unendlich häufig auch der Name Ptolemaios im Bereich der ägyptischen Kultur gewesen war, der Ruhm der königlichen Ptolemäer bei dieser anachronistischen Einschmuggelung des Geographen in das Königshaus mit.
Almagest X 1 p. 297 Heiberg: τῷ ιδ’ ἔτει Ἀντωνίνου, κατ’ Αἰγυπτίους Θὼθ τα’ εἰς τὴν ιβ’; das ist 150, nicht (wie gewöhnlich geschrieben wird) 151 n. Chr. Daß im Vaticanus D τῶι δ’ gestanden hat, die zweite Hand dann τῷ ιδ’ daraus geändert hat, will angesichts der übrigen Überlieferung nichts bedeuten. – Fr. Boll Studien über Claudius Ptolemaios (= N. Jahrb. Suppl. XXI 1894, 63, 2) war eher geneigt, für das J. 141 (richtiger wäre 140 gesagt worden) einzutreten.
Umgekehrt zitiert er in der Geogr. VIII 2, 3 den Almagest.
Ptolem. Geogr. I 23 zählt einundzwanzig Parallele (vgl. dazu die Berechnungen Wilbergs in der zugehörigen Anm. S. 70ff.), Almagest II 6 dreiundreißig (Manitius Handb. II 69ff.; der 33. Parallel hat einen längsten Tag in der Dauer von 24 Äquinoktialstunden, verläuft in der Breite von 66° 8’ 40" und entspricht also unserem nördl. Polarkreis); dazu Müller Ausg. der Geogr. S. 59 und Th. Schöne a. O. 20f. (dort eine Vergleichung beider Listen und Richtigstellung für das J. 155 n. Chr., samt der zugehörigen Literatur)
In Manitius Handbuch I 62f.; die moderne Formel z. B. bei Günther Gesch. der Erdkunde (1904) 24, 7: ,Wenn t die Tagesdauer eines Ortes von der Polhöhe φ am 21. Juni ist, so ist der Tagesbogen s der Sonne an diesem Tage aus der Proportion th: 24h = so : 360° zu bestimmen und weiterhin hat man tang. φ = – cos ½ s: tang. ε, unter ε die Ekliptikschiefe verstanden‘.
Müller hat es in seinem Kommentar leider unterlassen, die Angaben des VIII. Buches gleich einzuverarbeiten; so können wir, solange die Didot’sche Ausgabe nicht vollendet ist, nicht einmal ungefähr den hsl. Befund überblicken. Die ptolem. Tabula longitudinis et latitudinis urbium insignium, abgedruckt in Hudsons Geographiae veteris scriptores Graeci minores III (1712), gibt p. 18 wieder andere Zahlen

für Elaius 54° 30’     45° 15’,
für Sestos 54° 30’     41° 15’;

die von mir für diese Tafeln eingesehenen Hss. (auch der Vaticanus, der das Hemerologion bietet) bestätigen für die Breite Hudsons Zahlen.
Über diesen Syros Boll a. O. 67, 2. Daß er ἀδελφός des Ptolemaios gewesen ist, wie in der Überschrift der Tetrabiblos zu lesen ist, deren ,zentrale Stellung in der astrologischen Literatur des 4. und 5. Jhdts. Boll beleuchtet, und derer Verfasser er in Ptolemaios erkennen will, hat Boll (vgl. S. 111 und 179f.) als ebensowenig begründet angesehen wie die Bezeichnung der Origo des Ptolemaios mit Pelusion durch die gleiche Quelle.
Es sei mir gestattet, hier die Pliniusstelle, die von den Finsternistabellen Hipparchs handelt, und die ich in meinen Kalenderbüchern (Denkschr. Akad. Wien LVII 3, 1915) anzufahren unterlassen habe, nachzutragen (n. h. II 53): utriusque sideris (Sonne und Mond) cursum in sexcentos annos praecinuit Hipparchus, mense gentium diesque et horas ac situs locorum et †vicus populorum complexus.
Das haben spätere Zeitläufte nicht einsehen wollen, vgl. was Müller (in seiner Ausg. des Ptolem. I p. 3) über die Zusammenziehung der Worte διὰ γραφῆς in διαγραφῆς (dazu jetzt aber auch Fischer Ptolem. und Agathodaemon 74, 1) durch die meisten Hss. und durch die Quelle des Eustathioskommentars zur Periegese des Dionysios Geogr. Gr. min. II 212 bemerkt. Müller hat recht gehabt, auf eine Stelle aus Letronne’s Examen critique des prolégomènes de la gégraphie du Ptolem., die als Rezension einer Bearbeitung des I. Buches und der Schlußkapitel des VII. Buches durch Halma 1830 veröffentlicht und seitenweise von Wilberg in seinem Kommentar im französischen Wortlaut abgedruckt worden ist, einem der besten Aufsätze über Buch I des Ptolemaios, aufmerksam zu machen, (neu abgedruckt Oeuvres choisies, II. Reihe Bd. I 1883, 131, 1): ,C’est ce dont l’abbé Halma ne s’est point douté, et ce qui l’a entraîné dans une multitude de contre-sens. La définition de Ptolémée qu’il trouve ,singulière‘, est fort bonne, quand on sait que l’auteur veut dire‘.
Was Müller Ausg. I p. 4 aus den Digesten als Analoga anführt: XLI 3, 45 in fluminis publici deverticulo (Papinian) und XLIV 3, 7 (Marcianus), bezeichnet doch wohl einen Nebenarm und nicht einen Nebenfluß; so auch Heumann Handlexikon zu den Quellen des röm. Rechts⁹ 143. [Anscheinend das gleiche Verfahren wie bei Ptolemaios zeigt Vitruv. VIII 2, 6 und 8.]
Berger hat dann übrigens auch in der Neuauflage seiner Gesch. d. Erdk. soviel ich sehe in dieser Hinsicht zur Tetrabiblos Stellung zu nehmen unterlassen.
Das kann sich doch nur auf Unklarheiten oder Unstimmigkeiten seiner Διόρθωσις beziehen und spricht wohl gleichfalls deutlich gegen die Ausführung oder wenigstens gegen die Vollendung der K., nicht etwa bloß in der angeblich letzten Edition seines Werkes, sondern überhaupt dagegen, daß er jemals seine K. fertiggestellt habe.
Vgl. § 26. – Was innerhalb dieser Zeit für die Aufhellung des geographischen Gesichtskreises geschehen ist, hat Berger Gesch. Erdk.² 583ff. übersichtlich und treffend zusammengestellt.
Bez. dem Marinos.
Die jüngste Arbeit über diesen Gegenstand ist das Buch von H. Patzig Die Städte Großgermaniens bei Ptolemaeus und die heute entsprechenden Orte (Dortmund 1917).
,Dieser schwere Irrtum ist Ptolemaios dadurch passiert, daß er den sebennytischen Kanton in zwei Teile geteilt hat, einen Σεβεννύτης κάτω τόπων und einen ἄνω τόπων; in rein mechanischer Weise hat er wegen der Wörter κάτω und ἄνω jenem die nördliche Breite im Delta, diesem die südlichste unter den möglichen angewiesen; daß dadurch eine große Anzahl Kantone zwischen den nördlichen und südlichen Teil eines und desselben Nomos zu liegen kamen, hat ihn nicht gestört‘ (Schwarz S. 273).
Die Distanz im It. Ant. 164 III m. p. ist zu gering angesetzt.
Diese Erkenntnis warnt uns vor Überschätzung der emphatischen Worte II 1, 2: προλαβόντες, ὅτι τὰς μὲν τετριμμένων τόπων μοιρογραφίας μήκους τε καὶ πλάτους ἐγγυτάτῳ τῆς ἀληθείας ἔχειν νομιστέον διὰ τὸ συνεχὲς καὶ ὡς ἐπίπαν ὁμολογούμενον τῶν παραδόσεων
Marinos hat sich augenscheinlich an Poseidonios’ Erdmessung gehalten, vgl. Berger Gesch. Erdkde.² 592 und Schoene a. a. O. S. 13, 9; Berger setzt auseinander, daß ,Ptolemaios, der Mathematiker‘, ,der sich angelegen sein läßt, die Bedeutung und die Grundzüge der Erdmessung nach Hipparch wortreich auseinanderzusetzen, er, der Ptolemaios, denkt, wie es zur Entscheidung kommt, nicht an einen neuen Versuch, nicht an die Prüfung der vorliegenden Lösungen und die Annahme der verhältnismäßig besten, nicht an sein Vorbild Hipparch, sondern folgt blind seinem nächsten Vorgänger Marinos, während doch sonst die Kritik gegen dessen Fehler seine ganze eigene Geographie trägt. Ich kann in dieser Tatsache nur erschreckende Nachlässigkeit in Benützung der Vorlagen sehen‘. – Der Fehler, der aus zu geringer (um 1/6) Einschätzung der Grundlage am Äquator hervorgeht, ,entstellt die ganze Weltkarte‘ (Roscher 11). ,Betrug z. B. die gemessene Entfernung zweier Orte, welche unter demselben Meridian lagen, 600 Stadien, so ergab sich für dieselben aus astronomischen Beobachtungen ein Breitenunterschied von einem Grad. Da Ptolemaios aber auf einen Grad nur 500 Stadien rechnete, so entsteht hier für ihn ein Widerspruch, welchen er jedoch, wo es irgend tunlich ist, zu beseitigen sucht. In der Regel werden die beiden Orte so gelegt, daß die Distanz von 600 Stadien bewahrt wird, der Breitenunterschied aber dennoch nur einen Grad beträgt, d. h. die Orte werden auf den durch astronomische Beobachtung gefundenen Parallelkreisen in eine solche Lage gebracht, daß dieselben 600 Stadien voneinander entfernt sind, aber nicht mehr unter dem selben Meridian liegen. Wo aber eine solche Verschiebung nicht anwendbar ist, da werden nur die astronomischen Beobachtungen benutzt‘ (Roscher 12f., der auf diesen Schluß die Meinung stützen will, daß die Untersuchung des jeweiligen Verfahrens bei Ptolemaios ,sogleich zu entdecken‘ erlaubt, ,wo Ptolemaios eine astronomische Beobachtung benutzt hat‘, vgl. o. S. 2077, 2).
Nebenbei bemerkt, unterlassen die Kommentare zu Ptolemaios, auch der von Müller, auf Plinius und auf die Berichte der Historiker hinzuweisen, und die modernen Geschichtschreiber verzichten auf Ptolemaios; so redet man neben einander vorbei.
Die dritte Rubrik gibt das Verhältnis des mittleren Parallels zum Meridian, die vierte die Zahl der πόλεις ἐπίσημοι.
Gewiß aus keinem anderen Grunde. Was Fischer Ptolem. und Agathod. S. 73 in diesem Verfahren sucht, verstehe ich nicht.
Ich kümmere mich nicht um die Zahlen, welche in dem augenscheinlich späterer Bearbeitung zugehörenden Kap. 30 des Buches VIII sich finden.
Die Beziehung des Σαουαρίας auf den Seber, den Oberlauf eines Nebenflusses der Raab, durch Friedr. v. Kenner Mitt. Altertumsverein Wien XI (1866) 96 kann die Stelle nicht retten.
oder -σε oder -σατο; offenbar war in älteren Kopien dieser Subscription die Verbalform abgekürzt gewesen.
Aus dem Wiener Kodex M (Müller) auch bei Nobbe I S. XXII abgedruckt; dort mit dem Druckfehler ἀθρανεῖς in Αἰθίοπας τ’ ἀδρανεῖς (die untätigen Aeth.), obwohl die Hs. das Richtige hat; das würde ich nicht erwähnen, wenn nicht Jelić das gleiche Versehen beim Ausschreiben des Urbinas begegnet wäre, der nach Ausweis des Lichtdruckes doch gleichfalls das Richtige bietet.
Und nicht bloß als Personennamen verwendet. [Nachtrag: s. jetzt Suppl.-Bd. III S. 58f.]
Der μηχανικὸς Agathodaimon erinnert meines Erachtens an den Λεόντιος μηχανικός, der die Herstellung von Erdgloben berufsmäßig betrieben hat, vgl. u. § 87, und an Pappus VIII p. 1026 Hultsch: μηχανικοὺς δὲ καλοῦσιν καὶ τοὺς τὰς σφαιροποιίας [ποιεῖν] ἐπισταμένους, ὑφ’ ὧν εἰκὼν τοῦ οὐρανοῦ κατασκευάζεται δι’ ὁμαλῆς καὶ ἐγκυκλίου κινήσεως ὕδατος.
Die Beziehungen Al-Hwarizmis (um 817—826) und überhaupt der Araber zu Ptolemaios und seinen K. hat zulezt H. v. Mžik in einer weit ausgreifenden Studie, Ptolemaios und die K. der arabischen Geographen, Mitt. Geogr. Ges. Wien LVIII (1915) 152ff. (für Al-Hwarizmi vgl. insb. S. 164) erörtert.
Die jüngste Abhandlung über Claudivium von G. Stockhammer Beiträge zur Kenntnis der römischen Topographie Niederösterreichs, im Jahrb. d. Ver. f. Landesk. v. N.-Öst. XV (1916) 117ff., 538ff. sucht allerdings einen andern Weg zur Erklärung.
†† Am ehesten als Mißverständnis der Abkürzung ΓΕΜ = γεμινή zu erklären. Der die Garnison betreffende Zusatz sichert die Beziehung auf Vindobona gründlich; über die Nennung der Legionen bei Ptolemaios Kubitschek Arch. Jahresh. V (1902) 83.
Vgl. ††), übrigens gehört die (Rand-)Notiz betr. die Legion vielmehr um eine Zeile höher, zu Carnuntum.

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