7) Iustinus, mit vollem Namen Flavius Mar(inus?) Petrus Theodorus Valentinus Rust(icius?) Boraides Germanus Iustinus (vgl. sein Consulardiptychon, Meyer Zwei antike Elfenbeintafeln [Abh. Akad. München I. Kl. XV. Bd., I. Abt.] n. 31 Taf. 1, 2; auch bei Diehl Justinien 658), war der ältere Sohn des Germanus und der Passara (Procop. bell. Goth. III 89, 14), mithin ein Großneffe Kaiser Iustinians I. ,Wegen seines kühnen und tatkräftigen Charakters’ wurde er, noch ein Knabe, zum Consul für 540 ernannt (Procop. bell. Goth. III 32, 14f.); der Illustrat mit dem Rang eines comes domesticorum (vacans) ist ihm wohl unmittelbar vorher verliehen worden (Consulardiptychon; zur Lesung s. Meyer a. O. 10). In seinem Consulatsjahre begleitete er den Germanus nach Syrien in den Perserkrieg (Marcell. com. z. J. 540, 1. Iord. Rom. 376. Malal. 480 B. Vgl. Procop. bell. Pers. II 6, 9ff.). 548 in die Verschwörung des Arsaces eingeweiht, machte er seinem Vater davon Mitteilung (Procop. bell. Goth. III 32, 15–21) und trug zur Überführung der Verschworenen bei (ebd. III 32, 27. 32. 36), geriet aber ebenso wie Germanus selbst in Untersuchung, in der sie jedoch schuldlos befunden wurden (ebd. III 32, 44) Als Germanus sich im Frühjahr 550 anschickte, nach Italien zu ziehen, begleiteten ihn seine beiden Söhne, die hiebei großen Eifer bewiesen (ebd. III 39, 17). Ende 550 kämpft I. mit vier andern Obersten unter dem Oberbefehl des Scholasticus unglücklich in der Slawenschlacht bei Adrianopel (ebd. III 40, 34ff.) und ist wohl auch an dem diese Kämpfe beendenden Sieg (ebd. III 40, 44f.) beteiligt gewesen. Im Frühjahr 552 kommandiert er mit seinem Bruder Iustinianus und anderen erst wieder gegen die [1331] Slawen in Illyricum, ohne daß sie mit ihrem kleinen Heere viel ausrichten könnten (ebd. IV 25, 1ff.), und dann eine Armee, die den Langobarden gegen die Gepiden Hilfe leisten sollte, jedoch größtenteils nicht zum Schlagen kam, weil sie in Illyricum durch religiöse Unruhen aufgehalten wurde, die unter den Bewohnern der Stadt Ulpiana ausgebrochen waren (ebd. IV 25, 11. 13. 15). Seit 552/3 nimmt I., νεάζων μὲν ἔτι κομιδῇ, τὰ δὲ πολέμια ἤδη πεπαιδευμένος, unter Bessas an dem lazischen Kriege teil (Agath. II 18ff.) und zieht sich mit den anderen Generalen nach der unglücklichen Schlacht bei Telephis auf die vom Phasis und Doconus umschlossene Insel zurück (Agath. II 21). Als hierauf (im J. 554) Bessas abgesetzt wird und Martinus die erste Befehlshaberstelle übernimmt, erhält I. die zweite (Agath. III 2); an der bald darauf erfolgten Ermordung des Gubazes, Königs von Lazistan, ist er unbeteiligt und beklagt sie vielmehr (Agath. III 4). Nach ihrer Niederlage bei Onoguris (Agath. III 5–7) verteidigten die Römer im folgenden Jahre Phasis gegen die Perser, welche Nachoragan befehligte; hauptsächlich durch das Verdienst des I. endete das Unternehmen mit einer völligen Niederlage der Perser (Agath. III 20-28, bes. 25). Im Frühjahr 556 kommandierte I. wieder auf der Insel, von der aus einer seiner Offiziere durch einen gelungenen Handstreich Rhodopolis einnahm (Agath. IV 13.15). Nach der Anfang 557 erfolgten Abberufung des Martinus wurde I. στρατηγὸς αὐτοκράτωρ τῶν τε κατὰ τὴν Κολχίδα χώραν καὶ τῶν ἐν Ἀρμενίᾳ ταγμάτων (Agath. IV 21), d. i. magister militum per Armeniam; Agathias nennt ihn bei dieser Gelegenheit ὀνομαστότατον ἐν τῷ τότε εἶναι δοκοῦντα (vgl. Euagr. V 1). Als Generalissimus verpachtete I. die Proviantlieferungen einem gewissen Johannes, der hiebei die einheimische Bevölkerung furchtbar aussog, was I. umso ruhiger geschehen ließ, als er selbst aus dem gewinnbringenden Unternehmen Nutzen zog (Agath. IV 21f.). Zu Kämpfen kam es nicht mehr (Agath. IV 23), vielmehr wurde bald darauf ein Waffenstillstand geschlossen (Menand frg. 11, FHG IV 206. Agath. IV 30), dem 562 der Friede folgte (Menand. frg. 11. 13, FHG IV 214. 218). Es verlautet nichts darüber, welche Rolle I. bei der innerhalb seines Amtsbezirks erfolgten Niederwerfung der rebellischen Tzanen (Agath. V 1f.) und bei der Verwüstung Armeniens durch die Hunnen (Vict. Tonn. z. J. 559, 2) gespielt hat. Als die Awaren (558?) gegen hohen Sold Bundesgenossen werden zu wollen erklärten, schickte er ihre Gesandten auf Befehl des Kaisers nach Konstantinopel (Menand. frg. 4, FHG IV 203. Vict. Tonn. z. J. 563, 2) und ebenso (562?, vielleicht schon von der Donau) eine zweite Gesandtschaft; diese behielt jedoch der Kaiser auf den Rat I.s, der die verräterischen Absichten der Awaren in Erfahrung gebracht und nach Konstantinopel gemeldet hatte, in der Hauptstadt möglichst lange zurück, und als er sie schließlich mit den gewohnten Geschenken heimsandte, ließ er ihnen auf dem Rückwege durch I. die Waffen, die sie gekauft hatten, abnehmen; ἐντεῦθεν ἤρξατο ἡ δυσμένεια Ῥωμαίων τε καὶ Ἀβάρων (Menand. frg. 9, FHG IV 205). In den letzten Jahren Kaiser Iustinians kämpfte I. erfolgreich gegen die Awaren [1332] an der unteren Donau (Agath. IV 22. Euagr. V 1). Es bestand kein Zweifel, daß er oder Iustinians Schwestersohn, der Curopalates Iustinus, den Thron erben würde; da der mißtrauische Kaiser es unterließ, seinen Nachfolger zu bestimmen, einigten sich die beiden Rivalen nach längerem Streite dahin, daß der von ihnen, der Kaiser werde, dem anderen τὴν δευτέραν χώραν einräumen solle (Euagr. V 1). Als nun Iustin II. am 14. Nov. 565 den Thron bestieg, wurde der Sohn des Germanus nach Konstantinopel berufen, vorgeblich, damit jener Pakt durchgeführt werde; bald aber wurde ihm seine Leibgarde genommen und der Zutritt zum Kaiser verboten (Euagr. V 2), dann wurde er als Augustalis und dux (für das Amt s. Iust. edict. 13 c. 1; daß I. diesen Posten der zweiten Rangsklasse erhielt, obwohl er natürlich fortfuhr, persönlich zur ersten zu gehören, ist nicht weiter auffällig, vgl. z. B. Iust. nov. 13 c. 3 pr.) nach Alexandria verbannt und dort kurz vor dem 3. Oktober 566 – die bald (Euagr. V 3) nach seinem Tode und vielleicht in Zusammenhang mit diesem erfolgte Hinrichtung der Verschwörer Addaeus und Aetherius fand nach Eustrat. v. Eutych., Migne Gr. 86, 2361 an jenem Tage statt – auf Betreiben der Kaiserin Sophia nachts in seinem Bett ermordet (Joh. Biclar. z. J. 568, 2. Euagr. V 2. Theophan. AM 6063). Euagrius, der ebenso für ihn wie gegen Iustin II. eingenommen ist, behauptet, Kaiser und Kaiserin hätten seinen Kopf mit Füßen getreten; ob er, wie die offizielle Version (Joh. Ant. frg. 217 b, FHG V 1 p. 35. Theophan. AM 6063) lautete, sich in eine Verschwörung eingelassen hatte, ist nicht zu entscheiden. – Seine Frömmigkeit bezeugt Agath. III 24.
[Ernst Stein.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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