Inhaltsverzeichnis
I. Bis zur Thronbesteigung.
II. Kaisertitulatur.
III. Innere Geschichte.
IV. Äußere Geschichte.
V. Tod. Bauten. Persönliches.
Iustinus. 1) Iustinus I., römischer Kaiser 518–527.
I. Bis zur Thronbesteigung. Iustinus wurde im J. 450 (so nach Chron. pasch. 617 B., dessen Angabe mit Recht allgemein der des Malal. 424 B., nach welchem er zwei Jahre jünger wäre, vorgezogen wird) in Bederiana, nahe dem heutigen Üsküb, als Kind armer Leute geboren; von den Quellen wird er teils nach der Zugehörigkeit seines Geburtsorts zur Praefectur Illyricum als Illyrier (Procop., Theod. Lect., Zach. Rhet., Theophan.), teils nach seiner Nationalität als Thraker (Malal., Euagr., Chron. pasch., Mich. Syr. II 169 Chabot, Scr. orig. Cpol. I 37, 30. II 238, 59. 254, 120. 273, 183 Preger) bezeichnet. Nachdem er zuerst als Bauer (Procop.) oder Hirt (Zonar.) gelebt hatte, zog er im Jünglingsalter mit seinen Gefährten Zimarchus und Ditybistus, als ganzes Gepäck einen Brotsack auf dem Rücken, nach Konstantinopel, wo sie wegen ihrer körperlichen Vorzüge von Leo dem Thraker (457–474) in eine Gardetruppe, vermutlich den um jene Zeit geschaffenen excubitus, aufgenommen wurden (Procop. anecd. 6, 2f. Zacharias Rhetor 138. 140. 352 Ahrens und Krüger, nach denen im folgenden zitiert wird. Theod. Lect. II 37 = An. Paris. II 108 Cramer = RA 1873 II 400 Miller. Zonar. XIV 5 Bd. III p. 265 Dind. Joh. Ant., FHG V 1 p. 31. Malal. 410 B.). Von der Pike auf dienend (Theod. Lect. = Theophan. AM 6010), brachte es I. unter Anastasius, in dessen isaurischem Kriege (492–497) er als dux (ὑποστράτηγος) erscheint (Joh. Ant. a. O., vgl. Procop. anecd. 6, 5ff.), und an dessen Perserkrieg er mit dem Rang eines comes (scholae candidatorum iuniorum ? so hieß zur Vermeidung des heidnischen Namens wohl schon damals die durch Not. dign. Or. XI 10 bezeugte scola gentilium iuniorum, mit der, wie Cod. Iust. XII 33, 5, 4 und Chron. pasch. 502 B. lehren, die candidati iuniores schon längst identisch waren, vgl. Joh. v. Nikiu Not. et extr. d. mss. XXIV 1, 501, wo zweifellos, wiewohl der Herausgebar Zotenberg es nicht bemerkt hat, die siebente schola gemeint ist) unter dem Magister [1315] officiorum Celer namentlich an den Kämpfen um Amida (im J. 503) teilnimmt (Procop. bell. Pers. I 8, 3. II 15, 7. Zach. Rhet. 111. 138. Theophan. p. 146 de Boor), zum comes excubitorum (Anon. Vales. 76. Iord. Rom. 360. Chron. pasch. 611 B., vgl. Procop. anecd. 6, 11 und Euagr. IV 1, nach welch letzterem es den irrigen Anschein haben könnte, als ob er vielmehr magister officiorum gewesen wäre, was ausgeschlossen ist), Senator (Theod. Lect. a. a. O. = Theophan. AM 6010) und Patrizier (Const. Porphyr. de caerim. I 93). Als comes excubitorum kämpfte er 515 erfolgreich gegen die Flotte des Vitalianus (s. d.) bei Chrysopolis (Joh. Ant., FHG V 1 p. 34, vgl. Mommsen Herm. VI 3581). Indem I. in derselben Eigenschaft – nicht etwa, wie Zach. Rhet. 140 glaubt, als ,Palastverwalter’ (κουροπαλάτης) – die Bestechungsgelder, die ihm der praepositus s. cubiculi Amantius zur Förderung der Thronkandidatur von dessen Neffen, dem Comes domesticorum Theocritus, anvertraut hatte, im eigenen Interesse verwendete, gelang es ihm nach dem Tode des Kaisers Anastasius, seine Wahl zum Kaiser am 10. Juli 518 (das richtige Datum bei Zach. Rhet., s. Krügers Anm. p. 353 zu 139, 31) durchzusetzen (Marcell. com. zum J. 519, 1 = Iord. Rom. 360. Procop. anecd. 6, 11. Theod. Lect. a. a. O. = Theophan. AM 6011. Malal. 410f. B. Euagr. IV 1f. Chron. pasch. 611f. B. Cyrill. Scythopol., v. s. Sabae in Eccl. Gr. Mon. III 325 Cotelerius. Chron. Edess. p. 124 n. 86 Hallier in Texte u. Unters. IX 1. Zach. Rhet. 138–140. Den genauen Bericht über das bei I.s Wahl beobachtete Zeremoniell hat aus des Petrus Patricias Περὶ πολιτικῆς καταστάσεως Const. Porphyr. de caerim. I 93 erhalten; dazu stimmt der Brief, in dem I. dem Papst seine Thronbesteigung notifiziert: Collectio Avellana [in Corp. scr. eccl. Lat. Bd. 35] n. 141. Vgl. auch die Anekdote beim Anon. Vales. 76–78). So wurden die zum Teil sehr fähigen Verwandten des Anastasius übergangen (Procop. bell. Pers. I 11, 1); doch blieb der Familie ihre angesehene Stellung.
II. Kaisertitulatur. Im Eingang seines Briefes coll. Avell. n. 160 heißt der Kaiser victor Iustinus pius felix inclitus triumphator semper Augustus. Die Adresse deo amabili ac piissimo imperatori ex deo Augusto et principi Iustino christianissimo (coll. Avell. n. 232a, 1) ist ebensowenig im strengen Sinne titular wie I Ausdrücke, die vornehmlich durch die collectio Avellana bezeugt sind und in denen meist imperator oder princeps mit einem ehrenden Superlativ, wie clementissimus, serenissimus u. a., verbunden wird; als minder gewöhnlich sei davon christianissimus et iustissimus princeps (coll. Avell. n. 195, 1) und sanctissimus Augustus noster (in einem Briefe Iustinians, coll. Avell. 162, 2) erwähnt. Ein Zeugnis für den Caesartitel bietet nur Petr. Patr. bei Const. Porphyr. de caerim. I 93, Bd. I 429 B., wo I. Αὐτοκράτωρ Καῖσαρ Ἰουστῖνος νικητὴς ἀεὶ Σεβαστός genannt wird; wenn Diehl die von ihm Bull. hell. 1893, 501ff. herausgegebene Inschrift (s. u. S. 1321f.) richtig ergänzt, so nannten sich auf ihr die Kaiser nur impp. Iustinus et Iustinianus Augg. Die Münzen I.s tragen nach dem Schema der Zeit die Legende d(ominus) n(oster) Iustinus p(er)p(etuus) Aug(ustus). [1316] Ob I. wie die Kaiser vor und nach ihm im Titel Siegesbeinamen geführt, und ob er die tribunizische Gewalt gezählt hat, wie noch gelegentlich Anastasius getan hatte (coll. Avell. n. 113. 1), ist nicht zu ersehen, die Führung der tribunizischen Gewalt jedenfalls unwahrscheinlich.
III. Innere Geschichte. Sogleich nach I.s Regierungsantritt erfolgte eine schroffe Abkehr von den Grundsätzen der vorigen Regierung. Kaum zehn Tage nach seiner Thronbesteigung entledigte sich I. des Amantius, der überdies des Manichäismus beschuldigt worden sein soll und nach Zach. Rhet. 141 der Einigung mit Rom widersprach, und des Theocritus; mit ihnen erlitt der Cubicularius Andreas den Tod, während die Cubiculare Misael, den wir als eifrigen Monophysiten kennen (Zach. Rhet. 273), und Ardabur nach Serdica verbannt wurden (Marcell. com. z. J. 519, 2. Iord. a. a. O. Vict. Tonn. z. J. 519, vgl. z. J. 520, 1. Procop. anecd. 6, 26. Malal. a. a. O. und Herm. VI 375. Euagr. IV 2. Chron. pasch, a. a. O. Zach. Rhet. a. a. O. Joh. v. Nikiu a. a. O. 501 Zotenberg, nach dem im folgenden zitiert wird. Theophan. a. a. O. Mich. Syr. II 180 Chabot, der auf Jakob von Edessa zurückgeht; hier werden Amantius und seine Gefährten nachdrücklich als monophysische Märtyrer bezeichnet); einige Monate später wurde aus geheimen Gründen auch der Senator Patricius verbannt, sein Vermögen konfisziert (coll. Avell. n. 167, 7). Den willkommenen, vielleicht bestellten Anlaß zum Sturze des Amantius und seiner Gefährten bot eine Volksbewegung in Konstantinopel, die sich gegen Amantius und den Illustris Marinus richtete (Malal., Herm. VI 375), das Finanzgenie der vorigen Regierung, unter der er Logothet der Praetorianerpraefectur und vielleicht zwischen 512 und 517 praefectus praetorio in comitatu gewesen war. Eine defekte Stelle bei Lyd. de mag. III 51 scheint zu besagen, daß der Einfluß des Marinus unter I. ein Ende fand; andererseits aber steht fest, daß er November – Dezember 519 wieder Praefect gewesen ist (Cod. Iust. V 27, 7. II 7, 25) und daß, wenn er in Ungnade gestorben wäre, Iust. edict. 13, 15 an einer von Valois (zu Euagr. III 42) mit Recht auf diesen Marinus bezogenen Stelle ihn schwerlich als Μαριανὸς ὁ τῆς ἐνδόξου [μνήμης] bezeichnen würde. Dagegen wurden der Patrizier Apio und die gewesenen Magistri militum Diogenianus und Philoxenus, sowie alle andern, die Anastasius verbannt hatte, zurückgerufen (vgl. auch Marcell. com. z. J. 512, 9) und Apio zum praefectus praetorio in comitatu, Diogenianus zum magister militum per Orientem, Philoxenus zum comes domesticorum (s. sein Consulardiptychon bei Diehl Justinien 456; vielleicht im J. 520 als Nachfolger Iustinians) und zum Consul für 525 ernannt (Malal. 411 B. Chron. pasch., a. a. O. Theophan. a. a. O. ex.). Der neue Kaiser stammte aus dem Patriarchatssprengel des römischen Papstes (vgl. Duchesne Byz. Ztschr. I 531ff.) und war dementsprechend ein unbedingter Anhänger der chalkedonischen Orthodoxie (Zach. Rhet. 138. 140. Vict. Tonn. zum J. 518, 2. Theod. Lect. a. a. O. Theophan. AM 6011 in.): daher wurde auch deren Vorkämpfer Vitalianus (s. d.) alsbald nach Konstantinopel geladen, [1317] zum magister militum praesentalis und zum Consul für 520 ernannt, freilich aber, als seine Macht Argwohn erregte, im Juli seines Consulatsjahres auf Betreiben des Iustinianus, des Neffen des Kaisers, bei einem Gelage im kaiserlichen Paläste mit seinem Notar Paulus und seinem Domesticus Celerianus umgebracht (Marcell. com. zum J. 519f. Iord. Rom. 361. Procop. anecd. 6, 27f. Malal. 412 B. und Herm. VI 375, wo der Angabe des Zach. Rhet. entsprechend für κελλάριος vielmehr [καγ]κελλάριος zu lesen sein dürfte; im Anschluß an die dem Vitalianus erwiesenen Ehren erwähnt Malalas hier Zirkusunruhen. Zach. Rhet. 141f., vgl. dazu Krüger 354. Vict. Tonn. zum J. 522. 523, 3. Euagr. IV 3. Joh. v. Nikiu 502. Theophan. AM 6012). Seither übt Iustinianus einen unbeschränkten Einfluß auf die Regierung aus (Procop. bell. Vand. I 9, 5; anecd. 6, 19ff. 9, 50; de aed. I 3, 3. Chron. Edess. n. 92 p. 130f. Hallier.); von den Ministern spielt neben ihm fast nur der quaestor s. palatii Proculus bis zu seinem spätestens 527 erfolgten Tode (cod. Iust. XII 19, 15, 2) eine bedeutende Rolle (Procop. bell. Pers. I 11, 11–19; anecd. 6, 13).
Sofort nach I.s Thronbesteigung erging die kaiserliche Iussion, die allen Bischöfen des Reichs die Annahme des Chalcedonense auferlegte, widrigenfalls sie ihr Amt verlieren sollten; und schon im Dezember 518 ist der kaiserliche magister scrinii memoriae Gratus in Italien, um die Verständigung anzubahnen, zu der es mit dem Papst Hormisdas unter Zustimmung Theoderichs im Laufe der nächsten zwei Jahre kam. Das Henotikon des Acacius wurde vom Ostreich fallen gelassen und selbst die Namen der schismatischen Kaiser Zeno und Anastasius aus den kirchlichen Diptychen entfernt (coll. Avell. n. 167, 11) Der unbeugsame Führer der Monophysiten, Patriarch Severus von Antiochia, wurde abgesetzt und sollte vom Comes Orientis Irenaeus auf Betreiben des eben damals auf dem Gipfel seiner Macht stehenden Vitalianus verhaftet und an der Zunge verstümmelt werden; er flüchtete aber (29. Sept. 518, s. Hallier Texte u. Unters. IX 1. 125f.) noch rechtzeitig, wie schon vor ihm Bischof Iulianus von Halikarnass, nach Ägypten. Noch 52 andere Bischöfe, darunter Leuchten des Monophysitismus, wie Johannes von Tela und Thomas von Dara, wurden vertrieben, und ebenso die monophysitischen Klöster (seit 524) zersprengt, deren Insassen teils getötet, teils verbannt. Die meisten Vertriebenen, darunter die beiden zuletzt Genannten, fanden in der syrischen Wüste eine Zuflucht; sie ,floß von der Menge der Gläubigen über . . ., daß sie gewissermaßen ein Staatswesen von edlen und gläubigen Priestern und der erlauchten Bruderschaft bei ihnen wurde’ (Zach. Rhet. 59). Jedenfalls war die Verfolgung sehr heftig, und kein Wunder, wenn der Kaiser späteren Monophysiten als Justin le terrible (so Joh. v. Nikiu 501), als impie demeure de Satan (so der armenische Übersetzer des Mich. Syr. p. 178 Langl.) galt. Nur in Ägypten unterblieb die gewaltsame ,Einigung’: ,der Stuhl von Alexandrien aber’, sagt Zach. Rhet. (158; vgl. Joh. v. Eph. comm. de beat. Orient. 68 van Douwen und Land), ,war nicht erschüttert worden, [1318] und Timotheus folgte dem Dioskoros’ (Okt. 517, s. Brooks Byz. Ztschr. XII 494ff.) ,und entwich nicht, nahm auch in den Tagen des Iustinos die Synode nicht an, nahm die flüchtigen, gläubigen Priester, die bei ihm Zuflucht suchten, liebevoll auf, ehrte und ermutigte sie’. Im übrigen aber war der Sieg der römischen Kirche fast vollkommen; nur in Personalfragen fügte sich die Regierung nicht allen Wünschen des Papstes, zumal der neue religionspolitische Kurs auch abgesehen von den Monophysiten des Ostens großen Widerständen begegnete. So frondierten z. B. 519–521 skythische Mönche von der Partei des Vitalianus (s. Knecht D. Religions-Politik K. Iustinians 71-85), während andererseits der flüchtige Patriarch Severus von Alexandria aus Beziehungen zu Personen von höchstem höfischem Range, wie der Schwester des Kaisers Anastasius (Joh. Ant. frg. 214 b § 2, FHG V 1, 30), Caesaria, unterhielt (Joh. v. Nikiu 502). Auch der Metropolit von Thessalonike, Dorotheus, gehörte zu denen, welche das neue Glaubensbekenntnis ablehnten, ,und hetzte das Volk gegen die päpstlichen Gesandten, die beinahe gelyncht worden wären, wenn nicht die bewaffnete Macht eingeschritten wäre’ (so Hartmann Gesch. It. I 216. coll. Avell. n. 167, 3f. 186; bes. 225–227. 185, vgl. 213, 7. 208f. 237, 13. – Quellen für die kirchliche Entwicklung unter I.: Cyrill. Scythopol. a. a. O. 326f. Die einschlägige Korrespondenz des Papstes Hormisdas, coll. Avell. n. 141–243. Lib. pont., v. Horm. c. 5-8. Liberat. brev. [Migne L. 68] c. 19. Vict. Tonn. 521, 2. 524. Malal. 411 B. Euagr. IV 4. Theophan. AM 6011, vgl. 6016 p. 169 de Boor. Insbesondere auch Zach. Rhet. 141f. 153. 155–160 und die anderen von Krüger ebd. 353. 355–364 handlich zusammengestellten orientalischen Quellen, sowie Mich. Syr. II 169–190 Chabot, statt dessen Krüger noch den armenischen ,Übersetzer’ benützen mußte). Im ganzen aber konnte Papst Hormisdas zufrieden sein, und die Lobeserhebungen, die er dem Kaiser zuteil werden ließ (coll. Avell. n. 168), waren verdient. Schonungslos verfolgte die Regierung alle nichtkatholischen Kulte. Es ist uns ein Gesetz aus dem Ende der Regierung I.s erhalten (Cod. Inst. I 5, 12), dessen Grundsätze wohl auch in den vorhergehenden Jahren maßgebend gewesen sind. Danach wurden die häretischen Gotteshäuser in katholische umgewandelt; die Manichäer (a. a. O. § 3, vgl. Malal. 423 B. Theophan. AM 6016 p. 171 de Boor) sollten hingerichtet, die übrigen Häretiker von den Ämtern ausgeschlossen und gewaltsam bekehrt werden. Immerhin wurden aber die – meist arianischen – föderierten Goten von der Bestimmung hinsichtlich der Ämter in jenem Gesetz ausgenommen (a. a. O. § 17) – ein Zugeständnis an die von Theoderich unter Führung des Papstes Johannes I. nach Konstantinopel geschickte Gesandtschaft, die der Kaiser selbst mit einer feierlichen Prozession vor der Stadt eingeholt hatte; der Papst feierte in der Sophienkirche das Osterfest (im J. 525. Anon. Vales. 88–91. Marcell. com. zum J. 525. Lib. pont., v. Joh. I., c. 1–4; bei der hier erwähnten ‚Krönung‘ des Kaisers durch den Papst handelt es sich nach W. Sickel Byz. Ztschr. VII 546 um eine höfische Zermonie ohne Bedeutung. Agn. c. 57. Ein Wunder, [1319] das der Papst damals in Konstantinopel vollbracht haben soll, bei Greg. dial. III 2). Im J. 520 hörte wieder ein Überbleibsel des Heidentums, die Feier der Olympischen Spiele in Antiochia, auf (Malal. 417 B.).
Bemerkenswert für die inneren Verhältnisse unter I. sind die Unruhen, welche die Zirkuspartei der Blauen zuerst in Konstantinopel, dann auch in anderen Städten, vor allem in Antiochia, erregte und die fünf Jahre (522–527, vgl. del Boor Byz. Ztschr. I 591ff.) hindurch eine ernste Gefahr für die öffentliche Sicherheit waren. Die Blauen vertrauten mit gutem Grunde darauf, daß die Leidenschaft, mit welcher der Thronfolger Iustinianus sie begünstigte, ihnen Schutz vor Strafe gewährleistete, und verübten an den Anhängern der Grünen Partei und all denen, die sie dafür zu halten beliebten, die ärgsten Gewaltakte: die Grünen schritten natürlich zur Selbsthilfe, so daß es, wenn dem Prokop zu glauben ist, in der Hauptstadt zu völlig anarchischen Zuständen kam. Erst während einer Krankheit Iustinians, die tödlich zu verlaufen schien, ermannte sich die Regierung; im Auftrage des Kaisers schritt der Stadtpraefect Theodotus ὁ Κολοκύνθιος, der vorher als Comes Orientis in Antiochia reichlich Gelegenheit gehabt haben mochte, sich Praxis in solchen Fällen zu erwerben, mit blutiger Strenge ein, büßte aber dafür, als Iustinianus wider Erwarten genas, mit Absetzung (nach Malal, 416 B. im J. 524/5; es trat an seine Stelle der Exconsul Theodorus ὁ Τηγανιστής, an den Cod. Iust. IX 19, 6 vom 1. Dez. 526 adressiert ist, wo P. Krüger die richtige Schreibung der Hs. Theodoro fälschlich in Theodoto geändert hat) und Verbannung nach Jerusalem, und hatte es nur dem Quaestor Proculus zu danken, daß er mit dem Leben davonkam. Es ist begreiflich, daß sich die Behörden diesen Fall zum warnenden Beispiel nahmen und in der Duldung der Exzesse beharrten; erst ein 527 nach Iustinians Erhebung zum Augustus von beiden Kaisern erlassenes Befehlsschreiben, das gegen alle unruhigen Elemente ohne Unterschied der Partei gerichtet war, bewirkte eine Besserung dieser Zustände (Procop. anecd. 7. 9, 35–46. Malal. 416. 422 B. Chron. pasch. 617 B. Joh. v. Nikiu 503, der den Iustinian gar durch Theodotus verhaftet werden läßt. Theophan. AM 6016 p. 170 de Boor. Auf die Maßregeln des Theodotus bezieht sich zweifellos auch Marcell. com. zum J. 523. Vgl. Euagr. IV 32).
I.s Regierung ist reich an verderblichen Elementarereignissen: solche Heimsuchungen waren die Erdbeben, welche Korinth und Dyrrhachium (522?), sowie Anazarbus in Kilikien (525) verheerten, die Zerstörung des osrhoënischen Edessa durch Überschwemmung (22. April 525), wobei nach der übertreibenden Angabe des Elias von Nisibis, der wohl auf Joh. v. Eph. zurückgeht, ungefähr 30 000 Menschen zugrunde gegangen sein sollen, eine jahrelange Dürre und aus dieser sich ergebende Hungersnot in Palästina, in deren Verlauf die Wasserleitungen Jerusalems – der Siloahkanal auf 15 Jahre – versiegten, die durch Blitzschlag verursachte Einäscherung des ‚Salomonischen‘ Tempels in Baalbek, eine große Feuersbrunst in Antiochia (Oktober 525) und vor [1320] allem die furchtbare (5.) Erdbebenkatastrophe dieser Stadt (29. Mai 526), bei der nach der glaubwürdigsten, durch Elias v. Nisib. überlieferten Schätzung an 50 000 Menschen (250 000 nach Malal. 420 B.; Procop. bell. Pers. II 14, 6 rundet diese Zahl gar nach oben auf 300 000 ab) ums Leben kamen; unter ihnen befand sich der Patriarch Euphrasius, an dessen Stelle dann der bisherige Comes Orientis Ephrem gewählt und ordiniert wurde. In den nächsten 1½ Jahren folgten noch in Seleukia und anderwärts verwüstende Erdstöße. Der Staat säumte nirgends mit großzügigen Notstandsaktionen: Anazarbus und Edessa erhielten nach ihrem Wiederaufbau den Namen Iustinopolis (für Edessa ist die Benennung zweifelhaft, s. Hallier Texte u. Unters. IX 1, 130), nach Antiochia wurde zuerst der Comes Carinus mit 500 Pfund Goldes geschickt, um womöglich Verschüttete zu retten und die Ordnung wiederherzustellen, dann mit reichen Geldmitteln die Patrizier Phocas und Asterius, um den Wiederaufbau der Stadt in die Wege zu leiten (Marcell. com. zum J. 526, Procop. bell. Pers. II 14, 6; anecd. 18, 38. 41f. Lyd. de mag. III 54. Theod. Lect., Anecd. Paris. II 109f. Cramer. Malal. 417ff. B. Euagr. IV 5–8. Theophan. AM 6014. 6017–6019. Besonders auch Cyrill. Scythopol. a. a. O. 333–336. Zach. Rhet 141. 154f. und die anderen von Krüger ebd. 353f. zu S. 141, 16. 356f. zitierten und exzerpierten Syrer sowie Elias v. Nisib. I 57 der Übersetzung von Brooks und Mich. Syr. II 179–183 Chabot. – Georg. Mon. p. 626 de Boor und seine Ausschreiber setzen die unter Iustinian fallende Erdbebenkatastrophe von Pompeiopolis [Malal. 436f. B. Theophan. AM 6028] fälschlich unter I.). Daß die Regierung hier nicht knauserte, ist ebenso zu billigen, wie daß sie unter diesen Umständen den pii loci und possessores von Jerusalem eine vexatorische adiectio (vgl. Monnier Nouv. rev. hist. de droit XVI [1892] 133–135) teilweise erließ, deren Aufhebung der sparsame Anastasius auf Betreiben des o. S. 1316 erwähnten Marinus verweigert hatte (Cyrill. Scythopol. a. a. O. 305); freilich aber litten durch das vorübergehende Nachlassen der fiskalischen Schraube schon unter dieser Regierung die Staatsfinanzen, die sich unter der vorhergehenden erholt hatten (vgl. Lyd. de mag. III 51). In der politischen Verwaltung aber scheint man den Wünschen der Bevölkerung weniger entgegengekommen zu sein: der Samaritaner Silvanus, der sich in Skythopolis angeblich, wahrscheinlich als Praeses Palaestinae II (παραδυναστεύοντος ἐν βασιλικοῖς ἀξιώμασι sagt von ihm die Quelle), Bedrückungen der Christen zuschulden kommen ließ, aber gute höfische Beziehungen hatte, wurde in seiner Funktion belassen (Cyrill. Scythopol. a. a. O. 327f., vgl. 340).
Als Gesetzgeber ist I. nur wenig hervorgetreten: das erwähnte Gesetz gegen die Häretiker und die Verfügung gegen die Zirkusparteien fallen erst in die Zeit seiner Samtherrschaft mit Iustinian. Die nicht zahlreichen Gesetze I.s (s. Cod. Iust im Corp. iur. civ. II p. 508 Kr.) betreffen zumeist juristische Gegenstände ohne geschichtliche Bedeutung; eine Ausnahme bildet Cod. Iust. V 4, 23, durch die Adresse an den [1321] Praetorianerpraefecten (in comitatu) Demosthenes zeitlich auf die J. 520–524 bestimmt, ein Gesetz, das dem Iustinianus die Ehelichung der Theodora ermöglichen sollte, indem es verfügt, daß in Hinkunft gewesene Schauspielerinnen und Balletteusen ein matrimonium legitimum mit jedermann ohne Beschränkung eingehen dürfen (vgl. Procop. anecd. 9, 51). Erwähnt sei ferner Cod. Iust. VII 62, 34, gleichfalls an den Praefecten Demosthenes gerichtet, worin bestimmt wird, daß alle von Beamten dem Kaiser unterbreiteten Konsultationen von einem durch sacra pragmatica iussio von Fall zu Fall ernannten Kollegium rechtskräftig zu entscheiden seien, das aus dem jeweiligen Quaestor und duo magnifici viri vel patricii vel consulares vel praefectorii, quos pro tempore nos elegerimus, zu bestehen hat. Interessant ist dann noch ein inschriftlich erhaltenes bilingues Reskript der Kaiser I. und Iustinianus vom 1. Juni 527 (Diehl Bull. hell. 1893, 501ff.; dazu Karlowa Heidelb. Jahrb. VI 215f.). An den Praefectus praetorio Archelaus (seit 524 durch den Cod. Iust. nachweisbar) gerichtet, sichert es den Ländereien, Kolonen, Adskriptiziern, Kuratoren und Konduktoren des Oratorium s. apostoli Johannis in Pamphylien den kaiserlichen Schutz zu: tam a transitu militum vel violentiae prohibitoribus quam ab illis militibus qui sedes prope easdem possessiones habere noscuntur; über die in der Bittschrift des Oratorium vorgebrachten Beschwerden wird der rector provinciae eine Untersuchung halten und, falls sie auf Wahrheit beruhen, unter strenger Bestrafung der Schuldigen die Wiedererstattung des geraubten Besitzes veranlassen. Mit Recht erkennt der Herausgeber Diehl in dieser Inschrift den Vorläufer der legislativen Maßnahmen, durch die Iustinian – ohne durchgreifenden Erfolg – seine Untertanen vor der Gewalttätigkeit der Truppen und großen Feudalherrn zu schützen sich bestrebt hat; die violentiae prohibitores oder βιοκωλύται (so nennt sie auch der griechische Text unserer Inschrift) sind jene Polizeitruppe, die eine Novelle Iustinians wegen ihrer Ausschreitungen μᾶλλον δὲ λωποδύτας nennt (Diehl a. a. O. 513ff.).
IV. Äußere Geschichte. Die auswärtige Politik I.s zeigt insbesondere in der zweiten Hälfte seiner Regierung vielleicht am deutlichsten den überragenden Einfluß Iustinians. Die neue Religionspolitik ist zunächst ohne expansive Absichten des Reichs inauguriert worden; das beweist der Umstand, daß gleichzeitig die kaiserliche Regierung die Beziehungen zum italienischen Königreich so innig gestaltete, wie sie es noch nie gewesen waren. I. adoptierte den gotischen Thronfolger Eutharich durch Waffenleihe (Cassiod. var. VIII 1, 3); am 1. Januar 519 traten Fl. Iustinus Augustus in Konstantinopel, Fl. Eutharicus Cillica in Rom ihr gemeinsames Consulat an (Liebenam Fasti cons. 54). Im Herbst desselben Jahres verhandelt der nach Italien geschickte kaiserliche tribunus et notarius Eulogius mit Theoderich super negotiis quibusdam {coll. Avell. n. 199, 2). Die herzlichen Beziehungen zwischen den beiden Höfen dauerten jedenfalls bis 522; damals erhielten auf Grund eines Übereinkommens zwischen I. und Theoderich die beiden [1322] jugendlichen Söhne des Boöthius das Consulat (s. Hartmann o. Bd. III S. 601). Es scheint, daß erst der Tod des Vandalenkönigs Trasamund im J. 523 der kaiserlichen Außenpolitik eine andere Richtung gegeben hat. Trasamunds Nachfolger, der alte Hilderich, ein Enkel Kaiser Valentinians III. und Katholik, erblickte im Kaiser den Schutzherrn gegen sein eigenes arianisches Volk, während das bisherige Bündnis mit Theoderich durch die Ermordung der Königinwitwe Amalafrida, einer Schwester des Ostgotenkönigs, in brutaler Weise aufgehoben wurde, so daß die beiden germanischen Reiche fortan auf äußerst gespanntem Fuße standen. Ein unbedingter Bewunderer der byzantinischen Kultur zog Hilderich selbst die natürlichen Emissäre der kaiserlichen Politik an seinen Hof, denen die pénétration pacifique des Vandalenreichs zufiel (vgl. Procop. bell. Vand. II 5, 7f.); als Werkzeug in den Händen Iustinians (bell. Vand. 19, 5) zögerte er nicht die Oberhoheit des Kaisers auch äußerlich dadurch anzuerkennen, daß er auch auf Silbermünzen dessen Bild setzte (Cat. Brit. Mus., Vandals usw. p. 13, lf.). Wenigstens sachlich mit Recht beschuldigte ihn später Gelimer als Ἰουστίνῳ βασιλεῖ καταπροδιδόντα τὸ τῶν Βανδίλων κράτος (bell. Vand. I 9, 8). Daß die kaiserliche Regierung bei der von Hilderich verfügten Hinrichtung der Amalafrida ihre Hand im Spiele ehabt hätte, läßt und ließ sich freilich nicht beweisen; aber es mußte den Gotenkönig erbittern und mit Argwohn erfüllen, wenn er die innigen Beziehungen sah, die der Mörder seiner Schwester mit Konstantinopel unterhielt. Daß gleichzeitig unter dem Druck der katholischen Franken die lange Agonie des Burgunderreichs in ihr letztes Stadium trat, daß die oströmische Regierung nach Herstellung des Einvernehmens mit der römischen Kirche zur intensiven Verfolgung der Ketzer schritt, unter denen sich seine Glaubensgenossen befanden, mußte die Nervosität des Regenten von Italien und Spanien noch erhöhen; andererseits wurde die Spannung zwischen den Höfen von Konstantinopel und Ravenna durch die terroristischen Willkürakte gesteigert, die sich Theoderich in seinen letzten Lebensjahren gegen seine katholischen Untertanen zuschulden kommen ließ. Das Verhalten des Papstes Johannes auf der schon erwähnten Gesandtschaft, zu der ihn der König gezwungen hatte, und deren Aufgabe gewesen war, den Kaiser zur Einstellung der Arianerverfolgung zu bewegen, hatte zur Folge, daß Johannes nach seiner Rückkehr verhaftet wurde und im Kerker starb; die Zugeständnisse, die der Kaiser gemacht hatte, befriedigten offenbar Theoderich nicht. Immerhin kam es jetzt noch nicht zum offenen Konflikte, und nach Theoderichs Tode (26. Aug. 526) beeilte sich Amalasuntha, im Namen des kleinen Athalarich den Kaiser der tiefen Ergebenheit der neuen italienischen Regierung zu versichern (Cassiod. var. VIII 1).
Sehen wir so unter I. im Westen die großen Verwicklungen sich vorbereiten, die das Zeitalter Iustinians erfüllen werden, so bietet der Osten dasselbe Schauspiel. Der alte Perserkönig Kawad hatte mit inneren Schwierigkeiten genug zu tun (s. Diehl Justinien 210), so daß er loyal den [1323] seit 506 bestehenden Frieden zu wahren bemüht war; für den im Herbst 519 erfolgten Einfall des Lachmiden Mundar von Hira (Anecd. Syr. I 13 Land. Elias von Nisib. I 5 Brooks), seines mächtigen Vasallen, war offenbar Kawad nicht verantwortlich (anders Rothstein Die Dyn. d. Laẖmiden 79), wie der Umstand beweist, daß von diesbezüglichen Rekriminationen römischerseits gegenüber den Persern überall nichts verlautet, und daß die Verhandlungen, die der kaiserliche Gesandte Abraham im J. 524 mit Mundar führte, ohne Vermittlung der persischen Regierung stattfanden; sie kamen übrigens insofern zu einem günstigen Ergebnis, als Munpar sich zur Freigabe der von ihm gefangenen Duces Timostratus und Johannes verstand (Nonnosus, FHG IV 179. Zach. Rhet. 143. Procop. bell. Pers. I 17, 44). – Die oströmische Regierung dagegen konnte, solange sie im Westen noch keine expansiven Ziele verfolgte, sich unbehindert die Verlegenheiten der persischen zunutze machen. Das tat sie, als der König von Lazistan (Mingrelien), Damnazes, starb. Der König der Lazen war damals persischer Vasall, der vom Großherrn die Investitur empfing, wiewohl er von den Zeiten des Theodosius (höchstwahrscheinlich d. Gr.) bis auf Leo den Thraker unter römischer Oberhoheit gestanden sein soll (vgl. Menand. frg. 11, FHG IV 217): es war ein großer Erfolg der byzantinischen Diplomatie und der Kirche, als unmittelbar nach des Damnazes Tode dessen Sohn Tzathius im J. 522 (so Chron. pasch.; nach Theophan. im J. 523) in Konstantinopel sich einfand, sich dort taufen ließ und um die Belehnung durch I. ansuchte. Bereitwillig entsprach der Kaiser seinem Wunsche, gab ihm, damit Tzathius noch fester an das Reich gekettet werde, eine Patriziertochter Valeriana zur Frau und entließ den beglückten Barbaren mit ihr und mit reichen Geschenken in sein Land. (Malal. 412f. B. Chron. pasch. 613f. B. Theophan. AM 6015). Dieses kann seitdem als mit geringen Unterbrechungen tatsächlich zum Reiche gehörig betrachtet werden, bis im Frieden von 562 Chosrau Nuschirwan auch formell und definitiv darauf Verzicht leistete; die Wichtigkeit dieses Besitzes lag vor allem darin, daß jetzt den Persern der Zugang zum Schwarzen Meer abgeschnitten war. Natürlich legte Kawad Protest ein, aber ohne Erfolg, und vorübergehend wurden die Beziehungen der beiden Staaten krisenhaft (Malal. 413f. B. Chron. Pasch. 614ff. B. Etwas abweichend Theophan. AM 6015 p. 169 de Boor; vgl. die Episode des Hunnenhäuptlings Zilgibi bei Malal. 414f. B. Chron. pasch. a. a. O. Theophan. AM 6013, die ich mit Holmes The age of Justinian and Theodora I 313 hierher setzen möchte). Diesmal wurde der Bruch aber noch vermieden, da Kawad, um für die Zukunft die Stellung seines dritten Sohnes Chosrau, den er zu seinem Nachfolger erkoren hatte, zu festigen, sehnlichst darnach strebte, den Chosrau durch Kaiser I. adoptieren zu lassen, und um diesen Preis zu allen möglichen Zugeständnissen bereit war; seine Absichten waren offenbar ähnlich denen, welche seinerzeit den Arcadius veranlaßt hatten, Jezdegerd I. zum Vormund des jungen Theodosius II. zu bestellen (Procop. bell. Pers. I 2, 6f.). Iustinian, dessen [1324] diplomatisches Interesse seit 523 auf den Westen gerichtet war und dem deshalb Verwicklungen im Osten nicht willkommen sein konnten, war bereit, Kawads Wunsch zu erfüllen, ebenso der Kaiser; der Quaestor Proculus dagegen, der für nützlich halten mochte, die augenblickliche Schwäche der persischen Regierung rücksichtslos auszubeuten, stimmte den Kaiser und dessen Neffen um, indem er die Befürchtung äußerte, Chosrau könnte dereinst aus seiner Sohnschaft Ansprüche auf die Nachfolge nach I. geltend machen. In den Verhandlungen, die mit den Persern an der Grenze geführt wurden, erklärten nun die römischen Bevollmächtigten, der Patrizier und Magister militum per Orientem Hypatius, Neffe des Kaisers Anastasius, und der Patrizier Rufinus, ihrer Instruktion gemäß, die Adoption könne nicht nach römischer Art, sondern, da Chosrau Barbar sei, nur durch Waffenleihe erfolgen; da die Perser, wie zu erwarten war, diese Gleichstellung des künftigen Königs der Könige mit dem Erben des mit der Regierung Italiens betrauten kaiserlichen Magister militum voll Entrüstung zurückwiesen, zerschlugen sich die Verhandlungen, und Chosrau, der schon nach Nisihis gekommen war, um nach Abschluß des Übereinkommens nach Konstantinopel zu reisen, kehrte wutschnaubend um (Procop. bell. Pers. I 11, 2–30. Theophan. AM 6013; wahrscheinlich im J. 524. Warum Benjamin o. Bd. IX S. 242, allerdings zweifelnd, diese Unterhandlungen ins J. 521 setzt, indem er, gegen das Zeugnis Prokops, der sie offenbar nach der lazischen Angelegenheit stattfinden läßt [bell. Pers. I 11, 31], dem für diese Zeit chronologisch höchst unzuverlässigen Theophanes folgt, ist mir nicht klar). Wie ehrlich es die Perser gemeint hatten, erhellt daraus, daß der eine ihrer Bevollmächtigten den andern beim König anklagte, er habe dadurch, daß er die lazische Angelegenheit eigenmächtig zur Sprache brachte, das Scheitern des Planes herbeigeführt und hierbei nach einer geheimen Übereinkunft mit Hypatius gehandelt, der seinem Souverän feindlich gesinnt sei; der beschuldigte Perser wurde verurteilt und hingerichtet. Dagegen endete die Anklage, die Rufinus gegen seinen Kollegen beim Kaiser erhob, nur damit, daß Hypatius vom Magisterium militum per Orientem enthoben wurde (Procop. bell. Pers. I 11, 31–39); doch schon 527 wurde er wieder zu diesem Posten ernannt (Malal. 423 B. Theophan. AM 6016 p. 170f. de Boor). Daß die Weigerung des Kaisers, den Persern einen im Frieden von 506 (Lyd. de mag. III 53) vertragsmäßig stipulierten Beitrag für die Instandhaltung der Befestigungen von Caspia zu leisten, die ebensowohl das römische wie das persische Reich gegen Norden schützten, den Kriegszustand herbeigeführt hätte (so Lindner Weltgesch. I 168, vgl. Diehl Justinien 210 und Güterbock Byzanz und Persien 38. 43, der den Frieden von 506 ignoriert), scheint nicht der Fall zu sein. Die meisten Quellen, darunter die wichtigste, Prokop, schweigen davon und Zach. Rhet. 157f. kontaminiert möglicherweise die oben erwähnten Verhandlungen bei Procop. bell. Pers. 111 mit den von diesem bell. Pers. I 16 zum Winter 530/1 berichteten zwischen Kawad und Rufinus; dafür [1325] spricht, daß Procop. a. a. O. I 11 nichts von Verhandlungen über die πύλαι Κάσπιαι erzählt, wohl aber I 16, 4ff. (§ 9 dürfte die Zahlung der jährlichen 500, bezw. [vgl. die an sich unmöglichen Summen bei Mich. Syr. II 178 Chahot und Barhebr. 81 Kirsch] 550 Pfund betreffen), und daß Zach. Rhet. die Guzzije des Lachmiden Mundar nach Koilesyrien, die in Wirklichkeit im März 529 stattfand (Malal. 445 B. Theophan. AM 6021 p. 178 de Boor), unmittelbar an seinen Verhandlungsbericht anschließt, während Prokop (a. a. O. I 17, 1f. 30ff. 18, 1–12) auf Mundars für die Römer so schreckliche Tätigkeit unmittelbar nach dem Bericht über die Verhandlungen von 530/1 zu sprechen kommt und Mundar jedenfalls eben damals eine besonders hervorragende Rolle spielte. Daß Zach. Rhet. in den Namen der Unterhändler irre, meint auch Krüger p. 361 d. Ausg., der aber unzutreffend die Identität der von Zach. Rhet. und von Procop. a. a. O. I 11 erzählten Verhandlungen behauptet. Hält man, statt eine solche Kontamination anzunehmen, an der Richtigkeit des von Zach. Rhet. Erzählten fest, so dürfte es sich um eine von Prokop übergangene fruchtlose Friedenskonferenz handeln; der Syrer berichtet sie, nachdem er schon früher (154f.) das antiochenischc Erdbeben von 526 erzählt hat, und nennt als einen der römischen Unterhändler den Hypatius; beides würde darauf führen, daß diese Konferenz ins J. 527 gehört, als Hypatius neuerlich Magister militum per Orientem geworden war (s. o.); er blieb es bis April 529 (Malal. 445 B. Theophan. AM 6021 p. 178 de Boor). Mit der Verwüstung von Arzanene wären dann die gleich zu erwähnenden Züge des Sittas und Belisarius, mit der Schädigung des Gebiets von Nisibis der des Libelarius gemeint, wie denn auch die persischen Araber unter Mundar gewiß schon damals das römische Gebiet belästigt haben werden. Wahrscheinlich wurden daher jene Zahlungen, deren säumige Leistung allerdings schon fortgesetzt diplomatische Kontroversen veranlaßt haben mochte (vgl. Lyd. de mag. III 51 ex.), erst gänzlich eingestellt, als der Krieg wirklich ausbrach.
Die Feindseligkeiten wurden, ohne daß es zu einer förmlichen Kriegserklärung gekommen zu sein scheint, dadurch eröffnet, daß die römische Regierung den Gurgenes, König des christlichen Volkes der Iberer, offen unterstützte, als er sich wegen angeblicher oder wirklicher religiöser Vergewaltigung gegen seinen Suzerän Kawad empört hatte. Die freie Griechenstadt Bosporus (Kertsch) hatte sich kürzlich dem Kaiser I. unterworfen; jetzt wurde der Patrizier Probus, wieder ein Neffe des Kaisers Anastasius, dorthin geschickt, um aus den umwohnenden Hunnen ein Heer zur Unterstützung der Iberer anzuwerben. Zwar gelang ihm das nicht, und die hunnische Streitmacht, die dann unter dem Magister militum Petrus nach Lazistan geschickt wurde, war zu schwach, als daß sie die Offensive hätte ergreifen können; so zog sich denn Gurgenes vor einem überlegenen persischen Heere unter Boës auf sie zurück. Die Schwierigkeiten des Terrains mehr noch als der bewaffnete Widerstand bewirkten, daß die nach Lazistan vorgedrungenen Perser [1326] nichts ausrichteten; Gurgenes aber begab sich mit seiner Familie nach Konstantinopel, wohin auch Petrus zurückkehrte, nachdem er (bell. Pers. II 15, 6) durch seine Bedrückungen sich den Haß der Lazen zugezogen hatte (wahrscheinlich im J. 525). Jetzt wurde ein Heer unter Irenaeus nach Lazistan geschickt und dort, sehr zum Mißvergnügen der Lazen, die beiden festen Plätze an der iberischen Grenze, Skanda und Sarapanis (so nennt sie Procop. bell. Goth. IV 13, 15; vgl. Iust. nov. 28, pr. und Menand. frg. 11, FHG IV 216, bei dem sie Σκένδεις und Σάραπα heißen), von den römischen Truppen besetzt, während die autochthone Besatzung entfernt wurde. Ein anderes Heer unter Sittas und Belisarius, die hier zum erstenmal in der Geschichte erscheinen, unternahm zwei Einfälle nach Persarmenien, deren erster das Land wehrlos traf; erst auf dem zweiten trat ihnen ein persisches Heer entgegen und zwang sie zum Rückzug. Eine dritte Armee unter Libelarius griff Nisibis an; ihre schimpfliche Niederlage hatte die Abberufung des Libelarius und die Ernennung Belisars zum Dux Mesopotamiae zur Folge (im J. 526. Procop. bell. Pers. I 12). Beim Tode I.s war der Perserkrieg in vollem Gange.
Wie stets bei den Oströmern ging auch damals die Diplomatie mit der christlichen Mission Hand in Hand. Unter I. befand sich ein monophysitischer Bischof aus dem Lande Arran (Albanien) namens Kardust (Theocletus) mit sechs andern Priestern um dieselbe Zeit, als der oben erwähnte Probus zur Anwerbung von Hunnen nach Bosporus und vermutlich auch in die nahegelegenen Gegenden Kaukasiens gekommen war, bei den hunnischen Sahiren und missionierte daselbst erfolgreich mit eifriger Unterstützung des Probus; Schriften, jedenfalls religiösen Inhalts, wurden von ihnen ins Hunnische übersetzt. In solchen Fällen fragte die Regierung wenig nach der dogmatischen Nüancierung ihrer geistlichen Helfer: Probus berichtete nach Konstantinopel und der Kaiser befahl daraufhin, die Missionare reichlich mit Bedarfsgegenständen und Kultgeräten zu versorgen. Bald (528) konnte das Reich aus diesen Beziehungen politischen und militärischen Nutzen ziehen (Zach. Rhet. 254f. und Krüger 333; vgl. Malal. 430f. B. Diehl Justinien 376f.). Auch im fernen Abessinien und Yemen entfalteten damals byzantinische Politik und Religion eine rege gemeinsame Tätigkeit, s. Diehl Justinien 392–394. Steindorff und Kampffmeyer o. Bd. V S. 2327f. Tkač o. Bd. VIII S. 2186.
V. Tod. Bauten. Persönliches. Der kinderlose Kaiser hatte seinen Neffen Iustinianus der Reihe nach zum comes domesticorum, magister militum praesentalis, Patrizier, Consul und Nobilissimus gemacht; schließlich adoptierte er ihn (vgl. Cod. Iust. I 5, 18, 4. II 7, 29, pr. Iust. nov. 28. 4, 2; 60, 1, 1; 74, 3; 89, 7. 11, 2; 97, 2; 109, pr.; 124, 4) und verstand sich – nach einigem Zögern (vgl. Vict. Tonn. zum J. 525. Zonar. XIV 5, Bd. III p. 269 Dind.) und schon krank (vgl. de caerim. I 95. Cedren. I 641 B. Zonar. a. a. O.) – dazu, ihn zum Augustus und vollberechtigten Mitherrscher, dessen Gattin Theodora zur Augusta zu erheben (am 1. April 527; nur [1327] Cedren 641 B. gibt den 14. April). Vier Monate später, am 1. August 527, ist I., 77 Jahre alt (s. o. S. 1314), an den Folgen eines Geschwürs am Fuße, das er sich auf einem seiner Feldzüge durch eine Pfeilwunde zugezogen hatte (Malal. Chron. pasch.), gestorben (Marcell. com. zum J. 527. Iord. Rom. 362. Procop. anecd. 9, 52ff. Malal. 422. 424 B. Chron. pasch. 616f. B. Theod. Lect., Anecd. Paris. II 109 Cramer. Cyrill. Scyth. a. a. O. 337. Euagr. IV 9. Theophan. AM 6019.1 Zach. Rhet 165. 168 [gibt als Todesdatum Ende Juli]. Chron. Edess. n. 101 p. 135 Hallier [in Texte u. Unters. IX 1; gibt als Todesdatum den 10. August]). Nach dem Logotheten (Leo Gramm. 124 B.) und Cedren. I 642 B. wurde er wie seine ihm im Tode vorausgegangene Gemahlin, die Kaiserin Euphemia (s. Benjamin o. Bd. VI S. 1167), im Frauenkloster ,der Augusta’, das er mit jener zusammen begründet hatte, begraben (s. aber Scr. orig. Cpol. II 273, 183 Pr., wonach nur die Kaiserin dort begraben war). Bei dieser Gelegenheit seien die übrigen Bauten erwähnt, die sicher unter I. in Konstantinopel errichtet worden sind; allerdings ist nicht I., sondern in seinem Namen Iustinian ihr wirklicher Urheber gewesen. Hierher gehören außer der gründlichen und prächtigen Renovierung der Theotokoskirche in den Blachernen (Procop. de aedif. I 3, 3–5; über sie vgl. Oberhummer o. Bd. III S. 555) die auf Wirkung in edlem Material berechnete Kirche des hl. Acacius, die Kapelle des Märtyrers Plato nahe dem Forum Constantini, die große Kirche des Märtyrers Modus, die Kapelle des Märtyrers Thyrsus, endlich die Kirchen der Heiligen Theodorus in der Vorstadt Besion, Thecla beim Portus Iuliani und Theodota im Hebdomon (Procop. de aedif. I 4, 25–29), vielleicht auch noch die Kirche des hl. Agathonicus (ebd. § 30f.).
I. ist zweimal, 519 und 524, Consul gewesen. Außer Anazarbus und Edessa (s. o. S. 1320) erhielt später eine von Iustinian I. in Illyrien bei Secunda Iustiniana erbaute Stadt ihm zu Ehren den Namen Iustinopolis (Procop. de aedif. IV 1, 30). Wohl auch unter Iustinian sind ihm und sieben seiner Verwandten in der Vorhalle des Chalkepalastes teils aus Marmor, teils aus Erz Standbilder errichtet worden (Scr. orig. Cpol. I 52, 44 a).
I. war, wie seine erstaunliche Laufbahn beweist, durchaus keine Null. Seine Tüchtigkeit im Kriegswesen wird in der Überlieferung, wenn auch zum Teil widerwillig, anerkannt (Lyd. de mag. III 51. Malal. 410 B. Joh. v. Eph., Rev. de l’Or. chrét. 1897, 467 Nau, wo er brave guerrier genannt wird). Seine einstige Körperschönheit (Procop. anecd. 6, 3) bewahrte er sich auch im Alter (Zach. Rhet 138. 140, Malal. a. a. O.); er war schlank (λεπτοειδής, Scr. orig. Cpol. I 52, 44a) und mehr als mittelgroß (Malal. a. a. O , wenn hier mit Chilmeadus ἡλικίᾳ ἦν διμοιριαῖος auf den Wuchs und nicht vielmehr auf das Alter von 66 Jahren [= zwei Generationen] zu beziehen ist, in dem nach des Malalas Meinung I. bei seinem Begierungsantritt stand); auch daß sein wollig gekräuseltes Haar im Alter völlig grau (nach Zach. Rhet. weiß) war und seine Gesichtsfarbe eine gesunde Röte [1328] zeigte, wird man dem Malalas vielleicht glauben können, der ihn ferner als εὔστηθος und εὔρινος bezeichnet. Die Münzbilder gestatten nicht, diese Angaben zu kontrollieren; unter ihnen scheint das im Cat. imp. byz. coins des Brit. Mus. Bd. I Taf. II unter nr. 12 abgebildete relativ noch am ausdrucksvollsten zu sein. Überall erscheint I. bartlos (Cat. imp. byz. coins I p. 11–24). Gleich dem Habsburger Matthias – zwischen beiden lassen sich noch andere Parallelen ziehen – verwandelt sich jedoch I. von dem Augenblicke an, in dem er das Ziel seines Ehrgeizes erreicht hat, aus einem rührigen Intriganten in einen müden und kraftlosen Greis. Daher kommt es, daß manche Quellen sich in verächtlichen Urteilen über diesen Herrscher überbieten. ,Unfähig, seinen Untertanen Gutes oder Böses zu tun, einfältig, bäuerisch, nicht imstande, zu sprechen’ (anecd. 6, 18), ,von allen mißachtet, weil er von den Geschäften nichts verstand’ (anecd. 9, 50, vgl. anecd. 6, 12. 8, 2; bell. Vand. I 9, 5), ,über die Maßen dumm und am ähnlichsten einem faulen Esel, danach geartet, dem zu folgen, der ihn am Zaum zieht, während er dazu mit den Ohren mächtig wackelt’ (anecd. 8. 3), ,mit einem Fuß im Grabe stehend’ (anecd. 6, 11, vgl. anecd. 9, 50; bell. Vand. a. a. O.) – so schildert ihn Prokop; als untätigen Menschen, der ,rein nichts außer dem Kriegswesen verstand’, I bezeichnet ihn Lyd. de mag. III 51: dénué d’intelligence nennt ihn der allerdings phantasiereiche armenische Übersetzer des Mich. Syr. 175 Langl., während Mich. Syr. selbst (II 169 Chabot) ihn nur als simple und ohne theologische Bildung bezeichnet. Um seine Unterschrift zu vollziehen, mußte er sich wie Theoderich einer Schablone bedienen – seinem einfachen Sinn genügte eine hölzerne, während die des Goten aus Gold war –, in der die Buchstaben L E G I ausgeschnitten waren (Procop. anecd. 6, 11ff. Vgl. Malal. a. a. O. Lyd. a. a. O. Zach. Rhet. 138. 140. Joh. v. Eph. a. a. O. [homme simple]. Mich. Syr. a. a. O. Infolge einer einleuchtenden Erwägung des Archimandriten Evstratiu bei Gelzer Byz. Ztschr. XII 500 brauchen wir jedoch dem Prokop nicht zu glauben, daß der Kaiser ein wirklicher Analphabet gewesen sei). So unwissend wie I. ist keiner seiner Vorgänger gewesen und von den Kaisern nach ihm höchstens Basilius der Makedonier und vielleicht auch Phocas. Unter diesen Umständen ist der überragende Einfluß, den der Quaestor Proculus auf den Gang der Geschäfte übte (Procop. anecd. 6, 13), wohl zu verstehen, ebenso die schon (o. S. 1317) erwähnte Tatsache, daß der wirkliche Herrscher Iustinian war. Aber gerade der Werdegang von I.s großem Nachfolger zeigt, daß v. Scala (Helmolts Weltgesch. V 1, 38) zu Unrecht aus den mit I.s Bild und Legende geprägten, teilweise allerdings sehr rohen Münzen den ,aller Kultur verschlossenen Sinn’ des Kaisers erkennen will – abgesehen davon, daß v. Scalas Tadel nur für einen Bruchteil der Prägung zutrifft, daß diese Münzen möglicherweise gar nicht kaiserlichen, sondern barbarischen Prägstätten entstammen (s. Wroth Cat. byz. coins I p. 11 Anm. 2), und daß man aus solchen Indizien kaum etwas für die Persönlichkeit eines Herrschers entnehmen kann. Von anderer [1329] Seite ist vielmehr zutreffend bemerkt worden, daß die vorzügliche Erziehung, die I. seinem Neffen zuteil werden ließ, den Schluß erlaubt, daß der unwissende Soldat den Wert der Bildung, die er selbst nicht besaß, wohl zu schätzen wußte (Diehl Justinien 5f.), worauf vielleicht auch die künstlerische Tätigkeit des Malers Marinus aus Apamea hinweist (Zach. Rhet. 140; s. u.). Den oben (S. 1325) erwähnten Feldherrn Petrus hatte I. im Perserkrieg des Anastasius als Kind gefangen genommen; auch ihn ließ er sorgfältig unterrichten und machte ihn später zu seinem Sekretär und, als er Kaiser wurde, zum dux (Procop. bell. Pers. II 15, 7f. Eine andere großmütige Handlung, die vom Logotheten [Leo Gramm. 125 B.] und Cedren. 637 B. dem I. zugeschrieben wird, hat vielmehr Iustinian vollbracht, Malal. 439f. B.).
Der zweifellos aufrichtigen römisch-katholischen Glaubensmeinung des Kaisers ist schon Erwähnung geschehen (o. S. 1316); dem Papste Hormisdas hat er reiche Geschenke nach Rom gesandt (Lib. pont. v. Horm. c. 10). In seiner öffentlichen Moral endlich war I. nicht besser und nicht schlechter als die meisten seiner Zeitgenossen. Wegen eines unbekannten Delikts war er im Isaurischen Kriege auf Befehl des ihm vorgesetzten Feldherrn Johannes ὁ Κυρτός verhaftet worden und sollte hingerichtet werden, wovor ihn nur ein dreimal wiederholtes Traumgesicht des Johannes bewahrt haben soll (Procop. anecd 6, 5ff.). Jener Maler Marinus, der nach I.s Thronbesteigung für ein öffentliches Gebäude den Lebenslauf des Kaisers darstellte, geriet «einer Gemälde wegen vorübergehend in Ungnade und Gefahr (Zach. Bhet 140l – vielleicht deshalb, weil er hinsichtlich der unliebsamen Zwischenfälle im Vorleben seines Helden nicht die gebotene Diskretion beobachtet, hatte.
[Ernst Stein.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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