2) Iustinianus, der jüngere Sohn des Germanus und der Passara (Procop. bell. Goth. III 39, 14), mithin ein Großneffe Kaiser Iustinians I., hatte 548 noch kein Amt bekleidet (Procop. bell. Goth. III 32, 17); auch ist er frühestens 525 geboren, da er 575 nach Joh. Epiphan., FHG IV 276, von Alter und Jugend gleich weit entfernt war und sein älterer Bruder Iustinus bell. Goth. III 32, 14 zum J. 548 als νεανίας μὲν ὢν καὶ πρῶτον ὑπηνήτης bezeichnet wird. Im Frühjahr 550 betätigten sich beide Brüder eifrig bei dem Heere, das Germanus nach Italien führen sollte (bell. Goth. III 39, 17). Nach dem Tode seines Vaters sollte I. mit Johannes, dem Neffen des Vitalianus, nach Italien ziehen und begab sich auch mit diesem nach Salona (bell. Goth. III 40, 10f.), kommandiert aber statt dessen im Frühjahr 552 mit seinem Bruder und andern gegen die Slawen in Illyricum (bell. Goth. IV 25, 1); kurz darauf finden wir ihn, wieder mit Iustinus, unter den Befehlshabern des Heeres, das den Langobarden gegen die Gepiden Hilfe leisten sollte (s. den Art. Iustinus Nr. 7). Im Februar 572 (s. Steph. v. Taron p. 60 Gelzer und Burckhardt, wo aber statt ,am 22sten‘, vielmehr ,am 2ten‘ zu lesen ist, wie Akinian, Handes Amsorya 1913, 79 in einer Untersuchung zeigt, deren Kenntnis ich dem hw. Mechitaristen Al. Matikian verdanke; die Stelle ist also chronologisch einwandfrei. Das J. 571/72 gibt auch Sebeos p. 4f. Macler. und zu beiden Armeniern stimmen Menand. frg. 36 in., FHG IV 238 und Joh. Epiphan. c. 2, FHG IV 273) unterstützte er, mit dem Rang eines Patriziers bekleidet, von Theodosiopolis aus (also offenbar als magister militum per Armeniam) den Aufstand von Persarmenien (und Iberien) gegen die Sassanidenherrschaft (Joh. v. Eph. II 20, p. 63 der Übersetzung von Schönfelder, die im folgenden ,Sch.‘ zitiert wird. Den Patriziat bezeugen ferner für 575ff.: Joh. v. Eph. p. 222f. 234. 241 Sch. Joh. Epiphan., FHG IV 276; vgl. Theophyl. III 12, 6). Die armenischen Insurgenten unter Vardan Mamikonian konnten sich in Duin, wo sie den persischen Marzban Cihor-Wšnasp aus dem Geschlechte Suren ermordet hatten, nicht halten; sie flohen auf römisches Gebiet und unterwarfen sich dem Kaiser, worauf römische Truppen mit ihnen gegen Duin zogen und die Stadt eroberten. Weil bei dieser Gelegenheit die dortige Gregorskirche, wohl durch die Schuld der Römer, in Flammen aufging, gerieten die Armenier gegen die Kaiserlichen in große Erregung, die sich zwar legte, aber, wie es scheint, die Abberufung des erfolgreichen Patriziers nach sich zog; wenigstens ist noch im selben Jahre ein Johannes nachweisbar, der nur [1311] der römische Magister militum per Armeniam sein kann (vgl. Sebeos p. 5 Macl. Theoph. Byz., FHG IV 271). – 575 magister militum per Orienten), übernahm J. als στρατηγὸς τοῦ πολέμου (vgl. Joh. Epiphan. a. O., der ihn auch als ἄνδρα τοῖς πολεμικοῖς ἀγῶσιν ἐντραφέντα bezeichnet) den Oberbefehl ,über alle Befehlshaber der römischen Heere im ganzen Orient‘ (Joh. v. Eph. p. 222 Sch.) und über das Heer, das der neue Caesar Tiberius mit einer großartigen Anstrengung aus den verschiedensten barbarischen Völkerschaften für den Perserkrieg gesammelt hatte (Joh. Biclar. z. J. 575,1. Joh. Epiphan. a. O. Euagr. V 14, vgl. 19. Menand. frg. 41, FHG IV 242f. Theophyl. III 12, 6. 8). Die Angabe des Euagrius, dieses Heer habe aus 150 000 Berittenen bestanden, ist auf den ersten Blick unglaubwürdig, wenn man bedenkt, daß die stärkste Armee, die uns unter Kaiser Iustinian I. begegnet, 50 000 Mann zählt (Agath. III 8); vielleicht sind aber in jene zweifellos übertriebene Zahl auch die Truppen inbegriffen, mit denen im selben Jahre Baduarius nach Italien ging. Zu Euagrius stimmt überdies Joh. v. Eph. p. 232. 286 Sch., demzufolge die Römer 120 000 Mann stark waren. – I. kam, nachdem Soldschwierigkeiten behoben waren (Menand. a. O.) und er die Disziplin seines Heeres befestigt hatte (Joh. Epiphan. a. O., vgl. Theophyl. III 12, 7), nach Mesopotamien, wo eben nach Ablauf des ein Jahr früher geschlossenen, nur für die Diözese Oriens geltenden Waffenstillstandes persische Truppen unter den Marzbanen Adharmahan (Joh. v. Eph.) und Tamchosrau (Theophyl.) sengend und brennend eingefallen waren (Joh. v. Eph. VI 18 p. 240 Sch. Joh. Epiphan. a. a. O.). I. erzielte zunächst einen diplomatischen Erfolg, indem er auf einer Konferenz in Resapha (Sergiopolis) den seit fast drei Jahren gegen die Regierung erbitterten und sich abseits haltenden Mundar, König der römischen Araber, mit dem Reiche aussöhnte und zu neuerlicher Bundeshilfe bewog (Joh. v. Eph. VI 4 p. 222f. Sch.); als er dann mit 60 000 Mann(?), welche die syrische Quelle insgesamt als Langobarden bezeichnet, heranzog, um die Übergabe von Tela d’ manzalat (Constantina) an Adharmahan zu verhindern (Joh. v. Eph. VI 13f, p. 241 Sch.; vgl. Joh. Epiphan. a. a. O.), wurde der Waffenstillstand auf drei weitere Jahre verlängert (Menand. frg. 40, FHG IV 241f. Euagr. V 12. Theophyl. III 12, 10. – Die nähere Begründung dieser Darstellung behalte ich mir vor).
I. begab sich nun, an Amida vorbeiziehend (Theophyl. III 12, 9), auf den nördlichen Kriegschauplatz, wo weitergekämpft wurde. Er kam freilich zu spät, um die Besetzung von Persarmenien durch Chosrau zu verhüten (Menand. frg. 41, FHG IV 242f.), der sogar bis weit nach Kappadokien vordrang. Hier aber kam dieser in eine kritische Situation, als er sich plötzlich der weit überlegenen Streitmacht des I. gegenüber sah. Noch gelang es ihm, Sebasteia einzuäschern; doch in der Schlacht bei Melitene, zu der er auf seinem Rückzug sich genötigt sah, eroberte der rechte Flügel der Römer unter dem Hunnen Kurs das persische Lager mit dem heiligen Feuer und allen Kostbarkeiten, die der König mit sich führte. Infolge der Uneinigkeit der römischen Führer, [1312] angeblich auch durch die Schuld des I., glückte dem Chosrau noch ein Handstreich auf Melitene, das er in Brand steckte. Am folgenden Tage stellten die Perser sich nochmals auf dem Gefilde im Osten der Stadt in Schlachtordnung auf, ohne ein Treffen zu wagen; in der Nacht traten sie den Rückzug über den Euphrat an, den die Verfolgung durch das römische Heer zu einer regellosen Flucht gestaltete: der Großherr rettete sich, indem er auf einem Elefanten den Strom durchschwamm, während angeblich mehr als die Hälfte seines Heeres in diesem ertrank. I. aber zog durch Armenien verwüstend nach Atropatene und bis ans Kaspische Meer, und verbrachte mit dem ganzen Heere den Winter 575/6 ungestört in Feindesland; erst im Juni kehrte er nach Armenien zurück (Joh. v. Eph. VI 8f. p. 232–235 Sch. Euagr. V 14. Theophyl. III 14. 15, 1f. Joh. Biclar. z. J. 575, 1, der aber die Schlacht bei Melitene mit dem früheren Siege des Marcianus verwechselt und sie darum fälschlich in campis qui inter Daras et Nizivios ponuntur stattfinden läßt; der ,Campus‘ östlich von Melitene: Joh. v. Eph. VI 9 p. 234 Sch. – Sebeos p. 6f. Macl., demzufolge auf römischer Seite Vardan mit seinen Armeniern eine bedeutende Rolle gespielt hätte. – Vgl. auch Eustrat. v. Eutych., Migne Gr. 86, 2344f.). Eine ungeheure Beute, darunter 24 Elefanten, schickte I. nach Konstantinopel zum Triumph, der ihm möglicherweise trotz der folgenden Ereignisse bewilligt worden sein kann (Joh. Biclar. a. O. und entstellend Paul. Diac. hist. Lang, III 12 ex. Vgl. Joh. v. Eph. VI 10 p. 236 Sch. Theophyl. III 14, 10). Doch vermochte er nach dem Siege nicht, die seinen barbarischen Horden mühsam beigebrachte Disziplin zu wahren (Joh. v. Eph. VI 10 p. 236f. Sch., wo grauenhafte Details erzählt werden); die Folge davon war die gänzliche Niederlage seiner angeblich vierfachen Übermacht gegen ein vom Marzban Tamchosrau geführtes Perserheer von 30 000 Mann in Armenien, worauf die Perser die im Zuge befindlichen Friedensverhandlungen abbrachen (Joh. v. Eph. a. O. Menand. frg. 47, FHG IV 250. Theophyl. III 15, 8f. Vgl. Joh. v. Eph. II 24 p. 66. VI 12 p. 238–240 Sch. Sebeos p. 10 Macl.: Puis vint Tam Xosrov usw.); Persarmenien unterwarf sich wieder dem Chosrau (Joh. v. Eph. p. 66. 238 Sch.). Da I.s Tätigkeit durch die fortgesetzte Unbotmäßigkeit der Generale gelähmt wurde, berief ihn Tiberius ab und ernannte den späteren Kaiser Mauricius zu seinem Nachfolger (im J. 577. Joh. v. Eph. VI 14 p. 241 Sch. Euagr. V 19, fälschlich ἤδη … Ἰουστίνου τελευτήσαντος. Theophyl. III 15, 10. Die chronologische Verwirrung bei Euagrius und dem im übrigen den Theophyl abschreibenden Theophan. AM 6072f. ist auf Verwechslung der Erhebung des Tiberius zum Caesar mit dessen Thronbesteigung als Augustus und auf Zusammenwerfen der persischen Feldzüge des Mauricius zurückzuführen; sie herrscht auch bei Weise Die Langobardenherrscher 59. Zur neueren Literatur, insbesondere Merten, Gymnasialprogr. Weimar 1911, 7f., gedenke ich anderwärts Stellung zu nehmen). Nach seiner Rückkehr nach Konstantinopel trat I. – dem Berichte des Greg. Tur. V 80 zufolge – in den gegen den Caesar frondierenden [1313] Kreis der Kaiserin Sophia; es bildete sich eine Verschwörung mit dem Ziele, nach dem Tode Iustins II. den Tiberius bei dessen Erscheinen im Hippodrom zu ermorden und den I. zum Kaiser auszurufen; als aber Kaiser Iustinus am 5. Oktober 578 gestorben war, hatte die Regierung offenbar Wind von der Sache bekommen und die Verschworenen warteten vergebens im Hippodrom auf Tiberius, dem sich I. wenige Tage später reuig zu Füßen warf, indem er ihm zugleich ein Geschenk von 1500 Pfund Goldes darbrachte. Der Kaiser verzieh ihm und behielt ihn in seiner nächsten Umgebung; aber im Oktober eines der Jahre 579–581 wurde eine neue Verschwörung entdeckt, durch welche die Kaiserinwitwe Sophia den I. auf den Thron erheben wollte; während Tiberius gegen Sophia strenger verfuhr, äußerte er zwar dem I. seinen Unwillen, verzieh ihm aber wiederum und scheint sich sogar später mit ihm verschwägert zu haben, falls ich, Greg. Tur. V 30 (= Paul. Diac. III 12 ei.)'mit Theophan. AM 6074 und Joh. v. Nikiu Not. et extr. d. mss. XXIV 1 p. 522 Zot. kombinierend, mit Recht vermute, daß der Germanus, den der Kaiser 582 zusammen mit Mauricius zum Caesar erhob und mit seiner Tochter Charito vermählte, ein Sohn des I. und Enkel des berühmten Germanus ist. Tiberius wollte zu seinem Nachfolger Germanus haben, der jedoch angeblich aus Bescheidenheit Verzicht leistete (Joh. v. Nikiu a. O.). Das Heiratsprojekt, welches Gregor von Tours erzählt, kann in der von ihm berichteten Form nicht bestanden haben, da Tiberius keinen Sohn hatte (vgl. Joh. v. Eph. p. 102–104. 206 Sch. Theophan. AM 6071); insofern ist seine Bemerkung, es sei nicht zustande gekommen, gewiß richtig. Weder von jenem jungen Ehepaar noch von I. findet sich weiterhin eine Spur (ob beim Logotheten (Leo Gramm. 138 B.] die Bezeichnung des Germanus als πατρίκιον τὸν ἐν Ἀφρικῇ στρατηγοῦντα guten Ursprungs ist, läßt sich nicht sagen); damit ist zusammenzuhalten, daß selbst unsere durchaus im Interesse des Mauricius getrübte Überlieferung erkennen läßt, daß der sterbende Tiberius diesen nur ,gezwungen‘ zum Caesar, ,da er sich gedrängt sah‘, zum Augustus machte (diese Stellen sind allerdings wohl absichtlich so stilisiert, daß der Zwang, unter dem der Kaiser stand, sich auch auf dessen Todeskrankheit beziehen läßt), und daß es im Anfang der Regierung des Mauricius ,durchaus untaugliche Personen‘ gab, die ,mit Gewalt die Herrschaft an sich zu reißen suchten‘ (Joh. v. Eph. V 13f. p. 204–206 Sch.).
[Ernst Stein.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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