52) M. Iunius Brutus, gehörte zur demokratischen Partei und war Volkstribun unter deren Herrschaft 671 = 83 (Cic. Quinct. 65. 69); als solcher verwirklichte er, freilich nur mit vorübergehendem Erfolge, einen Punkt des Programmes des C. Gracchus, der den Optimaten besonders verhaßt war, die Gründung einer Kolonie in Capua (vgl. die charakteristischen Äußerungen eines Gegners Cic. leg. agr. II 89. 92. 98). Ob [973] er nach Sullas Rückkehr den Proskriptionen durch Flucht entgangen ist oder aus Rücksicht auf seine Familienverbindungen unbehelligt blieb, ist nicht bekannt; überliefert wird nur seine Teilnahme an dem Versuche des Consuls M. Lepidus im J. 676 = 78, die Sullanische Verfassung umzustürzen (o. Bd. I S. 554f.). Als dessen Unterfeldherr sammelte er ein Heer in Oberitalien und besetzte Mutina (Liv. ep. XC. Oros. V 22, 17. 24, 16. Plut. Pomp. 16, 1f. Zonar. X 2, vgl. Sall. hist. I 79 Maur.); hier lagerte er längere Zeit dem Cn. Pompeius gegenüber (Plut. Zonar.), ließ sich aber schließlich zur Kapitulation bestimmen, ἢ μεταβαλλόμενος ἢ προδοθείς, wie Zonaras sagt, εἴτε παραδοὺς τὴν δύναμιν αὐτὸς εἴτε προδοθεὶς μεταβαλομένης ἐκείνης nach Plut. Pomp. 16, 3; der wahre Hergang der Dinge ist nie geklärt worden, da Pompeius sich in den amtlichen Berichten an den Senat selbst widersprach (Plut.); nach seiner ersten Meldung hätte Brutus sich ergeben und von ihm freies Geleit erhalten; aber bereits am nächsten Tage und in der nächsten Stadt, in Regium Lepidi (Oros.), wurde er auf Befehl des Pompeius von Geminius getötet, und nun schickte jener einen neuen Bericht, worin er den Toten anklagte, um sich zu rechtfertigen (Plut.). Es ist begreiflich, daß gegen Pompeius wegen dieser Tötung des Brutus (vgl. noch Liv. Oros. Appian. bell. civ. II 464. Zonar.) die schwersten Vorwürfe erhoben wurden. Helvius Mancia (o. Bd. VIII S. 229 Nr. 15) beschuldigte ihn öffentlich der Treulosigkeit und Grausamkeit (Val. Max. VI 2, 8); der junge M. Brutus, der Sohn des Ermordeten und spätere Mörder Caesars, zeigte ihm seinen Haß und Abscheu aufs deutlichste, bis er im J. 705 = 49 sich gegen Caesar für ihn erklärte (Plut. Pomp. 64, 3; Brut. 4, 1f.), und Caesar ließ damals, um den Sohn und andere Leute für sich zu gewinnen, sein eigenes Vorgehen als Rache für Cn. Papirius Carbo, M. Brutus und alle die anderen erscheinen, die Pompeius als Vollstrecker des Willens Sullas hingemordet hatte (Cic. ad Att. IX 14, 2). Bei dem ‚Pompeianer‘ Livius war die andere Auffassung zu finden, die noch bei Oros. V 22, 17 hindurchklingt; weit früher hatte Cicero (leg. agr. II 92) das Ende des Brutus als gerechte Strafe seiner Ruchlosigkeit hingestellt, aber in späteren Jahren in der dem Sohn gewidmeten Schrift (Brut. 222) rühmte er ihn als einen Kenner des Staats- und Privatrechts und eine Stütze des Staates! Brutus war vermählt mit Servilia (s. d.), die nach seinem Tode den D. Iunius Silanus Nr. 163 heiratete; sie hatte ihm den Sohn Nr. 53 geschenkt (Cic. a. O. Plut. Pomp. 16, 3. 64, 3; Brut. 4. 1f. Appian. Zonar.).
[Münzer.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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