50) M. Iunius Brutus, Sohn von Nr. 49, wird auf Grund der durch Cicero vermittelten Zeugnisse seiner Gegner vielleicht zu ungünstig beurteilt. Er war mehr Alters- als Zeitgenosse des jüngeren Gracchus, hat keinen Kriegsdienst geleistet (Cic. de or. II 226) und keine politischen Ämter bekleidet (Cic. Brut. 130) - etwa infolge körperlicher Gebrechen? - aber besaß eine nicht unbedeutende rednerische Begabung und dank der Unterweisung seines Vaters eine gute Kenntnis des Rechtes; darauf gestützt, machte er sich als Ankläger einen Namen; aber die Bezeichnung accusator wird ihm als eine schimpfliche beigelegt (Cic. off. II 50); vgl. Cluent. 141; de or. II 220; Brut. 130), seine Tätigkeit wird ihm als unwürdig und als Schändung seines Namens und Adels vorgeworfen (Cic. de or. II 225f. 242; Brut. 130), und die Verschleuderung seines väterlichen Erbes, deren Ursachen unbekannt sind, gibt zu heftigen Schmähungen gegen ihn Anlaß (Cic. Cluent. 141; de or. II 222-227). Daß er ein homo in dicendo vehemens et callidus (Cic. Cluent. 140), ein accusator vehemens et molestus war (Cic. Brut. 130), beweisen die beiden allein bekannten Fälle seines Auftretens, die Anklage des hochangesehenen Princeps senatus M. [972] Scaurus und der Streit mit dem berühmten Redner L. Crassus. Den Scaurus klagte Brutus wegen Erpressung an; seine Rede war schriftlich überliefert und beeinflußte vielleicht das Urteil der Nachwelt über den Gegner (Cic. Font. 38); aus der Verteidigung des Angeklagten contra Brutum de pecuniis repetundis hat Charis. GL I 129. 11. 210, 3 zwei Bruchstücke erhalten; ob der Prozeß bald hinter das Consulat des Scaurus ins J. 640 = 114 (G. Bloch Mélanges de l’hist. anc. [Paris 1909 = Bibl. de la fac. des lettres XXV] 26f. 35) oder in dessen letzte Lebenszeit ins J. 663 = 91 gehört, ist schwer zu entscheiden (vgl. auch Klebs o. Bd. I S. 586, 21ff. 587, 18ff.). Kurz vor 663 = 91, vielleicht im Anfang dieses Jahres selbst, fand der Prozeß eines Cn. (oder C.) Plancius (oder [Munatius?] Plancus, vgl. Drumann-Groebe G. R.2 IV 222, 5) statt, bei dem Brutus als Ankläger und Crassus als Verteidiger sich gegenseitig aufs schärfste bekämpften. Zwar bewunderte Cicero in höchstem Maße die teils witzigen, teils pathetischen Angriffe des Crassus gegen Brutus, die diesen als Schänder seines Adels und als Verschwender seines Erbes trafen, aber Brutus hatte mit nicht minder scharfen Waffen de üppige Lebensführung (Plin. n. h. XXXVI 7) und die inkonsequente politische Haltung des Crassus befehdet und ihn dadurch empfindlich verletzt (Cic. Cluent. 140f.; de or. II 220. 222-227. 240; daraus Quintil. inst. or. VI 3. 43f.).
[Münzer.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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