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520) Iulius Valerius Polemius, der Übersetzer des griechischen Alexanderromanes. Die beiden Namen sind durch cod. A und durch cod. O der Epitome bezeugt, der dritte durch cod. T, der aber vor Polemi noch Alexandri hat, das vielleicht aus dem folgenden eingedrungen ist. Die Subscriptio unter B. 1 (am genauesten bei P. Meyer II 14) lautet nämlich Iuli Valeri Alexandri VCI Polemi Alexandri Macedonis ortus liber primus explicit, unter B. 2 Iuli Valeri Alexandri Polemi VC res gestae Alexandri Macedonis. Der Gedanke von Mai und Pfister (Berl. Woch. 1913, 1277. 1502), Polemi aus πόλεμοι abzuleiten, ist zu verwerfen. Da I. vir clarissimus war und ein Polemius als Consul des J. 338 begegnet, so [847] wäre die Identität möglich (Grion I nobili fatti di Alessandro. Bologna 1872 S. XXVI). Über die Heimat des I. läßt sich aus Inhalt und Sprache seiner Übersetzung nichts erschließen, eher über seine Lebenszeit. Landgraf (Ztschr. f. österr. Gymn. 1882, 429) wird recht haben, wenn er die Anrede Alexander victoriosissime 104, 19 und die Bezeichnung des Dareios als dominus et deus huiusce mundi 105, 1 mit den gleichlautenden erst seit Aurelian vorkommenden Kaisertitulaturen in Zusammenhang bringt. Dasselbe ergiebt sich aus der Beobachtung Küblers Riv. fil. 1888, 361, daß der Zusatz des I. zum Texte des Originales 36, 12 die Erweiterung Roms durch die Aureliansmauer voraussetzt. Zu der Angabe, daß Rom einen Umfang von 14 Stadien und 120 Fuß habe, fügt nämlich I. die Bemerkung hinzu: nondum adiectis his partibus, quae multum congeminasse maiestatis eius magnificentiam visuntur. Als Terminus ante quem ergeben sich die J. 341–345, in die die Abfassung des Itinerarium Alexandri (s. d.) fällt, denn in diesem ist die Übersetzung des I. bereits benutzt. Die übrigen Indizien, die man geltend gemacht hat, sind hinfällig.
Aus den Unterschriften in den Hss. AT scheint sich der Titel zu ergeben Res gestae Alexandri Magni translatae ex Aesopo Graeco (liber Esopi cuiusdam Greci fabulatoris cod. L der Epitome). Da der griechische Text bisweilen mit Aesops Fabeln überliefert ist, so dürfen wir dasselbe für die von I. benutzte Hs. annehmen; er hat sich durch diesen Tatbestand verleiten lassen, auch den Roman dem Aesop zuzuschreiben. Die Einteilung der drei Bücher in Ortus, Actus, Obitus, die sich schon in Hs. T findet, scheint auf I. zurückzugehen und erscheint auch in den Hss. der Epitome. Das von I. übersetzte Werk ist der in der Überlieferung bisweilen dem Kallisthenes (s. d.) zugeschriebene Alexanderroman, der sich bald einer großen Beliebtheit erfreute, getragen von der Bewunderung für die von der Sage verklärte Gestalt des großen Königs (s. z. B. Kampers Alex. d. Gr. und die Idee des Weltimperiums, Freiburg 1901, 41). Römische Leser mochte besonders die Legende anziehen, daß Alexander nach Sicilien und Italien gelangt und vom römischen Senat durch reiche Geschenke beschwichtigt worden sei (I 22). I. übersetzte eine Fassung des Romanes, die zur Version A gehört, aber mit keinem der uns erhaltenen Vertreter dieser Version völlig übereinstimmt. Am meisten geht der Text mit dem der griechischen Hs. A (Paris. 1711) zusammen und würde es noch mehr tun, wenn der Schreiber dieser Hs. seine Vorlage nicht stark gekürzt hätte; sehr nahe sind auch die Berührungen mit der im 5. Jhdt. entstandenen armenischen Übersetzung, seltener die mit der syrischen (7. Jhdt.); bisweilen findet man bei I. überlieferte Züge erst im byzantinischen Alexandergedicht wieder, und oft hat er allein den alten Text bewahrt. Es ist daher nicht leicht zu beurteilen, wie weit er sich eigene Zusätze gestattet; vorhanden sind sie zweifellos und verraten einen für seine Zeit nicht ganz ungebildeten Mann; vgl. 17, 24 Zeuxidos cuiusdam, non celebris illius ad pingendum, sed enim adseculae regalis. Daß er I 23 den Widersprach in der Erzählung empfunden [848] habe, nach der Alexander hier als Ammons Sohn erscheint, während er in Wahrheit der des Nektanabos war (Ausfeld 45), ist zweifelhaft. Zu cataphractis 46,1 setzt er hinzu: quod armaturae genus orientis inventio est. Das Gebet an Achill in Hinkiamben 57, 24, das sich nur bei I. findet, ist gewiß nicht eigene Erfindung, da die Verse in ihrer ganzen Art zu den anderen im Roman vorkommenden Hinkiamben stimmen; daß er II 24 vom Cydnus spricht, wo in der sonstigen Überlieferung der Okeanos erscheint, beruht wohl auf der Benutzung einer besseren Handschrift, nicht einer anderen Quelle. Auch die nicht sehr tiefe Reflexion 142, 25–27 werden wir auf seine Rechnung setzen dürfen. Eher hat er sich Auslassungen gestattet, wo das Original Namen häufte oder dem Verständnis andere Schwierigkeiten bot, so 93, 12. 130, 17. 133, 2. Stark gekürzt ist der Bericht über Alexanders Tod von 163, 20 an, und der Brief an die Rhodier (Ausfeld 112) fehlt ganz. Aber im allgemeinen hat er das Bestreben gehabt, sachlich und, soweit das für eine literarische Übersetzung im Altertum in Betracht kam, auch wörtlich getreu zu übersetzen. Daß er dabei von der Kunst der Periphrasis reichlichen Gebrauch macht und namentlich in den Reden oft doppelt so viele Worte braucht wie seine Vorlage, ist nicht überraschend und entspricht ganz dem Verfahren seines Zeitgenossen Firmicus Maternus. Daneben kommt es nicht selten vor, daß er direkte Reden seiner Vorlage in indirekte umsetzt (99, 17. 125, 2, 131, 17. 150, 29). Der Wunsch, seine Vorlage zu erweitern verführt ihn nicht selten zu Ungereimtheiten; z. B. befiehlt Alexander 128, 3, das Lager aufzuschlagen καὶ πῦρ ἀνάπτεσθαι, woraus er macht ignes quam creberrimos fieri. Versehen finden sich, aber nicht zahlreich, und bisweilen war seine griechische Handschrift bereits fehlerhaft. So übersetzt er z. B. 4, 9 ποταμός statt ποταπός; 7, 6 ἅγιον statt πελάγιον; 9, 27 bezieht er ἀκορέστως προσέχοντος falsch; 11, 2 las er δοκιμασθείς statt δωρηθείς; 33, 5 macht er aus τὰ στρατεύματα vicum Astrata; 75, 4 verdirbt er den Gedanken durch den Zusatz intrinsecus et inter se decertantes; 111, 6 las er φαλαγγιώδεις statt φαραγγώδεις; ebd. 11 ist si modo vectigales Persas patriae fecissent falsche Übertragung von Δαρεῖον ὡς ἀπαιτοῦντα τοὺς Ἕλληνας φόρους; ebenso verfehlt 117, 7 viginti ferme dies indutiis dantur; 136, 6 las er Ἰνδίαν statt ἰδίαν (vgl. 135, 9); auf Mißverständnis beruht 144, 13. 160, 17. 161, 11; 163, 21 Divinopatris (aus δεινοπαθούσης); 155, 25 voces incertas resonantes audierant; 103, 9 omissa Asia; 139, 10 cuius honor matri proficiat; vgl. 75, 19f. 126, 1. Daß er ebur und ebenum nicht zu unterscheiden verstand, zeigt 143, 17. 144, 2; dieselbe eines Rhetors würdige Unkenntnis natürlicher Dinge ist es, wenn er den Zypressen süße Früchte beilegt (144, 18). Merkwürdig ist die Wiedergabe von Ἀθηαίους δεξιοῦσθαί με durch dextros mihi satis et obsequentes futuros 68, 6. Pflicht einer künftigen Ausgabe wird es sein, das Verhältnis zum Original zur Darstellung zu bringen, was freilich erst möglich sein wird, wenn sowohl der griechische Text wie der des I. selbst sorgfältig hergestellt ist.
Der Stil ist von einer kaum zu übertreffenden [849] Künstlichkeit und Buntscheckigkeit, die schon dadurch hervorgebracht ist, daß I. ein erklärter Bewunderer des Apuleius war (Weyman S.-Ber. Akad. Münch. 1893 II 344. Faßbender De Iul. Val. sermone. Münster 1909, 25). Er geht aber in manchen Archaismen noch über Apuleius hinaus, wie sich nach besserer Herstellung des Textes noch mehr herausstellen wird (Faßbender 3). Auch an poetischen und sallustianischen Ausdrücken fehlt es nicht; daneben finden sich kühne Neubildungen und Eigentümlichkeiten des Spätlateins (Faßbender 60). In der Kunst, den Worten möglichst gesuchte und entlegene Bedeutungen beizulegen, ist I. Meister und nähert sich dadurch bereits der Kunstsprache des Virgilius Maro. Vulgäre Entgleisungen sind ihm nicht selten widerfahren, so vinciturum 23, 16, praecinerat 66, 19 und assem tyrum 47, 5 (Löfstedt Spätlat. Stud. 47). Von rhetorischen Mitteln ist namentlich die Tautologie stark verwendet und der metrische Satzschluß bis zu einem gewissen Grade durchgeführt. Literarische Reminiszenzen finden sich (vgl. Faßbender 17 und quousque tandem 69, 25; sepultis somno 140, 4 [so zu schreiben]); die eingelegten Verse sind nicht übel gebaut, jedoch ist I. über die Quantitäten der Endsilben bereits im unklaren und, was weniger schwer wiegt, über die der Eigennamen (Kroll Rh. Mus. LXX 595). Das was Kübler 63, 1. 14 als Verse gedruckt hat, ist Prosa.
Daß das Werk eine ziemliche Beachtung fand, zeigt die Benutzung im Itinerarium Alexandri. Zitiert wird ein Satz von dem zeitlich nicht bestimmbaren Serg. in Donat. IV 577, 26 K, und die Stelle über den Umfang der großen Städte (36, 6–16) findet sich im Cod. Paris. 8319 saec. XI (Geogr. lat. min. 140). Das Glossar Corp. gloss. lat. IV 404 erklärt viele Stellen aus Iulius Valerius (Mitt. von Heraeus). Jedoch hat der Verbreitung des ganzen Werkes die Epitome geschadet, so daß außer zwei Blättern in Basel saec. XI und zwei früher in Helmstedt befindlichen, jetzt verschollenen saec. XII/XIII (Fuchs Beitr. zur Alexandersage, Gießen 1907, 19) nur drei leidlich vollständige Hss. auf uns gekommen sind: 1) die Turiner, in der der Text im 7. Jhdt. über den des Cod. Theodos. geschrieben war; Peyron hat ihn durch chemische Mittel arg zerstört, Mai und Kübler das Erhaltene zu lesen versucht; die Hs. ist im J. 1904 verbrannt. 2) Ambros. P 49 sup. saec. IX/X; 3) Paris. 4880 saec. XIII. Ungleich verbreiteter ist die Epitome, deren älteste Hss. aus dem 9. Jhdt. stammen, herausgeg. von Zacher, Halle 1867 und von Cillié De Iul. Val. epitoma Oxoniensi. Straßburg 1905. Die Oxforder Hs. Coll. Corp. Christ. 82 saec. XII ist dadurch merkwürdig, daß sie außer auf ihre Vorlage, eine Hs. der Epitome, auch auf den Urtext zurückgreift. Ähnlich ist eine Hs. in Montpellier (Hilka Rom. Forsch. XXIX 31, wo auch eine genauere Kollation des Oxoniensis). Getrübte Fassungen, wie deren eine Hilka a. O. 1 aus einer Liegnitzer Hs. saec. XV bekannt macht, werden viele umgelaufen sein. Vincentius Bellovacensis hat die Epitome z. gr. T. in sein Speculum historiale aufgenommen; über sonstige Spuren von Benutzung Manitius Rh. Mus. XLVII Suppl. 152. Im Lichte gestanden hat einer weiteren Verbreitung der Epitome die [850] Historia de preliis, die auf die Übersetzung des griechischen Textes A durch den Archipresbyter Leo (10. Jhdt.) zurückgeht und die der Ausgangspunkt der mittelalterlichen Romane und Epen geworden ist.
Herausgegeben hat I. Val. zuerst Mai (hinter Itin. Alex.), Mailand 1817 aus Hs. A (Nachdruck Frankfurt M. 1818), dann mit Ergänzungen aus der Epitome und Hs. T in Class. auct. VII (Rom 1835); weitere Ergänzungen aus T lieferte er im Spicil. Rom. VIII (Rom 1842) 513–522. Dann gab C. Müller den Text heraus unter seiner Ausgabe des griechischen Romans (hinter Dübners Arrian, Paris 1846), in der Hauptsache nach Mai, aber mit gelegentlicher Benutzung von Cod. P und den Pariser Hss. der Epitome. Auf Grund neuer, nicht unbedingt verläßlicher Kollationen ed. Kübler, Leipz. 1888 (dazu D. Volkmann Jahrb. f. Philol CXLI 790. Kroll Rh. Mus. LII 585. LXX 591). Vgl. J. Zacher Ps.-Kallisthenes, Halle 1867, 32. Paul Meyer Alexandre le Grand II (Paris 1886) 8. Ausfeld Der griech. Alexanderroman, Leipz. 1907. Teuffel Röm. Lit.-Gesch. III⁶ 208. Schanz IV 1, 47.
[Kroll.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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