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515) Iulius Tutor, ein Treverer, einer der Führer in der gallischen Abfallsbewegung des J. 70 n. Chr. Wir kennen ihn nur aus Tac. hist. (weshalb im folgenden nur Buch und Kapitel schlechthin angegeben wird). Den volleren Namen setzt Tacitus IV 55, sonst nennt er ihn nur Tutor. Hier und IV 58. 72 wird er als Treverer bezeichnet. Er war von Vitellius zum Befehlshaber der Grenzwache am Rhein (ripae Rheni … praefectus, vgl. v. Domaszewski Die Rangordnung des röm. Heeres, Bonn. Jahrb. CXVII 1908, 136. Fabia Studi Romani II 1914, 172) ernannt worden und schloß sich nach der Ermordung des Hordeonius Flaccus (in den letzten Tagen des J. 69) gleich seinem mächtigeren Landsmann Iulius Classicus insgeheim dem Aufstand des Civilis an. Er war allem Anschein nach unter den Verschwörern, die in einem Privathaus zu Köln zusammenkamen, um unter anderm ein von Rom unabhängiges gallisches Reich aufzurichten.
Als C. Dillius Vocula von Köln aus zum Entsatz des von Civilis zum zweitenmal belagerten Legionslagers Vetera heranzog, befanden sich in seinem Heer auch die Führer der gallischen Auxilien, darunter I., die sich nun offen von dem römischen Heer trennten und dadurch Vocula zwangen, den Entsatzversuch vorläufig aufzugeben, Tac. IV 55. 57. 58. Der Abfall griff im römischen Heer immer weiter um sich und führte bald auch zur Ermordung Voculas. Nun galt es [844] für die Meuterer, den Aufstand noch weiter zu organisieren und alle widerstrebenden Elemente zu beseitigen; in diese Aufgabe teilten sich Classicus und Tutor. I. schloß mit großer Truppenmacht Köln ein und zwang die Stadt sowie alle anderen Besatzungen am oberen Rhein, den Eid auf das neue Imperium Galliarum zu leisten, IV 59. Nach kurzer Zeit aber trat ein Rückschlag ein; die Sequaner blieben den Römern treu und bekämpften sogar und besiegten die Lingonen unter dem ,Caesar‘ Iulius Sabinus, auch die Remer neigten zum Frieden mit Rom, und endlich übte die Nachricht von dem Anmarsch eines starken römischen Heeres unter (Q.) Petillius Cerialis (Caesius Rufus) auf die Unternehmungslust der gallischen Empörer eine lähmende Wirkung aus. So kam auch Tutor nur lässig seiner Aufgabe nach, die Rheinufer in Obergermanien und die Alpenpässe zu besetzen. Erst als die XXI. Legion mit ihren Auxilien von Vindonissa her sich näherte, verstärkte er seine treverische Truppenmacht durch neu ausgehobene Mannschaft der Vangionen, Caeracaten und Triboker, sowie durch altgediente Legionssoldaten. So gelang ihm ein Angriff auf die vorausgeschickten Auxiliarkohorten. Beim Herannahen des römischen Hauptheeres gingen aber alle die von Tutor aufgebotenen Hilfstruppen zu den Römern über, und I. mußte nun, von seinen Treverern begleitet, nach Bingen zurückweichen, worauf er die Brücke über die Nahe abbrechen ließ. Doch gelang den von Sextilius Felix geführten Römern der Übergang bei einer Furt, und I. wurde geschlagen.
Wohl griff mit dieser Niederlage eine Entmutigung unter den Treverern Platz, aber I. und sein Landsmann Iulius Valentinus vermochten die treverische Wehrmacht wieder zu sammeln, und auf ihre Veranlassung wurden die Legionslegaten Herennius Gallus und Numisius Rufus getötet; damit sollte der Weg der Versöhnung mit den Römern umso gewisser versperrt werden, IV 70. 71.
Immer mehr Einfluß gewann I. neben Classicus bei den Treverern; um ihretwillen wollten Cerialis’ Truppen, nachdem dieser als Sieger in Trier eingerückt war, die Stadt zerstören, IV 72, vgl. 74. Während sich Cerialis in Trier festsetzte, mahnte I., von Classicus hierin unterstützt, gegen die Ansicht des Civilis, der noch zuwarten wollte, zu raschem, gemeinsamem Angriff. Sein Rat wurde sogleich ausgeführt, und Civilis, Classicus und I. befehligten je einen der angreifenden Heerhaufen. Der Anschlag gelang anfangs, aber die Geistesgegenwart und Tapferkeit des Cerialis und andererseits die wilde Beutegier der Germanen, die dabei ihr Ziel aus den Augen verloren, führten schließlich einen Sieg der Römer und die Flucht der Feinde herbei, IV 76–78.
Auch weiterhin verharrten die Treverer unter Classicus und I. treu an der Seite des Civilis. Als dieser den Rhein in sein linkes Bett abgeleitet hatte, überschritten die Führer des Volkes den Fluß, um sich mit den Batavern zu vereinigen. Civilis unternahm dann einen Angriff gegen vier römische befestigte Plätze, Arenacum, Batavodurom, Grinnes und Vada. Vor einem der beiden letztgenannten kämpfte, wie es scheint, I., der eine der vier Abteilungen befehligte. [845] Aber beim Heranrücken des Cerialis selbst wurden die Angreifer in die Flucht geschlagen, und I. rettete sich auf einem Fahrzeug über den Strom, V 19–21.
Sein späteres Schicksal kennen wir nicht. Wir besitzen auch kein Mittel, ihn mit einem Ti. Iulius Tutor gleichzusetzen, dessen Freigelassene wir in Virunum antreffen, CIL III 4845 (dazu Suppl. p. 232844); von dem Sohn dieses Freigelassenenpaares, der dann Soldat in einer städtischen Kohorte wurde, kennen wir auch die Grabschrift, CIL VI 2914 (vgl. p. 3377) = Dessau I 2113. Möglicherweise ist die nur durch Bellievre überlieferte Inschrift aus Lugudunum (CIL XIII 1795), Treveri subiect(i), die Hirschfeld CIL XIII p. 252 auf die Verschwörung des Iulius Florus (s. I. Nr. 239) beziehen will, nach der Niederwerfung des gallisch-germanischen Aufstandes im J. 70 gesetzt.
[Stein.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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