Indischer Feigenbaum (ἡ Ἰνδικὴ συκῆ), Banyan, Ficus bengalensis L. Über die Kenntnisse der Alten von diesem subtropischen Baumriesen hat am besten und gründlichsten Bretzl in seinen ‚Botanischen Forschungen des Alexanderzuges‘ gehandelt, (Leipzig 1903, 158-191), dessen Darstellung der folgenden zugrunde liegt. Am ersten und richtigsten beschreibt den Baum Theophrastos h. pl. IV 4, 4: In Indien findet sich die sog. Feige, welche jedes Jahr aus den Zweigen Wurzeln treibt, wie schon erwähnt ist (I 7, 3), und zwar tut sie das nicht aus den Jahrestrieben, sondern aus den vorjährigen und noch älteren. Indem diese nun den Boden erreichen, [1369] bilden sie eine Art Verschlag rings um den Baum, so daß ein förmliches Zelt entsteht, worin auch die Eingeborenen sich aufzuhalten pflegen (vgl. c. pl. II 10, 2). Es können aber die Wurzeln während des Wachstums sehr wohl von Sprossen unterschieden werden, denn sie sind weißer (chlorophyllos), dicht stehend, gekrümmt und blattlos. Sie hat oben viel Laub, und der ganze Baum hat eine schön gerundete Krone von gewaltigem Umfang (bis 500 m), soll er doch zwei Stadien weit seinen Schatten werfen. Die Dicke des Stammes soll sich bei einigen auf mehr als sechzig, bei den meisten aber auf vierzig Schritt im Umfang belaufen‘. Die nun folgende Angabe: τὸ δέ γε φύλλον οὐκ ἔλαττον ἔχει πέλτης erklärt Bretzl für unmöglich, da die Blätter des Banyan höchstens 20 cm Länge erreichen, und möchte deshalb diesen Satz zur folgenden Beschreibung der Musa (Banane) ziehen. ‚Die Frucht ist sehr klein, wie eine Kicher, aber einer Feige ähnlich, und deshalb nannten die Griechen den Baum Feige. Er trägt auffallend wenig Früchte, nicht bloß im Verhältnis zur Größe des Baumes, sondern absolut. Es wächst aber der Baum im Gebiete des Akesines.‘ Die Alexanderliteratur hauptsächlich vertreten durch Onesikritos, Aristobulos und einige andere, deren Nachrichten über den Banyan Strabon XV 694 gesammelt hat, bringt statt der richtigen Angaben des Theophrastos verschiedene Irrtümer, so wird u. a. der ganze Baumkomplex als Wald bezeichnet und die zur Erde gehenden Luftwurzeln als niedergebogene Äste aufgefaßt. Das gleiche hat Curtius IX 1, 10. Arrian. Ind. XI 7 schildert nur nach Nearchos die Größe der von ihm nicht benannten Bäume. Plinius n. h. XII 22 kontaminiert in eigentümlicher Art den Bericht des Theophrastos mit dem der Alexanderliteratur und gibt dazu noch Bereicherungen aus dem Munde römischer Ostindienfahrer, so insbesondere die richtige Angabe über die Größe der Frucht (nec fabae [Vicia faba L.] magnitudinem excedens).
[Stadler.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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