1) Iliberri in Hispania Baetica, unweit Granada; o. Bd. IX S. 1060f. Plinius n. h. III 10 nennt unter den celeberrima oppida zwischen Baetis (Guadalquibir) und Meeresküste auch Iliberri, quod Liberini (cognominatur), wo der der Stadt, gleich anderen hier aufgezählten Städten, gegebene lateinische Beiname verderbt überliefert ist (s. u.), und Ptolem. II 4, 9 führt von den im Binnenland gelegenen Städten des Stammes der Τούρδουλοι (Turduli) an letzter Stelle auf Ἰλλιβερίς. Dies sind die einzigen Schriftstellen (Ἐλιβύργη πόλις Ταρτησσοῦ aus Hekataios [vor 500 v. Chr.] bei Steph. Byz. [Frg. Hist. Graec. ed. Müller 1 p. 1] auf I. zu beziehen, ist sehr gewagt; vgl. Hübner CIL II p. 285 col. I, doch anders Mon. ling. Iber. 104. 114) der ersten Jahrhunderte der Kaiserzeit, welche die Stadt bezeugen. Ergiebiger sind die Inschriften, von welchen zehn das von I. abgeleitete Adjektivum oder Ethnikon nennen; sie bestätigen die Schreibung des Plinius (vgl. auch die Schreibung Eliberri in Mon. Germ., Chron. min. I 573 und II 382), denn Iliberritani (Gtv.) bieten CIL II 2070 und 5505, abgekürzt Iliberrit. 1572. 2077, auch 2074; Iliber. ist abgekürzt in 2063. 2071. 5506 (= 2073), verstümmelt oder verderbt überliefert ist der Name in 2079. 2081. Von diesen Inschriften bezeichnen mehrere die Stadt als municipium Florentinum Iliberritanum, CIL II 1572. 2070. 5505 (= 2072), vgl. 2081, und die Einwohner als Florentini Iliberritani, CIL II 2074. 2077. 2079, vgl. 2085, weshalb das Gemeinwesen in 2069 einfach municipium Florentinorum heißt. Im erwähnten Verzeichnis des Plinius scheint daher herzustellen: Iliberri quod Florentinum oder Florentia (cognominatur). Auch sehr seltene, frühzeitliche Geldstücke mit Triquetium sollen iberische Beischrift haben und außerdem die lateinische Aufschrift Florentinor(um), vgl. Hübner CIL II p. 285 Col. I; nach Mon. ling. Iber. 114 nr. 128 a vielmehr Florentia, ohne iberische Beischrift.
Die Stadt gehörte unter römischer Herrschaft zum Gerichtssprengel von Corduba (Conventus Cordubensis) und war damals, wie allein schon die Inschriften bezeugen, ein blühendes Gemeinwesen. [1212] Aus I. war gebürtig P. Cornel(ius) P. f. Gal. Anullinus Iliber(ritanus), Consul (zum zweiten Mal im J. 199), Stadtpraefect von Rom, wahrscheinlich im J. 198, dem wohl in diesem Jahr seine Mitbürger in seiner Vaterstadt ein Denkmal errichtet haben, CIL II 5506 (= 2073) = Dessau 1139; vgl. o. Bd. IV S. 1258f. Nr. 58. Diese Inschrift lehrt auch, daß I. der Tribus Galeria zugeteilt war (Kubitschek Imp. Rom. tributim discr. 175, vgl. 167f.), ebenso wie die Inschrift CIL II 2063, wonach ein Gemeinderat (ordo, wohl von Ilurco) den P. Manlius P. f. Gal. Manlianus Iliber(ritanus) geehrt hat durch einen beliebten Beschluß, der die Gemeinde kein Geld kostete; auch die aus I. stammenden Inschriften 2082. 2088 (viermal Gal.). 5512, vgl. 2075. 2081, bezeugen diese Tribus.
Die Familie des Consuls des J. 91 n. Chr. Valerius Vegetus (Klein Fast. cons. 50) stammte ebenfalls aus I., wie aus CIL II 2074 und 2077 hervorgeht, Ehrungen seiner Mutter (vgl. o. Bd. IV S. 1601 Nr. 458) und seiner Gemahlin (vgl. o. Bd. VI S. 720 Nr. 3, vielleicht aus Tucci gebürtig, nach CIL II 1674) durch die Gemeinde auf Grund eines Beschlusses ihres Rates. Einen anderen hochgestellten Mann, der wahrscheinlich aus I. gebürtig war, ehrte CIL II 2075. Im J. 243 n. Chr. hat das Municipium den Kaiser Gordianus III. (s. o. Bd. I S. 2619 Nr. 60) und seine Gemahlin Furia Sabinia Tranquillina Augusta (s. o. Bd. VII S. 370–375 Nr. 98) sumptu publico durch Statuen geehrt, von welchen die zugehörigen Inschriften teilweise (CIL II 5505 = 2072) oder vollständig (2070) noch erhalten sind. Auch eine Ehrung für Kaiser Probus (276–282 n. Chr.) ist durch eine Inschrift bezeugt, CIL II 2071.
Die Gemeinde (populus) ist noch genannt in der Inschrift einer Priesterin, CIL II 5514 [ob hon]orem sacer[doti(i) epulo] populo dato, die m[unicipes et in]colae haben Ehrung eines [ponti]fex perp[etuus] durch ein Reiterdenkmal beschlossen, nach CIL II 2086, der Gemeinderat (ordo, decuriones) ist genannt in den zum Teil bereits herangezogenen Inschriften CIL II 2070, 2071. (2072=) 5505. 2074. 2077. 2079. 2080. 2082. 2087. 5511, vgl. 2085, die beiden damaligen Bürgermeister (Duoviri) nannte mit Namen eine nach ihnen datiert gewesene Ehreninschrift des Kaisers Antoninus Pius, 5511, s. u., einen anderen Duovir ehrte 2081. Auch Priesterämter der Gemeinde sind mehrfach bezeugt, so ist pontifex perpetuus zu ergänzen in 2086, wahrscheinlich herzustellen auch in der verderbt überlieferten Inschrift 2081, ein [ponti]f(ex) und aug(ur) war genannt in 5513; eine Priesterin ist bereits erwähnt (5514), die oben genannte Mutter des Consuls des J. 91 n. Chr. wird als flaminica Aug(ustalis) bezeichnet (2074); eine aus Ipsca in Baetica stammende ständige Priesterin (sacerdos perpetua) in drei Gemeinden, nämlich in der Colonia Claritas Iulia, d. i. Ucubi, im Municipium Ipsca und im Municipium I., war von ihrer heimatlichen Gemeinde Ipsca durch eine Statue geehrt, nach CIL II 1572.
Wegen der ihm widerfahrenen Ehrung hatte nach wahrscheinlicher Ergänzung ein Sevir, dem griechischen Beinamen zufolge ein Freigelassener, dem Schutzgeist der Gemeinde (Genio municipii Florentinorum) ein Denkmal geweiht, CIL II 2069. [1213] Dann aber hatte ein anderer Mann aus demselben Anlaß, ob honorem seviratus, einen Bau der Gemeinde zum Geschenk gemacht, von welchem eine auf die Schenkung bezügliche Inschrift nebst dem (noch erhaltenen) Bruchstück einer gleichlautenden zweiten bekannt sind, CIL II 2083 (vgl. 5507) und 2084 = 5508. In beiden Inschriften wird eine Forumanlage genannt, forum et basilica, was auch die stehende Verbindung bei Schriftstellern ist (allerdings mit dem Plural basilicae, vgl. Korr.-Bl. Westd. Ztschr. XV 1896 § 11).
Von Weihdenkmälern sind, außer der erwähnten Ehrung des Genius municipii, nur bekannt die datierte Inschrift der Salus von einem unfreien Ehepaar aus dem J. 26 n. Chr., CIL II 2093, und die Ehrung der Luna (CIL II 5509) durch eine Frau mit griechischem Beinamen, also wohl eine Freigelassene. Schließlich sei noch erwähnt ein Grenzstein, CIL II 5510, der auf der Vorderseite den teilweise ausgekratzten Namen des Kaisers Domitianus nennt, auf der Rückseite aber besagt [fi]nis c(allis?) p(ublici?), wie Hübner vermutet hat. Überhaupt bekundet alles, auch Grabschriften und Personennamen, für die iberische, im Gebirgstal des obersten Jenil (Singilis), abseits von den Haupt-Verkehrsadern gelegene, in den Itinerarien nicht berücksichtigte Stadt durchaus romanisierte Gesittung (vgl. auch Jung Roman. Landschaften 19). An das Verkehrsnetz war sie angeschlossen durch mehrere Straßen (Kiepert CIL II Suppl. Tab. I Pl), eine über Mentesa und Aurgi nach Castulo, welche durch Reste und den Meilenstein CIL II 4931 vom J. d. St. 746/7 = v. Chr. 8/7 gesichert ist, Hübner CIL II p. 653.
Allerdings war die genaue Lage der Stadt lange strittig und ist auch heute noch nicht ganz einwandfrei bestimmt. Von den oben herangezogenen Inschriften sind 5510 und 5511 bei Atarfe gefunden, einem Dorf in der Sierra de Elvira, welches Gebirge seinen Namen herleitet von I. (Elibirri). Die anderen Inschriften und gerade die Inschriften, welche das Municipium I. bezeugen, sind dagegen in Granada zum Vorschein gekommen, insbesondere auf einem gegenüber dem Palast der Alhambra gelegenen Hügel, der die ältere maurische Burg (la Alcazaba) trug. Daher hat man gewöhnlich die Stätte von I. in Granada selbst gesucht. [Ein Teil jener Inschriften ist übrigens gefunden worden in der zweiten Hälfte des 18. Jhdts. infolge von Ausgrabungen, welche zu wüsten, schließlich gerichtlich bestraften Fälschungen Veranlassung gewesen sind (Hübner CIL II p. 287), Betrügereien, wie sie bereits seit Ausgang des 16. Jhdts. zu Granada im Schwange waren und in Spanien selbst bekämpft wurden (Hübner CIL II p. 286f.)]. Es ist aber wahrscheinlich, daß jene echten Steindenkmäler aus der Umgebung von Granada dorthin zum Bau von Burg und Häusern durch die Mauren, wie anderswo, verschleppt sind. Denn zuverlässige arabische Schriftsteller vom 8. bis zum 11. Jhdt. bezeugen übereinstimmend, daß Ilbira oder Elvira westlich von Granada bei Atarfe liege. Tatsächlich hat auch hier eine (im Anfang des 11. Jhdts. zerstörte) bedeutende Stadt gelegen, wie Baureste und Grabfelder mit zahlreichen Gräbern beweisen, welche römische Fundstücke, insbesondere Kleinfunde, [1214] in großer Zahl geliefert haben (vgl. außer CIL II 5510f. noch 5518 a und 6260, 7. 8. 25–27). Daß jene arabischen Gewährsmänner auf die damals noch bestehende Stadt den Namen I. willkürlich übertragen haben sollten, ist kaum glaublich. Vgl. die von Hübner CIL II Suppl. p. 882f. angeführten Abhandlungen der Gebrüder Oliver (1870. 1875) und von Moreno (1888), welch letzterer freilich die Gleichsetzung der Reste der Stadt bei Atarfe mit I. als unbestimmt hinstellt. Andrerseits ist es aber auch glaubhaft, daß an der Stelle von Granada bereits ein iberisches, nachher römisches Dorf bestanden habe, wo in der Spätzeit Juden und Christen nachweislich gewohnt haben. Dieses Dorf hieß vielleicht seit alters Granata, hieß aber sicher nicht Nativola, wie aus einer frühchristlichen Inschrift (Hübner Inscr. Hisp. christ. n. 115) mit Unrecht gefolgert worden ist, vgl. Hübner CIL II Suppl. p. 882 (Kiepert CIL II Suppl. Tab. III PQl und FOA Gg hat den unberechtigten Namen Nativola noch eingetragen). Eine Trennung der römischen Inschriften von I. von denjenigen, die in Grenada gefunden und nicht dahin verschleppt sind, ist jedoch unmöglich.
[Nachtrag: Zu dem Bruchstück CIL II 5511 ist Ende 1906 ein nahezu vollständig erhaltenes Gegenstück gefunden worden, wonach beide Inschriften Ehrungen waren vom selben Jahr, veranlaßt durch die Gemeinde Ilurco (s. d.) und datiert nach den Duoviri des betreffenden Jahres. Die neugefundene Inschrift ehrte den Adoptivsohn des Antoninus Pius, L. Verus (den späteren Kaiser mit M. Aurelius, o. Bd. III S. 1832ff. nr. 8): [L. A]elio [C]ommod(o) Aug(usti) fil(io) d(ecreto) d(ecurionum) Ilurcoriens(ium) anno C. Anni Senecae et Q. Cornel(i) Macri II vir(um). Auf diese Inschriften gestützt hat Gomez-Moreno Boletín de la Real Academia de la historia (Madrid) L 1907, 182ff. die örtliche, auch von Hübner früher (CIL II p. 284) empfohlene Überlieferung vertreten, nach welcher Ilurco auf der Stätte des ,Cerro de los Infantes‘ (d. h. Prinzenhügel) in der Sierra de Elvira bei Atarfe gelegen habe, hingegen sei I. auf der Alcazaba von Granada zu suchen. Allerdings sind jene beiden Inschriften von Ilurco nicht auf der genannten Fundstätte selbst gefunden, sondern in einiger Entfernung, und sind nach Ansicht von Gomez-Moreno verschleppt.]
In der spätrömisch-frühchristlichen Zeit hat I. noch eine Rolle gespielt durch das hier abgehaltene, berühmt gewordene Konzil des J. 305 n. Chr., eine Generalsynode spanischer Bischöfe, s. Ferd. de Mendoza in dem von Hübner CIL II p. 285 angeführten Buch (1594) und Hefele Conciliengeschichte I 122–161; mehr Literaturnachweise bei Chevalier Répertoire des sources historiques du moyen âge, Topo-bibliographie I 986.
Hübner CIL II (1869) p. 285–292 (mit Add. p. 705) und Suppl. (1892) p. 882–885, vgl. Index p. 1146, auch p. 1208 (Atarfe) und 1213 (Granada); Suppl. Tab. I Pkl und III PQl. In Ephem. epigr. VIII (1899) 394 und IX 1 (1903), 92 finden sich keine Nachträge zu I. C. Müller Ausg. des Ptolemaios I 1 p. 120. De Vit Onomasticon [1215] III 526 (vgl. 128 Col. II: Florentinus). Hübner Mon. ling. Iber. (1893) 233.
Über Münzen von I. mit der iberischen Beischrift ilurir s. Delgado Nuevo método de clasif. de las medallas aut. de España II (1873) 82ff. mit Taf. XXXVf. Hübner Mon. ling. Iber. 113f. nr. 128. Spätere Geldstücke, wohl aus dem letzten vorchristlichen Jahrhundert, vor J. 27, tragen die lateinische Aufschrift Ilib. oder Iliber. oder Liber., andere (vgl. o.) die Aufschrift Florentia, Heiss Monn. ant. de l’Esp. 325f. mit Abb. Taf. XLVIII. Delgado a. a. O. mit Taf. XXXVIf. Hübner Mon. ling. Iber. 114 nr. 128 a. Über westgotische Münzen mit den Aufschriften Iliberri oder Eliberri oder Liberri s. Heiss Monn. des rois wisigoths (1872) 50.
[Keune.]
Nachträge und Berichtigungen
1) Stadt in Hispania Baetica. S III. = Iliberris (IX 1060).
[Hans Gärtner.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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