ART

Iktinos, der berühmte Architekt der perikleischen Zeit, wird bei Paus. VIII 41, 9 und Strab. IX 395. 396 allein, bei Plut. Perikl. 13 neben Kallikrates als Erbauer des Parthenon genannt, und Vitruv. de archit. VII pr. 12 erwähnt unter den Kunstschriftstellern I. und einen sonst unbekannten Carpion, die de aede Minervae dorica quae est Athenis geschrieben hätten (ob gemeinsam oder jeder für sich, ist aus der Stelle nicht ersichtlich). Da Kallikrates nach Plut. a. a. O. auch eine rein technische Arbeit, den Bau der (mittleren) langen Mauer nach dem Peiraieus, als Unternehmer ausgeführt hat (?ργολάβησε), so nahm man früher an, daß beim Parthenonbau I. hauptsächlich die künstlerische Leitung, Kallikrates die Ausführung gehabt habe (die Frage, wird im Anschluß an die Inschrift Dittenberger Syll. 16 über die von Kallikrates geleiteten Reparaturen an der Akropolismauer ausführlich erörtert von Wernicke Herm. XXVI 51). Durch die Entdeckung des attischen Volksbeschlusses Dittenberger Syll. 911, der Kallikrates als Urheber des Entwurfs für den Niketempel nennt, ist diese Annahme erschüttert worden. Wie man also auch das Verhältnis des I. zu Kallikrates und namentlich zu Pheidias, I der von Plut. a. a. O. als künstlerischer Berater des Perikles gerade auch über die großen Baumeister gestellt wird, bei dem Mangel jedweder positiver Anhaltspunkte sich vorstellen mag, jedenfalls ist der Name des I. mit der Höchstleistung des griechischen Tempelbaus aus der Blütezeit Athens untrennbar verbunden. Schwerlich richtig werden indes die Namen beider [996] Architekten an der Spitze der Inschrift über die Bauverwaltung des Parthenon Americ. Journ. XVII 1913, 62 pl. II von Dinsmoor in dem Präskript des ersten Jahres vor den Namen der Epistatai ergänzt. Zumal es zweifelhaft ist, ob I. überhaupt Athener war, können nur die letzteren in den finanziellen Geschäften zunächst verantwortlich gewesen sein.

Eine ähnliche Schwierigkeit besteht hinsichtlich des zweiten Hauptwerkes, als dessen Urheber I. bezeichnet wird, des großen Mysterientempels in Eleusis, Strab. IX 395. Vitruv. de archit. VII pr. 16, weil Plutarch a. a. O. drei andere Künstler nennt: Koroibos, der die Säulen des Untergeschosses mit den Epistylien hergestellt habe, Metagenes, der nach Koroibos’ Tod den Fries und die oberen Säulen setzen ließ, und Xenokles, von dem das Dach mit der Lichtöffnung herrührte. Auch hier sucht man den Widerspruch durch die Annahme zu lösen, daß I. der Urheber des Planes, die bei Plutarch genannten Architekten technische Leiter des Baus gewesen seien (Wernicke a. a. O. 59. Michaelis[-Springer] Handb. der Kunstgesch. I⁹ 263). Der ursprüngliche Plan, der außen auf drei Seiten Säulenstellungen vorgesehen zu haben scheint, wurde jedenfalls nicht vollständig ausgeführt, denn auch die gegen Ende des 4. Jhdts. von Philon hinzugefügte Säulenhalle entspricht nicht ganz den älteren Fundamenten (Originalaufnahme Πρακτικά 1887 mv. I. Michaelis a. a. O. 263 Abb. 470 und Literaturnachweis 20).

Drittens war I. nach Paus. VIII 41, 9 Erbauer des Tempels des Apollon Epikurios in Bassai bei Phigalia (s. o. Bd. III S. 104. Stackelberg Apollotempel zu Bassä 1826. Cockerell Aegina and Bassae 1860. Πρακτικά 1902, 23. Ἐφημ. ἀρχ. 1910, 271. Dörpfeld Athen. Mitt. XVI 343 und Ztschr. f. Gesch. der Archit. VI 1913, 9). Da dieser in seiner Anlage und in seinen künstlerischen Formen (originelles ionisches und korinthisches Kapitell) so eigenartige Bau schwerlich älter als der Parthenon ist, so wird anzunehmen sein, daß I. etwa gleichzeitig mit Pheidias Athen verlassen hat und nach dem Peloponnes gegangen ist. Neben dem Parthenon und dem Bau in Eleusis zeigt der Tempel von Bassai die eigenartige Gestaltungskraft und Vielseitigkeit des Künstlers.

Bei Ausonius Moseila 309 wird I. nach Varros Imagines zu der Hebdomas der größten griechischen Baukünstler gerechnet wegen seiner Tätigkeit ,in arce Minervae‘ und als Verfertiger einer wunderbaren Eule,

magico cui noctua perlita fuco
allicit omne genus volucres perimitque tuendo.

Was es mit dieser Eule, die vielleicht bloß infolge Verwechslung mit Pheidias dem I. zugeschrieben wird (Hesych. s. γλαῦξ. Dio Chrys. XII 6), für eine Bewandtnis hat, lehren die Stellen über das Nichtvorkommen von Krähen auf der Akropolis bei Michaelis Arx Athen, a Paus, descr.³ 55. Es scheint darnach ein Periegetenmärchen zugrunde zu liegen.
[Fabricius.]

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