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16) Hieronymus. Der gelehrteste unter den lateinischen Kirchenvätern wird gelegentlich in den Überschriften seiner Werke als Eusebius Sophronius Hieronymus oder als Eusebius Hieronymus bezeichnet (Vallarsi XI 14. Migne XXII 12f.); da aber er selbst und seine Zeitgenossen nur den Namen Hieronymus gebrauchen, so wird die erweiterte Namensform als spätere Stilisierung anzusehen sein; Eusebius hieß der Vater (vir. inl. 135), Sophronius der Freund des Kirchenvaters, der mehrere seiner Werke ins Griechische übersetzt hat (vir. inl. 134). Sein Geburtsort ist die Stadt Stridon, quod a Gothis eversum Dalmatiae quondam Pannoniaeque confinium fuit (vir. inl. 135); dies Schicksal der Stadt hat es mit sich gebracht, daß ihre Lage heute strittig ist (Bulić in Festschr. f. O. Benndorf 276), vielleicht darf man aus Palladius Bezeichnung Ἱερώνυμός τις ἀπὸ Δαλματίας (Hist. Laus. 125) schließen, daß sie auf dalmatinischem Boden lag. Alle Angaben über sein Geburtsjahr beruhen auf Vermutung. Wir wissen über seine Jugend nur, daß er beim Tode Kaiser Iulians (363) adhuc puer et in grammatico ludo war (Comm. in Abac. II zu 3, 14). Ein nach Ammianus Marc. (XXVI 10, 15) am 21. Juli 365 erfolgtes Erd- und Seebeben bezeichnet er als in mea infantia geschehen (Comm. in Is. V zu 15, 1; vgl. vita Hilarionis 40). Da er zum J. 354 (Ol. 283, 2) in seiner Chronik notiert Victorinus rhetor et Donatus grammaticus praeceptor meus Romae insignes habentur, so vermutet Schoene, daß er dieses Jahr zu der Notiz gewählt habe, weil er in ihm (als 7–8 jähriger Knabe?) in die Schule des Donatus zu Rom eingetreten sei: jedenfalls weilte er 363 noch dort als puer. In Rom hat er, der aus christlichem Hause stammte (ep. 82, 2; praef. vers. Iob), auch die Taufe empfangen (ep. 16, 2. 15, 1) und zusammen mit Rufinus (s. d.) nicht nur eifrig studiert, sondern auch von den Lastern der Großstadt gekostet (ep. 3, 1. 7, 4. 22, 7 u. ö. Grützmacher I 129ff.). Mit einem andern Jugendgenossen, Bonosus, ist er nach Beendigung der römischen Studien (als adulescentulus adv. Iov. II 7) nach Gallien gereist: hier reifte in ihm der Entschluß, sich Christus zu weihen (ep. 3, 5), vielleicht unter dem Einfluß der [1566] Trierer Mönche, von denen bei Augustin (conf. VIII 6, 15) berichtet wird; jedenfalls hat er Trier besucht (ep. 5, 2). Danach scheint er sich in Aquileia aufgehalten zu haben: zum J. 373 (Ol. 288, 1) bemerkt seine Chronik Aquileienses clerici quasi chorus beatorum habentur und die Adressen der Brief 6–9 nennen die Aquileienser Iulianus, Chromatius, Iovinus, Eusebius, Niceas, Chrysocomas als seine Freunde, und er redet zu ihnen von Heliodor (ep. 6, 2), Euagrius (ep. 7, 1), Bonosus (ep. 7, 3), dem Bischof (papa) Valerian von Aquileia (ep. 7, 4) als gemeinsamen Bekannten. Auch Rufinus, der hier die Taufe empfing (Rufin. apol. ad Hieron. I 4), gehörte zu diesem Kreise, an ihn ist ep. 3 gerichtet. Plötzlich, Schoene meint, es sei in dem eben deshalb notierten J. 373 gewesen, verließ H. das Vaterland, wir wissen nicht warum: ein subitus turbo und eine impia avulsio habe ihn von der Seite Rufins gerissen, klagt er in ep. 3, 3. Den Eltern und Verwandten in der Heimat sagte er Lebewohl, um nach Jerusalem zu pilgern (ep. 22, 30); Innocentius, Euagrius und Hylas, ein Sklave der Melania (s. d.) begleiteten ihn auf der beschwerlichen Reise, die von Thrakien aus quer durch das Innere Kleinasiens nach Syrien führte, wo er krank in Antiochia von dem dort ansässigen Euagrius (s. o. Bd. VI S. 830 Nr. 4) gepflegt wurde: Innocentius und Hylas waren gestorben (ep. 3, 3). Daß auch Niceas und Heliodor seine Reisegefährten waren, lernen wir aus ep. 8, 3 und 14, 1. Wohl während dieses Aufenthaltes in Antiochia hörte er die exegetischen Vorlesungen des Apollinaris von Laodicea mit Eifer (ep. 84, 3. Grützmacher I 150, 2): er hat diesem Lehrer (s. o. Bd. I 2842) auch später noch ein dankbares Andenken bewahrt (s. Lietzmann Apollinaris I 265f). Danach finden wir ihn in der Wüste Chalkis, quae iuxta Syriam Saracenis iungitur (ep. 5, 1). In diese Periode seines Lebens fällt die intensive Beschäftigung mit dem Hebräischen (ep. 125, 12. Er konnte schon in Rom hebräisch ep. 29–32), auch Griechisch hat er erst zum Zwecke dieser Orientreise gelernt (Rufin. apol. II 9). Seine persönlichen Beziehungen zu Euagrius und Apollinaris brachten es mit sich, daß er auch in der Einsamkeit zur Parteinahme in der antiochenischen Kirchenspaltung gedrängt wurde: vergebens bat er Damasus von Rom um eine Weisung (ep. 15. 16) und hielt sich einstweilen neutral und in Kirchengemeinschaft mit verbannten ägyptischen Bischöfen, die in Diocaesarea untergebracht waren (ep. 15, 2). Schließlich, wohl nachdem im Herbst 375 (Lietzmann Apollinaris I 57; 376 Schwartz Nachr. Gött. Ges. 1904, 370) Rom sich für Anerkennung des Paulinus als rechtmäßigen Bischofs von Antiochia entschieden, schloß sich H. diesem an und empfing von ihm die Priesterweihe (c. Joh. Hieros. 41, i. J. 379 nach Rauschen Jahrb. 56, 3). Aber das Gezänk hatte nicht nur seinen Freunden, sondern auch ihm selbst den Aufenthalt in der Wüste verleidet (ep. 17): wann er den Entschluß, sie zu verlassen, ausgeführt hat, wissen wir nicht genau. Wir finden ihn erst wieder auf dem Konstantinopeler Concil, welches vom Mai bis Juli 381 tagte (die vir. inl. 128 [1567] berichtete Vorlesung gehört in diese Zeit: Rauschen Jahrb. 56, 2). Da er bei Gregor von Nazianz, der noch während des Concils dem Konstantinopeler Bischofsamt entsagte und die Stadt verließ, Vorlesungen und Predigten gehört hat (ep. 50, 1. Comm. in Eph. III z. 5. 32) und ihn mehrfach (vir. inl. 117; ep. 52, 8; c. Iov. I 13) als praeceptor meus bezeichnet, so ist er wohl schon einige Zeit vor dem Concil in die Hauptstadt gekommen. Doch bleibt es möglich, daß er sie nur als Begleiter des Paulinus aufgesucht hat, denn im nächsten Jahre (Rauschen Jahrb. 134) reiste er mit diesem seinem Bischof und Epiphanius von Salamis, der ecclesiastica necessitas gehorchend, zu einer Synode nach Rom (ep. 127, 7), wo die Aktion gegen den neuen Patriarchen von Antiochia und gegen die Apollinaristen eingeleitet wurde. Hier blieb er und trat in nähere Beziehungen zum Bischof Damasus: cum in chartis ecclesiasticis iuvarem Damasum... et Orientis atque Occidentis synodicis consultationibus responderem (ep. 123, 10).

Er blieb paene certe triennio in Rom (ep. 45, 2), der August, in dem er es verließ (adv. Ruf. III 22), war also der des J. 385. Seine Bekehrungen vornehmer Damen zur asketischen Lebensweise (ep. 39, 5. 54, 2. 3 u. ö.), sowie seine kritischen Äußerungen über Unsitten des römischen Klerus (ep. 22) hatten ihn unbeliebt gemacht. Als sein Beschützer Damasus am 11. Dezember 384 starb, wurde seine einstige Hoffnung, dessen Nachfolger zu werden (omnium paene iudicio dignus summo sacerdotio decernebar ep. 45, 3) endgültig zunichte. So verließ er im August 385 die Stadt, reiste mit einigen gleichgesinnten Freunden, darunter sein 15 jähriger Bruder Paulinianus (ep. 82, 8) und der Presbyter Vincentius (c. Joh. Hieros. 37), zur See über Cypern nach Antiochia (adv. Ruf. III 22). Hierhin kamen ihm die treuesten seiner römischen Freundinnen, die reiche hochadlige Witwe Paula mit ihrer Tochter Eustochium nach, und gemeinsam mit ihnen traf H. im Winter 385 in Jerusalem ein. Dann bereisten sie Palästina und Ägypten, wo H. trotz seines ,schon ergrauten Haares‘ (ep. 84, 3) die kurze Zeit ihres alexandrinischen Aufenthaltes (nur 30 Tage: Rufin. apol. II 12) dazu benutzte, auch des blinden Didymos (s. o. Bd. V 474 Nr. 13) Schüler zu werden: er blieb mit ihm auch später in freundschaftlichen Beziehungen (vir. inl. 109. Comm. in Eph. praef. Comm. in Osee praef.). Nach einem Besuch der Mönchskolonien in der Nitrischen Wüste kehrten die Reisenden im Sommer 386 nach Palästina zurück und begaben sich nach Bethlehem (Reisebericht adv. Ruf. III 22 und ep. 108, 6–14. Grützmacher II 1ff.). Drei Jahre danach, 389, baute Paula ein Männerkloster, dann drei Frauenklöster und mehrere Herbergen an der Landstraße (ep. 108, 14. 19). Hier war von nun an des H. ständiger Wohnsitz, von wo aus er, durch eifriges Studium seine Gelehrsamkeit mehrend, mit seinen Schriften kräftig in den Gang der Kirchengeschichte eingriff. Am 30. September 420 ist er nach Prospers Chronik (Mon. Germ. Chron. min. I 2 p. 469) gestorben (Grützmacher I 52): daß er, wie Prosper behauptet, [1568] 90 Jahre alt geworden sei, also 330 geboren wurde, ist unmöglich.

Über seine schriftstellerische Tätigkeit berichtet H. in vir. inl. 135 usque in praesentem annum, id est Theodosii principis quartum decimum d. h. 392. Dort spricht er von seiner Bibelübersetzung mit den Worten: Novum testamentum graecae fidei reddidi, vetus iuxta hebraicum transtuli. Damasus hatte ihn beauftragt, durch eine kritische Revision dem Variantengewirr der lateinischen Bibeltexte ein Ende zu machen. Er hat die Aufgabe für das Neue Testament so gelöst, daß er den in Rom gebräuchlichen Bibeltext mit ,alten‘ griechischen Codices verglich und mit möglichster Schonung des hergebrachten nur an solchen Stellen änderte, wo der Sinn des Urtextes entstellt zu sein schien (vgl. praef. vers. evang.). Wordsworth und White nehmen an, daß er einen dem cod. Brixianus (F s. VI) verwandten Text als zu korrigierendes lateinisches Exemplar benutzte. Im J. 384 (Rauschen Jahrb. 192) waren die Evangelien bereits veröffentlicht, und die Arbeit an den paulinischen Briefen im Gange (ep. 27): so läßt sich vermuten, daß die Revision des ganzen Neuen Testamentes noch in Rom vollendet worden ist. Die ältesten uns erhaltenen Handschriften gehen bis ins 6. Jhdt. zurück (Fuldensis c. 545. Mediolanensis s. VI. Amiatinus c. 700. Echternacensis-Pari. s. VIII nach Vorlage von 558 corr.). Weiteres bei Nestle Einführung in das griech. N. T.³ 138ff. Ausgaben des N. T. von Lachmann (Gr. lat.) 1842–1850. Tischendorf 1854, 1864/5. Große kritische Ausgabe von Wordsworth-White, Oxford 1889–1905 (bis jetzt Evang. und Act.) im Erscheinen. Editio minor mit ausgewähltem Apparat von Witte, Oxford 1911. Vorzügliche Handausgabe mit Apparat von E. Nestle, Stuttgart 1906. In gleicher Weise hat H. noch in Rom den Psaltertext nach der landläufigen Septuaginta (κοινή) sehr schonend und cursim revidiert (praef. Psalt. Gall.). Das Ergebnis ist das sog. Psalterium Romanum (Martianay I 1223 = Migne XXIX 120ff. Näheres A. Rahlfs Septuagintastudien II 30). Da aber die Abschriften dieser Arbeit bald wieder voller Fehler waren, so nahm H. in Bethlehem eine neue Revision nach der Septuaginta vor; nur daß er jetzt den auf der kritischen Arbeit des Origenes (s. d.) basierenden hexaplarischen Text zugrunde legte, den er mit dem Urexemplar in der Bibliothek zu Caesarea verglich (Comm. in Tit. 3, 9); dementsprechend fügte er auch im Lateinischen den Obelos ÷ den Worten bei, welche im Hebräischen fehlten, und merkte durch den Asteriscus ※ die Zusätze zur LXX an, welche einem Plus des Hebräers entsprachen und in der hexaplarischen Vorlage der Übersetzung des Theodotion entnommen waren. Dies sog. Psalterium Gallicanum ist definitiv in den kirchlichen Gebrauch übergegangen (Ausg. Martianay I 1224. Migne XXIX 119ff. sowie, freilich ohne die kritischen Zeichen, jeder Vulgatadruck; vgl. Rahlfs 33). In gleicher Weise hat er die hexaplarische Septuagintaausgabe des Hiob ins Lateinische übersetzt (Martianay I 1185 = Migne XXIX 59ff. Lagarde Mitteilungen II [1569] 193. C. P. Caspari Das Buch Hiob in einer St. Galler Hs. in Christiania Videnskab Selskabs Forhandl. 1893) desgleichen Sprüche, Prediger und Hoheslied Salomos (Text verloren, erhalten nur die Vorrede Martianay I 1419 = Migne XXIX 403); große Teile dieser Arbeiten sind schon zu des H. Zeit verschwunden (ep. 134, 2). Vor 392 (vir. inl. 135) hat er indessen schon eine bedeutsame Arbeit begonnen, die Übersetzung des Alten Testaments aus dem Hebräischen. Er fing mit den vier Königsbüchern an, denen er als Prooemium des ganzen Werkes den prologus galeatus vorausschickte und schloß mit dem ,Oktateuch‘ (d. h. Pentateuch Mosis Jos. Jud. Ruth), den er bald nach 404 vollendete (Grützmacher I 73ff.). Dieses Übersetzungswerk hat sich langsam in der abendländischen Kirche durchgesetzt und die älteren, aus der LXX geflossenen Übersetzungen verdrängt. Zunächst war der Widerstand gegen die Neuerung groß; die Vorreden des H. zu den einzelnen Büchern und die Korrespondenz mit Augustin (Aug. ep. 28. 71. 75, 19ff. = Hier. ep. 56. 104. 112, 19ff.) legen deutlich Zeugnis dafür ab, und die Textgeschichte der später sogenannten ,Vulgata‘ lehrt, daß ihr Sieg nur durch Kompromisse, d. h. Vermischung mit dem Wortlaut der alteingebürgerten Übersetzung errungen werden konnte (S. Berger Histoire de la Vulgate 1893). Der Text des täglich gebeteten und gesungenen Psalters saß sogar derartig fest, daß die Kirche nur seine leichte Revision in Gestalt des Psalterium Gallicanum ertragen konnte; das ,Psalterium iuxta Hebraeos‘ ist gelehrte Privatarbeit geblieben (Ausg. Martianay I 835 = Migne XXVIII 1123ff. Lagarde Psalt. iuxta Hebr. Hier. 1875). In den Handschriften seiner Übersetzung führte H. das Schreiben in Sinnzeilen per cola et commata bei den Propheten und in der Chronik ein, damit man den Text leichter verstehen könne; er beruft sich auf die Codices des Demosthenes und Cicero als Vorbilder (praef. vers. Isaiae und praef. Paralip.). Ausgaben der ganzen Vulgata massenhaft als Nachdruck der offiziellen Ausgabe (Sixtino-Clementina, Rom 1592). Dazu Variae lectiones von C. Vercellone 1860–1864. Heyse-Tischendorf 1873 geben den offiziellen Text mit Kollation des cod. Amiatinus; weiteres bei Nestle in Haucks Real-Encykl. III 36–49. P. Corssen in Bursians Jahresber. CI 52ff.; s. auch o. Bd. III S. 397ff. Eine kritische Ausgabe fehlt. Eine Commissione per la revisione della Vulgata unter Dom Aidano Gasquet O. S. B. arbeitet seit 1907 an dem Problem. Die von H. vir. inl. 2. 3 u. ö. erwähnten (Schmidtke 36ff.) Übersetzungen des Nazaräerevangeliums ins Lateinische und Griechische sind verloren. A. Schmidtke Neue Fragm. z. d. judenchristl. Evang., Texte und Unters. XXXVII 1, 246ff. bestreitet mit übertriebener Skepsis ihre Existenz.

Der Aufenthalt in der chalkidischen Wüste bei Antiochia hat die literarische Produktivität des H. geweckt und ihr zugleich einen bleibenden Stempel aufgedrückt; er erfährt hier den beherrschenden Einfluß der griechischen Gelehrsamkeit des Origenes und seiner Schule.

Das bedeutendste Erzeugnis dieser ersten, [1570] durch Übersetzungsarbeiten aus dem Griechischen gekennzeichneten Periode ist die Übertragung und Ergänzung des zweiten, tabellarischen Teils der Chronik des Eusebius (vgl. Ed. Schwartz o. Bd. VI S. 1376ff. besonders 1379ff.), der ihm in der erweiterten Form vorlag. Die ältesten Handschriften dieser Übersetzung gehen bis ins 5. Jhdt. zurück und bieten uns eine ziemlich getreue Reproduktion des Originales nicht nur des H., sondern auch des von ihm benutzten griechischen Codex. Zur Veranschaulichung mögen die beigegebenen drei Seiten (fol. 73v, 74r und fol. 100v) des Bodleianus dienen. Die Anlage der Tabellen ist vor und nach dem Jahre Ol. 65, 1 ( = 520/19 v. Chr.), in welchem die alttestamentliche Geschichte mit dem Neubau des Tempels abgeschlossen wird, eine verschiedene; in der älteren Zeit ist der Inhalt jeweils auf zwei einander entsprechende Seiten verteilt; die linke ist für die biblische Geschichte bestimmt, die nur selten durch profane Notizen unterbrochen wird, die rechte meldet die profanen Ereignisse. Das Gerüst des ganzen Werkes bilden die fila regnorum, die synchronistischen Königslisten. Die hier wiedergegebene Seite (fol. 73v) beginnt mit dem neunten Jahre des Mederkönigs Fraortes, an dessen Stelle kurz vor dem Ende der Seite Cyaxares tritt (er regiert 32 Jahre). Die nächste Columne, zum Unterschied mit roter Tinte geschrieben (durch cursiven Druck markiert) beginnt mit dem zwölften Jahre des Amon von Juda, dem der 18. König von Juda Josias mit 32 Regierungsjahren folgt. Am rechten Rande dieser Seite sind die entsprechenden Jahre der römischen Könige gebucht: Fraortes 9 = Amon 12 ist = Tullus Hostilius 28: es folgt nach vier Jahren der vierte Römerkönig Ancus Martius mit 23 Regierungsjahren. Die Namen der neuen Regenten unterbrechen für alle Columnen gleichmäßig die Zahlenreihe. Einige für die Chronologie grundlegende Ereignisse (Troias Fall a. Abr. 836, Salomos Tempelbau a. Abr. 935, Beginn der Olympiaden a. Abr. 1241, erstes Exil Israels Ol. 8, 3, babylonisches Exil Ol. 47, 3 und dessen Ende Ol. 65, 1) unterbrechen gleichfalls die fila regnorum. Diese synchronistischen Systeme werden nun jeweils an der ersten Columne links durch Einführung der rot zwischengeschriebenen Olympiaden gegliedert: Ol. 34, 1 = Fraortes 11. Da nun die Chronik mit dem ersten Jahre Abrahams beginnt, so wird als laufende Nummer in Abständen von zehn zu zehn Jahren das Jahr Abrahams vor das entsprechende Königsjahr gesetzt: hier 1380 zu Fraortes 18 = Ol. 35, 4. Auf dem rechten Blatt stehen, auch wieder abwechselnd schwarz und rot die Columnen der Makedonier und Lyder links, der Ägypter rechts vom Text. Dieser selbst wird durch die zu datierenden historischen Notizen gebildet, welche im Mittelraum (dem sog. spatium historicum) mit etwas kleinerer Schrift jeweils bei dem gemeinten Jahr beginnen und dann, unbekümmert um das Weiterlaufen der fila regnorum zu Ende geschrieben werden: die Thalesnotiz gehört z. B. zu Ol. 35, 1 (= Fraortes 15 = Josias 6), nicht auch zu den nächsten Jahren. Die Notate aus der biblischen Geschichte sind hier, was aber nicht durchgehend der Fall [1571]
fol. 73v fol. 74r
Medorum Hebrae
orum Roma-
norum Macedon. Lydo-
rum Aegyp
tiorum
Filippus XXXVIII
VIIII xii
Postquem
Iuda xviii
Iosias xxxii XXVIII I xviii XIII
X
xxxiii Olymp. i XXVIIII II xviiii XIIII
XI ii XXX III xx XV
XII iii XXXI IIII xxi XVI
XIII iiii Hebraeorum pontifex
maximus Helcias in-
signis habetur XXXII
Romanorum IIII
Ancus Marcius XXIII V xxii

Terpander musicus
insignis habetur XVII
XIII
xxxv Olymp. v I VI xxiii XVIII
XV
XVI
XVII vi Thales Milesius Examyis filius
primus fysicus filosofus ag-
noscitur quem vixisse aiunt
usque ad LVIII Olympiadem II
III
IIII VII
VIII
VIIII xxiiii
xxv
xxvi
Oraculo Dodonaeo
primum Graecia
[a]lusa est XVIIII
XX
XXI
MCCCLXXX XVIII
xxxvi Olymp. viiii V X xxvii Messenia a Lacedemo-
niorum societate discedit XXII
XVIIII x VI XI xxviii XXIII
XX xi VII XII xxviiii Scythae usque ad Palesti-
nam penetraverunt XXIIII
XXI xii VIII XIII xxx XXV
XXII
xxxvii Olymp. xiii Hieremias prophetare orsus VIIII XIIII xxxi Myrtaeus Atheniensis
poeta cognoscitur XXVI
XXIII xiiii X XV xxxii Battus condidit Cyrenen XXVII
XXIIII
Medorum xv XI XVI xxxiii
Sinope condita XXVIII
Cyaxares XXXII
I xvi XII XVII xxxiiii Lypara condita XXXVIIII
II xxii Olda mulier apud Hebraeos
profetabat XIII XVIII xxxv XXX

[1573]
fol. 100v
Alexandria Consules Syriae et
Asiae Iudaeorum
V
VI
VII
clxviii Olymp Gryp[r]us superato Cyziceno eandem
recipit ita ex successione
regnabant adversum se invicem
dimicantes ii
iii
iiii XX
XXI
XXII
VIII Iugurta contra Romanos dimicans capitur v XXIII
MDCCCCX VIIII Rodo terrae motu concussa colossus ruit vi XXIIII
Ionatha gloriose apud Iudaeos principatum gerit
X Cicero Arpini nascitur matre Helvia
patre equestris ordinis ex regio
Vulscorum genere vii XXV
XI Cn. Pompeius Magnus oritur viii XXVI
clxviiii Olymp.
Iudaeorum
Aristobolus Ionathae
Aristobolus
XII rex pariter et pontifex primus viiii I
apud Iudaeos diadematis sumpsit
isigne post CCCCLXXXIIII annos
Babyloniae captivitatis . post
quem regnavit Annaeus cogno-
mento Alexander, qui pontifica-
tum quoque administrans cru-
delissime civibus praefuit. Post
quem An-
naeus qui
et Alexan-
der XXVII
Turpilius comicus senex admodum
Sinuessae moritur.
XIII Gaius Lucilius satyrarum scri-
btor Neapoli moritur ac publico
funere effertur anno aetatis XLVI
M. Furius poeta cognomento Bibaculus x I

ist, durch rote Tinte ausgezeichnet. In der zweiten Hälfte der Chronik (vgl. S. 1573) werden dagegen die Notate, die nun auch beträchtlich an Umfang wachsen, bei dem betreffenden Jahr begonnen und in der normalen Schriftgröße auf dem für das spatium historicum durch Linien abgegrenzten Raum zu Ende geführt. Sind mehrere Ereignisse zu demselben Jahr bemerkt, so wird jedes mit neuer Zeile begonnen (vgl. Ol. 168, 2. 169, 2. 3). Erst nach Beendigung des ganzen Textes tritt die nächste Jahreszahl der fila regnorum ein, der wieder die zugehörigen Notizen folgen. Nur wenn zu einem oder mehreren Jahren nichts zu notieren ist, laufen ihre Zahlen eventuell neben dem letzten Notat des spatium historicum weiter; so am Beginn der reproduzierten Seite: die erste Notiz gehört zu Ol. 167, 1 = Alex. Ptol. Sot. 4: sie beginnt auf der vorigen Seite (Antiochus Cyzicenus Gripo eiecto Syriam optinuit ac rursum folgt Gryp[r]us) und endet Zeile 5 mit dimicantes: da aber zu Ptol. Sot 5. 6. 7 nichts zu bemerken ist, stehen die Zahlen samt den Synchronismen (rechts) fortlaufend am Rande. Vgl. die vorzügliche Faksimileausgabe The Bodleian Manuscript of St. Jeromes version of the chronicle of Eusebius with an introd. by J. E. Fotheringham, Oxford 1905 und die Anzeige [1574] von E. Schwartz Berl. phil. Wochenschr. 1906, 744ff.

Während die ältere Zeit eine einfache Übersetzung des Eusebianischen Werkes bietet, ist von Troias Fall an römische Geschichte und Literatur eingearbeitet, von 325–378, dem Terminus post quem der Bearbeitung, die Arbeit selbständig weitergeführt. Als Quellen für die historischen Notizen benutzte er Eutropius Breviarium (s. o. Bd. VI S. 1525), das Breviarium Rufi, wenn auch vielleicht indirekt (Schöne Weltchronik 219ff.), die römische Stadtchronik von 334, welche in den Chronographen von 354 aufgenommen ist (s. o. Bd. III S. 2480), die bis 375 geführte Chronica Constantinopolitana (s. o. Bd. III S. 2459), eine Geschichte von Pompeius Tod bis Actium, vielleicht eine Liviusepitome (Haupt Philol. XLIV 291), Aurelius Victor (Schöne 205ff. 217) u. a. Die literarhistorischen Angaben stammen, wie er selbst in der Vorrede sagt, aus Sueton, und zwar aus der als Ganzes verlorenen Schrift de viris inlustribus. Grundlegend für die Quellenfrage Mommsen Abh. Leipz. Ges. I (1850) 669ff. Schöne Weltchron. 117ff. hat aus dem Befund der Überlieferung nicht nur gelegentliche spätere Änderungen, sondern eine [1575] zweite Ausgabe, die Editio Romana erschließen wollen, was E. Schwartz Berl. phil. Wochenschr. 1906, 749f. bestreitet, vor allem, weil wir dann eine Fortsetzung über 378 hinaus zu erwarten berechtigt wären. H. selbst bezeichnet die Chronik als ein tumultuarium opus, welches er dem notario velocissime diktiert habe (praef.): ein Umstand, der zur Vorsicht in der Benutzung mahnen muß: s. Schöne 76ff. – Ausgaben: Vall. VIII und in Schönes Ausg. der Eusebianischen Chronik, wozu aber die Korrekturen und Nachträge bei Schöne Die Weltchronik des Eusebius in ihrer Bearbeitung durch Hieronymus 1900 und Fotheringhams Vorrede zur Ausgabe des Bodleianus zu vergleichen ist; ferner L. Traubes Vorrede zu Hieronymi Chronicorum. Cod. Floriacensis fragm. phototypice ed. in Scato de Vries Codd. Graeci et Latini Suppl. I 1902, Ein Bild der Anlage geben nur die Hss.

Um die gleiche Zeit wie die Chronik (das lehrt die Widmung an Vincentius, vgl. auch vir. inl. 135) hat H. die Homilien des Origenes über Jeremias und Ezechiel (Vall. V 741) recht frei, ja nicht selten sehr willkürlich verfahrend, ins Lateinische übersetzt, auch die Anordnung der Homilien geändert: bei den Jeremiashomilien können wir an dem erhaltenen griechischen Original seine Übersetzungsart gut studieren (vgl. Klostermanns Ausgabe: Orig. Bd. III 1901 S. XVIff.). Die Übersetzung der Isaiashomilien des Origenes (Vall. IV 1097) wird in vir. inl. 135 nicht erwähnt: ihre gelegentlich bezweifelte Echtheit verbürgt Rufin. apol. II 27. Weiterhin hat H. noch vor 392 Homilien desselben Meisters über das Hohelied (Vall. III 449) und über Lucas übersetzt (Vall. VII 245), die uns das verlorene Original ersetzen müssen. Seine Übersetzung von Didymus de spiritu sancto (Original verloren) ist auf Veranlassung des Damasus begonnen (praef.) und in Bethlehem vor 392 vollendet (Vall. II 105).

Die eigene produktive Gelehrtentätigkeit beginnt aber für H. erst mit dem J. 386, d. h. der Niederlassung in Bethlehem. Zunächst entstanden schnell hintereinander auf Veranlassung von Paula und Eustochium (praef. com. Gal. und Eph.) die Kommentare zu den Briefen an Philemon, Galater, Epheser, Titus (Vall. VII): in dieser Reihenfolge, wie die Vorreden lehren, und wohl sicher noch im J. 386 (Grützmacher I 61f.). Die eilig diktierten Arbeiten (per singulos dies usque ad numerum mille versuum praef. com. Eph. II) sind mit immer mehr wachsender Flüchtigkeit hingeworfen und basieren durchaus auf griechischen Quellen, vornehmlich auf Origenes, den H. selbst als hauptsächlichen Gewährsmann bezeichnet (praef. com. Gal. Eph. I). Zahn ist – bisher als einziger – den Quellen nachgegangen und hat die Origenesfragmente mit dem Text des H. verglichen (Gesch. d. neut. Kanons II 427, 2, vgl. Klostermann Texte und Untersuchungen herausg. von Gebhardt und Harnack Neue Folge I 3, 64): sonst ist hier (wie auch sonst bei H. Kommentaren) noch alles zu tun. Die neueren Biographen des H. sind an der Arbeit, die griechischen Fragmente zu vergleichen, vorbeigegangen. Über ein Jahrzehnt verging, ehe H. wieder einen größeren neutestamentlichen Kommentar schrieb: als der Presbyter Eusebius von [1576] Cremona im Frühjahr 398 (vgl. Vallarsis Vorrede zum Mat. com.) von Bethlehem nach Rom reiste, hat H. ihm auf sein Bitten eine historica interpretatio zu Matthäus geschrieben, freilich in duabus hebdomadibus imminente iam pascha (praef.): auf Grund welcher Quellen bleibt noch zu untersuchen, über Origenes Zahn Forschungen II 275ff., vgl. 88ff. Vgl. auch Loeschcke Die Vaterunsererklärung des Theophilus v. Antiochien 1908, 37ff. 46. Reichliche Benützung des Apollinaris v. Laodicea, wie sie A. Schmidtke Neue Fragm. u. Unters. zu d. judenchristl. Evgl. [Texte u. Unters. 37, 1] 80f. annimmt, wird durch die Catenenfragmente des Apollinaris nicht bestätigt. Den Apokalypsenkommentar des Victorinus von Pettau hat H. für einen uns unbekannten Anatolius überarbeitet, wie der von Hausleiter entdeckte und Ztschr. f. kirchl. Wissensch. u. kirchl. Leben VII 243, 1 abgedruckte Prolog zeigt. Dieser Text liegt vielleicht in der Maxima Bibl. Patrum III 414ff. abgedruckten ,kürzeren Rezension‘ vor, während die ,längere Rezension‘ (Migne V 317ff.) eine spätere Kompilation ist (Hahn Tyconiusstudien 13. Morin Rev. Bénéd. XX 227).

Gleichzeitig mit den neutestamentlichen Studien hat H. auch seine hebräischen Kenntnisse erweitert und ist zu eigener Produktion auch auf alttestamentlichem Gebiet geschritten. Ein auf Philo zurückgehendes Lexikon der alttestamentlichen Eigennamen hatte Origenes neu bearbeitet und durch die neutestamentlichen Eigennamen vervollständigt. H. hat dies Werk de nominibus hebraicis übersetzt und umgearbeitet (Vall. III 1ff. Neue Ausg. mit dem griechischen Material bei Lagarde Onomastica sacra²; vgl. Zahn Gesch. d. neut. Kanons II 948ff.). Ein Analogon dazu bietet der liber de situ et nominibus locorum Hebraicorum, eine Übersetzung der entsprechenden Schrift des Eusebius (s. o. Bd. VI S. 1434. Ausg. Vall. III 121ff. Lagarde Onom.² und Klostermann in Eusebius III 1, 1904). Selbständiger und deshalb vom Verfasser selbst als opus novum et tam Graecis quam Latinis usque ad id locorum inauditum gepriesen (praef. lib. de nom. Hebr.) ist der gleichzeitig mit den beiden ebengenannten Schriften entstandene liber Hebraicarum quaestionum in Genesin (Vall. III 301ff. Neue Ausg. Lagarde 1868); er enthält kritische und erläuternde Bemerkungen über Urtext und Versionen zu ausgewählten Stellen der Genesis; der in der Vorrede geäußerte Plan, diese Art der Behandlung auf das ganze Alte Testament auszudehnen, ist nicht zur Ausführung gelangt. Dagegen hat H. um diese Zeit (ante hoc ferme quinquennium, cum adhuc Romae essem .... nunc in Bethlehem positus praef., also nach 386) den Prediger Salomonis auf Bitten der während der Ausarbeitung verstorbenen Blaesilla, der Schwester der Paula, erklärt: dieser Comm. in Ecclesiasten (Vall. III 381f.) zieht neben der Weisheit griechischer Erklärer auch die synagogale Tradition heran, die ihm sein hebräischer Lehrer vermittelte: charakteristisch hierfür die Auslegung von 4, 13 (Vall. 424f. Grützmacher II 52ff.). Diese alttestamentlichen Arbeiten liegen sämtlich vor 392 (vir. inl. 135), während die Erklärung dar ersten fünf kleinen Propheten Michaeas Naum Abacuc Sophonias Aggaeus in diesem Jahre entstanden [1577] ist: der Artikel vir. inl. 135 nennt sie am Ende in Form eines Nachtrages während der Publikation und fährt fort: multaque alia de opere prophetali, quae nunc habeo in manibus et necdum expleta sunt. Drei Jahre später, also 385, sind Abdias und Jonas gefolgt (praeff.), im J. 406 (anno sexti consulatus Arcadii Augusti et Anicii Probi praef. com. Amos) brachte er die übrigen kleinen Propheten mit dem Amoskommentar zu Ende (Vall. VI). Auch hier legt er reichlich griechische Quellen zugrunde, in erster Linie Origenes, dessen Kommentar zum Dodekapropheton er in der Bibliothek von Caesarea gefunden hat (vir. inl. 75), aber auch andere, die er in den Vorreden nennt. Quod dicunt, Origenis me volumina compilare, et contaminari non decere veterum scripta: quod illi maledictum vehemens esse existimant, eandem laudem ego maximam duco sagt er im Beginn des zweiten Buches des Michaeaskommentars und gibt damit seine ständige Quelle selbst an: nachprüfen können wir hier leider nicht. Schon die immer wieder betonte Eilfertigkeit der Arbeit (praef. com. Amos lib. III, com. Abdias am Ende, com. Agg. am Ende, praeff. com. Zach. lib. I, II und III) schloß eigene Produktion aus: nur die Hebraei kommen daneben öfter und lehrreich zu Wort (Grützmacher II 118ff. 195ff. III 102ff. M. Rahmer Die hebr. Traditionen in den Werken des H. II 1902).

Bald danach hat sich H. an die Erklärung des großen Propheten gemacht: begonnen hat er mit Daniel (vgl. praef.), bei dessen grundsätzlich nur ea quae obscura sunt berücksichtigenden und daher etwas knapperen Auslegung er nicht allein dem Origenes folgen konnte, da von diesem kein vollständiger Kommentar vorlag. Zudem war durch Porphyrius, der das Buch Daniel unter Antiochus Epiphanes verfaßt sein ließ, ein neues Thema aufgeworfen, das H. nach Eusebius, Apollinaris und Methodios von Olympos eingehend behandelt (Vall. V 617ff. Grützmacher III 164ff. Lataix Rev. d’hist. et de la litt. rélig. II 164ff. 268ff.). Dagegen ist der um 408 entstandene (praef. lib. XI erwähnt, daß der zu Dan. 3, 40 indirekt mit den Worten gentium barbararum indigemus auxilio erwähnte Vandale Stilicho gestorben ist: 23. Aug. 408) Kommentar zu Isaias überaus breit angelegt (Vall. IV): eine kurze Erklärung der Kap. 13–23, die er 397 geschrieben hatte (vgl. ep. 71, 7. Grützmacher I 66), fügt er als Buch V ein, erklärt aber dann in Buch VI und VII dieselben Kapitel nochmals allegorisch. Als Quellen nennt er Victorinus, Origenes, Eusebius (o. Bd. VI S. 1436), Didymus und Apollinaris. Es folgte der Ezechielkommentar, nach dem römischen Gotensturm 410 begonnen (praef. lib. I) und bald nach 414 (epist. 130, 2, vgl. zu c. 41, 13ff. Grützmacher I 93. 90) beendet. Quellen nennt er diesmal nicht in der Vorrede. Die Praefatio des XIV. Buches kündigt die Absicht an, nach Vollendung des Ezechiel auch den Jeremias zu kommentieren, qui unus nobis remanet prophetarum. Diese Arbeit ist jedoch nur bis cap. 32 gediehen: dann hat sie wohl der Tod unterbrochen.

Neben diesen größeren exegetischen Werken sind uns in der Briefsammlung des H. zahlreiche kleinere Abhandlungen zu einzelnen Stellen oder über spezielle Probleme erhalten: über alttestamentliche [1578] vgl. ep. 18. 25. 26. 28. 29. 30. 36. 37. 64. 65. 72. 73. 74. 78. 129. 140, vor allem die für die Textkritik des Psalters grundlegende ep. 106 an die beiden Goten Sunja und Frithila (A. Rahlfs Septuagintastudien II 134ff. 170f. Kaufmann Ztschr. f. deutsche Philol. XXXII 305ff. XLIII 118ff. J. Mühlau Zur Frage nach d. got. Psalmenübers., Kiel Diss. 1904. Dräseke Ztschr. f. wiss. Theol. L 107ff. Grützmacher III 221ff. Jülicher Ztschr. f. deutsches Altertum LII 365ff. und LIII 369ff.). Über neutestamentliche Fragen handeln ep. 19. 20. 21. 42. 55. 59. 119. 120. 121. Einen kurzen, auf Origenes basierten Psalterkommentar hat G. Morin entdeckt und in den Anecdota Maredsolana III 1 (1895) herausgegeben. Bald darauf folgte die Entdeckung von ziemlich umfangreichen exegetischen Predigten zu 59 Psalmen und einer Reihe von Predigten zu Marcus, je einer zu Luc. 16, 19ff., dem Johannesprolog und mehreren Homilien nicht exegetischer Natur: Morin Anecd. Mareds. III 2 (1897), vgl. Revue d’hist. et de littérat. rélig. I (1896) 393ff. Weitere 15 Psalmentraktate sind ediert bei Morin Anecd. Mareds. III 3: über sie Pease Journal of Bibl. Lit. XXVI 107ff. Rev. Bénéd. XXVI 467ff. Die in Anecd. Mareds. III 3 S. 122ff. edierten griechischen Kommentarfragmente zum Psalter gehören nicht unserm H. an; vgl. A. Ehrhard Die altchristl. Lit. 1884–1900, 356. J. K. Waldis Hieronymi Graeca in Psalmos fragmenta = Alttest. Abh., herausg. von Nikel I 3. 1908. Morin Rev. Bénéd. 1907, 110f.

An den theologischen Streitigkeiten seiner Zeit hat H. mehrfach teilgenommen: zunächst ergriff er auf Veranlassung seiner Freunde die Feder, um das asketische Ideal gegen einen sonst nur noch bei Gennadius vir. inl. 33 (vgl. Czapla Gennadius 71f.) erwähnten Helvidius zu verteidigen (über ihn und die folgenden Gegner des H. s. Walch Hist. d. Kezereien III 585ff.). Der hatte behauptet, Maria habe auch dem Joseph Kinder geboren, welche die Schrift Jesu Brüder nenne. Dem stellt H. die in der katholischen Kirche üblich gewordene Auffassung der fraires Iesu entgegen und verteidigt generell den Vorzug der Virginität vor dem ehelichen Leben (vgl. Th. Zahn Forschungen VI 320ff.). Die Schrift ist in urbe (§ 16 Mitte) und nach ep. 49 (48 Vall.), 18 dum adviveret sanctae memoriae Damasus verfaßt, also zwischen 382 und 384. In noch weiterem Umfang hatte der Mönch Iovinian (vgl. Gennadius vir. inl. 75 [76]) in Rom die Verdienstlichkeit der Virginität, des Fastens bestritten und die Gleichheit des himmlischen Lohnes für alle Gerechten betont: er war in Rom und Mailand (c. 390) exkommuniziert worden (vgl. Siricius epist. an Ambrosius und dessen Antwort epist. 42, beide bei Ambros. ed. Bened. p. 963ff.). Die Widerlegung durch H. umfaßt zwei Bücher (dazu vgl. ep. 48f.) und ist bald nach 392 (vgl. I 26 und vir. inl. 135, siehe den Apparat am Ende! praef. com. Jonae) geschrieben. Über die von ihm benutzten profanen scriptores de matrimonio handeln Bock Aristoteles, Plutarchus, Seneca de matrimonio, Leipz. Stud. XIX 6 und Prächter Hierokles 122. Einen dritten Bestreiter mönchischer Ideale, dazu des Priesterzölibats und des Reliquien- und Märtyrerkultus [1579] in seinen mannigfachen Formen, den gallischen Priester Vigilantius (s. Gennadius vir. inl. 35 [36] mit Czaplas Kommentar), hat H. im J. 406 in einer Streitschrift bekämpft, nachdem er im J. 404 schon epist. 109 gegen ihn gerichtet hatte (Grützmacher I 71). Derselbe Mann hatte sich schon früher den Unwillen des H. zugezogen durch die Behauptung, dieser sei ein Verehrer des Origenes: dagegen protestiert ep. 61. Während nämlich bis 394 H. unbedenklich den Origenes als seinen Meister angesehen und seine literarische Produktion wesentlich auf den Werken dieses Fürsten unter den griechischen Theologen aufgebaut hatte, kam durch das Auftreten des Bischofs Epiphanius von Salamis auf Cypern (o. Bd. VI S. 194; Näheres bei Grützmacher III 1ff. Walch Historie d. Kezereien VII 442ff.) gegen den Bischof Johannes von Jerusalem ein völliger Umschwung zustande. Während der bisherige Intimus des H., Rufinus, dem Origenes die Treue hielt, sah H. die kommende dogmengeschichtliche Entwicklung richtig voraus und trat auf die Seite der siegenden Partei. Gegen Johannes von Jerusalem wurde 399 eine Streitschrift gerichtet (vgl. auch ep. 82); doch entbrannte der Kampf in voller Leidenschaftlichkeit erst, als Rufin (s. d.) nach Aquileia zurückgekehrt war und das dogmatische Hauptwerk des Origenes, περὶ ἀρχῶν, ins Lateinische übersetzt hatte: in der Vorrede dazu war H. als Förderer des Origenesstudiums gepriesen, und auch für die Beseitigung dogmatischer Anstöße bei der Übersetzung berief sich Rufin auf das Vorbild des H. Kaum hatte dieser durch seine Freunde Pammachius und Oceanus aus Rom Nachricht von diesen Dingen (ep. 83) erhalten, da eröffnete er auch schon den literarischen Feldzug gegen seinen einstigen Freund (ep. 84. 81) und gab nun selbst eine getreue Übersetzung des ketzerischen Werkes: sie ist uns verloren, nur Bruchstücke (freilich der wichtigsten Partien) stehen in ep. 124. Die eigentliche Streitschrift, die apologia adversus libros Rufini in drei Büchern, erschien, als dieser seiner eigenen Apologie noch zwei Bücher Invectivarum hatte folgen lassen (402–403). Mit diesem Streit hängt auch die Übersetzung der antiorigenistischen Osterbriefe des Theophilus von Alexandria (ep. 96. 98. 100) zusammen. Im J. 415 hat H. auch gegen Pelagius, der sich an Johannes von Jerusalem angeschlossen hatte, die Waffen gekehrt (vgl. ep. 133) in dem drei Bücher umfassenden Dialogus adv. Pelagianos, in welchem der Pelagianer Critobulus von dem Orthodoxen Atticus widerlegt wird (Grützmacher III 257ff.). Schon vor 392 hatte H. die dialogische Form für die Altercatio Luciferiani et Orthodoxi verwendet. Die sämtlichen Streitschriften des H. sind in Bd. II Vall. vereinigt: sie haben in der Weltliteratur ihren besonderen Platz als klassische Dokumente jener Art der Polemik, der jede Vornehmheit, Ritterlichkeit und Wahrheitsliebe fremd ist, die sachliche Gründe mit moralischen Verdächtigungen und persönlichen Beschimpfungen zu beantworten kein Bedenken trägt, und welche unbequeme Einwände des Gegners übertreibt und verdreht, um sie leichter bekämpfen oder lächerlich machen zu können.

Zu den frühesten Denkmälern seiner asketischen [1580] Schriftstellerei gehören die drei Mönchsleben: die vita Pauli stammt aus der ersten Zeit des Aufenthalts in der chalkischen Wüste (Grützmacher I 54f.), die vitae Malchi und Hilarionis sind noch vor 392 entstanden (vir. inl. 135. Vall. II 1ff.). Ihre Bedeutung liegt nicht in dem eventuellen, selbst im günstigsten Falle höchst mageren ,historischen Kern‘, sondern ausschließlich in der literarischen Form. Unter dem Eindruck der Antoniusbiographie des Athanasios hat H. mit beträchtlichem Geschick die Mittel der antiken Wundererzählung (Aretalogie) zur Schöpfung christlicher Mönchsromane verwertet und sein Vorbild nach jeder Richtung zu überbieten gestrebt (R. Reitzenstein Hellenist. Wundererzählungen 62f. 80ff.; anders Grützmacher II 84ff., wo auch weitere Lit. Schanz 395). Klarer tritt der asketische Zweck zutage in der Übersetzung der Klosterregel und Briefe des Pachomius u. a. (Vall. II 53ff.), welche er einige Zeit nach dem Tode der Paula († 404) als Muster für seine Mönchs- und Nonnenkolonie in Bethlehem anfertigte (Grützmacher III 138ff.). Auch eine Reihe von Briefen nähern sich, wenn auch in verschiedenem Grade, der Form der asketischen Abhandlung: ep. 14. 52. 58. 66. 122. 125 sind an Männer, ep. 22. 43. 46. 130 an Frauen gerichtet; das Witwenideal behandeln ep. 54. 79. 123, die Erziehung junger Mädchen zu Nonnen ep. 107. 128.

Das Briefkorpus des H. umfaßt in 150 Nummern eine Fülle von Stoffen. Eine nicht geringe Zahl rein persönlicher Briefe, überwiegend die mit einem Seitenblick auf die Öffentlichkeit geschriebenen oder gleich für die Öffentlichkeit bestimmten Schreiben. Das Glanzstück ist wohl die für beide Männer gleich charakteristische Korrespondenz mit Augustin (ep. 56. 67. 101–105. 110–112. 115. 116. 126. 131. 132. 134. 141–143, dazu vgl. J. A. Möhler Ges. Schriften I 1ff. Overbeck Über die Auffassung des Streites des Paulus mit Petrus 1877). Exegetische Probleme berühren viele Briefe, vornehmlich oder gelegentlich (s. o. S. 1577); de optimo genere interpretandi handelt ep. 57, de studio scripturarum ep. 53 und über die Verwertung profaner Literatur ep. 70. Trostbriefe sind ep. 38. 75. 118, die Briefe 39. 66 und 77 gehen schon in die Form des Nekrologs über, den ep. 60 (Nepotianus), 108 (Paula) und 127 (Marcella) voll entwickelt zeigen (vgl. P. Winter Die Nekrologe des H., Progr. Zittau 1907). Im Wiener Korpus Bd. 54 hat J. Hilberg (1910) mit der Neuherausgabe der Briefe (bis jetzt ep. 1–70) begonnen.

Der in Rom (also 382–385) geschriebene Brief 33 an Paula hat die Tendenz, zu zeigen, daß der Christ Origenes an Bedeutung selbst die fruchtbarsten Schriftsteller der profanen Literatur übertrifft: zu diesem Zweck zählt er die Werke Varros auf und bringt den Index der opera Origenis zum Vergleich dahinter (Text lange nur fragmentarisch erhalten: zuerst kam die Varroliste zum Vorschein, s. F. Ritschl Opusc. III 419ff. 506ff., dann die des Origenes, E. Klostermann S.-Ber. Akad. Berl. 1897, 855ff., jetzt vollständig in Hilbergs Ausgabe). Etwa ein Jahrzehnt später, im J. 392 (o. S. 1568 und praef.) hat er auf Anregung eines vornehmen Mannes namens Dexter (o. Bd. V S. 297 Nr. 11) das zugrunde liegende [1581] Thema in weitestem Umfange behandelt in dem Büchlein de viris inlustribus, das mit dem Suetonischen Vorbilde auch den Titel gemein hat. Durch eine Vorführung der großen Schar christlicher Autoren sollen die Heiden lernen, daß sie desinant fidem nostram rusticae tantum simplicitatis arguere. In der ersten Hälfte (1–78) ist es wesentlich ein liederlicher Auszug der literarischen Notizen aus Eusebs Kirchengeschichte, in der zweiten (79–135) gibt H. seine eigenen eilfertig zusammengestellten Kenntnisse. Eine brauchbare Quellenanalyse mit Kommentar bei v. Sychowski H. als Literarhistoriker (= Kirchengesch. Studien hrsg. v. Knöpfler u. a. II 2, 1894), für c. 1–78 Bernoulli Der Schriftstellerkatalog des H. 1895. Th. Zahn Forschungen II 9f. Handausgabe von Bernoulli in Krügers Sammlung von Quellenschriften I 11, 1895. Der Versuch Richardsons (Texte u. Unters. hrsg. v. Gebhardt u. Harnack XIV 1, 1896), durch Klassifizierung und Filiation eines riesenhaften handschriftlichen Materials den Urtext zu gewinnen, ist gescheitert. Entscheidende Beobachtungen gibt v. Gebhardt XXIff. (ebd.) in der Vorrede zur Ausgabe der griechischen Übersetzung des Büchleins (über sie vgl. Wentzel Texte u. Unters. XIII 3. Schanz 407f.). Über die Fortsetzung dieses Werkes durch Gennadius s. o. Bd. VII S. 1171f.

Die erste brauchbare Ausgabe des H. ist die der Mauriner Martianay und Pouget, Paris 1693–1706 (5 Bde. Fol.). Diese wurde revidiert und ergänzt (vornehmlich durch Zufügung der dort fehlenden Übersetzungswerke) durch Vallarsi, Verona 1734–1742 (11 Bde. Fol.): nach ihr muß einstweilen noch zitiert werden. Sie ist nachgedruckt Venedig 1766–1772 und bei Migne Lat. XXII–XXX. Biographien von Zöckler 1865 (veraltet) und G. Grützmacher 3 Bde. 1901–1908 = Studien z. Gesch. d. Theol. u. Kirche, hrsg. v. Bonwetsch-Seeberg VI 3. X (geschickt geschrieben, aber mehr in die Breite, als in die Tiefe gehend). Gut orientiert M. Schanz Gesch. d. röm. Lit. IV 387ff. Über das Martyrologium Hieronymianum s. den Art. Martyrologien.
[Lietzmann.]

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