Heterodoxia. Die Andersgläubigkeit im Gegensatz zur staatlich geregelten Orthodoxie; vgl. den Art. Haeresis; die Feststellung des richtigen und allgemeinen Christentums erfolgt nach der Auffassung des Staats durch den Kaiser; sie erfolgt meist auf dem Wege, daß der Kaiser unter Zustimmung der Vertreter der Kirche (Bischofsversammlungen) die Lehrmeinung irgend einer Sekte als irrig bezeichnet. Urheber und Anhänger der Irrlehre werden aus der allgemeinen Kirche ausgeschlossen. Die Abweichung vom richtigen Glauben erscheint nicht nur als eine Verletzung Gottes, sondern auch als Angriff auf den Staat, Valent. Theod. Arcad. Cod. Theod. XVI 4, 3 (392). Arcad. Theod. Honor. Cod. Theod. XVI 5, 40, 1 (407): volumus publicum crimen esse, quia, quod in religione divina committitur, in omnium fertur iniuriam. Seitdem das Christentum zur Staatsreligion geworden ist, hat der staatliche Ausschluß aus dem offiziellen Christentum auch Rechtsnachteile für den Ausgeschlossenen zur Folge. Sie bestehen in der Regel in Ehren- und Vermögensfolgen (Infamie, Unfähigkeit zu Ämtern, Verlust von Testier- und Erbfähigkeit, Konfiskation des Vermögens); dazu können verschiedene Formen der Aufenthaltsbeschränkung treten, vereinzelt wird auch Todesstrafe angedroht. Mit [1381] schweren Strafen wird namentlich gegen diejenigen Andersgläubigen vorgegangen, die ihre irrige und vom Staat mißbilligte Meinung durch Lehrvorträge verbreiten, Weihen vornehmen und Versammlungen abhalten, ebenso gegen Personen, die durch Gewährung von Versammlungslokalitäten die Propaganda heterodoxer Sekten erleichtern. Gegen einzelne Sekten (Manichäer, Montanisten), deren Tätigkeit als erhebliche Gefährdung des öffentlichen Friedens erschien, wurde mit besonderer Strenge eingeschritten. Die planmäßige Verfolgung der Ketzer beginnt mit Theodosius d. Gr. Quellenmaterial: Der umfangreiche Titel des Cod. Theod. XVI 5, dazu Nov. Theod. II 3. Nov. Val. III 17. Cod. Iust. I 5. Literatur: J. Gothofredus Ausgabe des Cod. Theod. Paratitlon zu XVI 5 (VI 116–122). E. Plattner Quaestiones de jure criminum Romano (1842) 252–264. E. Löning Geschichte des deutschen Kirchenrechts I 95ff. Th. Mommsen R. Strafrecht 595ff.
[Hitzig.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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