7) Sohn des Hamilkar Barkas, jüngerer Bruder des großen Hannibal, ward von diesem, als er im Frühjahr 218 nach Italien zog, mit rund 15 000 Mann als Höchstkommandierender in Spanien zurückgelassen (Polyb. III 33, 6. Liv. XXI 22, 1-4). Auf die Nachricht von der Niederlage, die der Praefect der neueroberten Ebroprovinz, Hanno, durch Cn. Scipio erlitten hatte, eilte er sofort herbei, überschritt den Ebro und brachte den plündernden Römern eine Schlappe bei, ging aber dann in die Winterquartiere nach Neukarthago zurück (Polyb. III 76, 8-12. Liv. XXI 61, 2-3); nach Liv. XXI 61, 5 soll er noch einmal über den Ebro gegangen, aber von Cn. Scipio zurückgewiesen worden sein, was nicht sehr wahrscheinlich ist. Im Sommer 217 rückte er gleichzeitig mit der von Hamilkar befehligten Flotte und dem Landheer bis zur Ebromündung vor, wo die Flotte von Cn. Scipio angegriffen und im Angesicht des Landheers geschlagen ward (Polyb. III 95, 1 – 96, 6. Liv. XXII 19, 1 – 20, 2); auch hier fügt Liv. XXII 20, 3–12 etwas Besonderes an, einen Raubzug der römischen Flotte an der Küste bis Neukarthago herunter. Inzwischen hatte H. durch iberische Völkerschaften verstärkt, den Ebroübergang gegen das römische Landheer erzwungen, indessen ward er durch einen Aufstand der Celtiberer zurückgerufen, bei dem er starke Verluste erlitt (angeblich 15 000 Tote, 4000 Gefangene nach Liv. XXII 21. 1–8). Nachdem dann im Laufe des Sommers P. Scipio mit Verstärkungen von Rom angelangt war, überschritten beide Brüder den Ebro und gelangten bis Sagunt, wo ihnen der Verrat des Spaniers Abilux und die Vertrauensseligkeit des Kommandanten Bostar sämtliche dort von Hannibal internierten spanischen Geiseln in die Hand spielte (Polyb. III 97, 1-99, 9. Liv. XXII 22, 1–2); infolge ihrer Rücksendung begann die Treue der Spanier zu wanken. Im J. 216 erhielt H. Verstärkungen aus Karthago (4000 Mann und 1000 Reiter, Liv. XXII 26, 2) und unterwarf zunächst die aufständischen Tartessier an der Mündung des Guadalquivir. Dem Befehl der Behörden in Karthago, er solle seinem Bruder in Italien zu Hilfe kommen, weigerte er sich, Folge zu leisten, mit der Begründung, daß dann Spanien [2471] an die Scipionen verloren ginge. Erst als Himilkon mit einem neuen Heere ankam, übergab er diesem die Provinz und machte sich nunmehr nach Italien auf, ward aber von den Scipionen am Ebro geschlagen (Liv. XXIII 27, 9–28, 6. 29, 1–11). Im folgenden J. 215 langten abermals bedeutende, ursprünglich für Hannibal bestimmte Verstärkungen unter H.s Bruder Mago in Spanien an (nach Liv. XXIII 32, 5–11 waren es 12 000 Mann und 1500 Reiter); trotzdem ward H. abermals bei Illiturgi (offenbar in der Nähe des Ebro gelegen) und Intibili von den Scipionen besiegt (Liv. XXIII 49, 5–14 mit fabelhaften Verlustangaben). Auch im J. 214 stand er noch in Spanien und erfocht, wie es scheint, im Anfang des Jahres mit seinem Bruder Mago einen großen Sieg über aufständische Spanier (Liv. XXIV 41, 1); da aber im weiteren Verlauf des Krieges neben Mago nur noch H., Sohn des Geskon, erscheint (Liv. XXIV 41, 2-42 Ende), so muß man annehmen, daß H. ziemlich im Frühsommer 214 nach Afrika zurückberufen ward, wo Karthago in einen schweren Krieg gegen Syphax von Numidien verwickelt war (Liv. XXIV 48, 2. Appian. Iber. 15). Mit Hilfe des Massinissa besiegte er Syphax und ging dann mit bedeutenden Verstärkungen nach Spanien zurück (Appian. Iber. 16), wo inzwischen sein Bruder Mago und Hasdrubal, Geskons Sohn, von den Scipionen bis nach Andalusien zurückgedrängt worden waren (Liv. XXIV 41f.). Im Frühsommer 212 stand er mit seinem Heere bei Antorgis, als er von Cn. Scipio angegriffen ward; doch gelang es ihm, die Celtiberer Scipio abspenstig zu machen, worauf dieser sich zurückziehen mußte (Liv. XXV 32. 33). H. folgte ihm unmittelbar auf dem Fuße, zog Mago und Hasdrubal, Sohn des Geskon, die inzwischen P. Scipio besiegt und getötet hatten (Liv. XXXI 34), an sich heran und zwang die Römer zu einer zweiten Schlacht, in der auch Cn. Scipio fiel (octavo anno, postquam in Hispaniam venerat, Liv. XXV 35–36, was aber insofern nicht stimmt, als er selber die Ereignisse unter dem Sommer 212 bringt; wahrscheinlich fallen sie in das J. 211). Darauf fiel Spanien den Karthagern zu; nur die Ebrolinie ward von den Römern behauptet, bis im Sommer 211 neue Truppen unter Claudius Nero anlangten. Diesem gelang es, H. zwischen Illiturgi und Mentissa (wahrscheinlich in der Sierra Morena) einzuschließen, aber durch eine List wußte sich dieser zu befreien und bezog Winterquartiere bei Sagunt (Liv. XXVI 17. 20). Im folgenden J. 210 scheinen die drei Feldherren Spanien wieder erobert zu haben, wobei sie nach Polyb. IX 36 törichterweise mit großer Härte vorgingen; als Scipio Spätsommer 210 in Spanien ankam, war H. damit beschäftigt, eine Stadt der Carpetaner zu belagern (also recht in der Mitte der Halbinsel Polyb. X 7, 5). Um dieselbe Zeit wurden in Karthago bedeutende Verstärkungen mobil gemacht, mit denen er Hannibal zu Hilfe ziehen wollte (Liv. XXVII 5. 7). Nach dem Fall von Neukarthago (209) scheint H. sich zunächst ruhig verhalten und die Ankunft der Verstärkungen abgewartet zu haben: erst im Frühsommer 208 setzte er sich von Andalusien aus in Bewegung. Bei Baecula (heute Baylén) von Scipio angegriffen, erzwang er mit schweren Verlusten den Durchzug [2472] (Polyb. X 38f. Liv. XXVII 18f. der alle diese Sachen unter 209 erzählt). Darauf ging Scipio in die Winterquartiere (Polyb. X 40, 2. Liv. XXVII 20), während H. sich mit den beiden Feldherrn vereinigte und ihnen seinen Entschluß kundtat, auch gegen den Willen der Behörden, nach Italien zu gehen. Beide billigten den Plan und stellten ihm ihre besten Truppen zur Verfügung (Liv. XXVII 20). Mit diesen überschritt H. noch in demselben Jahre die Pyrenäen, wie es scheint im Westen (Appian. Iber. 28), während Scipios Truppen (Liv. XXVII 20) ihn wohl an der Ostseite erwarteten.
Quellen: Die zusammenhängende Erzählung des Livius in den Büchern XXI–XXVII bildet den Grundstock, dazu kommen einzelne Bruchstücke des Polybios und Appian in den Hiberika. Livius benutzt hier eine stark römerfreundlich gefärbte Darstellung (vgl. bes. Liv. XXIV 41. 42, wo die karthagischen Feldherrn rund 40 000 Mann in kürzester Zeit verlieren, und vor allem die Heldentaten des L. Marcius XXV 37-39, wo er auch seine Quellen Claudius Quadrigarius, Valerius Antias, Piso namhaft macht). Leider ist er dabei mit der Chronologie in die Brüche gekommen, von 212–209 sind fast alle Ereignisse ein Jahr herabzurücken. Den Anlaß gaben wahrscheinlich die Liv. XXIV 41. 42 erzählten Kämpfe, die sich tatsächlich wohl über zwei bis drei Jahre verteilten, aber künstlich zusammengeschoben einen großartigeren Eindruck machen sollen. Von neueren Darstellungen vgl. Neumann-Faltin Das Zeitalter der punischen Kriege 322f. 383f. 397f. 413f. 435. 455–462. H. Genzken De rebus a P. et Cn. Corneliis Scipionibus in Hispania gestis, Göttingen 1879. Frentz Die Kriege der Scipionen in Spanien. Münch. 1883. Soltau Herm. XXVI 408ff. Jumpertz Der röm.-karthagische Krieg in Spanien, Diss. Leipzig 1892.
Den Winter von 208/7 brachte H. in Südgallien zu, wahrscheinlich lagen seine Winterquartiere am Nordrand der Pyrenäen, im Garonnegebiet. Im Frühjahr brach er auf und zog am Gebiet der Arverner (Liv. XXVII 39) vorbei, vermutlich südlich zwischen Pyrenäen und Cevennen (Lehmann Die Angriffe der drei Barkiden 194ff., nicht etwa durch Mittelgallien, wie andere annehmen, den Alpen zu, die er in der ersten Aprilhälfte (Lehmann 196ff.) nach Liv. XXVII 39. Appian. Hann. 51 auf demselben Wege wie sein Bruder, nach Varro (Serv. Aen. X 13) auf einem andern überschritt. Der Übergang ging trotz der frühen Jahreszeit bedeutend schneller und einfacher von statten, wie seinerzeit bei Hannibal (Liv. XXVII 39. Polyb. XI 1, 1). In der Poebene angelangt, belagerte H. zunächst Placentia, was ihm Liv. XXVII 39, 2ff. als Fehler anrechnet; indes kam es ihm wohl nur darauf an, während des Aufenthalts in der Poebene, den er notwendig brauchte, um durch Werbungen sein Heer zu verstärken, nebenher noch irgend ein unter Umständen vorteilhaftes Unternehmen zu beginnen (so richtig Lehmann 203). Nach einem Monat etwa hob er die Belagerung auf und rückte nunmehr, nachdem er sechs Boten an seinen Bruder mit der Nachricht seines Vormarsches abgesandt hatte (Liv. XXVII 43), südwärts vor, um die Via Flaminia zu gewinnen, auf der er nach Mittelitalien [2473] vorrücken wollte. Bei Sena, wahrscheinlich etwa 18 km vor der Stadt bei dem späteren Forum Fortunae, wo die Via Flaminia von der Küstenstraße abzweigt, traf er auf den Consul Livius Salinator, der hier mit überlegenen Kräften Posto gefaßt hatte, um beide Straßen zu decken (so richtig Lehmann 212 nach Dodge Hannibal, Boston 1891, 535). Hier wartete er zunächst Nachrichten von Hannibal ab (Zonar. IX 9. 432 e), was Claudius Nero Gelegenheit gab, seinem Kollegen zu Hilfe zu kommen (vgl. o. den Art. Hannibal S. 2341). Als H. merkte, daß ihm beide Consuln gegenüberstanden, suchte er der Schlacht auszuweichen und zog in der Nacht, um ihnen auf der Via Flaminia voraufzukommen, den Metaurus aufwärts. Allein er wurde von den Consuln eingeholt und zur Schlacht gezwungen; von der Übermacht überwältigt, suchte und fand er den Tod.
Quellen: In erster Linie wieder der zusammenhängende Bericht des Livius in XXVII 39–51, dem Zonar. IX 9. 432 e - 433 d einige besondere Züge hinzufügt, dazu kommt für den Kampf selbst ein wertvolles Bruchstück bei Polyb. XI 1, 2ff. Appian. Hann. 52 ist wertlos, teilt aber mit Livius und Zonaras die Tendenz, den Sieg am Metaurus als eine vollständige Vergeltung für die Schlacht von Cannae darzustellen, daher die ganz ungeheuren Verlustzahlen. Das Richtige wird Polyb. XI 3, 3 haben, der alles in allem 10 000 Tote angibt; mehr als 15 000 Mann hatte H. vermutlich überhaupt nicht. Der Ort der Schlacht ist wahrscheinlich etwas oberhalb von Fossombrone in dem ziemlich engen Metaurustal zu suchen; die Zeit scheint bei Ovid. fast. VI 770 (24. Juni) ziemlich richtig angegeben zu sein. Vgl. über alle einschlägigen Fragen das grundlegende Werk Konr. Lehmanns Die Angriffe der drei Barkiden auf Italien, Leipzig 1905, 190–283, das auch über die gesamte Literatur orientiert. Hervorzuheben daraus ist Raim. Oehler Der letzte Feldzug des Barkiden Hasdrubal und die Schlacht am Metaurus (Berl. Stud. für klass. Philol. und Archaeol. N. F. II 1), Berlin 1897.
Über H.s Feldherrngeschick herrschte im Altertum übereinstimmend die Meinung, daß er seinem Bruder zwar keineswegs ebenbürtig, aber doch von hervorragender Tüchtigkeit war (Polyb. XI 2, 1–10. Diod. XXVI 24, 1–2; auch Livius vergißt das nicht hervorzuheben c. 49). Seine Niederlagen in Spanien schreibt Polybios hauptsächlich der Untüchtigkeit der anderen Führer zu, was richtig ist; denn bis zu H.s Abberufung nach Afrika waren die Römer nicht weit über den Ebro hinausgekommen, und erst in seiner Abwesenheit gelang es ihnen, bis zum Guadalquivir vorzudringen. Allein sofort mit seiner Rückkehr gingen sämtliche Eroberungen der Römer verloren; Scipio mußte, als er 210 in Spanien antrat, wieder beim Ebro beginnen. Besonders hervorragend muß H. als Organisator gewesen sein; auch nach schweren Niederlagen vermochte er stets von neuem das Feld zu behaupten. Schließlich erlag er einer Reihe von unglücklichen Zufällen und einer mehr als doppelt so großen Übermacht.
[Lenschau.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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